Arbeitsrecht und Konfliktstrukturen im Betrieb am Beispiel Mobbing

Arbeitsrecht und Konfliktstrukturen im Betrieb am Beispiel Mobbing Arbeitsrecht und Konfliktstrukturen im Betrieb am Beispiel Mobbing

02.09.2014 Aufrufe

1. Mobbing – Teil des betrieblichen Alltags Betriebliche Konflikte sind nichts Ungewöhnliches, sondern Alltag. Deshalb kann man nicht bei jeder innerbetrieblichen Auseinandersetzung von Mobbing sprechen. Der Psychologe Heinz Leymann (Der neue Mobbing - Bericht, Rowohlt Aktuell, 1995) hat folgende Definition vorgeschlagen: „Mobbing ist eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dieses als Diskriminierung empfindet.“. Das Bundesarbeitsgericht definiert Mobbing als „systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.“ (Urteil vom 15. 1. 1997, BAGE 85, 56 (58). Ohne sich an der Suche nach der besten Definition zu beteiligen, lässt sich der Tatbestand des Mobbing von einem üblichen betrieblichen Konflikt dadurch abgrenzen, dass der Mobbende einen Konflikt mit einer anderen Person systematisch mit unfairen Methoden eskaliert, um den Gemobbten in seiner Persönlichkeit zu beschädigen. Damit ist beabsichtigt, das Mobbingopfer zu etwas zu veranlassen, was es freiwillig nicht getan hätte (eine unzumutbare Tätigkeit zu verrichten, datengeschützte Informationen preiszugeben, den Betrieb zu verlassen usw.). Mobbing findet sich in nahezu jedem Betrieb. Es wird geschätzt, dass in der Bundesrepublik, die in Europa mit 2,7 Prozent im Mobbing - Mittelfeld liegt, mehr als eine Million Menschen unter Mobbing leiden. Mit anderen Worten: Jede neunte Person wird mindestens einmal im Verlaufe ihres Erwerbslebens Opfer eines Mobbers. Für Frauen liegt das Risiko, Mobbingopfer zu werden, um 75 Prozent höher als für Männer. Junge (unter 25 Jahren) und ältere (über 55 Jahren) Mitarbeiter sind häufiger betroffen als der „Normalarbeitnehmer“ im besten Arbeitsalter. Unter den Berufsgruppen sind es vorwiegend solche in sozialen Bereichen sowie im Dienstleistungs- und Gesundheitswesen. Teilzeitkräfte haben stärker unter Mobbing zu leiden als Ganztagsarbeitnehmer, Frauen mehr in Männergruppen als Männer in Frauengruppen. Anders formuliert: Die Wahrscheinlichkeit, zum Opfer von Mobbing zu werden, trifft den am ehesten, dessen betriebliche Stellung prekär oder gefährdet ist. Je besser eine Person in das betriebliche Geschehen integriert ist, desto geringer ist die Gefahr, gemobbt zu werden. 2. Ursachen und Folgen von Mobbing Wenn die Opfer von Mobbing zumeist solche sind, deren betrieblicher Status ungesichert ist, dann wird deutlich, dass die Ursachen von Mobbing weniger im Verhalten des Gemobbten zu suchen sind (obwohl dies auch eine Rolle spielen kann), sondern in objektiven Bedingungen des Betriebs. Als solche können unklare Organisationsstrukturen, die zu undurchsichtigen Verantwortlichkeiten führen, ebenso in Betracht kommen wie ein schlechtes Betriebsklima, das keine Strukturen für eine rationale Konfliktaustragung zulässt. Weiterhin kann Mobbing begünstigt werden durch zunehmenden Stress am Arbeitsplatz, der durch wirtschaftliche Schwierigkeiten bedingt ist, auf die mit Einführung neuer Technik oder betrieblicher Umorganisation reagiert wird. Auch die falsche Beschäftigung einer Person an einem Arbeitsplatz, die zu Über- oder Unterforderung führt, kann Ursache von Mobbing sein. Schließlich 2

