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Politische und ökonomische Strategien zur Bekämpfung von Hunger und Armut<br />

(global)<br />

1. Einleitung<br />

Schon seit langer Zeit sind die globale Armut und die Unterernährung ein großes Thema bei<br />

politischen Konferenzen und Gipfeln und es gibt viele Projekte und Strategien, die das Ziel<br />

verfolgen, die Armut und <strong>de</strong>n Hunger in <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong>de</strong>rn zu bekämpfen, so dass es mehr<br />

Menschen möglich ist, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen und ein Leben in Wür<strong>de</strong> führen zu<br />

können.<br />

In <strong>de</strong>r Allgemeinen Erklärung <strong>de</strong>r Menschenrechte im Artikel 25, Absatz 1, wird <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung<br />

nach einem Leben in Wür<strong>de</strong> ein Rechtsanspruch verliehen. Dort heißt es:<br />

„Je<strong>de</strong>r Mensch hat Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und<br />

Wohlbefin<strong>de</strong>n, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztlicher Betreuung und <strong>de</strong>r<br />

notwendigen Leistungen <strong>de</strong>r sozialen Fürsorge, gewährleistet.“<br />

Doch gera<strong>de</strong> dieser Anspruch ist vielen Menschen, die in Armut und Hunger leben, verwehrt.<br />

Augrund <strong>de</strong>ssen haben sich viele Politiker, Institutionen und Organisationen Ziele gesetzt und Pläne<br />

ausgearbeitet, mit <strong>de</strong>r sie gegen die globale Armut und das Hungerlei<strong>de</strong>n ankämpfen wollen.<br />

2. Definition von Hunger und Armut<br />

Armut lässt sich schwer <strong>de</strong>finieren, da sie viele Aspekte beinhaltet. Sie be<strong>de</strong>utet nicht nur geringes<br />

Einkommen, son<strong>de</strong>rn auch geringe Beteiligungsmöglichkeiten im wirtschaftlichen und politischen<br />

Leben, Gefährdung durch Risiken, Missachtung <strong>de</strong>r Menschenwür<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Menschenrechte und<br />

außer<strong>de</strong>m fehlen<strong>de</strong>r Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen. Da man einen gemeinsamen Maßstab<br />

haben wollte, führte die Weltbank eine offizielle Definition von Armut ein. Demnach gelten<br />

Menschen als absolut o<strong>de</strong>r extrem arm, wenn ihnen umgerechnet in lokale Kaufkraftparität, weniger<br />

als einen US-Dollar pro Tag zur Verfügung steht. Im August 2008 wur<strong>de</strong> die Armutsgrenze<br />

aufgrund verbesserter Daten jedoch auf 1,25 US-Dollar angepasst.<br />

Laut <strong>de</strong>r Welternährungsorganisation (FAO) müssen rund eine Milliar<strong>de</strong> Menschen auf <strong>de</strong>r ganzen<br />

Welt Hunger lei<strong>de</strong>n (Stand: Oktober 2009). Die meisten dieser Menschen leben in<br />

Entwicklungslän<strong>de</strong>rn. Nach <strong>de</strong>r Definition <strong>de</strong>r FAO tritt Unterernährung dann ein, wenn die<br />

tägliche Energiezufuhr für einen längeren Zeitraum unter <strong>de</strong>m Bedarfsminimum liegt, das für einen<br />

gesun<strong>de</strong>n Körper und ein aktives Leben benötigt wird.<br />

3.Politische und ökonomische Strategien<br />

Schon die UNO-Charta von 1945 verpflichtet die Mitgliedsstaaten, „<strong>de</strong>n sozialen Fortschritt und<br />

einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu för<strong>de</strong>rn“ (Präambel).<br />

Die Weltorganisation United Nations (UN) zählte zu ihren Kernaufgaben schon von Anfang an die<br />

Bekämpfung von Armut und Elend, um allen Menschen ein Leben in Wür<strong>de</strong> und Selbstbestimmung<br />

zu ermöglichen.<br />

3.1. Weltgipfel in Rio <strong>de</strong> Janeiro<br />

Im Jahr 1992 kamen auf <strong>de</strong>r UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio <strong>de</strong> Janeiro<br />

Vertreter aus 178 Län<strong>de</strong>rn zusammen, um über Fragen zu Umwelt und Entwicklung im<br />

21.Jahrhun<strong>de</strong>rt zu beraten. Die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Konferenz erkannten das Konzept <strong>de</strong>r nachhaltigen<br />

Entwicklung als internationales Leitbild an. Hinter diesem Konzept verbarg sich die Erkenntnis,<br />

dass wirtschaftliche Effizienz, soziale Gerechtigkeit und die Sicherung <strong>de</strong>r natürlichen<br />

Lebensgrundlagen gleichwertige überlebenswichtige Interessen sind, die sich gegenseitig ergänzen.


