02.09.2014 Aufrufe

Politische Nibelungenliedrezeption im zwanzigsten Jahrhundert

Politische Nibelungenliedrezeption im zwanzigsten Jahrhundert

Politische Nibelungenliedrezeption im zwanzigsten Jahrhundert

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

weitesten Sinne allgemein literarisch bzw. historisch Interessierte. Die Bodenlosigkeit aber der<br />

entsprechenden Ausführungen muß an dieser Stelle nicht eigens betont werden!<br />

DER NIBELUNGENUNTERGANG - "VORBILD" FÜR STALINGRAD<br />

Quasi in der traditionellen Auslegung bewegte sich Hermann Göring, als er am 30. Januar 1943 in<br />

seinem Appell an die Deutsche Wehrmacht die Rolle der in Stalingrad eingekesselten deutschen<br />

Soldaten mit denen der Helden des Nibelungenliedes verglich. Das heldische Verhalten der<br />

burgundischen Recken diente damit sozusagen als Matrize der Forderungen an die Kämpfer des<br />

Januar 1943:<br />

"Aus all diesen gigantischen Kämpfen ragt nun gleich einem Monument der Kampf um Stalingrad<br />

heraus. Es wird der größte Heroemkampf unserer Geschichte bleiben. (...) Wir kennen ein<br />

gewaltiges Heldenlied von einem Kampf ohnegleichen, es heißt 'Kampf der Nibelungen'. Auch sie<br />

standen in einer Halle voll Feuer und Brand, löschten den Durst mit dem eigenen Blut, aber sie<br />

kämpften bis zum letzten. Ein solcher Kampf tobt heute dort, und noch in tausend Jahren wird jeder<br />

Deutsche mit heiligem Schauer von diesem Kampf in Ehrfurcht sprechen und sich erinnern, daß<br />

dort trotz allem Deutschlands Sieg entschieden worden ist!" 25<br />

Zwar war Stalingrad in der Tat der Schauplatz einer millionenfachen nibelungischen Tragödie, die -<br />

zumindest aus deutscher Sicht - <strong>im</strong> Endeffekt genauso sinnlos war wie die Ereignisse, die zum<br />

Untergang der literarischen Nibelungen-Burgunden führte; eine Wende zum 'Endsieg' war es auf<br />

jeden Fall nicht! Dementsprechend mißbraucht n<strong>im</strong>mt es kaum wunder, daß in der Zeit nach Ende<br />

des Zweiten Weltkrieges die Rezeption des Epos andere - zum Teil parodistische - Wege verfolgte<br />

bzw. diese sich zunächst gar nicht mehr wirklich ereignete.<br />

LITERATUR<br />

OTFRID EHRISMANN, Das Nibelungenlied in Deutschland - Studien zur Rezeption des<br />

Nibelungenliedes von der Mitte des 18. <strong>Jahrhundert</strong>s bis zum Ersten Weltkrieg, München 1974<br />

OTFRID EHRISMANN, Nibelungenlied un Nationalgedanke, - Zur Geschichte und Psychologie eines<br />

nationalen Identifikationsmusters, in: Damals - Zeitschrift für geschichtliches Wissen, Heft<br />

11/12 1980 (S. 942-960/1033-1046; Heft 1/2 1981 (S. 21-35/115-132)<br />

FRANTISEK GRAUS, Lebendige Vergangenheit - Überlieferung <strong>im</strong> Mittelalter und in den<br />

Vorstellungen vom Mittelalter, Köln/Wien 1975<br />

EDWARD R. HAYMES, Das Nibelungenlied, München 1999<br />

Peter Krüger, Etzels Halle und Stalingrad, in: JOACHIM HEINZLE/ANNELIESE WALDSCHMIDT (Hgg.),<br />

Die Nibelungen, Frankfurt 1991, S. 151-190<br />

LERKE VON SAALFELD, Die ideologische Funktion des Nibelungenliedes in der preußisch-deutschen<br />

Geschichte von seiner Wiederentdeckung bis zum Nationalsozialismus, Berlin 1977<br />

KLAUS VON SEE, Das Nibelungenlied, ein Nationalepos, in: JOACHIM HEINZLE/ANNELIESE<br />

WALDSCHMIDT (Hgg.), Die Nibelungen, Frankfurt 1991, S. 43-110<br />

25 zitiert nach WERNER WUNDERLICH, Der Schatz des Drachentöters, S. 96; in etwas anderer<br />

Übertragung auch bei PETER KRÜGER, Etzels Halle und Stalingrad, S. 180

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!