Herr Hartmut Schulze - Das Programm "Schule - Wirtschaft ...
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Vortrag anlässlich der 6. SWA-Fachtagung zum Thema "Berufsorientierung – Berufsvorbereitung – Berufsausbildung“ in Hamburg<br />
<strong>Hartmut</strong> <strong>Schulze</strong><br />
AG1: Maßnahmen in der „Warteschleife“ nach der <strong>Schule</strong><br />
Individualisierung und Selbststeuerung des Lernens durch<br />
innovative Elemente in der Berufsorientierung/<br />
Berufsvorbereitung an der<br />
Staatlichen Berufsschule Eidelstedt (G12)<br />
in Hamburg<br />
Die Rahmenbedingungen beim Übergang von der <strong>Schule</strong> in die Berufsausbildung haben sich<br />
für leistungsschwache Jugendliche aus Förder-, Haupt- und Gesamtschulen in den letzten<br />
Jahren zunehmend verschlechtert. Die Zahl der Ausbildungsplätze ging zurück, die<br />
Anforderungen in den Ausbildungsberufen stiegen und die Betriebe sind häufig nicht bereit<br />
Jugendlichen mit Lern- und/ oder Persönlichkeitsdefiziten einen Ausbildungsplatz anzubieten.<br />
Infolge dieser Situation vergrößert sich die Zahl der Jugendlichen in berufsvorbereitenden<br />
Maßnahmen und teilqualifizierenden Berufsfachschulen von Jahr zu Jahr. In diesen<br />
Bildungsgängen stellt sich zunehmend die Frage wie <strong>Schule</strong> sich verändern kann, damit diese<br />
„Warteschleifen“ von den Jugendlichen auch angenommen werden. Dies gelingt nur dann,<br />
wenn die Jugendlichen erkennen, dass sie einen Nutzen vom schulischen Angebot haben.<br />
Bedingt durch die Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler, die Vielfalt ihrer<br />
Stärken und Defizite, kann dies nur in einer komplexen Lernumgebung (unserer Meinung<br />
nach mindestens zwei Lernorte) und durch die Individualisierung des Lernens gelingen<br />
(Anlage 1). <strong>Schule</strong> muss die Themen „Lernumgebung“, „Methodik/ Didaktik und Aufgabe“<br />
sowie „Qualifizierung und Coaching der Lehrerinnen und Lehrer“ neu denken.<br />
Dieser Prozess des „Neu denkens“ begann an der Staatlichen Berufsschule Eidelstedt<br />
ausgehend von Erfahrungen mit der Integration geistig behinderter Schülerinnen und Schüler<br />
in den Arbeitsmarkt vor vier Jahren mit der Entwicklung des ersten Lernpasses. Dieses<br />
Instrument in der Hand der Lehrerinnen und Lehrer und der Schülerinnen und Schüler<br />
entstand aus einer Veränderung der Lernumgebung. Die Schülerinnen und Schüler in der<br />
integrativen Berufsvorbereitung lernten in einem der drei Lernbetriebe der <strong>Schule</strong> (Laden,<br />
Cafeteria sowie Bistro und die dazugehöriger Verwaltung). Regelmäßig wechselten die<br />
Schüler die Arbeitsplätze, so dass umfangreiche Erfahrungen gemacht werden konnten, die in<br />
Mentorengruppen ausgewertet wurden. Zusätzlich wurden Praktika in Betrieben durchgeführt.<br />
Für die Lehrerinnen und Lehrer entstand ein neues Aufgabenfeld, die Bildungsbegleitung, d.h.<br />
die Akquisition von Betrieben, die betriebliche Betreuung und die Unterstützung von<br />
Lernprozessen vor Ort. Der Lernpass dokumentierte den Lern-Prozess und ermöglichte eine<br />
Selbstreflektion der Schülerinnen und Schüler. Außerdem war er Basis für ein<br />
Lehrerfeedback. Damit entwickelte sich der Lernpass zum Selbststeuerungsinstrument für den<br />
Schüler. Drei innovative Elemente für eine veränderte Berufsvorbereitung waren entstanden:<br />
1. Die duale Lernumgebung, d.h. das Lernen in der Berufsschule wird um das Lernen in<br />
Lern-Betrieben und das Lernen in Betrieben der <strong>Wirtschaft</strong> erweitert. Damit entstehen<br />
komplexe soziale Lernbezüge, die Grundlage für das Erkennen eigener Stärken und Interessen<br />
und Ansatzpunkte für Lernschwerpunkte sind.