Zentrales Ergebnis <strong>de</strong>r UN-Konferenz ist die Agenda 21, ein Aktionsprogramm mit<br />

Handlungsempfehlungen für alle Bereiche <strong>de</strong>r Umwelt und Entwicklung. Die Agenda 21 for<strong>de</strong>rt<br />

eine neue Entwicklungs- und Umweltpartnerschaft zwischen <strong>de</strong>n Industrienationen und <strong>de</strong>n armen<br />

Län<strong>de</strong>rn. Außer<strong>de</strong>m verfolgt sie wichtige entwicklungspolitische Ziele wie Armutsbekämpfung und<br />

nachhaltige Bewirtschaftung <strong>de</strong>r natürlichen Ressourcen Wasser, Bo<strong>de</strong>n und Wald und auch<br />

umweltpolitische Ziele, wie die Reduzierung <strong>de</strong>s Treibhauseffektes.<br />

In Rio <strong>de</strong> Janeiro haben sich zu<strong>de</strong>m alle Konferenzmitglie<strong>de</strong>r dazu verpflichtet, nationale Strategien<br />

für eine nachhaltige Entwicklung zu erarbeiten.<br />

Es wur<strong>de</strong>n noch weitere UN-Konferenzen abgehalten, die sich mit <strong>de</strong>r Bekämpfung von Hunger<br />

und Armut beschäftigten, so etwa <strong>de</strong>r Weltgipfel für soziale Entwicklung von 1995. Es wur<strong>de</strong>n<br />

auch Beschlüsse verfasst, die jedoch kaum in die Tat umgesetzt wur<strong>de</strong>n. Erst im September 2000<br />

wur<strong>de</strong> ein konkreter Aktionsplan in einem <strong>de</strong>utlich festgelegten Zeitrahmen aufgestellt.<br />

3.2. Milleniumserklärung<br />

Im September 2000 verabschie<strong>de</strong>ten in New York 189 Vertreter <strong>de</strong>r UN auf ihrem bislang größten<br />

Gipfeltreffen die Milleniumserklärung, die die Agenda für die internationale Politik im 21.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt beschreibt und vier Handlungsfel<strong>de</strong>r für die internationale Politik <strong>de</strong>finiert:<br />

• Frie<strong>de</strong>n, Sicherheit und Abrüstung<br />

• Entwicklung und Armutsbekämpfung<br />

• Schutz <strong>de</strong>r gemeinsamen Umwelt<br />

• Menschenrechte, Demokratie und gute Regierungsführung<br />

Aus <strong>de</strong>r Milleniumserklärung wur<strong>de</strong>n dann die Milleniumsentwicklungsziele (Millenium<br />

Development Goals, MDGs) abgeleitet:<br />

Die Milleniumsentwicklungsziele:<br />

1. Extreme Armut und Hunger: Bis 2015 soll <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Menschen halbiert<br />

(gegenüber <strong>de</strong>m Stand von 1990)wer<strong>de</strong>n, die mit weniger als einem US-Dollar pro Tag<br />

(in reicheren Län<strong>de</strong>rn zwei US-Dollar) überleben müssen.Der Anteil <strong>de</strong>r hungern<strong>de</strong>n<br />

Menschen soll ebenfalls halbiert wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Schulbildung: Allen Kin<strong>de</strong>rn soll <strong>de</strong>r Besuch einer Primarschule ermöglicht wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Gleichstellung: Die Gleichstellung <strong>de</strong>r Geschlechter (gen<strong>de</strong>r) soll geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r Primar- und Sekundarschulbildung.<br />

