03.09.2014 Aufrufe

Download PDF - Carl F. Bucherer

Download PDF - Carl F. Bucherer

Download PDF - Carl F. Bucherer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Im Jahr 1899 erblickt Wilhelmina das Licht der Welt. Als Tochter der<br />

Broderie-Fabrikantenfamilie Heeb in Appenze l wächst sie inmi ten<br />

edler Sto fe und feiner Spitze auf und hegt bald eine Faszination für<br />

diese luxuriösen Materialien. Die Stickereien der Familie Heeb sind<br />

in zahlreichen Ländern begehrt und werden auch für die Pariser<br />

Haute Couture verarbeitet. Wilhelmina entwickelt sich zu einer weltgewandten<br />

Frau, die die Menschen rasch mit ihrem Charme in den<br />

Bann zieht. Auch <strong>Carl</strong> Eduard <strong>Bucherer</strong> verehrt die junge Dame –<br />

er hält um Wilhelminas Hand an, und die beiden heiraten 1921.<br />

Bald darauf zieht das junge Paar nach Santiago de Chile und baut<br />

in der von Immigranten geprägten Stadt ein Uhren- und Schmuckgeschäft<br />

auf.<br />

Der Erfolg des südamerikanischen <strong>Bucherer</strong> Geschäfts ist auch von<br />

Wilhelmina abhängig: Jeden Sommer begibt sie sich auf die lange<br />

Reise zurück in die Schweiz, wo sie neue Uhren und Schmuckstücke<br />

für Chile einkauft. Doch nutzt sie die Sommermonate in der<br />

Heimat auch dafür, die Familie zu besuchen. So steht sie ihrem<br />

Vater im Stickereigeschäft zur Seite und hilft ihrem Schwiegervater<br />

<strong>Carl</strong> Friedrich <strong>Bucherer</strong> im Luzerner Verkaufsladen. Als sie im Herbst<br />

1927 von Genua aus nach Buenos Aires reisen will, hat sie – wie<br />

32 . 125 Years’ Swiss History of Time<br />

die Jahre zuvor auch – Schweizer Schmuck und Uhren im Gepäck.<br />

Doch die Reise auf der «Principessa Mafalda» nimmt eine tragische<br />

Wende: Eine Prope lerwe le des Schiffes ist defekt, Wasser dringt<br />

in den Maschinenraum ein, und es kommt zu einer Kesselexplosion.<br />

Schne l bricht Panik an Bord aus. Zwar ist die See ruhig und auch<br />

sind bereits mehrere Schiffe unterwegs, um den Havarierten zu<br />

helfen; doch vier Stunden nach Ausbruch der Panik sinkt das Schiff<br />

und 314 Menschen sterben – unter ihnen auch Wilhelmina. Bei den<br />

Re tungsarbeiten nach der schlimmsten Schi fskatastrophe vor der<br />

brasilianischen Küste bleibt Wilhelmina vermisst. Auch das Wrack<br />

der «Principessa Mafalda» wurde bis heute nicht geborgen. Mit ihm<br />

ruhen auch die Einkäufe von Wilhelmina für das Geschäft in Santiago<br />

am Meeresboden. Unter den wertvollen Uhren und Juwelen aus<br />

der Schweiz, die im Bordtresor lagerten, war Wilhelminas eigene<br />

Uhr, eine der ersten eigens für Damen kreierten Armbanduhren<br />

überhaupt: ein diamantenverziertes Kunstwerk im Art-déco-Stil.<br />

Um das Andenken an Wilhelmina zu wahren, kreierte <strong>Carl</strong> F. <strong>Bucherer</strong><br />

