04.09.2014 Aufrufe

Abendprogramm (PDF) - Philharmonie

Abendprogramm (PDF) - Philharmonie

Abendprogramm (PDF) - Philharmonie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die «Freizeitgestaltung»<br />

Schon bald erkannte die SS-Lagerleitung, welch propagandistischer<br />

Gewinn sich aus der Tatsache ziehen ließ, dass in Theresienstadt<br />

viele prominente Künstler der Tschechoslowakei versammelt<br />

waren. Einen ersten Schritt in Richtung eines Ausbaus Theresienstadts<br />

als Vorzeigelager tat die SS im Dezember 1942 mit der<br />

Eröffnung eines «Kaffeehauses»: Hier gab es zwar keinen Kaffee,<br />

stattdessen sporadische Darbietungen von Musikkapellen, die<br />

die SS zur eigenen Feierabendentspannung aufspielen ließ. Den<br />

Künstlern wurde der bis dahin bei Todesstrafe verbotene Besitz<br />

von Musikinstrumenten erlaubt. Im Frühjahr 1943 folgte dem<br />

Status der Duldung dann die offizielle Etablierung der «Freizeitgestaltung»,<br />

die nun eine völlig selbstständige Abteilung der<br />

«jüdischen Selbstverwaltung» wurde – «Selbstverwaltung» bedeutete<br />

allerdings keinesfalls, dass die Judenältesten eigenständige<br />

Entscheidungen treffen konnten, sie waren vielmehr völlig von<br />

den Befehlen der SS abhängig.<br />

Als Anfang 1944 dann auf ausdrücklichen Befehl Himmlers mit<br />

der sogenannten «Stadtverschönerung» Theresienstadts begonnen<br />

wurde, wurden die künstlerischen Aktivitäten von offizieller Seite<br />

sogar gefördert. Dahinter verbarg sich das Kalkül der Nazis, den<br />

ausschließlich jüdischen Häftlingen, deren physische Vernichtung<br />

längst beschlossen war, ‹Narrenfreiheit› zu gewähren, um die<br />

herausragenden künstlerischen Leistungen gleichzeitig zu propagandistischen<br />

Zwecken zu nutzen. So wird der auf den ersten<br />

Blick paradoxe Tatbestand verständlich, dass die «Ghettoinsassen»,<br />

später auch «Bewohner des jüdischen Siedlungsgebiets» genannt<br />

(beides Euphemismen des «Reichssicherheitshauptamtes», kurz<br />

RSHA), sich in einer ungleich freieren Atmosphäre des Kulturlebens<br />

bewegen konnten als die Menschen, die im Deutschland<br />

der Jahre 1933 bis 1945 in der nazistisch definierten ‹Freiheit›<br />

lebten.<br />

So wurde in den Programmen der «Freizeitgestaltung» ab 1943<br />

ohne Restriktion das gesamte Spektrum der als «entartet» geltenden<br />

Musik geboten, alle Werke von Juden oder mit jüdischer<br />

Thematik waren erlaubt. Die Gefangenen lebten in einer para-<br />

15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!