4. Kin<strong>de</strong>rsterblichkeit: Die Sterblichkeitsrate von Kin<strong>de</strong>rn unter fünf Jahren soll bis<br />

2015 um zwei Drittel gesenkt wer<strong>de</strong>n.<br />

5. Müttersterblichkeit: Die Sterblichkeitsrate von Müttern soll bis 2015 um drei Viertel<br />

gesenkt wer<strong>de</strong>n.<br />

6. Übertragungskrankheiten: Mit Armut verbun<strong>de</strong>ne Krankheiten sollen konsequent<br />

bekämpft wer<strong>de</strong>n. Dabei soll ein beson<strong>de</strong>rer Fokus auf Kin<strong>de</strong>r- und<br />

Müttersterblichkeit sowie auf Immunkrankheiten gelegt wer<strong>de</strong>n. Die Ausbreitung von<br />

HIV/AIDS soll bis 2015 gestoppt wer<strong>de</strong>n.<br />

7. Umwelt: Die ökologische Nachhaltigkeit soll gesichert wer<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Zugang<br />

Benachteiligter zu Ressourcen wie Trinkwasser, Land und Wald verbessert, die<br />

Verslumung <strong>de</strong>r Städte zurückgeführt und erneuerbare Energien verstärkt und zum<br />

Nutzen <strong>de</strong>r Armen eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

8. Partnerschaft: Eine globale Entwicklungspartnerschaft soll aufgebaut wer<strong>de</strong>n. Hierzu<br />

sollen vor allem bessere Welthan<strong>de</strong>lsbedingungen geschaffen, die Entschuldung <strong>de</strong>r<br />

Entwicklungslän<strong>de</strong>r vorangetrieben, mehr und effektivere Entwicklungsfinanzierung


ereitgestellt und eine bessere Partnerschaft mit beson<strong>de</strong>rs benachteiligten Län<strong>de</strong>rn<br />

entwickelt wer<strong>de</strong>n.<br />

2001 entwickelte die UN ausgehend von dieser Milleniusmserklärung einen Kompass (Roadmap)<br />

zur Umsetzung <strong>de</strong>r Erklärung. In diesem sind ergänzen 18 klare Zielvorgaben die allgemein<br />

gehaltenen Ziele.<br />

3.2.1 Der Monterrey-Konsens<br />

2002 hielt die Weltgemeinschaft eine Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im mexikanischen<br />

Monterrey ab, <strong>de</strong>r sog. „Monterrey Konsens“. Dort wur<strong>de</strong> diskutiert, wie man die Verwirklichung<br />

<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Millenniumskonferenz besprochenen Ziele finanzieren kann. Beim Ergebnis dieser<br />

Konferenz wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich hervorgehoben, dass die primäre Verantwortung für die Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r Lebensverhältnisse <strong>de</strong>r Armen zu allererst bei <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong>de</strong>rn selbst liegt. Es wur<strong>de</strong><br />

zu<strong>de</strong>m beschlossen, dass je<strong>de</strong>s Entwicklungsland eine eigen Armutsbekämpfungsstrategie (Poverty<br />

Reduction Strategy, PRS) entwickeln sollte und für <strong>de</strong>ren Umsetzung erhebliche Mittel aus <strong>de</strong>m<br />

eigenen Staatshaushalt bereitstellen sollte. Dafür versprachen die entwickelten Län<strong>de</strong>r, ihre<br />

öffentliche Entwicklungshilfe (Official Development Aid, ODA) <strong>de</strong>utlich zu steigern und <strong>de</strong>n hoch<br />

verschul<strong>de</strong>ten Län<strong>de</strong>rn einen Teil ihrer Schul<strong>de</strong>n zu erlassen. Sie stellten jedoch die Bedingung,<br />

dass diese Län<strong>de</strong>r die dann frei wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mittel für <strong>de</strong>n Kampf gegen die Armut nutzten.<br />

Weitere Ergebnisse waren:<br />

• In <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong>de</strong>rn sollen mehr inländische Mittel mobilisiert wer<strong>de</strong>n.<br />

• Ausländische Direktinvestitionen sollen die Wirtschaft in <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong>de</strong>rn stärken.<br />

• Der internationale Han<strong>de</strong>l soll als Motor für Entwicklung geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Die Industrielän<strong>de</strong>r<br />

sollen dazu ihre Märkte für Produkte aus <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong>de</strong>rn öffnen.<br />

