DAUERTEST
Intro: So machen wir das Ja, ich weiß, die Ergebnisse unseres Dauertests kommen relativ spät, doch dies liegt daran, dass wir uns diesmal besonders viel Zeit gelassen haben. Zum einen, weil wir euch möglichst viel Input geben wollten, und zum anderen, weil wir wussten, dass das <strong>2014</strong>er Nachfolgemodell technologisch nahezu identisch aufgebaut ist. Die hier mitgeteilten Erfahrungen und Ratschläge sind also auch nahezu 1:1 auf die <strong>2014</strong>er Beta RR 350 4-T übertragbar! Ist jene doch, bis auf die modifizierten Federungskomponenten und kleineren Modellpflegemaßnahmen, quasi baugleich mit der hier getesteten 2013er Variante! Die Berichterstattung über diesen Dauertest haben wir übrigens auf zwei Teile ausgelegt. In Teil 1 werden wir in üblicher Testpraxis die Performance des Serienmotorrades bewerten. In Teil 2 stellen wir potenzielle Schwachstellen dar und werden diese dann gezielt mit Produkten aus der Zubehörindustrie und Veränderungen des Grundsetups beheben. Dabei legen wir bewusst den Fokus auf sinnvolle und effektive Produkte mit möglichst gutem Preis/Leistungsverhältnis. Also keine Titan- Schraubensätze, nix Bling Bling und null Sitzbankheizung…! Im dritten und finalen Part unserer Berichterstattung ziehen wir dann unser Fazit aus vier Monaten „leben“ mit der RR 350. Und mit „leben“ meinen wir natürlich nicht nur ins Wohnzimmer stellen und angucken, sondern raus zur <strong>Enduro</strong>wanderung in die Pampa, rauf auf die Crosspiste zum Abrocken und rein in die französische <strong>Enduro</strong>meisterschaft! Teil 1: Der Stand der Dinge Die waren Erster! Wir haben in unseren Berichten schon häufig darauf hingewiesen, dass Beta 2011 die erste 350er Sportenduro moderner Machart einem verblüfften Pressekorps vorstellte. Dies war nicht nur ein medialer Coup, sondern bietet dem italienischen Hersteller seither einen veritablen Erfahrungsvorsprung. Folgerichtig präsentiert sich die 2013er RR 350 als klug weiterentwickeltes, wohlausbalanciertes, kurzum ausgereiftes Modell. Schon die erste Sitzprobe im Sattel vermittelt da eine haptische Vorschau auf den kommenden Fahreindruck – alle ergonomischen Bezugspunkte wirken ausgewogen platziert, man kann sich auf Anhieb „wie zu Hause“ fühlen. Allerdings fällt schon beim Rangieren im Hof oder in der Garage auf, dass der Lenkeinschlag relativ stark begrenzt ist und die RR 350 optisch leichter daherkommt, als sie es tatsächlich ist. Später, draußen in der Pampa, tritt die RR 350 dann zwar keinesfalls behäbig auf, doch die quirlige Agilität eines Terriers ist ihre Sache nicht. Die Sahneseite des Chassis ist und bleibt Beta RR 350 4-T „MCE Edition“ im Stand: So viel Pimping darf sein! also die souveräne Fahrstabilität, die sich auch in einer natürlichen Kurvenpräzision auszudrücken vermag. Neben Rahmengeometrie, Gewichtsverteilung, Ergonomie und motorischen Fliehkräften sind natürlich die Federungskomponenten wichtigster Kooperationspartner für eine überzeugende Fahrwerksperformance. Und im klassischen <strong>Enduro</strong>einsatz gibt es unserer Meinung nach nur wenig zu kritisieren, dafür umso mehr zu loben. Okay, die Sachs-Gabel benötigt eine ungewöhnlich lange Einlaufzeit, bevor sie so richtig „flutscht“ und freut sich auch danach über regelmäßige Zufuhr von geeignetem Simmerringfett, dann aber fügt sie sich in Sachen Sensibilität und Absorptionsvermögen nahtlos in den Verbund mit der Hinterradfederung. Beide Enden bügeln endurotypische Bodenstrukturen überzeugend aus und besitzen für das geländesportliche Bedarfsprofil ausreichend Widerstandskraft im Druckstufenbereich. Wer mit der RR 350 jedoch zumeist auf der Crosspiste unterwegs ist und/oder mehr als zirka 75 kg wiegt, der kann hier im Zweifelsfall gerne auf ein Set härterer Federn umrüsten – das sollte dann genügend