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Impulsreferat zur AG 1 - Das Programm "Schule - Wirtschaft ...

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Birgit Schäfer<br />

<strong>Impulsreferat</strong> <strong>zur</strong> <strong>AG</strong> 1 „<strong>Schule</strong> und<br />

Berufsausbildungsvorbereitung: Anknüpfungspunkte, Übergänge,<br />

Kooperationen“<br />

anlässlich der 9. Projektkonferenz des Institut für berufliche<br />

Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik (INBAS)<br />

„Entwicklungsinitiative: Neue Förderstruktur für Jugendliche mit<br />

besonderem Förderbedarf“<br />

am 08. November 2005 in Berlin<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

zunächst bedanke ich mich sehr herzlich für die Einladung zu dieser Projektkonferenz und<br />

dem damit ausgedrückten Interesse am <strong>Programm</strong> „<strong>Schule</strong> – <strong>Wirtschaft</strong>/ Arbeitsleben“ (im<br />

Folgenden kurz nur noch SWA-<strong>Programm</strong>).<br />

Zur weiteren Diskussion sind im Tagungsprogramm zu dieser Arbeitsgruppe eine Reihe von<br />

Fragen aufgelistet, von denen ich drei in meinem Vortrag aufgreifen möchte:<br />

• Kann die Kompetenzfeststellung bereits in der <strong>Schule</strong> angesiedelt werden?<br />

• Wie können der Berufswahlpass oder andere Portfolio-Ansätze genutzt werden?<br />

• Welche Entwicklungsmöglichkeiten bestehen für die schulische Berufsorientierung?<br />

In meinen Antworten werde ich mich auf konkrete Erfahrungen aus dem SWA-<strong>Programm</strong><br />

beziehen.<br />

Dazu halte ich es für erforderlich, kurz einige Informationen zum SWA-<strong>Programm</strong> ganz<br />

allgemein zu liefern.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Programm</strong> hat sich die Entwicklung innovativer, transferierbarer und nachhaltig<br />

wirksamer Maßnahmen <strong>zur</strong> Förderung und Verbesserung der Berufsorientierung von<br />

Jugendlichen zum Ziel gesetzt. Die Jugendlichen sollen ihren Erfahrungen entsprechend<br />

möglichst praxisnah auf die Anforderungen der Arbeits- und Berufswelt vorbereitet werden.<br />

Dabei werden Konzepte erprobt, die den Schülerinnen und Schülern schulartspezifisch und<br />

unter Berücksichtigung des Alters, Entwicklungsstands und geschlechtsspezifischer<br />

Unterschiede den Zugang zum Thema <strong>Wirtschaft</strong>/ Arbeitsleben erleichtern sollen.<br />

Im Prinzip spricht das <strong>Programm</strong> drei Zielgruppen an bzw. verfolgt drei globale Ziele: erstens<br />

die Verbesserung der Fähigkeit der Jugendlichen, sich in der Arbeits- und Berufswelt<br />

erfolgreich zu behaupten, zweitens die Erhöhung der Ausbildungsbereitschaft der<br />

1


Betriebe und drittens die Stärkung der Lehrkompetenzen an den <strong>Schule</strong>n im Bereich der<br />

Berufsorientierung. Damit wird auf die Ausbildungs- und Arbeitsmarktprobleme schon in<br />

der vorberuflichen Bildung, das heißt im allgemein bildenden Schulwesen, vorbeugend<br />

reagiert.<br />

Im Herbst 1999 startete das <strong>Programm</strong>. In einer ersten Welle wurden zunächst 21 Projekte in<br />

die Förderung aufgenommen. Seit 2001 wird das <strong>Programm</strong> mit Mitteln aus dem<br />

Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanziert. Damit wurde eine Ausweitung des <strong>Programm</strong>s<br />

ermöglicht, so dass ab Herbst 2001 weitere 15 Projekte ihre Arbeit aufnehmen konnten. Im<br />