• Die Interessen von Entwicklungslän<strong>de</strong>rn sollen bei <strong>de</strong>r Reform <strong>de</strong>r internationalen Han<strong>de</strong>ls- und<br />

Finanzarchitektur berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

• Die internationale Entwicklungszusammenarbeit soll noch besser aufeinan<strong>de</strong>r und mit <strong>de</strong>n<br />

Strategien <strong>de</strong>r Entwicklungslän<strong>de</strong>r abgestimmt wer<strong>de</strong>n.<br />

3.2.2 Milleniumsprojekt<br />

Ebenfalls im Jahr 2002 entwickelte <strong>de</strong>r Generalsekretär <strong>de</strong>r Vereinten Nationen das<br />

Milleniumsprojekt. Dieses sollte einen Aktionsplan ausarbeiten, <strong>de</strong>r die konkreten Maßnahmen für<br />

die Umsetzung <strong>de</strong>r Milleniumsziele auflisten und außer<strong>de</strong>m einen Finanzierungsplan vorweisen<br />

sollte. Diese Aufgabe übernahm ein unabhängiges Beratergremium von über 250 Experten aus <strong>de</strong>r<br />

ganzen Welt unter Leitung <strong>de</strong>s amerikanischen Ökonomieprofessors Jeffrey Sachs.<br />

Im Februar 2005 Legte das Gremium seinen Bericht mit <strong>de</strong>m Titel „In die Entwicklung investieren<br />

– ein praktischer Plan zur Erreichung <strong>de</strong>r Milleniums-Entwicklungsziele“ vor. Dieser entstand<br />

durch die Mitarbeit von Wissenschaftlern, politischen Entscheidungsträgern, Vertretern<br />

nichtstaatlicher Organisationen, <strong>de</strong>r UNO, <strong>de</strong>r Weltbank, <strong>de</strong>s Internationalen Währungsfonds und<br />

<strong>de</strong>r Privatwirtschaft. Bei ihrem Bericht orientierten sich die Experten an die Vorgabe <strong>de</strong>s Monterrey<br />

Konsens, dass die von <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong>de</strong>rn auszuarbeiten<strong>de</strong>n nationalen Strategien zur<br />

Armutsbekämpfung Grundlage <strong>de</strong>s gesamten Projekts zu sein hätten.<br />

Der von <strong>de</strong>m Sachs-Team aufgestellte Aktionsplan schlägt eine Menge von Sofortmaßnahmen vor,<br />

die dazu beitragen sollen, die größte Not in <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong>de</strong>rn schnell zu lin<strong>de</strong>rn. Denn


vielen dieser Län<strong>de</strong>r gelingt es nicht, wie in <strong>de</strong>m Monterrey-Konsens verabre<strong>de</strong>t, zunächst einmal<br />

zu versuchen, sich selbst aus <strong>de</strong>r Armutsfalle zu befreien. Dies hat eine Menge Grün<strong>de</strong>, so zum<br />

Beispiel die niedrige Sparquote, schlechte Regierungsführungen in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn selbst und vor<br />

allem die beson<strong>de</strong>ren geographischen Bedingungen. Dazu gehören die hohen Transportkosten, die<br />

extrem schlechten agroklimatischen Verhältnisse in <strong>de</strong>n Tropenlän<strong>de</strong>rn und die beson<strong>de</strong>rs<br />

schlechten Gesundheitsbedingungen (Malaria, HIV/AIDS-Epi<strong>de</strong>mie). Aufgrund <strong>de</strong>ssen hält es das<br />

Sachs-Team für unabdingbar, <strong>de</strong>n Kapitalbestand <strong>de</strong>r betroffenen Volkswirtschaften soweit<br />

auszustocken, dass ein selbsttragen<strong>de</strong>s Wirtschaftswachstum möglich wird. Zu <strong>de</strong>n<br />

Sofortmaßnahmen zählen unter an<strong>de</strong>rem die Verteilung von mit Insektizi<strong>de</strong>n präparierten<br />

Moskitonetzen, die Abschaffung sämtlicher Schulgebühren, die Einführung kostenloser<br />

