Abendprogramm (PDF) - Philharmonie
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Strategisch wichtig war der NS-Führungsspitze, den Völkermord<br />
an den europäischen Juden vor der Weltöffentlichkeit zu verschleiern.<br />
Unter den Juden, die «als Rasse ausgerottet» werden sollten,<br />
befanden sich zahlreiche hochdekorierte Kriegsveteranen<br />
und Verwundete aus dem Ersten Weltkrieg. Darüber hinaus gab<br />
es in der jüdischen Bevölkerung eine Vielzahl von Wissenschaftlern<br />
und Künstlern mit internationalem Renommee. Hier ergab<br />
sich für den NS-Apparat ein Erklärungsdilemma: Wie konnte<br />
eventuelle Kritik mundtot gemacht, wie konnten Nachfragen aus<br />
dem Ausland zum Verstummen gebracht werden?<br />
Die Lösung dieser Probleme war Theresienstadt (tschechisch<br />
Terezín), die furchtbarste Propagandalüge des «Tausendjährigen<br />
Reiches». Die aus der k.u.k. Monarchie stammende Garnisonsstadt<br />
in Nordböhmen, mit ihren undurchlässigen Festungswällen<br />
und Wassergräben perfekt von der Außenwelt isoliert, wurde<br />
nach den Beschlüssen der Wannseekonferenz 1942 dafür präpariert,<br />
die Doppelrolle eines Vorzeigeghettos und Durchgangslagers für<br />
den Transport in die Vernichtungsfabriken zu spielen. In der<br />
Zwangsgemeinschaft dieses Lagers war ein erheblicher Teil der<br />
jüdischen Kulturelite versammelt: Gelehrte aller Wissensgebiete,<br />
Künstler, Theaterleute, Literaten, Musiker, gewaltsam herausgerissen<br />
aus ihrem normalen Leben. Sie alle fanden sich hier mit<br />
Zigtausenden Deportierter aus dem «Protektorat Böhmen und<br />
Mähren» sowie einer Vielzahl alter Juden aus Deutschland und<br />
schließlich ganz Westeuropa im gemeinsamen Elend vereint.<br />
Dem täglichen Grauen – Sklavenarbeit und nie aussetzender tödlicher<br />
Bedrohung – trotzten die Jüngeren unter den Gefangenen<br />
mit einer beispiellosen ‹kulturellen Mobilmachung›: Sie trafen<br />
sich in geheimen Kreisen, in denen gelesen, gemalt, geschrieben<br />
und gesungen wurde. Nach dem Einlieferungsschock war dies<br />
der Versuch, wieder ein seelisches Gleichgewicht zu finden. Allen<br />
Verboten und Sanktionen durch die SS-Hierarchie zum Trotz<br />
entwickelte sich im Untergrund ein Netz kultureller Veranstaltungen.<br />
Diese illegalen Aktivitäten wurden im Laufe des Jahres<br />
1942 kanalisiert in einer Organisation, die die Häftlinge «Freizeitgestaltung»<br />
nannten.<br />
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