Sommer/ Herbst 2004 startete eine dritte Welle, bei der – neben dem besonderen<br />

Schwerpunkt der Entwicklung und Umsetzung von Transferstrategien – der Blick auch<br />

auf „neuen Lehr- und Lernkulturen“ bei der inhaltlichen Gestaltung von Ganztagsschulen<br />

gerichtet ist. Die Projekte dieser dritten Welle laufen <strong>zur</strong> Zeit.<br />

Der gesamte Planungshorizont des <strong>Programm</strong>s reicht bis Ende 2007.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Programm</strong> bietet die Möglichkeit, gemeinsam mit Bund, Ländern, Sozialpartnern,<br />

Kammern, Verbänden, Eltern, Arbeitsverwaltungen und vielen weiteren Akteuren<br />

schulbezogene Lösungen <strong>zur</strong> Stärkung der Berufsorientierung zu entwickeln und umzusetzen.<br />

Gemeinsam treten die Akteure in einen Dialog und suchen nach Lösungen, um junge<br />

Menschen besser zu qualifizieren und die schulischen und beruflichen Übergänge zu<br />

verbessern.<br />

Die einzelnen SWA-Projekte sind sowohl hinsichtlich ihrer Inhalte, ihres Umfangs als auch<br />

ihrer Zielgruppen sehr vielschichtig.<br />

Zu den einzelnen Projektgegenständen gehören die<br />

• Förderung vorberuflicher Handlungskompetenz,<br />

• neue Kooperationsformen zwischen <strong>Schule</strong> und Arbeitswelt,<br />

• Förderung besonderer Gruppen an der „ersten Schwelle“,<br />

• innovative Berufsvorbildung unter Nutzung des Internet sowie die<br />

• systematische Entwicklung und Organisation von Berufsorientierung im Schulalltag.<br />

Trotz aller Individualität folgen die Projekte im Rahmen des <strong>Programm</strong>s gemeinsamen<br />

Grundprinzipien.<br />

Berufsorientierung lässt sich nicht mehr in der Abgeschiedenheit eines Faches, wie der<br />

Arbeitslehre, behandeln, sondern muss als Herausforderung eines ganzheitlichen<br />

Unterrichtskonzepts <strong>zur</strong> Berufsorientierung an <strong>Schule</strong> insgesamt gesehen werden. Sie lässt<br />

sich auch nicht mehr als Vorgabe von scheinbar feststehenden faktenorientierten<br />

Wissensbeständen vermitteln, sondern muss prozessorientiert erfolgen. Es bedarf, und so<br />

auch die Leitlinien des SWA-<strong>Programm</strong>s, vielmehr einer Förderung von Selbstständigkeit<br />

und Eigenverantwortung der Jugendlichen durch begleitende Moderation anstelle<br />

frontaler Wissensvermittlung.<br />

2


Im Folgenden nun möchte ich eine Antwort auf die Frage: „Kann die Kompetenzfeststellung<br />

bereits in der <strong>Schule</strong> angesiedelt werden?“ aus Sicht des SWA-<strong>Programm</strong>s liefern.<br />

1. Kann die Kompetenzfeststellung bereits in der <strong>Schule</strong> angesiedelt<br />

werden?<br />

Ich nehme die Antwort vorweg: Ja. Kompetenzfeststellung kann nicht nur, sondern sie sollte<br />

bereits in der <strong>Schule</strong> angesiedelt sein.<br />

Zur besseren Verständlichkeit möchte ich den Begriff „Kompetenzen“ kurz definieren, um<br />

dann meine Antwort am Beispiel eines SWA-Projekts in Nordrhein-Westfalen zu belegen.<br />

Ausgehend von der allgemeinen Curriculum-Diskussion wurde Ende der 60er Jahre in<br />

Deutschland zunächst der (Schlüssel-) Qualifikationsbegriff eingeführt und von der<br />

