Rosario de Simone "RÃUME" - Bad Berleburg
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Ausstellungseröffnung am 4. Juli 2011, 18 Uhr<br />
Museum <strong>Bad</strong> <strong>Berleburg</strong> - <strong>Rosario</strong> <strong>de</strong> <strong>Simone</strong> „RÄUME“ 4.7. – 21.8.2011<br />
„Räume“ nennt <strong>de</strong>r Künstler <strong>Rosario</strong> <strong>de</strong> <strong>Simone</strong> seine Ausstellung im Museum <strong>de</strong>r Stadt <strong>Bad</strong><br />
<strong>Berleburg</strong>, gemeint sind Bildräume, in die uns <strong>de</strong>r Künstler entführen will. Unter <strong>de</strong>m Bildraum<br />
eines optischen Systems versteht man die Menge aller Objektpunkte, die dieses System auf einer<br />
Fläche abbil<strong>de</strong>n kann, - das optische System ist hier das Auge <strong>de</strong>s Künstlers, die Fläche ist die<br />
Leinwand. Das künstlerische Auge wird gespeist vom auto-biografischen Gedächtnis und von <strong>de</strong>r<br />
subjektiven Vorstellungskraft <strong>de</strong>s Künstlers.<br />
Wenn sich ein junger Künstler heute autonom (ohne Auftrag) dazu entschei<strong>de</strong>t, mit <strong>de</strong>n Themen<br />
<strong>de</strong>r christlichen Ikonografie umzugehen, sich mit Kunstgeschichte auseinan<strong>de</strong>rzusetzen, dann ist<br />
das ein Statement, eine malerische Position, die ernst zu nehmen ist, setzt sie doch einen<br />
Kontrapunkt zu gängigen Mo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Konzept- o<strong>de</strong>r Antikunst. Mit Skepsis (scepticismo – so <strong>de</strong>r<br />
Titel seiner Ausstellung im Kunstforum St. Clemens) betrachtet <strong>Rosario</strong> <strong>de</strong> <strong>Simone</strong> die<br />
Vergangenheit (die abendländische Kunstgeschichte) als auch die Gegenwart in Bezug zur<br />
christlichen Tradition.<br />
Der 1966 in Neapel geborene Künstler studierte an <strong>de</strong>r Acca<strong>de</strong>mia di belli arti di Napoli mit <strong>de</strong>m<br />
Abschluss <strong>de</strong>s Maestro di pittura, was <strong>de</strong>m Titel <strong>de</strong>s Meisterschülers entspricht. Seit 1990 lebt und<br />
arbeitet er in Bielefeld und hat sich in Ostwestfalen seither an zahlreichen Gruppenausstellungen<br />
beteiligt und Einzelausstellungen in be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Galerien (Jesse, Baumgarte, Baal) präsentiert,<br />
nicht zuletzt in <strong>de</strong>r Johanniskirche in Herford.<br />
Im Jahr 2003 gab er <strong>de</strong>r Ausstellung in <strong>de</strong>r Neustädter Kirche in Bielefeld zum ersten Mal <strong>de</strong>n<br />
Titel: "La paura di essere atei" (Die Angst Atheist zu sein). Mit <strong>de</strong>m gleichnamigen Ölbild (hier in dr<br />
Ausstellung eine Mischtechnik auf Papier) bezeugt er seine kritische Haltung <strong>de</strong>m Katholizismus<br />
gegenüber und zugleich die Ablehnung <strong>de</strong>r Sinnfrage, die er sich in einer Lebenskrise so stellte:<br />
kann ich wirklich ohne Gott leben?<br />
Er braucht die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit seinen christlichen Wurzeln und zeigt in zahlreichen<br />
Paraphrasen auf italienische Meister <strong>de</strong>r Barockzeit <strong>de</strong>ren Gültigkeit ihrer Werke in <strong>de</strong>r Gegenwart<br />
(etwa eines Michelangelo Merisi da Caravaggio) auf. Die in <strong>de</strong>r Cerasi-Kapelle in Santa Maria <strong>de</strong>l<br />
Popolo in Rom hängen<strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>r (Bekehrung <strong>de</strong>s Saulus, Die 7 Werke d. Barmherzigkeit, ca.<br />
1600) haben <strong>Rosario</strong> <strong>de</strong> <strong>Simone</strong> zu zahlreichen Variationen inspiriert.<br />