wird in der Literatur das Versagen von Führungskräften als eine mögliche Ursache angeführt. Damit objektive betriebliche Probleme auch zu einem Mobbingverhalten führen, müssen sich Personen auch diesen Problemen gemäß verhalten. Die schlechteste Arbeitsorganisation führt nicht zu Mobbingproblemen, wenn Beschäftigte und Betriebsleitung es verstehen, die Konflikte auszugleichen. Das dürfte aber nur selten der Fall sein. Wahrscheinlicher ist, dass objektive betriebliche Probleme auch bestehende Konkurrenzstrukturen eines Betriebes verschärfen. So kann durch Organisationsprobleme eines Betriebs das Verhalten der Beschäftigten untereinander oder das zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten nachhaltig so verändert werden, dass Mobbing eine logische Folge ist. Typische individuelle Ursachen von Mobbingverhalten sind Neid, Machtstreben, Rache, Unsicherheit und Wut. Das gemobbte Opfer ist dann ein willkommener Anlass, die eigenen negativen Gefühle auszuagieren, ohne zunächst Sanktionen befürchten zu müssen. Da Mobbingsopfer häufig ohnehin einen schweren Stand in dem Betrieb haben, kann der Mobber davon ausgehen, dass sein Verhalten – zumindest für eine gewisse Zeit – ohne negative Folgen für ihn bleiben wird. Für die gemobbte Person, die sozial isoliert und geächtet, im schlimmsten Fall vom Verlust des Arbeitsplatzes bedroht wird, kann Mobbing negative Konsequenzen haben. Diese können im Verlust von befreundeten Kollegen, der Entstehung von Angst und Minderwertigkeitsgefühlen liegen sowie bis hin zu Krankheiten und Suizidversuchen führen. Zum Schluss sehnt das Mobbingsopfer nur noch eine Situation herbei, in der es nicht mehr von den Aktionen des Mobbers betroffen wird. Was zunächst aber nur wie die individuelle Attacke auf eine einzelne Person aussieht, kann sich auch zu Mobbingstrukturen in einem Betrieb ausbilden, die ganze Gruppen (bestimmte Gruppen von Ausländern, Behinderte usw.) betrifft. Auf diese Weise wird das Betriebsklima nachhaltig verschlechtert, was wiederum ökonomische Folgen nach sich ziehen kann. Aus einem einzelnen Fall von Mobbing wäre dann ein soziales und ökonomisches Problem in dem Betrieb geworden. Das ist der Grund, warum Geschäftsleitung und Betriebsrat in der Regel bemüht sind, Fälle von Mobbing zum Anlass für eine Analyse betrieblicher Probleme sowie ihrer möglichen Beseitigung zu nehmen. 3. Rechtliche Möglichkeiten gegen Mobbing Der Gesetzgeber hat eine Reihe rechtlicher Vorschriften zur Verfügung gestellt, gegen Mobbing vorzugehen. Das Arbeitsschutzgesetz und das Betriebsverfassungsgesetz sehen mehrere Möglichkeiten für einen Arbeitnehmer vor, alleine oder zusammen mit dem Betriebsrat sich gegen das Verhalten eines Mobbers zur Wehr zu setzen. Vor allem das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) enthält vielfältige Regelungen, die darauf zielen, Mobbing zu unterbinden. Zunächst ist es der grundlegende § 74 BetrVG, der Arbeitgeber und Betriebsrat zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit ernstem Einigungswillen anhält. In diesem Kontext kann auch das Betriebsklima Thema rechtlicher Erörterung werden. Ebenfalls grundlegender Natur ist § 75 BetrVG, demzufolge Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen haben, „dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt. Sie haben darauf zu achten, dass Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden.“ Auch § 75 Absatz 2 zielt auf den Schutz vor Mobbing: 3

1. <strong>Mobbing</strong> – Teil des betrieblichen Alltags<br />

<strong>Betrieb</strong>liche Konflikte sind nichts Ungewöhnliches, sondern Alltag. Deshalb kann man nicht<br />

bei jeder innerbetrieblichen Auseinandersetzung von <strong>Mobbing</strong> sprechen. Der Psychologe<br />

Heinz Leymann (Der neue <strong>Mobbing</strong> - Bericht, Rowohlt Aktuell, 1995) hat folgende Definition<br />

vorgeschlagen: „<strong>Mobbing</strong> ist eine konfliktbelastete Kommunikation <strong>am</strong> Arbeitsplatz unter Kollegen<br />

oder zwischen Vorgesetzten <strong>und</strong> Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen<br />

ist <strong>und</strong> von einer oder einigen Personen systematisch, oft <strong>und</strong> während längerer<br />