im Jahr 2005 eine auf 70 Exemplare limitierte Damenuhrserie<br />

in modern interpretiertem Art-céco-Stil. So lebt die Pionierin noch<br />

heute weiter.<br />

Um das Andenken an Wilhelmina<br />

zu wahren, kreierte <strong>Carl</strong> F. <strong>Bucherer</strong><br />

im Jahr 2005 eine auf 70 Exemplare<br />

limitierte Damenuhrserie in modern<br />

interpretiertem Art-déco-Stil. So lebt<br />

die Pionierin noch heute weiter.<br />

Das Liebespaar <strong>Carl</strong> Eduard<br />

und Wilhelmina.<br />

Die beiden geniessen ihr Leben<br />

als frisch vermählte Eheleute.<br />

Nobles Interieur der<br />

«Principessa Mafalda».<br />

Die Broderie-Fabrikantenfamilie Heeb<br />

verkauft ihre edlen Sto fe auch für die<br />

Pariser Haute Couture.<br />

<strong>Carl</strong> Eduard <strong>Bucherer</strong> hält<br />

um die Hand Wilhelminas an.<br />

der «Principessa Mafalda»<br />

Wilhelmina <strong>Bucherer</strong>-Heeb.<br />

Als Hommage an den Gründer und Grossvater<br />

von Jörg G. <strong>Bucherer</strong>, <strong>Carl</strong> Friedrich<br />

<strong>Bucherer</strong>, wird die gleichnamige Manufakturmarke<br />

2001 repositioniert. Damit stärkt<br />

das Unternehmen seine uhrmacherische<br />

Kompetenz und rückt vor allem die mechanischen<br />

Zeitzeiger in den Mittelpunkt. 2013<br />

jährt sich der Gründungstag zum 125. Mal.<br />

Das Unternehmen feiert mit faszinierenden<br />

Jubiläumsmodellen und einem einzigartigen<br />

Jubiläumsbuch den besonderen Ehrentag.<br />

Hübsch dekoriert<br />

Die als Brosche getragene Uhr ste lt<br />

eine Pferdekutsche dar. Ihr Gehäuse ist komple t<br />

aus Silber gefertigt und mit Markasit besetzt.<br />

34 . 125 Years’ Swiss History of Time<br />

«Unter einer guten Form verstehen wir<br />

eine natürliche, aus ihren funktionellen<br />

und technischen Voraussetzungen entwickelte<br />

Form eines Produktes, das seinem Zweck<br />

ganz entspricht und das gleichzeitig schön ist.»<br />

Max Bill<br />

Zahlreiche Funktionen<br />

Das Zi ferblatt des Chronographen ist in aussergewöhnlichem<br />

Rosa gehalten. Telemeter- und Tachometerskalierung<br />

runden seine Funktionalität ab.<br />

125 Years’ Swiss History of Time<br />

. 35<br />

DAS BUCH<br />

Geometrische Formen<br />

Das Design der Uhr aus Gelbgold<br />

setzt auf Ecken und Kanten.<br />

Ihre Krone ziert ein blauer Saphir.<br />

Von den Anfängen im Jahr 1888 bis heute<br />

erzählt das Buch «125 Years Swiss History<br />

of Time» in drei parallelen Strängen sowohl<br />

die Geschichte des Unternehmens als auch<br />

die jeweilige Zeit- und Uhrengeschichte. Im<br />

Zusammenspiel entsteht so ein Bild, das die<br />

Geschichte des Hauses <strong>Bucherer</strong> in vielfältiger<br />

Art und Weise mit seinem Heimatland<br />

Schweiz verbindet und zugleich auch in<br />

Zusammenhang mit Europa und der Welt<br />

steht.<br />

40 . 125 Years’ Swiss History of Time<br />

1920–1930<br />

Sportliche Herrenuhr<br />

Das Mode l verfügt über einen<br />

Chronographen und einen 30-Minuten-Zähler.<br />

125 Years’ Swiss History of Time<br />

. 41<br />

Bewegte Zeiten<br />

1921<br />

Es sind vor a lem die politischen Unruhen in Berlin, die <strong>Carl</strong> Eduard<br />

und Ernst <strong>Bucherer</strong> dazu bewegen, das Land zu verlassen und<br />

ihr Geschäft aufzugeben. Aber es ist auch die Reiselust, die Ernst<br />

hält <strong>Carl</strong> Eduard <strong>Bucherer</strong> um die<br />

Hand von Wilhelmina an. In Übersee,<br />

<strong>Bucherer</strong> packt. Auf seiner Reiseroute zieht ihn der südamerikanische<br />

Kontinent magisch an. Insgesamt 26 Mal pendelt der Uhrmacher<br />

zwischen Europa und Lateinamerika, stets von der Faszination<br />

der Städte Buenos Aires, Rio de Janeiro und São Paulo getrieben.<br />

in Santiago de Chile bauen die beiden<br />

Gemeinsam mit seinem Bruder <strong>Carl</strong> Eduard und dessen Ehefrau<br />

ein erfolgreiches Geschäft auf.<br />

Gepeinigt vom Schicksal, kehren die Brüder <strong>Carl</strong> Eduard und Ernst<br />

ins elterliche Geschäft zurück. Übrigens wurden bereits seit drei<br />

Wilhelmina gründet Ernst <strong>Bucherer</strong> in den 1920er-Jahren Grossistenfirmen<br />

in Argentinien und Chile. Doch die erfolgreichen Jahre<br />

Jahren erste Räumlichkeiten in der Nähe des späteren <strong>Bucherer</strong><br />

