Abendprogramm (PDF) - Philharmonie
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Pavel Haas, um 1925 Karel Berman, um 1955<br />
Vorstellung bedeutete Musik eine große Hilfe: Überlebende<br />
berichteten, dass sie gegen die Geisteskrankheit Hunger angehen<br />
konnten, wenn sie zum Beispiel Musik von Johann Sebastian<br />
Bach, die sie seit ihrer Jugend kannten, Note für Note imaginierten.<br />
Musik vermochte ein Höchstmaß an psychischer Widerstandskraft<br />
zu wecken, sie war – wie auch die Poesie – ein Instrument<br />
im Kampf der Gefangenen um den zivilisierten Menschen, um<br />
den Menschen als Kulturwesen.<br />
Der Komponist und Dirigent Viktor Ullmann (geboren 1898 in<br />
Teschen) bekannte in seinem 1944 in der Hoffnung auf eine baldige<br />
Befreiung des Ghettos geschriebenen Aufsatz Goethe und<br />
Ghetto, «dass wir keineswegs bloß klagend an Babylons Flüssen<br />
saßen und dass unser Kulturwille unserem Lebenswillen adäquat<br />
war». Tatsächlich waren die in Theresienstadt inhaftierten Komponisten<br />
in ihrem Selbstverständnis nicht zuerst Gefangene, sondern<br />
Menschen, die mit einer ungeheuren moralischen Kraft ihr<br />
Menschsein und das humane Ideal bis in die Nähe ihrer physischen<br />
Vernichtung verteidigten. Ihre Werke sind in einem nicht<br />
mehr zu steigernden Sinn Widerstand: Zeugnisse eines trotzig<br />
geführten Kampfes um die Zugehörigkeit zu jener europäischen<br />
Kulturtradition, aus der ihre Verfolger sie vertreiben wollten.<br />
Ullmanns Produktivität explodierte geradezu in Theresienstadt,<br />
im Lager entstanden fast ebenso viele Werke wie in den gut zwanzig<br />
Jahren seiner kompositorischen Tätigkeit vorher: drei Klaviersonaten,<br />
ein Streichquartett, Liedzyklen, Chorwerke, und die<br />
Oper Der Kaiser von Atlantis oder die Todverweigerung. Noch in Prag<br />
entstand das Liederbuch des Hafis op. 30, das Ullmann der Sopranistin<br />
Marion Podolier widmete; sie wurde 1942 nach Theresienstadt<br />
deportiert, überlebte jedoch den Holocaust.<br />
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