Schulmahlzeiten und die Überlassung kostenloser Düngemittel an Bauern. Außer<strong>de</strong>m bräuchten die<br />

ärmsten Län<strong>de</strong>r einen großen Teil öffentlicher Investitionen, die sich auf 72 Milliar<strong>de</strong>n Dollar pro<br />

Jahr belaufen wür<strong>de</strong>n . Hinzu kommen jedoch noch die Kosten für län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong><br />

Maßnahmen, vor allem für die Unterstützung von Wissenschaft und Forschung auf globaler Ebene,<br />

die Kosten für die Sofortmaßnahmen und für die Verwaltung und die Betriebskosten <strong>de</strong>r<br />

Entwicklungsorganisationen selbst. Nach <strong>de</strong>n Schätzungen <strong>de</strong>s Millenniumsprojektes beliefe sich<br />

<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n reichen Län<strong>de</strong>rn zu <strong>de</strong>cken<strong>de</strong> „Fehlbedarf“ auf 135 Milliar<strong>de</strong>n Dollar, die bis 2015<br />

schrittweise auf 159 Milliar<strong>de</strong>n Dollar ansteigen sollen.<br />

3.2.3 Millenium+5-Gipfel<br />

Im September 2005 kamen über 150 Staats- und Regierungschefs auf <strong>de</strong>m Millenium+5-Gipfel in<br />

New York zusammen. Besprochen wur<strong>de</strong> die Umsetzung <strong>de</strong>r Verpflichtungen, die die Chefs auf<br />

<strong>de</strong>n großen Konferenzen <strong>de</strong>r UN, vor allem auf <strong>de</strong>m Milleniumsgipfel im September 2000,<br />

eingegangen sind und so Bilanz gezogen. Außer<strong>de</strong>m diskutiert wur<strong>de</strong> eine breite Reformagenda.<br />

Nach <strong>de</strong>m Verhandlungsprozess verabschie<strong>de</strong>ten die UN-Mitgliedsstaaten ein Abschlussdokument<br />

mit Positionen zu Entwicklung, Frie<strong>de</strong>nssicherung und zur Verhin<strong>de</strong>rung von humanitären<br />

Katastrophen.<br />

Zu <strong>de</strong>n Positionen zählen zum Beispiel:<br />

• Ein<strong>de</strong>utige Bestätigung <strong>de</strong>r Millenniumsentwicklungsziele (MDGs), zusätzliches Ziel im<br />

Bereich reproduktive Gesundheit<br />

• Bekräftigung <strong>de</strong>s UN-Ziels, min<strong>de</strong>stens 0,7 Prozent <strong>de</strong>s Bruttonationaleinkommens für<br />

Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen<br />

• Auftrag an <strong>de</strong>n UN-Generalsekretär, Vorschläge zur Reform <strong>de</strong>s UN-Entwicklungsbereichs<br />

vorzulegen<br />

• Einführung <strong>de</strong>s Prinzips <strong>de</strong>r "Verantwortung zum Schutz" (Responsibility to Protect), mit<br />

<strong>de</strong>m sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, einzugreifen, wenn Staaten ihrer<br />

Verantwortung zum Schutz ihrer Bevölkerung nicht nachkommen<br />

3.2.4 Folgekonferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Doha<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres 2008 gab es in Doha/Katar eine Folgekonferenz zur Entwicklungsfinanzierung, um<br />

das von <strong>de</strong>n Milleniumszielen schon Erreichte zu überprüfen und neue Herausfor<strong>de</strong>rungen zu<br />

beleuchten. Im Abschlussdokument wird <strong>de</strong>r Monterrey-Konsens bekräftigt und es wer<strong>de</strong>n an<br />

bestimmten Stellen neue Akzente gesetzt. So enthält das Dokument die erneute Verpflichtung <strong>de</strong>r<br />

Weltgemeinschaft, für die Erreichung <strong>de</strong>r international vereinbarten Entwicklungsziele und <strong>de</strong>n<br />

Kampf gegen die Armut alle finanziellen Ressourcen zu mobilisieren. Zu dieser Verpflichtung<br />

zählen zu<strong>de</strong>m innovative Finanzierungsquellen, wie z.B. Erlöse aus <strong>de</strong>m Emissionshan<strong>de</strong>l und<br />

