Kulturentwicklungsplan der Stadt Chemnitz
Kulturentwicklungsplan der Stadt Chemnitz
Kulturentwicklungsplan der Stadt Chemnitz
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
B-80/2004, Anlage 2, Seite 10<br />
Alles in allem nimmt <strong>der</strong> Stellenwert von Kunst und Kultur in sämtlichen hoch entwickelten<br />
Gesellschaften zu. IX So gewinnen für immer größere Bevölkerungskreise<br />
unmittelbare Erlebnisse an Bedeutung. Einher geht damit eine stärkere Ästhetisierung<br />
des Alltagslebens, das heißt gestaltete Dinge und Ereignisse und ihre unmittelbare<br />
Erfahrbarkeit erhalten einen höheren Rang. Infolge dieses Wandels werden<br />
Kunst und Kultur zu zunehmend wichtigeren Bestandteilen von vor Ort konkret erfahrbarer<br />
Lebensqualität. Den zugrunde liegenden Wertewandel hatte Gerhard<br />
Schulze in seinem Werk „Die Erlebnisgesellschaft“ bereits für die Zeit vor 1990 am<br />
Beispiel <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland beschrieben. 11<br />
Vor allem ausgelöst durch die Zunahme von freiem Zeitbudget und Haushaltseinkommen<br />
für große Bevölkerungsteile sowie durch die rasche Etablierung eines „Erlebnismarktes“<br />
hat sich in den 1990er Jahren auch im Osten die „Erlebnisgesellschaft“<br />
X durchgesetzt, so eine jüngst in <strong>Chemnitz</strong> durchgeführte soziologische Untersuchung.<br />
Vor diesem Hintergrund hat sich das Kulturverständnis <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
grundlegend gewandelt. „Kultur hat heute viele Gesichter und schließt auch populäre<br />
Unterhaltungsangebote wie Kino, Musicals und Rock-Pop-Konzerte mit ein.“ Darüber<br />
hinaus bekommen hochkulturelle Angebote „Eventcharakter“. „Das neue Kulturverständnis<br />
ist eine Verschmelzung von Ernst und Unterhaltung, von Kunst und Kommerz“,<br />
so <strong>der</strong> Freizeitwissenschaftler Horst W. Opaschowski. 12 Damit ist zugleich <strong>der</strong><br />
gewachsene Stellenwert <strong>der</strong> privaten Kulturwirtschaft angesprochen.<br />
1.2 <strong>Kulturentwicklungsplan</strong>ung als Grundlage <strong>der</strong> kommunalen Kulturpolitik<br />
„Kommunale Kulturför<strong>der</strong>ung ist Verfassungsauftrag. Die Städte haben die Aufgabe,<br />
individuell für die jeweilige <strong>Stadt</strong> ein Kulturprofil zu entwickeln, das <strong>der</strong> kulturellen<br />
Identität <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> entspricht, Traditionen aufnimmt und Zukunftsperspektiven aufnimmt“,<br />
so <strong>der</strong> Deutsche Städtetag in seinem jüngsten Positionspapier zur Kultur.<br />
Angesichts <strong>der</strong> tiefgehenden Umbrüche, die Gesellschaft und Wirtschaft erfasst haben,<br />
gilt es mehr noch als zuvor, Kunst und Kultur als eingebettet in die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> zu betrachten. Daraus folgt, dass <strong>Kulturentwicklungsplan</strong>ung sich in <strong>der</strong><br />
Gegenwart nicht auf Binnenprobleme des Kulturbereiches beschränken kann. Kunst<br />
und Kultur werden demzufolge in <strong>Chemnitz</strong> vielmehr als Mittel und Teil von <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
gesehen. Basis dafür ist ein Kulturbegriff, <strong>der</strong> sich nicht auf die Künste –<br />
als zwar innerhalb <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> aber dort doch gewissermaßen exterritorial wirkend –<br />
verengt. Vielmehr sollen die einzelnen Künste, die Museen, die Bibliotheken, die Soziokultur,<br />
die Feste und Festivals, die Kunst im öffentlichen Raum etc. als eng verknüpft<br />
mit dem alltäglichen Leben in <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> gesehen werden. Trotz allem wird dabei<br />
berücksichtigt, dass die Künste ihren Eigenwert haben, jeweiligen Eigengesetzlichkeiten<br />
gerecht werden müssen und nicht vor<strong>der</strong>gründig instrumentalisiert werden<br />
können.<br />
IX Zu den Ursachen hierfür zählen die Umorientierung breiter Bevölkerungskreise weg von einer auf<br />
materielle Dinge bezogenen Orientierung hin zu postmateriellen Werten. Der vor allem durch steigenden<br />
Wohlstand ausgelöste Prozess war im Westen bereits seit den 1970er Jahren zu beobachten.<br />
Vgl. hierzu: Inglehart, Ronald (1977): The Silent Revolution. Changing Values and Political Styles<br />
among Western Publics. Princeton.<br />
X Trotz <strong>der</strong> weitgehenden Angleichung existieren „feine Unterschiede“ zwischen Ost und West fort. Zur<br />
Untersuchung vgl.: Lechner, Götz (2003): Ist die Erlebnisgesellschaft in <strong>Chemnitz</strong> angekommen? Von<br />
feinen Unterschieden zwischen Ost und West. Opladen, Vgl. dazu insbeson<strong>der</strong>e S. 286-295.