Stammhauses am Schwanenplatz 4 genutzt. In den folgenden<br />

werden von einem Schicksalsschlag jäh unterbrochen: Wilhelmina<br />

<strong>Bucherer</strong>-Heeb kommt ums Leben. Die junge Frau pendelte<br />

zwischen den Kontinenten und besorgte in der Heimat stets den<br />

Jahren wächst das Familienunternehmen – auch dank der Erfahrung<br />

und Aufgeschlossenheit der beiden Brüder – weiter: 1927 wird<br />

die erste Filiale in Interlaken eröffnet, 1928 entsteht in Lugano eine<br />

Uhren- und Schmuckeinkau für die südamerikanischen Geschäfte.<br />

Auf der Überfahrt im Herbst 1927 sinkt jedoch das Schiff – Wilhelmina<br />

und 313 weitere Passagiere überleben das Unglück nicht.<br />

1927<br />

Beim tragischen Untergang<br />

<strong>Bucherer</strong> Boutique. Von nun an verbindet das Unternehmen Goldschmiedekunst<br />

und die Fabrikation von Uhren gekonnt. Die Fertigung<br />

und der Verkauf von Bijouterieartikeln und Uhren sowie der<br />

Service der Uhrenreparatur laufen Hand in Hand. Doch die hereinbrechende<br />

Weltwirtschaftskrise bekommt auch die Unternehmer-<br />

sterben 314 Menschen, darunter<br />

familie <strong>Bucherer</strong> zu spüren …<br />

Die Goldenen Zwanziger<br />

1889–1920<br />

1901<br />

Begeisterte Fans feuern die<br />

Mannschaft des FC Luzern an.<br />

1903<br />

Die Pioniere des FC Luzern.<br />

Die Belle Epoque<br />

Aparte Formen<br />

Das Damenmode l ist dicht mit Bri lanten besetzt.<br />

Charakteristisch sind auch die detai liert ausgeformten<br />

Bandanstösse sowie die praktische Bandsicherung.<br />

Edles Duo<br />

Mit Platin und Diamanten verbinden sich zwei der<br />

hochwertigsten Materialien zu dieser exklusiven Damenuhr.<br />

Impressionen<br />

aus Luzern<br />

Schmelzwasser und Regengüsse<br />

lassen den Vierwaldstä tersee über<br />

die Ufer treten und Teile von Luzern<br />

überfluten.<br />

Der Aufschwung der weltweiten Kon-<br />

Lehr- und Wanderjahre<br />

Die ersten Jahre des <strong>Bucherer</strong> Geschäfts in Luzern sind geprägt wenig, dass sie beschliessen, gemeinsam in Berlin ein Goldschmiedeatelier<br />

zu erö fnen. Das Geschäft im Haus Nummer 47, Unter<br />

von Aufschwung und Wachstum. Rasch erweist sich die Filiale am<br />

Falkenplatz als zu klein, neue Räumlichkeiten werden am Kape lplatz den Linden, avanciert schne l zu einer Adresse mit gutem Ruf, was<br />

und in der Kape lgasse gefunden. In kluger Voraussicht entscheidet zahlreiche Kunden anzieht – und sogar des Kaisers Aufmerksamkeit<br />

<strong>Carl</strong> Friedrich <strong>Bucherer</strong>, seinen Söhnen eine gute Ausbildung zu erregt: Die Gebrüder <strong>Bucherer</strong> dürfen sich alsbald «kaiserliche Hoflieferanten»<br />

nennen. Gekrönt werden die erfolgreichen Zeiten von<br />

ermöglichen. So besucht Ernst <strong>Bucherer</strong> drei Jahre lang die Uhrmacherschule<br />

von St-Imier, während <strong>Carl</strong> Eduard <strong>Bucherer</strong> in London der Lancierung der ersten eigenen Damenuhrenko lektion im Jahr<br />

die Ausbildung zum Goldschmied geniesst. 1913, nach abgeschlossener<br />

Ausbildung, treten die beiden Brüder in das Familiengeschäft <strong>Bucherer</strong> Filialen erhältlich. Die Uhren im Stil des frühen Art déco<br />

