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Küstenwanderung Pilion - Tagwerk

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1<br />

5-Tage-Wandertour an der Ägäis-Küste<br />

mit Rudi von <strong>Tagwerk</strong><br />

von Gertraud Schubert<br />

Gehen. Den Rucksack auf den Rücken stemmen, die<br />

Schlaufen der Stöcke über die Hand schieben und<br />

losgehen. Durch das Dorf, wo ein paar Alte ihren Garten<br />

gießen, über die kleine Platia mit dem Kafenion, dem<br />

Kramer und der Bäckerei. Den Sandweg hinauf ins<br />

Gebirge. Die Glöckchen der Ziegenherde bimmeln, ein<br />

Esel schreit sein jämmerliches i-aaah! Gehen. Langsam<br />

bergauf. Blick hinab in die thessalische Ebene. Weiter<br />

gehen. Bergauf. Um den Ossa herum. Der Olymp taucht<br />

am Horizont auf, majestätisch, beherrschend, das Haupt<br />

in Wolken gehüllt.<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


2<br />

Weiter steigen. Latschen und kahle Felsen. Der Blick<br />

hinunter in das Pindus-Tal. Tiefblau schimmert eine<br />

Meeresbucht. Glitzernd im Sonnenlicht verschwimmt die<br />

Ägäis mit dem Horizont. Der Wind pfeift über den Sattel.<br />

Ein letzter Blick auf das Olymp-Massiv, Nun geht es<br />

hinunter zur Ägäis.<br />

Gehen. Gehen. Immer bergab. Durch schattige Wälder.<br />

Über den Blumen am Wegrand taumeln Schmetterlinge.<br />

Gehen. Bergab. Bäche sprudeln aus engen Felsnischen<br />

hervor. Kurz eintauchen in einer kühlen Gumpen.<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


3<br />

Ein Rastplatz im Wald lockt mit lauter Musik. Autos<br />

parken im Wald, Familien picknicken. Wir trinken ein<br />

Radler, strecken die Zehen aus, füllen unsere<br />

Wasserflaschen an der Quelle.<br />

Weiter gehen. Bergab. Maronibäume, dicke alte<br />

Maronibäume, teilweise von Efeu überwuchert, morsche<br />

Äste abgebrochen, Baumruinen recken kahle Äste in den<br />

Himmel. Gehen. Immer noch bergab. Ab und zu ein<br />

Ausblick auf das grünblaue Meer.<br />

Es wird heiß. Der Schweiß läuft. Kirschbäume. Wir<br />

pflücken uns zwei Handvoll und essen sie im<br />

Weitergehen. Bergab. Die ersten Häuser tauchen auf. Wir<br />

stoßen auf die Teerstraße. Wir gehen weiter. Immer<br />

bergab. Ein Dorf mit einer schattigen Platia. Alte Männer<br />

klackern mit ihrer Perlenkette und mustern uns gründlich.<br />

92 ist der Älteste von ihnen. Das Mädchen, das uns Ouzo<br />

und Meze bringt, ist noch keine 20.<br />

Weiter gehen. Hinunter ans Meer. Kokinenero heißt<br />

unser Ziel: rötliches Wasser. So ähnlich wie Kokinelli,<br />

der Rosewein.<br />

Soi i wia a Goassal springa<br />

muastma was zum Essn bringa,<br />

Tomatn, Gurkn und a Kasal,<br />

dazua trinkma no a Glasal,<br />

jetzt ko i wieda mein Rucksack tragn<br />

und mi duach die Staudn plagn.<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