Einnahmen aus <strong>de</strong>m Rohstoffsektor, die transparenter gemacht und besser für


Entwicklungsfortschritte verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n sollen. Ein weiterer neuer Akzent ist es, die<br />

Wirksamkeit <strong>de</strong>r Entwicklungszusammenarbeit zu verbessern. Außer<strong>de</strong>m soll eine verstärkte<br />

internationale Kooperation gegen Steuerflucht und mehr Capacity Development <strong>de</strong>n<br />

Entwicklungslän<strong>de</strong>r helfen, effektive Steuersysteme aufzubauen und größere eigene Einnahmen zu<br />

erzielen.<br />

3.2.5. Chancen <strong>de</strong>r Umsetzung <strong>de</strong>r Milleniumsziele und Bilanz<br />

2009 erschien <strong>de</strong>r jährliche Milleniums-Entwicklungsbericht <strong>de</strong>r UNO, in <strong>de</strong>m Bilanz über die<br />

jeweils erzielten Fortschritte bezogen auf die Milleniumsentwicklungsziele gezogen wird.<br />

Beispiele für die positiven Ergebnisse:<br />

Dank <strong>de</strong>r Sofortmaßnahmen ist die Kin<strong>de</strong>rsterblichkeit von 12,6 Millionen im Jahr 1990 auf neun<br />

Millionen 2007 gesunken, <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Menschen, die von weniger als einem US-Dollar am Tag<br />

leben müssen, fiel in China von 60 auf 16 Prozent und in Ostasien von 56 auf 18 Prozent (nach<br />

Schätzungen <strong>de</strong>r Weltbank für die Zeit von 1981 bis 2005), <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r extrem Armen an <strong>de</strong>r<br />

Weltbevölkerung sank nach <strong>de</strong>n revidierten Zahlen von 42 Prozent auf knapp 26 Prozent, in <strong>de</strong>r<br />

Region Südasien sank die Anzahl <strong>de</strong>r extrem Armen von 51 auf 40 Prozent, in Lateinamerika und<br />

<strong>de</strong>r Karibik sank <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r extrem Armen zwischen 1990 und 2005 von 10,7 Prozent auf 8,2<br />

Prozent, die Zahl <strong>de</strong>r unterernährten Kin<strong>de</strong>r unter fünf Jahren sank in <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong>de</strong>rn von<br />

33 Prozent im Jahr 1990 auf 26 Prozent im Jahr 2006 und in Südostasien sank <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r<br />

unterernährten Kin<strong>de</strong>r zwischen 1990 und 2006 von 37 auf 25 Prozent.<br />

Beispiele für die negativen Ergebnisse:<br />

In <strong>de</strong>r Region Afrika südlich <strong>de</strong>r Sahara ist <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Armen seit 1990 um lediglich fünf<br />

Prozentpunkte auf 50 Prozent im Jahr 2005 gesunken, die Zahl <strong>de</strong>r Hungern<strong>de</strong>n steigt seit 2005<br />

wie<strong>de</strong>r: In Afrika südlich <strong>de</strong>r Sahara wuchs die Anzahl von 166 Millionen auf 212 Millionen<br />

Menschen, in Südasien von 302 Millionen auf 312 Millionen und in Westasien von 8 Millionen auf<br />

16 Millionen; trotz leichter Verbesserungen ist in Südasien fast die Hälfte <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r unterernährt.<br />

Auch in Afrika südlich <strong>de</strong>r Sahara hat es kaum Fortschritte gegeben, dort ist fast ein Drittel <strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>r unterernährt. Außer<strong>de</strong>m hat die weltweite Wirtschaftskrise die bisherigen Fortschritte beim<br />

Kampf gegen die extreme Armut verlangsamt o<strong>de</strong>r sogar umgekehrt.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s Milleniums-Entwicklungsberichts, bekräftigen die Teilnehmer <strong>de</strong>s<br />