Berufspädagogik so auch übernommen. Anfang der 70er Jahre wurde dann vom Deutschen<br />

Bildungsrat „Kompetenz“ als Ziel eines Lernprozesses ganz allgemein formuliert, ohne den<br />

Begriff jedoch generell zu definieren.<br />

Die unendlichen Diskussionen um Qualifikationen und Kompetenzen haben eines<br />

gemeinsam: beide Begriffe sind bis Heute nicht einheitlich definiert.<br />

Als größter gemeinsamer Nenner der verschiedenen vorliegenden Begriffsdefinitionen kann<br />

gleichwohl gelten, dass es sich bei Qualifikationen um ein – in der Regel zertifiziertes –<br />

Bündel von Kenntnissen und Fertigkeiten handelt, das über erworbene Titel (wie „Meister“)<br />

definiert wird. Kompetenzen werden dagegen eher als personengebundenes<br />

Erfahrungswissen verstanden.<br />

Nach Weinert (2001) versteht man Kompetenzen als „die bei Individuen verfügbaren oder<br />

durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu<br />

lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften<br />

und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und<br />

verantwortungsvoll nutzen zu können.“<br />

Im Rahmen des SWA-<strong>Programm</strong>s werden die soziale Kompetenz und die Entwicklung von<br />

Individualkompetenz wie Selbstvertrauen, Selbstkritik und Reflexionsfähigkeit durch gezielte<br />

Maßnahmen, in der Regel in Zusammenarbeit mit der regionalen <strong>Wirtschaft</strong>, gestärkt. Durch<br />

den Einsatz von Instrumenten <strong>zur</strong> Kompetenzfeststellung bzw. Selbstbeurteilungs- und<br />

Rückmeldeinstrumentarien sowie von Assessment-Center-Verfahren haben sich nach<br />

Einschätzung der Lehrenden die Selbsteinschätzungs- und Kritikfähigkeit der Jugendlichen<br />

sowie deren soziale Kompetenzen verbessert.<br />

1.1. Der individuelle Förderplan<br />

<strong>Schule</strong>rfolg und damit auch Bildungs- und Berufsperspektiven werden in Deutschland in<br />

hohem Maße durch die soziale Herkunft bestimmt, wie auch die jüngste PISA-Studie wieder<br />

bestätigt hat.<br />

3


Voraussetzung für das Vermeiden und den frühzeitigen Abbau von Benachteiligungen ist eine<br />

individuelle Förderung. In diesem Zusammenhang, und auch als Reaktion auf die<br />

Ergebnisse diverser Schulleistungsversuche, wird auf wissenschaftlicher, pädagogischer und<br />

bildungspolitischer Ebene verstärkt über Konzepte und Verfahren der Diagnostik als<br />

Unterstützung aktueller Herausforderungen des deutschen Bildungssystems nachgedacht.<br />

Anstelle von individueller Förderung erscheint <strong>Schule</strong> in Deutschland vielerorts noch als ein<br />

hoch selektives System, in dem anstelle kompetenzbezogener immer noch sozial- und<br />

schichtspezifische Kriterien für die Förderung der Schülerleistung herangezogen werden. Die<br />

Pädagogik reagiert darauf, indem sie sich in letzter Zeit vermehrt für kompetenzbezogene<br />

Beurteilungsansätze ausgesprochen hat.<br />

Exemplarisch ist an dieser Stelle auf das Projekt: „Beruf im Zentrum – Eingliederung<br />

benachteiligter Schülerinnen und Schüler“ (BiZEbS) (Nordrhein-Westfalen) zu<br />

verweisen. In dem Projekt soll die individuelle Förderplanung <strong>zur</strong> beruflichen Integration in<br />

den letzten beiden Pflichtschuljahren der Sonderschule und zu Beginn einer Ausbildung<br />

oder Anlerntätigkeit die Chancen Jugendlicher auf frühzeitige Integration in den ersten<br />

