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Politische Nibelungenliedrezeption im zwanzigsten Jahrhundert

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Verhältnis zu den königlich-burgundischen Lehnsherren widerspiegele, die die verschworene<br />

Waffenbrüderschaft zwischen König und Mann bis in den Tod dokumentiere! 21 .<br />

Diese Nibelungentreue sei als Sinnbild der frühen Kriegerehre die unterste Stufe der völkischen<br />

Existenz; in diesem Sinne sei das Nibelungenlied auch <strong>im</strong>mer fließender Jungbrunnen für das<br />

deutsche Volk zu betrachten; denn hier werde allerechteste germanisch-deutsche Grundhaltung<br />

reflektiert. Die Formel vom herrliche Tod wecke ganz alte heroische Impulse, denn <strong>im</strong><br />

Nibelungenlied werden die Tode in ihrer "nackten eigenen Schönheit" dargestellt. Hier sieht<br />

Naumann folglich einen wertvollen erzieherischen Impuls. Dennoch konstatiert er, daß das deutsche<br />

Gefühl über das germanische hinausgehe; die Katastrophe <strong>im</strong> Nibelungenlied bewege die deutsche<br />

Seele nur zu tiefster Trauer und zu tiefstem Leid. Die nibelungische Schicksalsschwere entspreche<br />

dem Geist von Elitegruppen - so auch denen der Offizierskorps und ähnlichen Kreisen - nicht<br />

jedoch dem Empfinden des "gesunden Volkes"! 22<br />

Mit dieser Beurteilung verfolgte Naumann einen, "wenngleich schmerzlich bewegten und zögernden<br />

Abschied" von der Vorstellung, das Nibelungenlied sei als deutsches Nationalepos anzusehen. Des<br />

eigentliche Nationalepos sei nicht mehr erhalten - es sei, wie auch das Nibelungenlied in der<br />

staufischen Epoche des 12. <strong>Jahrhundert</strong>s entstanden und habe als Protagonisten Dietrich von Bern,<br />

die literarische Umarbeitung des Ostgotenherrschers Theoderich des Großen, gehabt;<br />

fragmentarische Überlieferungen in den Einzeldichtungen um den Berner würden dergleichen<br />

wahrscheinlich machen. Der Umstand, daß der literarische Dietrich sein Reich zunächst verliere, es<br />

dann jedoch zurückgewinne, sei die entscheidende positive Grundtendenz, die dem eigentlichen<br />

deutschen Volkscharakter entspreche. 23<br />

Es gelte darum, die deutsche Nationalidee durch das ihr adäquate Epos wiederzubeleben; beides<br />

Reichsidee und Deutsches Reich müßten <strong>im</strong>mer wieder auf's Neue zum Erblühen gebracht werden.<br />

Und so wagte Naumann denn auch eine entsprechende Prophetie:<br />

"Im dritten [Reich] wird gewiß die erlösende Stunde schlagen, es besitzt ja bereits in dem einzigen<br />

Manne und in der Geschichte seine Erscheinung, ; ein Nationalepos urältester Struktur, dem<br />

verlorenen des 1. Reiches verwandt, man braucht es nur in Verse zu gießen!" 24<br />

Das einzig wirklich Bemerkenswerte an diesem 'Kriegsvortrag' liegt nicht in der Tatsache<br />

begründet, daß Adolf Hitler zum neuen 'Dietrich von Bern' erhoben wird, sondern in der Tatsache,<br />

daß in einer Zeit, als das Nibelungenlied permanent als deutsches Nationalepos bemüht wurde, von<br />

germanistischer Seite eine Gegenposition vertreten wurde, die - ihr Erscheinen <strong>im</strong> Rahmen der<br />

'Bonner Kriegsvorträge' beweist es - nicht nur ein Fachpublikum angesprochen wurde, sondern <strong>im</strong><br />

21 vgl. HANS NAUMANN, Das Nibelungenlied - eine staufische Elegie oder ein deutsches<br />

Nationalepos, S. 9ff.<br />

22 vgl. HANS NAUMANN, Das Nibelungenlied - eine staufische Elegie oder ein deutsches<br />

Nationalepos, S. 15ff.<br />

23 vgl. HANS NAUMANN, Das Nibelungenlied - eine staufische Elegie oder ein deutsches<br />

Nationalepos, S. 18<br />

24 HANS NAUMANN, Das Nibelungenlied - eine staufische Elegie oder ein deutsches Nationalepos,<br />

S. 19

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