G8-Gipfels 2009 in L’Aqila (Italien) <strong>de</strong>n Beschluss vom G8-Gipfel 2005 in Schottland, die Hilfe<br />

für Afrika bis 2010 auf jährlich 50 Milliar<strong>de</strong>n Dollar zu verdoppeln. Auf <strong>de</strong>m Gipfel letzten Jahres<br />

wur<strong>de</strong> außer<strong>de</strong>m ein Hilfsprogramm von 20 Milliar<strong>de</strong>n Dollar neu beschlossen, das in <strong>de</strong>n nächsten<br />

drei Jahren <strong>de</strong>n armen Län<strong>de</strong>rn helfen soll, ihre Landwirtschaft besser zu stützen und auszubauen.<br />

Gleichzeitig soll jedoch die direkte Nahrungsmittelhilfe gekürzt wer<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r die Industriestaaten<br />

bislang versucht haben, ihre Überschüsse loszuwer<strong>de</strong>n. Das beeinträchtigte die lokalen Märkte<br />

jedoch erheblich.<br />

Im Vorwort <strong>de</strong>s Millenniums-Entwicklungsbericht von 2009 appelliert <strong>de</strong>r UNO-Generalsekretär<br />

Ban Ki-moon an die Regierungen <strong>de</strong>r Industrielän<strong>de</strong>r:<br />

„Wir müssen trotz <strong>de</strong>s ungünstigen wirtschaftlichen Klimas die im Jahr 2000 gegebenen<br />

Versprechen einhalten. Die internationale Gemeinschaft darf die Armen und Schwachen nicht<br />

alleine lassen. Es ist höchste Zeit, um mehr für die Millenniums-Entwicklungsziele zu tun. Mit<br />

starkem politischen Willen und ausreichen<strong>de</strong>n finanziellen Mitteln bleiben die Ziele noch in<br />

Reichweite – auch in extrem armen Staaten.“


3.3. Paul Collier: Konzentration auf die ärmsten Län<strong>de</strong>r<br />

Paul Collier (früherer Leiter <strong>de</strong>r Forschungsabteilung <strong>de</strong>r Weltbank) hat ebenfalls eine Strategie<br />

entwickelt, um die weltweite Armut und das Hungerlei<strong>de</strong>n zu bekämpfen: Insgesamt fünf<br />

Milliar<strong>de</strong>n Menschen leben bereit im Wohlstand o<strong>de</strong>r befin<strong>de</strong>n sich auf <strong>de</strong>m Weg dorthin, jedoch<br />

fällt eine Milliar<strong>de</strong> zunehmend zurück. Nach Collier benötigen vier von <strong>de</strong>n fünf Milliar<strong>de</strong>n die<br />

Gel<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Entwicklungshilfe gar nicht, weil sie in Schwellenlän<strong>de</strong>rn leben, die wirtschaftlich<br />

schnell aufholen. Dafür soll aber <strong>de</strong>r „untersten Milliar<strong>de</strong>“ die gesamte Aufmerksamkeit gegeben<br />

wer<strong>de</strong>n. Fast alle Menschen <strong>de</strong>r untersten Milliar<strong>de</strong> leben in Afrika in kleinen Staaten und im<br />

Gegensatz zu <strong>de</strong>n übrigen Entwicklungslän<strong>de</strong>rn herrschen dort noch schlechtere Bedingungen. Die<br />

ärmsten Län<strong>de</strong>r schaffen es nicht, sich in <strong>de</strong>n Welthan<strong>de</strong>l zu integrieren, was nach Collier daran<br />

liegt, dass sie in „Entwicklungsfallen“ stecken. Nach ihm gibt es vier solcher Fallen: die<br />

Konfliktfalle, die Ressourcenfalle, die Falle <strong>de</strong>r geographischen Binnenlage und die Falle <strong>de</strong>r<br />

schlechten Regierungsführung. Zum Beispiel ist mit <strong>de</strong>r Konfliktfalle gemeint, dass in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn<br />

Bürgerkriege und Rebellionen toben, die gera<strong>de</strong> die Ressourcen verschlingen, die für<br />

wirtschaftliche Entwicklung gebraucht wer<strong>de</strong>n. Collier for<strong>de</strong>rt militärische Interventionen, um<br />

diesen Län<strong>de</strong>rn zu helfen. Insgesamt steht Collier im Gegenteil zu seinem Kollegen Jeffrey Sachs<br />

eher zu han<strong>de</strong>lpolitischen Maßnahmen als zur Entwicklungshilfe. Die Chancen <strong>de</strong>r ärmsten Län<strong>de</strong>r<br />

liegen seiner Meinung nach im Bereich von arbeitsintensiven Manufakturen; aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Lohngefälles könnten sie billig produzieren und exportieren. Dafür müsste <strong>de</strong>r Westen Afrikas<br />