4<br />

Endlich sind wir am Meer. Die Sonne ist schon<br />

untergegangen, aber auf den Wellen und den Wolken<br />

liegt noch ein rosagoldener Schimmer. Wir tafeln in der<br />

Veranda am Wasser, wo die Wellen der Ägäis an die<br />

Pfosten schlagen. Bis wir unser kleines Hotel aufsuchen<br />

ist es ganz dunkel.<br />

Wann da Wind recht waht,<br />

Dann is s glei zu spaat,<br />

fliagt da Huat davo,<br />

kimmst nimma dro.<br />

Mei, duat des Windal guat!<br />

Pfeif auf mein Huat!<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


5<br />

Am nächsten Morgen – nein, der Rucksack wird nicht<br />

gleich geschultert. Erst geht es zum Bäcker. Die<br />

Tyropitta sind noch warm und der Blätterteig knusprig.<br />

Dazu einen Kaffee am Strand.<br />

Aber dann ist es so weit. Rucksack schultern, Stöcke in<br />

die Hand und weiter gehen. Bergauf und Bergab. An der<br />

Küste entlang. Links unten, hinter mannshohen<br />

Königskerzen oder blühenden Oleanderhecken das Meer.<br />

Kleine Buchten, durch steile Felsen von einander<br />

getrennt. Ab und zu gibt es eine Treppe hinunter zum<br />

Strand, wenn rechts am Hang ein paar Häuser stehen, ein<br />

kleines Hotel oder eine Anlage mit Ferienwohnungen.<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


6<br />

Wir gehen weiter. In der Hitze. Bergauf und bergab.<br />

Nach rechts, wenn von dort ein Tal hereinkommt, nach<br />

links hinauf, wenn ein Felsnase ins Meer ragt. Unser Ziel<br />

ist Agiokambos mit seinem 10 km langen Sandstrand.<br />

Von diesem Kap aus sieht man schon die Sonnenschirme<br />

und Liegestühle.<br />

Gehen? Warum gehen, wenn ausgerechnet jetzt der Bus<br />

an der Haltestelle einfährt? So sind wir schon eine Stunde<br />

früher da, sitzen in der Taverne, die Bodenplatten sind<br />

gerade frisch abgespritzt. Wir selber kühlen uns dann im<br />

Meer. Anschließend Siesta unterm Sonnenschirm, ein<br />

Kafedaki oder ein Eis.<br />

Es wird Abend und kühler, da marschieren wir weiter.<br />

Gehen. Bergauf, Ziemlich steil sogar. Hinauf nach<br />

Polydendri, in das Dorf „Viele Bäume“. Viele Bäume<br />

gibt es hier wirklich: Oliven, Walnüsse, Maroni, Eichen.<br />

Ein Staatsforst, in dem man sich verlaufen könnte. Aber<br />

wir wollen gar nicht mehr in den Wald gehen. Unser Ziel<br />

ist „Paradiso“, ein deutschgriechisches Familienhotel.<br />

Hier kocht die Mama und wie! Aber erst einmal gibt es<br />

frisches kaltes Eis aus der Milch eigener Ziegen.<br />

Wann a da Dunna grummelt,<br />

jetzt werd ned länga bummelt,<br />

rinna muass da Schweiß<br />

vom Hirn bis zum Steiß.<br />

Kimmi enk ned nach,<br />

suachts mi untam Wirtshausdach.<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