Seit 2002 wer<strong>de</strong>n seine Figurationen mehr und mehr von freieren (abstrakteren) Kompositionen<br />
abgelöst, die in ihrer malerischen Qualität ebenso bestechen wie die figürlichen. Aus bei<strong>de</strong>n Werk-<br />
Komplexen zeigen wir hier in <strong>de</strong>n Räumen <strong>de</strong>s Museums Arbeiten <strong>de</strong>r vergangenen Jahre.<br />
Mit einem magisch-mystischen Bild wer<strong>de</strong>n wir durch die Einladung eingestimmt auf ein<br />
klassisches Verständnis <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Künstlers in <strong>de</strong>r Gesellschaft, <strong>de</strong>r Aufgabe<br />
<strong>de</strong>s Mahners, <strong>de</strong>s Anregers neuer Gedanken, immer im Bewusstsein <strong>de</strong>r Traditionen. Es han<strong>de</strong>lt<br />
sich also nicht um wil<strong>de</strong> Malerei, auch wenn sie teilweise informel daherkommt, nicht um Negation<br />
o<strong>de</strong>r gar Provokation. Seine Malweise erinnert eher an <strong>de</strong>n Historienmaler Gustave Moreau o<strong>de</strong>r<br />
an die Wegbereiter <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne (nicht nur formal an Odilon Redon z.B.) o<strong>de</strong>r, wenn wir weiter<br />
zurückgehen, auch an <strong>de</strong>n späten William Turner, einem Künstler, <strong>de</strong>r Anfang <strong>de</strong>s 19.Jhdts.<br />
bereits zu dramatischen, beinahe expressiven Lösungen <strong>de</strong>s Themas Landschaft kam. Und in <strong>de</strong>r<br />
Tat haben viele <strong>de</strong>r freien Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong> <strong>Simone</strong>s etwas mit Landschaftsmalerei zu tun, romantischatmosphärisch<br />
und inhaltlich. Auch wenn wir dieses Thema eher <strong>de</strong>m Impressionismus zuordnen,<br />
so hat <strong>Rosario</strong> <strong>de</strong> <strong>Simone</strong> dank <strong>de</strong>r schweren, warmen Valeurs doch diesen Anspruch eines<br />
subjektiven Expressionisten, <strong>de</strong>r die Anleihen aus <strong>de</strong>r Kunstgeschichte nicht einfach zitiert<br />
("Iterativismus"), son<strong>de</strong>rn subjektiv zu neuen Bildfindungen nutzt.<br />
Sehen wir uns die Bil<strong>de</strong>r doch etwas genauer an. Sacro e profano (heilig und profan),<br />
Annunciazione (Verkündigung), Tentazione (Versuchung) und „La paura di essere atei“ sind die<br />
Titel, die auf eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r klassischen christl. Ikonographie schließen lassen.<br />
Assassini (Mör<strong>de</strong>r) ist eines <strong>de</strong>r zahlreichen Paraphrasern auf Werke Caravaggios, <strong>de</strong>s bereits<br />
erwähnten Renaissancekünstlers, <strong>de</strong>r in seiner Geburtsstadt Neapel ebenfalls präsent ist.<br />
1
Angst und Gier (das immer wie<strong>de</strong>r bearbeitete Thema „Versuchung“), das Heilige und das<br />
Weltliche, das, in Allegorien dargestellt, sowohl bei ihm (Caravaggio) als auch bei <strong>Rosario</strong> zu<br />
fin<strong>de</strong>n ist. „Il milioni“, das Millionenversprechen, beruht auf einer autobiografischen Erzählung, es<br />
geht um die Versuchung, das „schnelle Geld“ zu machen, <strong>de</strong>m wir heute alle ausgesetzt sind. Ihm<br />
gelingt eine allgemeingültige allegorische Darstellung, auch wie<strong>de</strong>r (nach eigenem Bekun<strong>de</strong>n) an<br />
Caravaggio orientiert (Kreuzigung Petris, Santa Maria <strong>de</strong>l popolo, Rom), - also: <strong>de</strong>r Künstler als<br />
Mahnen<strong>de</strong>r. Die Spiritualität <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong> <strong>Simone</strong>s ist evi<strong>de</strong>nt, während die Titel <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r oft<br />