Märkte aber durch Einfuhrerleichterungen för<strong>de</strong>rn. Gera<strong>de</strong> wegen seiner For<strong>de</strong>rung nach<br />

militärischen Interventionen erntete Collier massive Kritik. Positives Vorbild ist für Collier <strong>de</strong>r<br />

Marshall-Plan.<br />

3.4. Muhammad Yunus: Mikrokredite<br />

Der aus Bangla<strong>de</strong>sh stammen<strong>de</strong> Ökonom Muhammad Yunus erfand die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Mikrokredits.<br />

Mikrokredite (micro loans) sind Kleinstkredite von einem Euro bis unter 1000 Euro an<br />

Kleingewerbebetreiben<strong>de</strong> und Kleinlandwirte. Die Kredite wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel von spezialisierten<br />

Finanzdienstleistern und nichtstaatlichen Organisationen vergeben. Yunus vergab seinen ersten<br />

Mikrokredit 1976 an eine größere Gruppe von Korbflechterinnen in einem kleinen Dorf in<br />

Bangla<strong>de</strong>sh. 1983 grün<strong>de</strong>te er die „Grameen“-Bank (Dorfbank), die heutzutage in mehr als 70.000<br />

Dörfern in Bangla<strong>de</strong>sh Kredite an fast sieben Millionen Arme vergibt. Die Rückzahlungsquote liegt<br />

bei 98 bis 99 Prozent, obwohl von <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n keine Sicherheiten verlangt wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Regel<br />

wird jedoch ein Folgekredit in Aussicht gestellt, um die Rückzahlungsbereitschaft zu erhöhen. 97<br />

Prozent <strong>de</strong>r Kreditnehmer sind Frauen, weil sie als verlässlicher und kreditwürdiger erscheinen.<br />

2003 entwickelte die Grameen-Bank ein Programm für vollkommen Mittellose, die sich nur durch<br />

Betteln über Wasser halten. Diese Menschen erhalten zinslose Kredite und unterliegen bei <strong>de</strong>r<br />

Rückzahlung keinen festen Regeln. Doch müssen sie bei ihren Bettelgängen kleine Waren, wie z.B.<br />

Süßigkeiten verkaufen anstatt nur um Almosen zu bitten. Die Geldmittel für die Mikrokredite<br />

stammen sowohl aus <strong>de</strong>n Spareinlagen <strong>de</strong>r lokalen Bevölkerung als auch von internationalen<br />

Kapitalgebern o<strong>de</strong>r aus Spen<strong>de</strong>n von Privatpersonen. In <strong>de</strong>r Wissenschaft ist die Effektivität <strong>de</strong>r<br />

Mikrokredite für die Armutsbekämpfung unbestritten: Inzwischen haben sich fast 60 Prozent <strong>de</strong>r<br />

Kreditnehmerinnen aus <strong>de</strong>r Armut befreit. Für die Überwindung <strong>de</strong>r Armut wur<strong>de</strong> ein<br />

Kriterienkatalog erstellt, <strong>de</strong>r zum Beispiel die Bedingungen umfasst, dass die Familie in einem<br />

Haus mit Blechdach wohnt, die Familienmitglie<strong>de</strong>r in Betten schlafen und dass sie sich dreimal<br />

täglich eine Mahlzeit leisten kann. Es wur<strong>de</strong> gefürchtet, dass die 2008 beginnen<strong>de</strong> weltweite<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise <strong>de</strong>r Grameen-Bank scha<strong>de</strong>t, doch bis jetzt konnte die Krise <strong>de</strong>r Bank<br />

wenig anhaben.


Quellen:<br />

http://www.stmuk.bayern.<strong>de</strong>/blz/eup/03_09/4.asp<br />

http://www.welthungerhilfe.<strong>de</strong>/was-ist-hunger.html<br />

http://www.bmz.<strong>de</strong>/<strong>de</strong>/ziele/ziele/millenniumplus5/in<strong>de</strong>x.html<br />

Eine Ausarbeitung von Lilian Claus

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