Durchschlagsreserve für alle Eventualitäten bieten. Für alle Eventualitäten bestens bereit – und zwar schon im Serienzustand – zeigt sich das Triebwerk der RR 350. Sehr tief, sehr smooth und vor allem sehr gut kontrollierbar legt das 349,1-ccm-Aggregat los. Eine Tendenz zum plötzlichen „Ausploppen“ des Motors bei niedrigsten Drehzahlen ist nahezu inexistent und erfordert damit logischerweise nur minimale Kupplungsunterstützung bei Schrittgeschwindigkeit in verwinkeltem Terrain. Das kann keine uns bekannte Viertakt-<strong>Enduro</strong> der „300+X“- Klasse besser und wir haben folglich auch wenig Probleme damit, dass die RR 350 gezielte Kupplungsunterstützung erfordert, um auf tiefem Boden aus engen Kehren kraftvoll herausbeschleunigen zu können. Im weiteren Verlauf des verfügbaren Drehzahlbereiches zeigt sich die Leistungsentfaltung akzentuiert progressiv, sprich bei zunehmender Drehzahl steht auch ein Plus an Schubkraft zur Verfügung. Erst im oberen Drehzahlbereich fällt der Kraftfluss sanft ab, was im Großen und Ganzen zu einer schönen Überdrehfähigkeit führt, die man auch gerne und vor allem im Renneinsatz sehr effek- tiv nutzen kann (weniger Hochschalt-Vorgänge!). Mit diesen besonderen motorischen Fähigkeiten erlaubt die RR 350 in gleichem Maße genussvolles <strong>Enduro</strong>wandern wie auch adrenalinförderndes Unterholz-Racing. Absolut effektiv im Leistungsumsatz bleibt sie nämlich stets – da wie dort! Kurzum, eine <strong>Enduro</strong>, die man besten Gewissens einem guten, aber unentschlossenen Freund empfehlen würde. Teil 2: Es geht noch was Gutes besser machen – aber nicht um jeden Preis! Ganz getreu dieser Maxime haben wir uns dem „Upgrade“ dieser Beta gewidmet. Im Idealfall sollten neue Anbauteile dann gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Nämlich zum einen eine bessere Performance bieten und zum anderen leichter als das Originalteil sein, denn mit 113 kg gilt die RR 350 nicht gerade als Fliegengewicht ihrer Hubraumklasse. In diesem Zusammenhang kommen wir doch gleich direkt zur Lithium- Ionen-Batterie, die uns freundlicherweise von Schroth-Motorrad zur Verfügung gestellt wurde. Nicht nur dass diese Batterie sage und schreibe 1274 g leichter als die im wahrsten Sinne des Wortes bleischwere Originalbatterie ist, nein, sie kurbelt das Triebwerk gleichfalls kraftvoller und ausdauernder an und bietet hiermit auf Anhieb das beste Preis/ Tuning-Verhältnis, das uns aktuell so einfällt. Aber es geht sogar noch etwas billiger! Denn um die RR 350 etwas flinker einlenken zu lassen ohne die famose Fahrstabilität merklich zu beeinträchtigen, kann man die Gabelholme um 5 mm „herauslassen“ (also 5 mm Überstand, gemessen ab Oberkante obere Gabelbrücke). Im gleichen Zuge haben wir die Druckstufendämpfung der Gabel geringfügig um 5 Klicks, ausgehend vom Seriensetting erhöht (bringt etwas bessere Widerstandskraft gegen grobe Schläge und auch etwas bessere Balance im Zusammenspiel mit der Hinterradfederung) und vor jedem Fahreinsatz ordentlich Race-Tech-Gabelsimmerringfett unter die Simmerringe „gepackt“ (das sensibilisiert das Ansprechverhalten spürbar, die Wirkung hält allerdings nur wenige Fahrstunden an). Übrigens, obwohl die Federungskomponenten der RR 350 im Crosseinsatz schon mal an ihre Grenzen kommen, haben wir uns gegen ein härteres Gabel- und Stoßdämpfer-Federset entschieden. Weshalb? Ganz einfach – im traditionellen <strong>Enduro</strong>einsatz funktionieren die serienmäßigen Federungskomponenten eigentlich ganz prima…! Eine weitere „Null Cent“-Modifikation betreffen die zu stark begrenzenden Lenkanschläge am Rahmen. Entfernt bei diesen einfach die Kontermutter und schraubt sie danach fest rein – über den Zuwachs an (Lenk-)Freiheit wird sich jeder Pilot freuen, egal ob beim Rangieren im Schuppen oder 41 MCE Test Spezial