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Abendprogramm (PDF) - Philharmonie

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der Häftlinge, sich nicht aufzugeben. «Všechno jde!» wurde zur Lagerhymne,<br />

die Mehrzahl der vielen von Witz sprühenden Revuen<br />

des Ausnahmekabarettisten und Allroundkünstlers Švenk ist<br />

jedoch für immer verloren.<br />

Švenk wurde in Auschwitz ermordet, ebenso Carlo Sigmund<br />

Taube (geboren 1897 in Galizien), von dem der Nachwelt nur ein<br />

einziges Werk erhalten blieb: das Lied «Ein jüdisches Kind». Von<br />

dem 1945 in Dachau gestorbenen Robert Dauber (geboren 1922)<br />

überlebte nur die Serenata für Violine und Klavier. Ilse Weber<br />

(geboren 1903 in Ostrau) ging mit den Kindern der Theresienstädter<br />

Krankenstation, für die sie während ihrer Nachtwachen<br />

komponiert und gesungen hatte, freiwillig in den Tod. Ihre Lieder,<br />

von denen acht gerettet werden konnten, gehören in ihrer Einfachheit<br />

und Innigkeit zum Berührendsten, was im Lager geschrieben<br />

wurde. Häftlinge bezeugten, dass sie in der Gaskammer mit<br />

den Theresienstädter Kindern ihr «Wiegala» sang.<br />

Grausam herausgerissen aus ihrem Schaffensprozess, hinterließen<br />

die Komponisten Theresienstadts der Nachwelt als Lebenswerk<br />

nur einen Torso – zu welcher Gestalt sich dieser hätte entwickeln<br />

können, lässt sich nur erahnen. Nicht zuletzt die großartigen Werke,<br />

die Viktor Ullmanns Lehrer Arnold Schönberg noch in der<br />

Emigration schuf, vermitteln einen Eindruck davon, welch unermessliches<br />

schöpferisches Potenzial mit der verfemten musikalischen<br />

Avantgarde in den Gaskammern erstickt wurde.<br />

Die vor der Vernichtung geretteten Werke bezeugen, dass selbst<br />

unter den teuflischen Bedingungen Theresienstadts und angesichts<br />

widrigster Lebensumstände unter dem NS-Terrorregime Meisterwerke<br />

entstehen konnten – Meisterwerke, die als Teil des musikalischen<br />

Erbes der Menschheit weiterbestehen werden.<br />

Ulrike Migdal, Studium der Philosophie, Literaturwissenschaft und Musik, übernahm<br />

nach der Promotion 1979 Forschungs- und Lehraufträge in Deutschland und den USA.<br />

Seit 1985 freie Schriftstellerin, Dozentin und Rundfunkautorin. 2010 Preis des Deutschen<br />

Kulturrats für ihre Hörspiele, u.a. zu Ilse Weber, deren Briefe und Gedichte<br />

sie herausgegeben hat (Wann wohl das Leid ein Ende hat. – München: Hanser, 2008).<br />

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