Arbeitsmarkt erhöhen und helfen, Maßnahme-Umwege zu vermeiden. Im Blick auf<br />

allgemeine Anforderungen der Arbeitswelt und auf spezielle Anforderungen bestimmter<br />

Berufsbilder bringen Schülerinnen und Schüler von Sonderschulen unterschiedliche<br />

Voraussetzungen mit. Förderbedarf haben manche besonders im Bereich kognitiver<br />

Anforderungen, andere benötigen viel Zeit <strong>zur</strong> Orientierung in ungewohntem Umfeld oder<br />

verhalten sich unsicher in wechselnden Rollen (z.B. als Arbeitskollege, im Kundenkontakt,<br />

gegenüber Vorgesetzten).<br />

Damit sie einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz erhalten und dort auch erfolgreich sind,<br />

benötigen sie<br />

• eine gute Selbsteinschätzung bzgl. ihrer Stärken,<br />

• Orientierung in der Arbeits- und Berufswelt bzgl. der Anforderungen in für sie in<br />

Frage kommenden Arbeits- und Berufsfeldern,<br />

• Unterstützung bei der Erweiterung ihrer Kompetenzen.<br />

Individuelle Förderplanung setzt nicht bei den Defiziten an, sondern greift Stärken und<br />

Entwicklungsmöglichkeiten auf.<br />

Dazu setzt das Projekt auf:<br />

• Förderpraktika. Schülerinnen und Schüler absolvieren während des letzten<br />

Pflichtschuljahres ein Langzeitpraktikum in einem Betrieb, welcher bei erfolgreichem<br />

Praktikum <strong>zur</strong> Übernahme in Ausbildung bereit ist.<br />

• Individuelle Förderplanung. Der Prozess der beruflichen Integration wird von der<br />

Vorbereitung auf das Förderpraktikum bis in die erste Phase der Ausbildung durch<br />

individuelle Förderplanung begleitet. Dazu ist im Projekt ein eigenes Instrument erstellt<br />

worden.<br />

4


• Job-Coaching. Zur sozialpädagogischen Begleitung der Jugendlichen entsteht ein Job-<br />

Coaching-Konzept.<br />

• Lehrerfortbildung und Netzwerkarbeit. Lehrerinnen und Lehrer an Sonderschulen<br />

sowie an Berufsschulen werden durch Fortbildung in der Aufgabe der beruflichen<br />

Integration unterstützt. Die Lehrerfortbildung zielt darüber hinaus auf die Bildung eines<br />

regionalen Netzwerkes <strong>zur</strong> Optimierung des Übergangs von der Sonderschule zum<br />

Berufskolleg.<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen durch die Förderplanung nicht „verplant“ werden.<br />

Sie sind vielmehr verantwortlich in eigener Sache und an der Förderplanung aktiv beteiligt.<br />

Die Dokumentation sollte für sie transparent sein, d.h. sie haben Einblick in alles, was<br />

dokumentiert wird. Vereinbarungen werden mit ihnen gemeinsam getroffen und sie haben<br />

Zeit und Raum, ihre Anliegen einzubringen.<br />

Zur größtmöglichen individuellen Förderung muss – wie an dem dargestellten Projektbeispiel<br />

BiZEbS auch zu sehen ist – <strong>Schule</strong> durch Maßnahmen im Bereich des Unterrichts, der<br />

Schulorganisation und der Personalentwicklung verbessert werden.<br />

Die meist wenig ansprechbaren Eltern sind offensichtlich während der Schulzeit besser<br />

erreichbar und folglich leichter einzubeziehen.<br />

Die im SWA-<strong>Programm</strong> erprobten Maßnahmen <strong>zur</strong> Förderung besonderer Gruppen schon im<br />

schulischen Umfeld bieten positive Ansätze, dem wachsenden Leistungsgefälle wesentlich<br />

früher und effektiver zu begegnen als bisher. Dadurch kann die hohe Anzahl teurer,<br />

nachschulischer Maßnahmen verringert werden. Allerdings wäre ein Umlenken eines Teils<br />

der eingesparten Mittel <strong>zur</strong> Finanzierung der schulischen Maßnahmen erforderlich, weil für<br />

die dargestellte Intensivbetreuung ein anderer Personalschlüssel notwendig ist.<br />

