Plastizität und Bruchmechanik - Technische Fakultät
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W. Brocks: Plastizität und Bruchmechanik Bei einem kreisförmigen spannungsfreien Rand sind in jedem Punkt die radiale und die Umfangsrichtung Hauptrichtungen, die von den Charakteristiken (Gleitlinien) unter ± 45° geschnitten werden. Die Gleitlinien sind damit logarithmische Spiralen, r, θ durch die in einem Polarkoordinatensystem ( ) r θ + ln = Cα a . (41) r θ − ln = Cβ a beschrieben werden. Entlang BP (α-Linie) bzw. AP (β-Linie) gilt r rP θ + ln = ln a a . (42) r rP θ − ln =−ln a a mit r P = OP . Im Punkt A ist θA = γ und r A = a und damit P γ = ln r . (43) a In einem beliebigen Punkt auf der x-Achse ( θ = 0 ), der vom Ursprung den Abstand x= a+ ξ hat, ist der Spannungszustand ⎛ ξ ⎞ σxx = σrr ( θ = 0) = 2k0 ln⎜1+ ⎟ ⎝ a ⎠ ⎡ ⎛ ξ ⎞⎤ σ yy = σθθ ( θ = 0) = 2k0 ⎢1+ ln⎜1+ ⎟ a ⎥ . (44) ⎣ ⎝ ⎠⎦ σ = σ ( θ = 0) = 0 xy rθ Gleitlinien, WB, 15.01.2012 - 8 -
W. Brocks: Plastizität und Bruchmechanik Plastischer Kollaps und Grenzlastverfahren Wegen der Mehrdeutigkeit des Werkstoffgesetzes in der inkrementellen Plastizitätstheorie muss bei vorgegebener Belastungsgeschichte i.a. für jeden Lastschritt der vollständige Spannungsund Deformationszustand einer Struktur berechnet werden. Die plastische Grenzlast ergibt sich somit als Endwert einer Folge von Belastungsschritten, bei dem – ideal-plastischer Werkstoff vorausgesetzt – die (plastischen) Verformungen unter konstanten äußeren Lasten zunehmen. Die Grenzlastsätze ermöglichen es, einen definierten Versagenszustand eines Systems zu ermitteln bzw. abzuschätzen, ohne in jedem Zwischenschritt den vollständigen Spannungs- und Verzerrungszustand zu berechnen. Auf der Grundlage dieser Extremalsätze wurden Verfahren entwickelt, die eine eindeutige Berechnung oder mindestens eine Eingrenzung durch obere und untere Schranken der plastischen Grenzlast ermöglichen. Wenn die plastische Grenzlast in einem ideal-plastischen Körper erreicht wird, tritt unbegrenztes plastisches Fließen auf. Dieser Grenzzustand kann für geometrisch lineare Systeme als „Versagenszustand“ angesehen werden und heißt plastischer Kollaps. Die Bedeutung der plastischen Grenzlast ist darin begründet, dass sie eine einfache Abschätzung der Traglast einer Struktur aus elastisch-plastischem Werkstoff liefert. Dabei wird als Traglast die größte im stabilen Gleichgewicht getragene Belastung nach einer Folge von stabilen Lagen definiert. Deshalb wird das Grenzlastverfahren manchmal auch Traglastverfahren genannt. Man beachte allerdings, dass • geometrische Instabilitäten (Knicken, Beulen usw.) und • instabile Rissausbreitung außer Betracht bleiben und für eine Festigkeitsauslegung ggf. getrennte Stabilitäts- und bruchmechanische Nachweise zu führen sind. DRUCKER's Stabilitätspostulate Das Konzept der Materialstabilität wurde von DRUCKER [1951] in die Plastizitätstheorie eingeführt und in späteren Jahren weiter ausgearbeitet und spezifiziert. Zusammen mit dem Konzept der Fließflächen im Spannungsraum erlaubt es die aus einachsigen Zugversuchen bekannten Phänomene auf mehrachsige Spannungszustände zu verallgemeinern. Dies ist insbesondere für inelastisches Materialverhalten bedeutsam: Ausgehend von einem Spannungszustand auf der Fließfläche können Verformungen unter zunehmenden, gleichbleibenden oder abnehmender Spannungen erfolgen. Das Materialverhalten wird entsprechend als verfestigend (hardening), ideal-plastisch (perfectly plastic) oder entfestigend (softening) bezeichnet. Die Bedeutung des Begriffes „Stabilität“ ist offenkundig. DRUCKER wendet das energetische Stabilitätskriterium der Mechanik auf deformierbare Körper aus inelastischem, aber zeit-unabhängigen Material an: Ausgehend von einem Gleichgewichtszustand zu irgendeinem Zeitpunkt t 0 des aktuellen Belastungspfades wird gedanklich eine beliebige zusätzliche äußere Last („Störung“) quasistatisch aufgebracht und wieder entfernt. Die Struktur wird stabil genannt, wenn die von den Störkräften bzw. Spannungen an den zugehö- Grenzlast, WB, 08.12.2011, - 1 -
