Plastizität und Bruchmechanik - Technische Fakultät

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15.09.2014 Aufrufe

Plastizität und Bruchmechanik WS 2011/12 Rissspitzenmodelle und Risswachstumskriterien Die punktförmige Rissspitze der klassischen Bruchmechanik ist eine mathematische Idealisierung. In der Realität existiert ein endlicher Bereich, die Prozesszone, in dem das Material geschädigt und schließlich neue Rissoberflächen geschaffen werden. Dort spielen die mikromechanischen Prozesse von Schädigung und Separation eine wichtige Rolle. Es gibt drei Abstraktionsebenen der Modellierung: 1. In der klassischen Bruchmechanik findet keine spezielle Modellierung der Schädigungsprozesse statt. Zur Beschreibung des Materialverhaltens werden konventionelle Stoffgesetze verwendet, z.B. Elastizität, Plastizität, Viskoplastizität. Die Prozesszone ist ein Punkt, und ein makroskopisches Bruchkriterium zur Beschreibung von Risswachstum ist erforderlich, z.B. auf der Basis K, J, CTOD, CTOA, C* 5 . 2. Separation materieller Flächen wird modelliert. Die Prozesszone ist eine Fläche, und ein Separations- oder Dekohäsionsgesetz beschreibt die Schaffung neuer Oberflächen 6 . Das Material außerhalb der Kohäsivzone wird durch ein konventionelle Stoffgesetz beschrieben. 3. Eine Entfestigung des Werkstoffes wird durch Einführung weiterer interner Variable in das Werkstoffgesetz zur Beschreibung der lokalen Schädigung berücksichtigt. Die Prozesszone ist ein Volumen, und ein Evolutionsgesetz für die Schädigungsvariable repräsentiert das Bruchkriterium. Hierbei unterscheidet man ‣ mikromechanische Modelle, die die physikalischen Prozesse der Schädigung auf der Mikroebene, also Initiierung, Wachstum und Vereinigung von Hohlräumen, Bildung von Mikrorissen usw. beschreiben, und ‣ kontinuumsmechanische Modelle, die phänomenologische Stoffgleichungen für Spannungen und Verzerrungen unter Einbeziehung der Schädigungsentwicklung, häufig basierend auf thermodynamischen Prinzipien aufstellen. Konzept des repräsentativen Volumenelements In der klassischen (lokalen) Kontinuumsmechanik sind materielle Elemente infinitesimale Umgebungen materieller Punkte, ΔV = Δx Δy Δz → 0. Für die betrachteten idealisierten Werkstoffe sind Materialeigenschaften, Spannungen und Dehnungen homogen im Volumen ΔV. In realen Werkstoffen ist die materielle Umgebung dagegen nicht homogen, sondern das materielle Element hat eine komplexe und veränderliche Mikrostruktur. Die Mikromechanik stellt sich die Aufgabe, das kontinuumsmechanische Stoffgesetz durch Größen auszudrücken, die die Mikrostruktur und deren Eigenschaften charakterisieren 5 6 C* ist das Äquivalent zum J-Integral bei viskoplastischem Materialverhalten (Kriechen) siehe Manuskript „Kohaesivmodell“ Brocks, 13.01.2012, Schaedigung, - 5 -

Plastizität und Bruchmechanik WS 2011/12 (NEMAT-NASSER & HORI [1993]). Hierzu bedient man sich des Konzeptes repräsentativer Volumenelemente (RVE). Ein RVE ist ein materielles Volumen, das als statistisch repräsentativ für die Umgebung eines beliebigen materiellen Punktes angesehen wird. Für periodische Mikrostrukturen spricht man auch von Einheitszellen. Das konstitutive Verhalten wird auf einer Meso-Ebene durch mesoskopische Spannungs- und Verzerrungsfelder beschrieben, die durch Homogenisierung, d.h. Mittelung über das RVE definiert sind 1 1 Σ = σ ( x ) dV = x t dS ∫ ∫ , (9) ij ij k i j V0 V V0 0 ∂V0 1 1 E = u + u dV = nu + n u dS 1 1 ∫ 2( , , ) ∫ 2( ) . (10) ij i j j i i j j i V0 V V0 0 ∂ V0 Typische Einheitszellen zur Beschreibung von duktiler Schädigung sind Zylinder mit kugelförmigen oder ellipsoidischen Hohlräumen (KOPLIK & NEEDLEMAN [1988], BROCKS et al. [1995]). Die Entwicklung von Stoffgesetzen für „poröse“ plastische Werkstoffe (porous metal plasticity) ist aber nur ein mögliches Anwendungsgebiet der Mikromechanik. Das GURSON-Modell GURSON [1977] hat durch Homogenisierung die mesoskopischen Fließfläche für zwei- und dreidimensionale rotationssymmetrische Einheitszellen bei idealplastischem Werkstoff berechnet, 2 Σ ⎛3Σ ⎞ h 2 + 2f cosh 1 f 0 2 ⎜ 2 ⎟− − = R0 2R0 , (11) ⎝ ⎠ die vom (lokalen) Hohlraumanteil ΔV void f = , (12) ΔV RVE also der Schädigung abhängt. Für f = 0 geht Gl. (11) in die VON MISESsche Fließbedingung 2 2 3 Σ − R 0 = 0 über, wobei Σ = 2 Σ′ ijΣ′ die mesoskopische Vergleichsspannung im Sinne von Gl. (9) und R 0 die Fließspannung des Matrixmaterials ist. Das Hohlraumwachstum folgt der Brocks, 13.01.2012, Schaedigung, - 6 -