Zusammenfassend können folgende Thesen aus dem SWA-Kontext <strong>zur</strong> Anforderung an<br />

Instrumente der Kompetenzfeststellung in der Berufsorientierung formuliert werden:<br />

• Instrumente der Kompetenzfeststellung müssen als präventive Instrumente <strong>zur</strong> Stärkung<br />

der Berufsorientierung bereits in der allgemein bildenden <strong>Schule</strong> <strong>zur</strong> Anwendung<br />

kommen.<br />

• Instrumente der Kompetenzfeststellung müssen Jugendliche im Übergang von der <strong>Schule</strong><br />

in die Arbeits- und Berufswelt – im Prozess der Berufsorientierung – unterstützen.<br />

• Instrumente der Kompetenzfeststellung dienen dazu, Ausbildungsabbrüche (insbesondere<br />

auch von benachteiligten Schülerinnen und Schülern) zu vermindern/ zu vermeiden.<br />

• Instrumente der Kompetenzfeststellung müssen konkret an Beobachtungen ansetzen und<br />

den Schülerinnen und Schülern zu einer realistischen Selbsteinschätzung verhelfen.<br />

Nun <strong>zur</strong> Frage: „Wie können der Berufswahlpass oder andere Portfolio-Ansätze genutzt<br />

werden?“<br />

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2. Wie können der Berufswahlpass oder andere Portfolio-Ansätze<br />

genutzt werden?<br />

Seitdem in der Bildungsdebatte die Stärkung von Kompetenzen bei Schülerinnen und<br />

Schülern Bedeutung erlangt hat, wird über die Schaffung einer neuen Lern- und Lehrkultur<br />

nachgedacht. Analog zu den Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt und den daraus resultierenden<br />

Problemen, muss auch eine schulische Berufsorientierung die Jugendlichen darauf<br />

vorbereiten, sich ständig mit neuen Ansprüchen und Anforderungen erfolgreich auseinander<br />

zu setzen.<br />

Maßnahmen <strong>zur</strong> Förderung des selbstgesteuerten Lernens beinhalten neben der<br />

eigenständigen Planung, Durchführung und Auswertung von Aufgaben, den Einsatz neuer<br />

Lernbausteine zum Abbau individueller Leistungsdefizite und die Verzahnung mit<br />

außerschulischen Bereichen. Eine besonders positive Wirkung auf die Selbstständigkeit der<br />

Schülerinnen und Schüler haben veränderte Lernorte und die regelmäßige Präsenz von<br />

Personen aus anderen Gebieten.<br />

Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch der Berufswahlpass als Instrument <strong>zur</strong> Stärkung des<br />

selbstgesteuerten und selbstverantwortlichen Lernens. Der Pass wurde in Hamburg entwickelt<br />

und seit 2001 zunächst im Nordverbund (dazu gehören die Länder: Berlin, Brandenburg,<br />

Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen sowie Schleswig-Holstein)<br />

sowie mittlerweile in drei weiteren Ländern (Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen)<br />

an allgemein bildenden <strong>Schule</strong>n erprobt. <strong>Das</strong> Konzept des Berufswahlpasses strukturiert den<br />

schulischen Berufsorientierungsprozess, bindet die relevanten Partner ein und ermöglicht den<br />

einzelnen <strong>Schule</strong>n, die schulischen und/ oder länderspezifischen Ansätze aufzunehmen.<br />