irreführend sind, so nennt er beispielsweise Landschaftsassoziationen "Autoritratti"<br />
(Selbstportraits), nennt die freien Kompositionen „Sorpresa“ (Überraschung), „Il Cocco“<br />
(Kokosnuss), „Movimenti“ (Bewegungen) – das steigert seinen Hang zur Verrätselung.<br />
Kleinformatige Arbeiten auf Papier, die in dieser Ausstellung erstmalig zu sehen sind, verstehen<br />
sich nicht als Vorzeichnungen o<strong>de</strong>r Entwürfe größerer Arbeiten, <strong>de</strong> <strong>Simone</strong>s Herangehensweise<br />
ist immer spontan, eher spielerisch als zielgerichtet. Er ist an Bildfindungen interessiert, nicht das<br />
Nachahmen bereits gedachter Bil<strong>de</strong>r ist sein Ziel.<br />
Der Pinselduktus auf seinen Bil<strong>de</strong>rn ist nicht gleichförmig, son<strong>de</strong>rn eher impulsiv, teils breit<br />
gewischt, teils mit trockenem Pinsel strukturiert. So verstärkt sich <strong>de</strong>ren Spannung, steigert sich<br />
die Dynamik, da nur wenige Schwerpunkte o<strong>de</strong>r Ruhepole auszumachen sind. Und diese sind<br />
manchmal figürliche Silhouetten, die Zusammenhänge und Geschichten ahnen lassen.<br />
Kleinformate auf Leinwand aus jüngerer Zeit fin<strong>de</strong>n wir in <strong>de</strong>m Triptychon, welches wir unter <strong>de</strong>m<br />
Titel „Albero d`acqua e Marinaio“ (Wasserbaum und Seemann) kennen, wir haben es im<br />
vergangenen Jahr im Kunstforum St. Clemens in Köln zur Jubiläumsausstellung (30 Jahre Kunst<br />
in St. Clemens) gesehen.<br />
Zu seiner oft schweren rot-braunen bzw. <strong>de</strong>r stumpfen blau-schwarzen Farbpalette gesellt sich<br />
hier ein frisches Grün, das ein Hinweis auf ein erwachen<strong>de</strong>s Naturinteresse <strong>de</strong>s Malers sein kann,<br />
aber auch Hinweis auf die Sehnsucht nach erwachen<strong>de</strong>r Natur nach <strong>de</strong>m für <strong>de</strong>n mediterran<br />
geprägten Maler viel zu langen farblosen Winter.<br />
<strong>Rosario</strong> <strong>de</strong> <strong>Simone</strong> bemüht nicht die vieldiskutierte De-Auratisierung <strong>de</strong>r Kunst – nicht die<br />
Demokratisierung von Kunst o<strong>de</strong>r gar <strong>de</strong>n Ausstieg aus <strong>de</strong>m Bild, er sucht allegorische Deutung<br />
<strong>de</strong>r Gegenwart im klassischen, wenn auch modifizierten Tafelbild und damit <strong>de</strong>n Ansatz zu neuer<br />
Mythenbildung.<br />
Der oft zitierte und oft missverstan<strong>de</strong>ne Satz: " e<strong>de</strong>r Mensch ist ein nstler" von Joseph Beuys<br />
1985, meinte dies im Sinne <strong>de</strong>s Gedankens <strong>de</strong>r "Sozialen Skulptur" und im Rahmen <strong>de</strong>s<br />
erweiterten Kunstbegriffes, dass je<strong>de</strong>r Mensch durch kreatives Han<strong>de</strong>ln gestaltend auf die<br />
Gesellschaft einwirken kann. Die Aura innerhalb <strong>de</strong>s Werkes von <strong>Rosario</strong> <strong>de</strong> <strong>Simone</strong> ist im<br />
Zusammenspiel zwischen Kunstwerk und Wahrnehmung <strong>de</strong>sselben zu sehen, die Vielfalt<br />
gleichberechtigt nebeneinan<strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>r Perspektiven und Deutungen wer<strong>de</strong>n evoziert.<br />
RdS scheint er <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e (Ten<strong>de</strong>nz) <strong>de</strong>r Postmo<strong>de</strong>rne nahe zu stehen, besser gesagt, <strong>de</strong>r<br />
Transavantguardia (jenseits <strong>de</strong>r Avantgar<strong>de</strong>), einer italienischen Variante <strong>de</strong>s<br />
Neoexpressionismus, die <strong>de</strong>m Fortschrittsglauben <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne misstraut, die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r<br />
