Politische Nibelungenliedrezeption im zwanzigsten Jahrhundert

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Vogt als "das liebe Ich über Alles" an! 8 Der Umkehrschluß solcher Folgerungen mußte dann einer zwingenden Logik folgend heißen: Du bist nichts, Dein Volk ist alles! Mögen die bisher zitierten bzw. erwähnten Germanisten, Lehrer und andere eher Randfiguren des politischen Lebens gewesen sein, ließen sich auch bekanntere Namen gerne dazu herab, das Nibelungenlied in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. Im Zuge der Niederlage und der mit ihre verbundenen Schuldverdrängung entstand der Topos vom 'Verrat der Heimat am Heer' - der dann in verkürzter Form als 'Dolchstoßlegende' bekannt wurde. Der ehemalige Feldmarschall Paul von Hindenburg etwa , als Oberkommandierender maßgeblich für Ausbruch und Entwicklung des Krieges verantwortlich, verfaßte sein 'Politisches Testament': "1919 schrieb ich in meinem Vermächtnis an das deutsche Volk: 'Wir waren am Ende!' Wie Siegfried unter dem hinterlistigen Speerwurf des grimmen Hagen, so stürzte die ermattete Front; vergebens hatte sie versucht, aus dem versiegenden Quell der heimatlichen Kraft neues Leben zu trinken!" 9 NIBELUNGENLIED UND NATIONALSOZIALISMUS Sein späterer Nachfolger schlug - in der entsprechenden Tradition stehen in seinem 'politischen Manifest' "Mein Kampf" ähnliche Töne an: "Wer damals nicht mitkämpfte, das waren die parlamentarischen Strauchdiebe, dieses gesamte politisierende Parteigesindel. Im Gegenteil, während wir in der Überzeugung kämpften (...) haben die Mäuler dieser Ephialtesse gegen diesen Sieg so lange gehetzt und gewühlt, bis endlich der kämpfende Siegfried dem hinterhältigen Dolchstoß erlag!" 10 Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der Umstand, daß unter der Hand Hagen, der, wie wir gesehen haben, im Ersten Weltkrieg durchaus noch eine positive Identifikationsfigur darstellte, durch die Gleichsetzung des 'Dolchstoßes' mit dem tödlichen Wurf des Speeres aus der Hand des Tronjers nicht mehr als heldisches und kämpferisches Vorbild interpretiert wird, sondern eine radikale Abwertung erfährt. Hiermit verbunden ist allerdings keine grundsätzliche Änderung der Instrumentierung des Nibelungenliedes für nationalistische politische Zielsetzungen. Weitertradierte Intention ist die Propagandierung des Nationalen; eine wirkliche Positionsänderung findet bei aller veränderten Nuancierung also nicht statt. Die Bevorzugung Siegfrieds als des eigentlichen 'Helden' des Epos ist allerdings nichts grundsätzlich neues. Entsprechende Tendenzen lassen sich bereits während des Ersten Weltkrieges beobachten. Der Rückzug der deutschen Truppen in den Jahren 1917/1918 etwa wurde zur 'Siegfriedbewegung' stilisiert; die 'Siegfriedstellung' im Westen sollte den Vormarsch der Ententetruppen endgültig stoppen. 11 Die britischen Truppen insbesondere ließen sich von dieser 'bis 8 vgl. WERNER WUNDERLICH, Der Schatz des Drachentöters, S. 70f. 9 zitiert nach WERNER WUNDERLICH, Der Schatz des Drachentöters, S. 71 10 zitiert nach WERNER WUNDERLICH, Der Schatz des Drachentöters, S. 72 11 vgl. FRANTISEK GRAUS, Lebendige Vergangenheit - Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter, S. 287
hierher und nicht weiter' Idee nicht sonderlich beeindrucken, sondern sangen ihrerseits davon, an der Siegfriedlinie ihre Wäsche aufhängen zu wollen. 12 Nach Kriegsende wurde - wie bereits angedeutet - das Nibelungenlied zu einem Hort der Nationalidentität der konservativen bis ultrarechten Kreise. 'Dichter des Nationalsozialismus' wie etwa Josef Weinhuber trugen zu einer Weitertradierung dieser Tendenzen im sogenannten 'Dritten Reich' bei. Weinhuber umhüllte im Jahre 1936 die Symbolfigur Siegfried mit einem verklärenden Mantel: "Mannhaft vor dem Feinde, fallend doch opfergroß: So nicht! Im Schoß der Freunde fiel uns das schwarze Los Wir schlugen uns selbst zu Stücken Ehrgier, Wurmgift, Neid. Gegen den Speer im Rücken ist keiner gefeit Immer ersteht dem lichten Siegfried ein Tronje im Nu. Weh, wie wir uns vernichten und das Reich dazu." 13 Diesen meisterlichen Versen ist kaum ein Kommentar anzufügen; bemerkenswert immerhin, daß auch hier Hagen von Tronje, und zwar deutlicher noch, als beim bloßen Erwähnen des 'Dolchstoßes' eine eindeutig negative Zeichnung erfährt! Max Braun machte in seinem gleichnamigen Roman Deutschland zum "Nibelungenland". Zielsetzung war die Mobilisierung aller Kräfte zum Krieg, der dann der letzte aller Kriege sein würde. Dieser Roman integriert die Industrie als kriegswichtiges Feld des 'Heldentums' und hebt damit den antizivilisatorischen Aspekt der älteren, ähnlich intendierenden Nibelungenliedrezeption auf; allerdings nur scheinbar, denn die Zielsetzung ist, Industrie (als Zivilisation) und Natur in einem höheren Zusammenhang zu mythisieren. 14 Dabei ging Braun auf geradezu groteske Weise gegenwartsbezogen vor: Die BASF-Werke werden als aus dem Nibelungenschatz finanziert beschrieben, die Arbeitsplätze zwischen "Silos und Retorten" als Jung-Siegfrieds Schmiede beschrieben, in der das "neue Schwert" geschmiedet werden soll. In einer kitschlastigen Szene, geprägt von einer Pseudo-Erotik wird die Geburt eines neuen Deutschland angekündigt, entsprungen aus einer Verbindung von Siegfried und einer unbekannten Schönheit. 12 vgl. OTFRID EHRISMANN, Nibelungenlied und Nationalgedanke, S. 119 13 zitiert nach WERNER WUNDERLICH, Der Schatz des Drachentöters, S. 73 14 vgl. hierzu und zum Folgenden OTFRID EHRISMANN, Nibelungenlied und Nationalgedanke, S. 121ff.
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Seite 7 und 8: "Aus Führertum, Gefolgschaft und F
Seite 9 und 10: weitesten Sinne allgemein literaris

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