1919. Unter dem Namen C. <strong>Bucherer</strong> sind die Mode le nun in den<br />

ein. Ernst und <strong>Carl</strong> Eduard sind einander sehr verbunden und ergänzen<br />

sich im handwerklichen Können perfekt. Daher verwundert es die Meisterleistungen des<br />

entsprechen ganz dem Lebensgefühl der Zeit und vereinen gekonnt<br />

Brüderpaars.<br />

La Grande Dame<br />

Die Damenuhr ist einer der ersten Zeitmesser<br />

aus dem Hause <strong>Bucherer</strong>.<br />

Zeitgenössische<br />

Strassenszenen<br />

Schneebedeckte<br />

Uferpromenade.<br />

Über den Dächern<br />

der Kape lgasse.<br />

Der Nationalquai<br />

lädt zum Flanieren ein.<br />

Der Schwanenplatz um die<br />

Jahrhundertwende.<br />

Buntes Treiben auf<br />

dem Markt.<br />

Nach dem Deutsch-Französischen<br />

Krieg beginnt<br />

1871 eine Epoche innereuropäischen<br />

Friedens, die<br />

bis zum Beginn des Ersten<br />

Weltkrieges 1914 für 43 Jahre anhält. abzeichnet. Darüber hinaus verändert<br />

Sie zählt zu den faszinierendsten Epochen<br />

europäischen Kulturscha fens. dustrie werden Herste lungsprozesse<br />

sich die Haltung zur Arbeit: In der In-<br />

Obwohl ihre Datierung nicht einheitlich durch Arbeitsteilung rationalisiert, und<br />

geregelt ist, wir der Zeit ab 1890 ein die Arbeiterschaft organisiert sich in<br />

besonderer Schwerpunkt beigemessen. Gewerkschaften und politischen Parteien.<br />

In allen Schichten der Gese lschaft<br />

Wie in kaum einem anderen Zeitraum<br />

gelingen bedeutenden Künstlern und erwachen die Lust am Leben und der<br />

Wissenschaftlern Quantensprünge in Drang nach Aussergewöhnlichem. Als<br />

der Entdeckung und Entwicklung, vor emotionale Markenzeichen der Zeit<br />

a lem in Europas einflussreichen Staaten<br />

England, Frankreich, Öste reich- Freizügigkeit die Stimmung in der neu<br />

charakterisieren Ausgelassenheit und<br />

Ungarn und Deutschland. Insbesondere entstandenen Café- und Cabaret-Kultur<br />

auf dem Gebiet der Physik kommt es zu am Pariser Montmartre, in Galerien und<br />

vielen neuen Erkenntnissen. Während Ateliers sowie auf den Boulevards der<br />

Röntgen 1895 die Gammastrahlen entdeckt,<br />

stösst das Ehepaar Curie 1898 entwickelten Verkehrsnetze und der ge-<br />

Metropolen. Wegen der bereits weit<br />

auf Radium. Pünktlich zur Jahrhundertwende<br />

folgt Max Plancks Quanten- fahren Vergnügungsreisen zunehmend<br />

stiegenen finanzie len Kapazitäten er-<br />

theorie, Albert Einstein schreibt 1905 Beliebtheit. A traktive Reiseziele sind<br />

mit der Relativitätstheorie Zeitgeschichte.<br />

Sigmund Freud, der 1890 die 1889 in Pari sowie di ersten moder-<br />

unter anderem die Weltausste lung<br />

Psychoanalyse begründet, bereichert nen Olympischen Spiele, die 1896 in<br />

die Medizin mit einer wissenschaftlichen<br />

Sichtweise auf die Seele des dung von Grenzen findet sich auch<br />

Athen gefeiert werden. Die Überwin-<br />

Menschen. Erklären lässt sich die Entstehung<br />

der Be le Epoque vor a lem scha ft, in den A ltag vorzudringen.<br />

in der Kunst wieder, die es erstmals<br />

auch durch eine zweite Welle der Industrialisierung,<br />

die die Welt zu dieser Zeit Filmvorführung 1895 in Berlin gelingt<br />

Nach der weltweit ersten ö fentlichen<br />

erfasst. Für die Bevölkerung bedeutet Jules Chéret und Henri de Toulousesie<br />

soziale Verbesserungen und wachsenden<br />

Wohlstand. Diese positiven der Farblithografie. Si ermöglicht den<br />

Lautrec in Paris die Weiterentwicklung<br />

Veränderungen wirken sich auch auf preiswerten Druck a traktiver Plakate,<br />

das gese lschaftliche Bewusstsein aus, die zur «Kunst der Strasse» werden und<br />