7<br />

Am nächsten Tag wieder: Gehen. Am Meer entlang, auf<br />

einer Staubstraße, gute 25 km, nach Kamari. Will man<br />

von Polydendri nach Kamari mit dem Auto fahren, sind<br />

es 120 km. Die Fahrstraße führt 60 km ins Landesinnere,<br />

fast bis Larisa und dann wieder heraus. Die alten<br />

Küstenwege sind nicht mehr gepflegt. Dieser hier ist mit<br />

einigem Geschick sogar mit dem Auto zu befahren:<br />

Dimitri fährt das Gepäck und einen Kniekranken. Aber<br />

der Weg ist voller Schlaglöcher und tiefer Rillen. Die<br />

Kurven sind eng und steil. Manchmal müssen die<br />

Passagiere aussteigen, damit das Auto über die<br />

Bodenwellen kommt.<br />

Wann de Sunn glei brennt,<br />

es werd weida grennt,<br />

um de näxte Scheim,<br />

da weri sitzn bleim,<br />

mag nimma weida geh,<br />

kaafma an Kaffä.<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


8<br />

Gehen. Bergauf Bergab. Die alten Wege gehen, die der<br />

zerklüfteten Landschaft angepasst sind. Jede Bucht bis in<br />

die Schlucht hinein gehen, jedes Kap bis auf die äußerste<br />

Spitze hinausgehen.<br />

Wann a da Weg staubig is,<br />

heit machma gar koa Gfries,<br />

samma recht guat beinand.<br />

Kirschbaam am Wegesrand,<br />

hoi ma an Ast hero,<br />

dass i mas brocka ko.<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


9<br />

Von Kamari aus geht es an der Küste nicht weiter. Der<br />

Weg ist nicht mehr gangbar: zugewachsen, vom<br />

Erdrutsch weggerissen. Rudi versucht, ein Boot zu<br />

chartern. Vergeblich. Es ist ziemlich windig, ein Gewitter<br />

hängt oben überm Berg – keiner der Fischer will uns<br />

fahren.<br />

Also gehen. Bergauf. Nach Keramidi. Kaum sind wir<br />

oben in der Taverne, bricht ein Gewitter los. Der Regen<br />

prasselt auf die Platia. Eine halbe Stunde später scheint<br />

wieder die Sonne. Zeit genug durch das Dorf zu<br />

schlendern, oder hinter der Kirche, die fast wie eine<br />

Moschee ausschaut, ein Schläfchen zu halten.<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


10<br />

Wir fahren mit dem Bus nach Volos. Wir sind nämlich<br />

bereits im nächsten Bezirk. Hier führen alle Straßen,<br />

fahren alle Busse nach Volos. In Volos jedoch ist der Bus<br />

nach Veneton bereits abgefahren. Wir nehmen den<br />

nächsten Bus hinauf ins Gebirge, übernachten in einem<br />

wunderschönen alten Herrenhaus. Sitzen auf der<br />

Terrasse, die Nachtigall singt, Fledermäuse taumeln ums<br />

Haus. Die vielen grünen Hügel und blauen Buchten zu<br />

unseren Füßen sinken ins Dunkel. Nur wenige Lichter<br />

zeigen, wo Ortschaften sind.<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


11<br />

Am nächsten Tag weiter mit dem Bus nach Zangarada.<br />

Nach einem Frappé auf der Platia mit der gigantischen<br />

Platane heißt es wieder: Gehen. Bergab. Hinunter ans<br />

Meer, nach Agia Joannis und Papanero. Diesmal auf<br />

einem gepflastertem Weg, einem der alten Pfade. In der<br />

alten Kirche in Agia Joannis zünde ich 5 Kerzen an, eine<br />

für jeden von uns.<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


12<br />

Am Tag darauf wieder: Gehen. Bergauf. Nach Kissos.<br />

Wieder ein Bergdorf oben über dem Meer, mit schattiger<br />

Platia und kühlem Wind. Mit einer alten Kirche, deren<br />

Wände über und über bemalt und mit Schnitzereien<br />

geschmückt sind. Ausnahmsweise kein üppiges<br />

Mittagessen, keine Siesta, da wir ganz schnell zur<br />

Bushaltestelle müssen. Doch der Bus fährt nicht.<br />

Beinahe sieht es so aus, als ob wir das letzte Stück nach<br />

Lafkos auch noch zu Fuß gehen müssten. Dabei ist es<br />

noch ein ordentliches Stück. Aber als Dank für die<br />

Kerzen schickt uns der heilige Joannis einen Kleinbus<br />

vorbei, der zufällig auch nach Lafkos fährt und uns<br />

mitnimmt.<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste


13<br />

Insgesamt:<br />

Schon ein bisschen anstrengend, da immerzu bergauf –<br />

bergab, da ziemlich heiß und da man (meistens) sein<br />

Gepäck selber tragen muss. Andererseits ist gerade diese<br />

Kombination von Meer und Berg sehr reizvoll. Ich weiß<br />

immer noch nicht, welches der Bergdörfer mir am besten<br />

gefallen hat.<br />

Ich hab ein ganz anderes Gefühl für Entfernungen<br />

bekommen.<br />

Die Unterkunft war immer in Ordnung, meist die paar<br />

Zimmer über der Taverne, wo wir zu Abend essen<br />

konnten. Was heißt essen – schlemmen!<br />

Gertraud Schubert<br />

Wandern an der Ägäis-Küste

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