Der erste Eindruck des Berufswahlpasses ist zunächst der eines Ordnungssystems in einer<br />

recht stabilen Sammelmappe. Allerdings offenbart der Berufswahlpass mit seinen<br />

unterschiedlichen Abschnitten auf den zweiten Blick, dass hier ein instrumenteller Einstieg in<br />

ein ganzheitliches Unterrichtskonzept der Berufsorientierung vorliegt. Er erfüllt mehrere<br />

Aufgaben.<br />

Der Berufswahlpass ist ein Instrument<br />

• ... <strong>zur</strong> Lernplanung und fördert das selbstregulierte Lernen.<br />

• ... <strong>zur</strong> Organisation und Verbesserung der inner- und außerschulischen Kommunikation<br />

und Kooperation.<br />

• ... <strong>zur</strong> Förderung der Eigenaktivität und Selbstverantwortung.<br />

Wichtig für die Einführung und Anwendung des Berufswahlpasses als ein Instrument <strong>zur</strong><br />

Förderung selbstgesteuerten Lernens innerhalb und außerhalb der <strong>Schule</strong> ist die Anerkennung<br />

und Nutzung des Instrumentes durch Dritte. Dazu gehören neben der <strong>Schule</strong> die<br />

Berufsberaterinnen und Berufsberater, die Eltern und auch die Fachpersonen aus<br />

Unternehmen, die den Berufsorientierungsprozess der Schülerinnen und Schüler begleiten. In<br />

6


dem Maße, in dem der Pass als Begleiter für den Orientierungsprozess genutzt wird, erhält er<br />

Bedeutung auch in der Wahrnehmung der Lernenden.<br />

Schülerinnen und Schüler werden mit Hilfe des Passes darin unterstützt, ihre Stärken und<br />

Interessen zu klären und sich mit ihrer individuellen Leistungsbereitschaft auseinander zu<br />

setzen. Außerdem dient der Pass <strong>zur</strong> Dokumentation der Teilnahme an Projekten und<br />

Maßnahmen, die im Rahmen der Berufsorientierung relevant sind (z.B. Praktika,<br />

Unterrichtsprojekte, schulische und außerschulische Veranstaltungen, soziales Engagement,<br />

Auslandsaufenthalte und Ferienjobs).<br />

Bis heute sind im Nordverbund und darüber hinaus ca. 80.000 Exemplare im Einsatz.<br />

Seit September 2003 gibt es den Berufswahlpass in drei Varianten: A, B und C. Äußerlich<br />

unterscheiden sich die Pässe nicht, aber die Inhalte sind auf unterschiedliche Lerngruppen<br />

abgestimmt.<br />

Variante A ist geeignet für Schülerinnen und Schüler, die voraussichtlich im Anschluss an<br />

ihre Schulzeit weiteren Bildungsbedarf haben, bevor sie eine berufliche Ausbildung beginnen.<br />

Die Texte und Materialien sind im Vergleich zu den Varianten B und C einfacher gestaltet<br />

und inhaltlich auf Schülerinnen und Schüler ausgerichtet, die von Lernschwierigkeiten<br />

betroffen sind.<br />

Variante B ist geeignet für Schülerinnen und Schüler, die voraussichtlich im Anschluss an<br />

ihre 9 oder 10-jährige Schulzeit mit einer dualen Berufsausbildung beginnen. Sollte sich im<br />

Laufe der Zeit herausstellen, dass Schülerinnen oder Schüler sich für weiterführende <strong>Schule</strong>n<br />

entscheiden, können die Materialien um Blätter aus der Variante C ergänzt werden.<br />

Variante C ist geeignet für Schülerinnen und Schüler, die voraussichtlich nach dem 10.<br />

Schuljahr weiterführende <strong>Schule</strong>n besuchen, sei es die gymnasiale Oberstufe oder andere<br />