in dem sich a lmählich ein Überdruss eine «Sammelleidenschaft der Massen»<br />

am Traditione len und Althergebrachten wecken.<br />

26 . 125 Years’ Swiss History of Time<br />

125 Years’ Swiss History of Time<br />

. 19<br />

Panoramablick über die<br />

Dächer der Stadt.<br />

Seit 1821 erinnert das<br />

Löwendenkmal beim Gletschergarten<br />

an den<br />

Untergang der Schweizergarde<br />

beim Sturm auf die<br />

Tuilerien 1792.<br />

Die belebte Uferpromenade<br />

ist Tre fpunkt für Händler und<br />

Flaneure.<br />

Das Schi f «Schwan» wird mit<br />

einem Benzinmotor angetrieben.<br />

junktur, politische Stabilisierung sowie<br />

eine Blütezeit von Kunst, Kultur und<br />

Wissenschaft machen die 1920er-Jahre<br />

zu einer «goldenen Epoche». Als Zeit<br />

des Aufbruchs und der Ausgelassenheit<br />

bleiben sie im ko lektiven Gedächtnis.<br />

Die Damen tragen Federboas sowie<br />

knielange Hemdkleider und lassen sich<br />

einen «Bubikopf» schneiden, die He ren<br />

schlüpfen in den Tagesanzug und kämmen<br />

das Haar streng nac hinten. Der<br />

Charleston beschwingt das Lebensgefühl,<br />

un die Cabarets der Zeit zeugen<br />

von feuriger Romantik und verschwenderischem<br />

Luxus. Dieser Leichtigkeit<br />

des A ltags steht in Deutschland die<br />

politische Wirklichkeit der Weimarer<br />

Republik gegenüber. Die aufblühende<br />

Kunst- und Kulturszene, die dank neuer<br />

Freiheiten einen rasanten Aufschwung<br />

erlebt, bildet dazu einen glanzvo len<br />

Kontrast. Neue Formen der Massenkultur<br />

entfalten sich nach amerikanischem<br />

Vorbild, die Avantgarde etabliert<br />

sich zum Inbegri f der Weimarer<br />

Kultur. Das Gesellschaftsporträt, wie<br />

beispielsweise O to Dix’ «Grossstadt-<br />

Triptychon», wird zum wichtigen Genre.<br />

Viele vom Ersten Weltkrieg desi lusionierte<br />

Künstler, wie etwa George Grosz,<br />

wehren sich in provokanten Gemälden<br />

gegen die Relikte der wilhelminischen<br />

Gese lschaft, die sich in der jungen Republik<br />

behauptet haben.<br />

Andere hingegen ste len ihren künstlerischen<br />

Innovationsgeist und ihr Schaffen<br />

in den Dienst eine revolutionär-proletarischen<br />

Kunst, wie es Käthe Kollwitz<br />

mit ihren Bildern für den Pazifismus tut.<br />

Architektur und Design inspiriert und<br />

prägt eine kühle Nüchternheit. Zum<br />

Symbol der ästhetischen Moderne wird<br />

das in Weimar gegründete Bauhaus. In<br />

der Kultur feiert das neusachliche Theater<br />

mit <strong>Carl</strong> Zuckmayers «Hauptmann<br />

von Köpenick» im Jahr 1930 grosse<br />

Publikumserfolge. Von Berlin aus bietet<br />

Bertolt Brechts «Dreigroschenoper»<br />

gese lschaftskritische Unterhaltung<br />

in modernem Gewand. Die Literatur<br />

erlebt ab Mi te der 1920er-Jahre mit<br />

vielgelesenen Klassikern wie Thomas<br />

Manns 1924 erschienenem Roman<br />

«Der Zauberberg» oder Hermann Hesses<br />

«Der Steppenwolf» (1927) eine Blütezeit.<br />

Cafés und Theater ziehen eine<br />

unüberschaubare Menge an Künstlern,<br />

Regisseuren, Literaten, Schauspielern,<br />

Kunsthändlern und Malern beinahe<br />

magisch an. Diese neu entstandene Anonymität<br />

der Grossstadt erleichtert es<br />

Frauen, sich von der traditionellen Rollenzuweisung<br />

zu distanzieren. Schriftste<br />

lerinnen wie Vicki Baum zeichnen<br />

das Bild der «neuen Frau» als kritische<br />

und selbstbewusste Protagonistin, die<br />

im Berufsleben die gleichen Leistungen<br />

wie ihre männlichen Ko legen erbringt.<br />

Auch Printmedien und Kinos erleben<br />

einen kometenhaften Aufstieg.<br />

125 Years’ Swiss History of Time<br />

. 27<br />

18 . 125 Years’ Swiss History of Time<br />

Ein bewegtes Leben<br />

Wilhelmina <strong>Bucherer</strong>-Heeb<br />

Um 1910<br />

Wilhelminas Erstkommunion.<br />

Tribute to Mimi<br />

125 Years’ Swiss History of Time<br />

. 33<br />

INSIGHT BY CARL F. BUCHERER Nº8 – 9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!