<strong>Plastizität</strong> <strong>und</strong> <strong>Bruchmechanik</strong> WS 2011/12<br />

Rissspitzenmodelle <strong>und</strong> Risswachstumskriterien<br />

Die punktförmige Rissspitze der klassischen <strong>Bruchmechanik</strong> ist eine mathematische Idealisierung.<br />

In der Realität existiert ein endlicher Bereich, die Prozesszone, in dem das Material<br />

geschädigt <strong>und</strong> schließlich neue Rissoberflächen geschaffen werden. Dort spielen die mikromechanischen<br />

Prozesse von Schädigung <strong>und</strong> Separation eine wichtige Rolle. Es gibt drei<br />

Abstraktionsebenen der Modellierung:<br />

1. In der klassischen <strong>Bruchmechanik</strong> findet keine spezielle Modellierung der Schädigungsprozesse<br />

statt. Zur Beschreibung des Materialverhaltens werden konventionelle Stoffgesetze<br />

verwendet, z.B. Elastizität, <strong>Plastizität</strong>, Viskoplastizität. Die Prozesszone ist ein Punkt,<br />

<strong>und</strong> ein makroskopisches Bruchkriterium zur Beschreibung von Risswachstum ist erforderlich,<br />

z.B. auf der Basis K, J, CTOD, CTOA, C* 5 .<br />

2. Separation materieller Flächen wird modelliert. Die Prozesszone ist eine Fläche, <strong>und</strong> ein<br />

Separations- oder Dekohäsionsgesetz beschreibt die Schaffung neuer Oberflächen 6 . Das<br />

Material außerhalb der Kohäsivzone wird durch ein konventionelle Stoffgesetz beschrieben.<br />

3. Eine Entfestigung des Werkstoffes wird durch Einführung weiterer interner Variable in das<br />

Werkstoffgesetz zur Beschreibung der lokalen Schädigung berücksichtigt. Die Prozesszone<br />

ist ein Volumen, <strong>und</strong> ein Evolutionsgesetz für die Schädigungsvariable repräsentiert das<br />

Bruchkriterium. Hierbei unterscheidet man<br />

‣ mikromechanische Modelle, die die physikalischen Prozesse der Schädigung auf der<br />

Mikroebene, also Initiierung, Wachstum <strong>und</strong> Vereinigung von Hohlräumen, Bildung<br />

von Mikrorissen usw. beschreiben, <strong>und</strong><br />

‣ kontinuumsmechanische Modelle, die phänomenologische Stoffgleichungen für<br />

Spannungen <strong>und</strong> Verzerrungen unter Einbeziehung der Schädigungsentwicklung, häufig<br />

basierend auf thermodynamischen Prinzipien aufstellen.<br />

Konzept des repräsentativen Volumenelements<br />

In der klassischen (lokalen) Kontinuumsmechanik sind materielle Elemente infinitesimale<br />

Umgebungen materieller Punkte, ΔV = Δx Δy Δz → 0. Für die betrachteten idealisierten<br />

Werkstoffe sind Materialeigenschaften, Spannungen <strong>und</strong> Dehnungen homogen im Volumen<br />

ΔV. In realen Werkstoffen ist die materielle Umgebung dagegen nicht homogen, sondern das<br />

materielle Element hat eine komplexe <strong>und</strong> veränderliche Mikrostruktur.<br />

Die Mikromechanik stellt sich die Aufgabe, das kontinuumsmechanische Stoffgesetz durch<br />

Größen auszudrücken, die die Mikrostruktur <strong>und</strong> deren Eigenschaften charakterisieren<br />

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C* ist das Äquivalent zum J-Integral bei viskoplastischem Materialverhalten (Kriechen)<br />

siehe Manuskript „Kohaesivmodell“<br />

Brocks, 13.01.2012, Schaedigung, - 5 -

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