Vortrag anlässlich der 6. SWA-Fachtagung zum Thema "Berufsorientierung – Berufsvorbereitung – Berufsausbildung“ in Hamburg<br />
2. Die schülerzentrierte Methodik/ Didaktik, d.h. die Schülerinnen und Schüler arbeiten mit<br />
einem Lernpass, der eine tägliche Reflektion von Lernprozessen einübt und als<br />
Selbststeuerungsinstrument für Lernschwerpunkte dient. Dazu wird mit der „Betrieblichen<br />
Lernaufgabe“ der Lernort Betrieb systematisch mit dem schulischen Lernen verbunden.<br />
Die Bausteine „Lernen für die Arbeitswelt“ ergänzen auf der Grundlage von<br />
Auswertungsgesprächen das Curriculum.<br />
3. Schulformübergreifende Lehrerinnen und Lehrer/ Bildungsbegleiterinnen und<br />
Bildungsbegleiter, d.h. die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer erfolgt grundsätzlich in<br />
Teams, die nach Möglichkeit durch Kooperationen zwischen allgemein bildenden und<br />
beruflichen <strong>Schule</strong>n entstehen (Schulversuch KooBi, ESF-Projekt KOMPASS). Die Aufgabe<br />
der Bildungsbegleitung, d.h. des begleiteten Lernens in Betrieben und der Reflektion<br />
betrieblicher Erfahrungen in der <strong>Schule</strong> wird zu einem neuen inhaltlichen Schwerpunkt der<br />
Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer. Hierbei werden sie von „Praktikern“, die bei Trägern<br />
Erfahrungen mit dem Lernen in Betrieben gewonnen haben, unterstützt. Die Teams benötigen<br />
ein regelmäßiges externes Coaching (anstelle punktueller Lehrerfortbildung), um sich in die<br />
neuen Aufgaben einzuarbeiten.<br />
Als Beispiel für diese komplexe Unterrichtsstruktur, die den Paradigmenwechsel in der<br />
Berufsvorbereitungsarbeit an der G12 konkretisiert, ist in Anlage 2 die zeitliche und<br />
personelle Struktur eines BVJ mit betrieblichen Lernphasen dokumentiert. Dieses Projekt<br />
einer „Individualisierten Berufsvorbereitung in Betrieb und <strong>Schule</strong> (InBuS)“ wird seit dem<br />
01.08.2006 an der Berufsschule Eidelstedt erprobt.<br />
Für eine vertiefende Information über Lernpässe und ihren Einsatz in unterschiedlichen<br />
Bildungsgängen haben wir die Broschüre „Individualisierung des Lernens in <strong>Schule</strong> und<br />
Betrieb“ 1 herausgegeben, in der die Wirkung von Lernpässen in unterschiedlichen Projekten<br />
beschrieben und der pädagogische Hintergrund einer individualisierten Pädagogik in der<br />
Berufsschule entwickelt wird.<br />
Bisher wurden die oben beschriebenen Umstrukturierungen vorwiegend mit Hilfe von<br />
Modellversuchs- und ESF-Mitteln entwickelt und durchgeführt. In diesem Schuljahr wird in<br />
dem oben genannten Projekt „InBuS“ versucht, nur auf Grundlage der Bedarfsgrundlagen<br />
diese neue Struktur zu realisieren. Lediglich für die Fortbildung und das Coaching des Teams<br />
wurde 1/3 Lehrerstelle zusätzlich eingesetzt. Diese Erprobung unter „Normalbedingungen“ ist<br />
der Test, ob eine Übertragung auf andere interessierte <strong>Schule</strong>n möglich ist.<br />
<strong>Hartmut</strong> <strong>Schulze</strong><br />
20.08.06<br />
1 „Individualisierung des Lernens in <strong>Schule</strong> und Betrieb“, H. Sturm u.a. (Hrsg.), Hamburg 2006.<br />
Die Broschüre ist für 10,-€ unter: Regionet e.V., c/o Berufsschule Eidelstedt, Reichsbahnstrasse 53, 22525<br />
Hamburg zu beziehen.