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Plastischer Kollaps <strong>und</strong> Grenzlastverfahren<br />
Wegen der Mehrdeutigkeit des Werkstoffgesetzes in der inkrementellen <strong>Plastizität</strong>stheorie muss<br />
bei vorgegebener Belastungsgeschichte i.a. für jeden Lastschritt der vollständige Spannungs<strong>und</strong><br />
Deformationszustand einer Struktur berechnet werden. Die plastische Grenzlast ergibt sich<br />
somit als Endwert einer Folge von Belastungsschritten, bei dem – ideal-plastischer Werkstoff<br />
vorausgesetzt – die (plastischen) Verformungen unter konstanten äußeren Lasten zunehmen.<br />
Die Grenzlastsätze ermöglichen es, einen definierten Versagenszustand eines Systems zu ermitteln<br />
bzw. abzuschätzen, ohne in jedem Zwischenschritt den vollständigen Spannungs- <strong>und</strong> Verzerrungszustand<br />
zu berechnen. Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieser Extremalsätze wurden Verfahren entwickelt,<br />
die eine eindeutige Berechnung oder mindestens eine Eingrenzung durch obere <strong>und</strong><br />
untere Schranken der plastischen Grenzlast ermöglichen.<br />
Wenn die plastische Grenzlast in einem ideal-plastischen Körper erreicht wird, tritt unbegrenztes<br />
plastisches Fließen auf. Dieser Grenzzustand kann für geometrisch lineare Systeme als „Versagenszustand“<br />
angesehen werden <strong>und</strong> heißt plastischer Kollaps. Die Bedeutung der plastischen<br />
Grenzlast ist darin begründet, dass sie eine einfache Abschätzung der Traglast einer Struktur<br />
aus elastisch-plastischem Werkstoff liefert. Dabei wird als Traglast die größte im stabilen<br />
Gleichgewicht getragene Belastung nach einer Folge von stabilen Lagen definiert. Deshalb wird<br />
das Grenzlastverfahren manchmal auch Traglastverfahren genannt. Man beachte allerdings,<br />
dass<br />
• geometrische Instabilitäten (Knicken, Beulen usw.) <strong>und</strong><br />
• instabile Rissausbreitung<br />
außer Betracht bleiben <strong>und</strong> für eine Festigkeitsauslegung ggf. getrennte Stabilitäts- <strong>und</strong> bruchmechanische<br />
Nachweise zu führen sind.<br />
DRUCKER's Stabilitätspostulate<br />
Das Konzept der Materialstabilität wurde von DRUCKER [1951] in die <strong>Plastizität</strong>stheorie eingeführt<br />
<strong>und</strong> in späteren Jahren weiter ausgearbeitet <strong>und</strong> spezifiziert. Zusammen mit dem Konzept<br />
der Fließflächen im Spannungsraum erlaubt es die aus einachsigen Zugversuchen bekannten<br />
Phänomene auf mehrachsige Spannungszustände zu verallgemeinern. Dies ist insbesondere für<br />
inelastisches Materialverhalten bedeutsam: Ausgehend von einem Spannungszustand auf der<br />
Fließfläche können Verformungen unter zunehmenden, gleichbleibenden oder abnehmender<br />
Spannungen erfolgen. Das Materialverhalten wird entsprechend als verfestigend (hardening),<br />
ideal-plastisch (perfectly plastic) oder entfestigend (softening) bezeichnet. Die Bedeutung des<br />
Begriffes „Stabilität“ ist offenk<strong>und</strong>ig.<br />
DRUCKER wendet das energetische Stabilitätskriterium der Mechanik auf deformierbare Körper<br />
aus inelastischem, aber zeit-unabhängigen Material an: Ausgehend von einem Gleichgewichtszustand<br />
zu irgendeinem Zeitpunkt t 0 des aktuellen Belastungspfades wird gedanklich<br />
eine beliebige zusätzliche äußere Last („Störung“) quasistatisch aufgebracht <strong>und</strong> wieder entfernt.<br />
Die Struktur wird stabil genannt, wenn die von den Störkräften bzw. Spannungen an den zugehö-<br />
Grenzlast, WB, 08.12.2011, - 1 -