Avantgar<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Kunst für been<strong>de</strong>t erklärt. Künstler <strong>de</strong>r Postmo<strong>de</strong>rne bescheinigen <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne<br />
ein illegitimes Vorherrschen eines totalitären Prinzips (<strong>de</strong>s Innovationsstrebens), das auf<br />
gesellschaftlicher Ebene Züge von Despotismus in sich trage und das letztlich bekämpft wer<strong>de</strong>n<br />
müsse. Maßgebliche Ansätze <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne seien eindimensional und gescheitert.<br />
Thomas von Aquins Satz zur Ästhetik stimmt auch im Werk <strong>Rosario</strong> <strong>de</strong> <strong>Simone</strong>s:<br />
ad pulchritudinem tria requiruntur integritas, consonantia, claritas: Vollständigkeit, Harmonie<br />
und Leuchten. Dies sind die Bestimmungen, die das gültige Kunstwerk vom amorphen Rohstoff<br />
<strong>de</strong>r uns umklammern<strong>de</strong>n Wirklichkeit unterschei<strong>de</strong>n und für <strong>de</strong>n Künstler auch dann bestimmend<br />
bleiben, wenn die ihn umgeben<strong>de</strong> Welt durchaus nicht mehr "ganz" und harmonisch erscheint. Da<br />
<strong>de</strong>r Künstler nicht nach <strong>de</strong>r Natur und wie die Natur, son<strong>de</strong>rn parallel zur Natur schafft, sind die<br />
Maßstäbe, die wir an ein Kunstwerk legen, an keine historische Erfahrung gebun<strong>de</strong>n.<br />
2
INTEGRITAS: Die hier ausgestellten Arbeiten sind gezielt konstruierte Kompositionen, auch wenn<br />
sie spontan entstehen, sind sie immer ausgewogen - also Vollständigkeit.<br />
CONSONANTIA: Diese Bil<strong>de</strong>r spielen nicht mit Beliebigkeiten, einem Vorwurf, <strong>de</strong>n man zuweilen<br />
bei <strong>de</strong>r Rezeption mo<strong>de</strong>rner Kunst hört, sie sie<strong>de</strong>ln nach vielen Metamorphosen verhalten auf<br />
<strong>de</strong>m schmalen Grat, <strong>de</strong>r das Plausible vom Unverständlichen, das Übereinfache vom Chaotischen<br />
trennt - also Harmonie.<br />
CLARITAS: Die nuancenreichen Ocker- und Grüntöne, die Blaus und das brennen<strong>de</strong> Rot<br />
evozieren das Fluidum eines Theaterst cks, eines St cks von Brecht‘scher Eindringlichkeit:<br />
Das Leuchten <strong>de</strong>r Malerei als beharrliche Aktion erweist sich letztlich als Medium <strong>de</strong>r<br />
Selbsterkenntnis und Selbstbewahrung, und nicht erst seit Kafka wissen wir, dass es hierauf<br />
alleine ankommt.<br />
Analog zur Malerei <strong>de</strong> <strong>Simone</strong>s möchte ich mit <strong>de</strong>m kurzen Gedicht <strong>de</strong>s tschechischen Autors<br />
Jan Skácel (1922-89) schließen, das die spirituelle Dimension seiner zuweilen rätselhaften Bil<strong>de</strong>r,<br />
wie auch beson<strong>de</strong>rs dieses "Grün", thematisiert.<br />
WAS VOM ENGEL ÜBRIGBLIEB<br />
FRÜHMORGENS,<br />
ALLE BÄUME SIND NOCH EINGEBUNDEN<br />
UND DIE DINGE UNBERÜHRT,<br />
ERHEBT SICH ZWISCHEN ZWEI PAPPELN DER ENGEL,<br />
SCHLÄFT IM FLUGE AUS.<br />
IN DEN RISSEN DES SCHLAFES SINGT ER.<br />
WER ALS ERSTER DIE GASSE BETRITT,<br />
VERWUNDET WIRD VON DIESEM GESANG,<br />
VIELLEICHT AHNT ER ETWAS,<br />
ABER ER SIEHT ES NICHT.<br />
ES IST GRÜN,<br />
UND DAS IST ALLES, WAS VOM ENGEL ÜBRIGBLIEB.<br />
(aus: Jan Skácel "Fährgeld für Charon", Gedichte<br />
<strong>de</strong>utsch von Rainer Kunze, Merlin Verlag Gifkendorf, 1996)<br />
Wir wünschen dieser Ausstellung viele Besucher und <strong>de</strong>m Künstler <strong>de</strong>n gebühren<strong>de</strong>n Erfolg.<br />
© Herbert Rosner, Köln 2011<br />
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