Schulformen, deren Abschluss über den Realschulabschluss hinausgeht.<br />

Zum Schluss nun möchte ich noch auf die dritte und letzte Frage: „Welche<br />

Entwicklungsmöglichkeiten bestehen für die schulische Berufsorientierung?“ aus Sicht des<br />

SWA-<strong>Programm</strong>s zu sprechen kommen.<br />

3. Welche Entwicklungsmöglichkeiten bestehen für die schulische<br />

Berufsorientierung?<br />

In der Regel stehen in den SWA-Projekten verschiedene Maßnahmen <strong>zur</strong> Verbesserung der<br />

Berufsorientierung (modulares, handlungsorientiertes Lernen, selbstgesteuertes Lernen, neue<br />

Medien, praktische Erfahrungen, Zusammenarbeit mit Betrieben, Kompetenzvermittlung,<br />

Lehrerfortbildungen sowie Schulprogramme) nicht als Einzelelemente isoliert im Raum,<br />

sondern sind Teil eines Gesamtkonzepts. Entsprechend können die Ergebnisse der gleichen<br />

Maßnahme an verschiedenen <strong>Schule</strong>n unterschiedlich ausfallen. Was sich an der einen <strong>Schule</strong><br />

7


als sinnvoll und großer Erfolg erweist, kann unter anderen Bedingungen fast wirkungslos<br />

bleiben. Darauf wurde seitens vieler SWA-Projekte reagiert, indem für die inhaltliche Arbeit<br />

nur ein grober Rahmen vorgegeben wurde, der von den einzelnen <strong>Schule</strong>n nach eigenen<br />

Vorstellungen und unter Berücksichtigung der spezifischen Rahmenbedingungen mit Inhalt<br />

gefüllt wird.<br />

Im Rahmen der SWA-<strong>Programm</strong>arbeit wurden sowohl innovative Elemente einer<br />

veränderten Praxis wie auch ein neues Verständnis von Berufsorientierung sichtbar. So<br />

ergibt sich aus dem SWA-<strong>Programm</strong> eine neue Lehr- und Lernkultur sowohl der Individuen<br />

als auch der <strong>Schule</strong>, die auf Eigenverantwortung und Selbstständigkeit setzt.<br />

Entsprechend können aus der bisherigen <strong>Programm</strong>arbeit folgende Konturen eines<br />

veränderten Verständnisses von Berufsorientierung bezeichnet werden:<br />

• Die Stärkung von Selbstständigkeit und Eigenverantwortung als die heute vielleicht<br />

wichtigsten Kompetenzen im Arbeitsleben ist als Aufgabe nicht erst in Ausbildung und<br />

Beruf, sondern bereits in der allgemein bildenden <strong>Schule</strong>, erkannt.<br />

• Schülerinnen und Schüler werden stärker als „handelnde Subjekte“ einbezogen, indem<br />

die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer wie auch andere Akteure zunehmend in die Rolle<br />

von „Moderatorinnen und Moderatoren“ schlüpfen und durch Anwendung veränderter<br />

Lern- und Lehrformen unterstützend tätig sind.<br />

• Berufswahl wird als Prozess begriffen, in dem der Übergang an der sogenannten „ersten<br />

Schwelle“ nicht punktualisiert, sondern flexibilisiert wird.<br />

• Für eine nachhaltige Verbesserung der Berufsorientierung werden neue<br />

Kooperationsformen von <strong>Schule</strong>n, Betrieben, Berufsberatungen, Eltern, Einrichtungen<br />

der Benachteiligtenförderung usw. entwickelt, auf eine vertragliche Grundlage gestellt<br />

(institutionalisiert) und auf regionaler und überregionaler Ebene vernetzt.<br />

• Berufsorientierung ist nicht mehr nur Aufgabe einer bestimmten Fächergruppe, sondern<br />

wird als Angelegenheit der ganzen <strong>Schule</strong> wahrgenommen und entsprechend im<br />

Schulprofil verankert.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

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