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3.3. Paul Collier: Konzentration auf die ärmsten Län<strong>de</strong>r<br />
Paul Collier (früherer Leiter <strong>de</strong>r Forschungsabteilung <strong>de</strong>r Weltbank) hat ebenfalls eine Strategie<br />
entwickelt, um die weltweite Armut und das Hungerlei<strong>de</strong>n zu bekämpfen: Insgesamt fünf<br />
Milliar<strong>de</strong>n Menschen leben bereit im Wohlstand o<strong>de</strong>r befin<strong>de</strong>n sich auf <strong>de</strong>m Weg dorthin, jedoch<br />
fällt eine Milliar<strong>de</strong> zunehmend zurück. Nach Collier benötigen vier von <strong>de</strong>n fünf Milliar<strong>de</strong>n die<br />
Gel<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Entwicklungshilfe gar nicht, weil sie in Schwellenlän<strong>de</strong>rn leben, die wirtschaftlich<br />
schnell aufholen. Dafür soll aber <strong>de</strong>r „untersten Milliar<strong>de</strong>“ die gesamte Aufmerksamkeit gegeben<br />
wer<strong>de</strong>n. Fast alle Menschen <strong>de</strong>r untersten Milliar<strong>de</strong> leben in Afrika in kleinen Staaten und im<br />
Gegensatz zu <strong>de</strong>n übrigen Entwicklungslän<strong>de</strong>rn herrschen dort noch schlechtere Bedingungen. Die<br />
ärmsten Län<strong>de</strong>r schaffen es nicht, sich in <strong>de</strong>n Welthan<strong>de</strong>l zu integrieren, was nach Collier daran<br />
liegt, dass sie in „Entwicklungsfallen“ stecken. Nach ihm gibt es vier solcher Fallen: die<br />
Konfliktfalle, die Ressourcenfalle, die Falle <strong>de</strong>r geographischen Binnenlage und die Falle <strong>de</strong>r<br />
schlechten Regierungsführung. Zum Beispiel ist mit <strong>de</strong>r Konfliktfalle gemeint, dass in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn<br />
Bürgerkriege und Rebellionen toben, die gera<strong>de</strong> die Ressourcen verschlingen, die für<br />
wirtschaftliche Entwicklung gebraucht wer<strong>de</strong>n. Collier for<strong>de</strong>rt militärische Interventionen, um<br />
diesen Län<strong>de</strong>rn zu helfen. Insgesamt steht Collier im Gegenteil zu seinem Kollegen Jeffrey Sachs<br />
eher zu han<strong>de</strong>lpolitischen Maßnahmen als zur Entwicklungshilfe. Die Chancen <strong>de</strong>r ärmsten Län<strong>de</strong>r<br />
liegen seiner Meinung nach im Bereich von arbeitsintensiven Manufakturen; aufgrund <strong>de</strong>s<br />
Lohngefälles könnten sie billig produzieren und exportieren. Dafür müsste <strong>de</strong>r Westen Afrikas<br />
Märkte aber durch Einfuhrerleichterungen för<strong>de</strong>rn. Gera<strong>de</strong> wegen seiner For<strong>de</strong>rung nach<br />
militärischen Interventionen erntete Collier massive Kritik. Positives Vorbild ist für Collier <strong>de</strong>r<br />
Marshall-Plan.<br />
3.4. Muhammad Yunus: Mikrokredite<br />
Der aus Bangla<strong>de</strong>sh stammen<strong>de</strong> Ökonom Muhammad Yunus erfand die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Mikrokredits.<br />
Mikrokredite (micro loans) sind Kleinstkredite von einem Euro bis unter 1000 Euro an<br />
Kleingewerbebetreiben<strong>de</strong> und Kleinlandwirte. Die Kredite wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel von spezialisierten<br />
Finanzdienstleistern und nichtstaatlichen Organisationen vergeben. Yunus vergab seinen ersten<br />
Mikrokredit 1976 an eine größere Gruppe von Korbflechterinnen in einem kleinen Dorf in<br />
Bangla<strong>de</strong>sh. 1983 grün<strong>de</strong>te er die „Grameen“-Bank (Dorfbank), die heutzutage in mehr als 70.000<br />
Dörfern in Bangla<strong>de</strong>sh Kredite an fast sieben Millionen Arme vergibt. Die Rückzahlungsquote liegt<br />
bei 98 bis 99 Prozent, obwohl von <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n keine Sicherheiten verlangt wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Regel<br />
wird jedoch ein Folgekredit in Aussicht gestellt, um die Rückzahlungsbereitschaft zu erhöhen. 97<br />
Prozent <strong>de</strong>r Kreditnehmer sind Frauen, weil sie als verlässlicher und kreditwürdiger erscheinen.<br />
2003 entwickelte die Grameen-Bank ein Programm für vollkommen Mittellose, die sich nur durch<br />
Betteln über Wasser halten. Diese Menschen erhalten zinslose Kredite und unterliegen bei <strong>de</strong>r<br />
Rückzahlung keinen festen Regeln. Doch müssen sie bei ihren Bettelgängen kleine Waren, wie z.B.<br />
Süßigkeiten verkaufen anstatt nur um Almosen zu bitten. Die Geldmittel für die Mikrokredite<br />
stammen sowohl aus <strong>de</strong>n Spareinlagen <strong>de</strong>r lokalen Bevölkerung als auch von internationalen<br />
Kapitalgebern o<strong>de</strong>r aus Spen<strong>de</strong>n von Privatpersonen. In <strong>de</strong>r Wissenschaft ist die Effektivität <strong>de</strong>r<br />
Mikrokredite für die Armutsbekämpfung unbestritten: Inzwischen haben sich fast 60 Prozent <strong>de</strong>r<br />
Kreditnehmerinnen aus <strong>de</strong>r Armut befreit. Für die Überwindung <strong>de</strong>r Armut wur<strong>de</strong> ein<br />
Kriterienkatalog erstellt, <strong>de</strong>r zum Beispiel die Bedingungen umfasst, dass die Familie in einem<br />
Haus mit Blechdach wohnt, die Familienmitglie<strong>de</strong>r in Betten schlafen und dass sie sich dreimal<br />
täglich eine Mahlzeit leisten kann. Es wur<strong>de</strong> gefürchtet, dass die 2008 beginnen<strong>de</strong> weltweite<br />
Finanz- und Wirtschaftskrise <strong>de</strong>r Grameen-Bank scha<strong>de</strong>t, doch bis jetzt konnte die Krise <strong>de</strong>r Bank<br />
wenig anhaben.