Zeit mit dem Ziel <strong>und</strong>/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder<br />

indirekt angegriffen wird <strong>und</strong> dieses als Diskr<strong>im</strong>inierung empfindet.“. Das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht<br />

definiert <strong>Mobbing</strong> als „systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskr<strong>im</strong>inieren von<br />

Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.“ (Urteil vom 15. 1. 1997, BAGE 85, 56<br />

(58).<br />

Ohne sich an der Suche nach der besten Definition zu beteiligen, lässt sich der Tatbestand<br />

des <strong>Mobbing</strong> von einem üblichen betrieblichen Konflikt dadurch abgrenzen, dass der Mobbende<br />

einen Konflikt mit einer anderen Person systematisch mit unfairen Methoden eskaliert,<br />

um den Gemobbten in seiner Persönlichkeit zu beschädigen. D<strong>am</strong>it ist beabsichtigt, das<br />

<strong>Mobbing</strong>opfer zu etwas zu veranlassen, was es freiwillig nicht getan hätte (eine unzumutbare<br />

Tätigkeit zu verrichten, datengeschützte Informationen preiszugeben, den <strong>Betrieb</strong> zu verlassen<br />

usw.).<br />

<strong>Mobbing</strong> findet sich in nahezu jedem <strong>Betrieb</strong>. Es wird geschätzt, dass in der B<strong>und</strong>esrepublik,<br />

die in Europa mit 2,7 Prozent <strong>im</strong> <strong>Mobbing</strong> - Mittelfeld liegt, mehr als eine Million Menschen<br />

unter <strong>Mobbing</strong> leiden. Mit anderen Worten: Jede neunte Person wird mindestens einmal <strong>im</strong><br />

Verlaufe ihres Erwerbslebens Opfer eines Mobbers. Für Frauen liegt das Risiko, <strong>Mobbing</strong>opfer<br />

zu werden, um 75 Prozent höher als für Männer. Junge (unter 25 Jahren) <strong>und</strong> ältere<br />

(über 55 Jahren) Mitarbeiter sind häufiger betroffen als der „Normalarbeitnehmer“ <strong>im</strong> besten<br />

Arbeitsalter. Unter den Berufsgruppen sind es vorwiegend solche in sozialen Bereichen sowie<br />

<strong>im</strong> Dienstleistungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen. Teilzeitkräfte haben stärker unter <strong>Mobbing</strong><br />

zu leiden als Ganztagsarbeitnehmer, Frauen mehr in Männergruppen als Männer in Frauengruppen.<br />

Anders formuliert: Die Wahrscheinlichkeit, zum Opfer von <strong>Mobbing</strong> zu werden, trifft<br />

den <strong>am</strong> ehesten, dessen betriebliche Stellung prekär oder gefährdet ist. Je besser eine Person<br />

in das betriebliche Geschehen integriert ist, desto geringer ist die Gefahr, gemobbt zu<br />

werden.<br />

2. Ursachen <strong>und</strong> Folgen von <strong>Mobbing</strong><br />

Wenn die Opfer von <strong>Mobbing</strong> zumeist solche sind, deren betrieblicher Status ungesichert ist,<br />

dann wird deutlich, dass die Ursachen von <strong>Mobbing</strong> weniger <strong>im</strong> Verhalten des Gemobbten<br />

zu suchen sind (obwohl dies auch eine Rolle spielen kann), sondern in objektiven Bedingungen<br />

des <strong>Betrieb</strong>s. Als solche können unklare Organisationsstrukturen, die zu <strong>und</strong>urchsichtigen<br />

Verantwortlichkeiten führen, ebenso in Betracht kommen wie ein schlechtes <strong>Betrieb</strong>skl<strong>im</strong>a,<br />

das keine Strukturen für eine rationale Konfliktaustragung zulässt. Weiterhin kann <strong>Mobbing</strong><br />

begünstigt werden durch zunehmenden Stress <strong>am</strong> Arbeitsplatz, der durch wirtschaftliche<br />

Schwierigkeiten bedingt ist, auf die mit Einführung neuer Technik oder betrieblicher Umorganisation<br />

reagiert wird. Auch die falsche Beschäftigung einer Person an einem Arbeitsplatz,<br />

die zu Über- oder Unterforderung führt, kann Ursache von <strong>Mobbing</strong> sein. Schließlich<br />

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