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Arbeitsrecht und Konfliktstrukturen im Betrieb am Beispiel Mobbing

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<strong>Arbeitsrecht</strong> <strong>und</strong> <strong>Konfliktstrukturen</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> –<br />

<strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>Mobbing</strong><br />

Rainer Erd *<br />

Übersicht<br />

1. <strong>Mobbing</strong> – Teil des betrieblichen Alltags..............................................................................2<br />

2. Ursachen <strong>und</strong> Folgen von <strong>Mobbing</strong> .....................................................................................2<br />

3. Rechtliche Möglichkeiten gegen <strong>Mobbing</strong>............................................................................3<br />

3. 1 Innerbetriebliche Möglichkeiten: die Einigungsstelle .....................................................4<br />

3. 2 Arbeitsgerichtsverfahren................................................................................................7<br />

3. 3 Zivilgerichtliches Verfahren............................................................................................7<br />

3. 4 Strafgerichtsverfahren ...................................................................................................8<br />

Literatur: ...................................................................................................................................9<br />

Immer wenn Karla die Kantine betritt <strong>und</strong> nach einen Tisch Ausschau hält, an den sie sich zu<br />

Kollegen setzen will, wenden sich die Blicke der Kollegen in eine andere Richtung. Verunsichert<br />

n<strong>im</strong>mt sie an einem Tisch Platz. Sie merkt, wie das Gespräch augenblicklich verstummt<br />

<strong>und</strong> sich Belanglosigkeiten zuwendet. Kurz darauf verlässt einer die Mittagsr<strong>und</strong>e, der rasch<br />

die anderen folgen. Karla sitzt alleine. Das geht nun schon seit ein paar Wochen so.<br />

Ihr Kollege Klaus macht ganz andere Erfahrungen. Seit langer Zeit beobachtet er mit Sorge,<br />

wie er be<strong>im</strong> Verteilung von Arbeitsaufgaben wie ein W<strong>und</strong>er Tätigkeiten zugewiesen bekommt,<br />

die kein anderer verrichten möchte. Mehrere Beschwerden be<strong>im</strong> Dienstvorgesetzten<br />

haben an dieser Praxis nichts geändert, sie eher noch verschlechtert. Klaus erwägt, den <strong>Betrieb</strong>srat<br />

einzuschalten. Dies veranlasst den Vorgesetzten, ihn noch mehr mit Arbeiten zu<br />

betrauen, die er nicht verrichten möchte. Mit Hinweis auf seine arbeitsvertragliche Leistungspflicht<br />

weist der Vorgesetzte jeden Wunsch von Klaus zurück.<br />

In der Vorstandsetage herrscht auch nicht gerade Frieden. Vorstandsvorsitzender Dr. Kröger<br />

liegt in heftigem Streit mit dem Mitglied des Vorstands Dr. Röhling, über dessen Eheprobleme<br />

<strong>und</strong> Seitensprünge er zufällig Bescheid weiß. Dieses Wissen lässt er <strong>im</strong>mer dann beiläufig<br />

einfließen, wenn Dr. Röhling eine vom Vorsitzenden abweichende Meinung vorgetragen<br />

hat. Mit Rücksicht auf sein Privatleben lenkt Dr. Röhling dann ein.<br />

Die drei Fälle von innerbetrieblichen Problemen sind auf unterschiedlicher Ebene angesiedelt:<br />

zwischen Kollegen, zwischen Vorgesetzem <strong>und</strong> Beschäftigtem <strong>und</strong> innerhalb des Vorstands.<br />

Ist ihnen dennoch etwas gemeins<strong>am</strong>? Ja, gemeins<strong>am</strong> ist ihnen, dass eine Person<br />

über das gewöhnliche Maß von beruflichem Stress hinaus eine andere durch psychischen<br />

Druck zu etwas veranlassen versucht, was diese nicht möchte. Man kann auch sagen, dass<br />

durch seelischen Druck die Freude an der Arbeit zerstört werden soll, um eine Person für<br />

etwas gefügig zu machen, was sie freiwillig nicht tun würde <strong>und</strong> vor allem auch nicht müsste.<br />

Das Ziel des Drucks kann unterschiedlicher Art sein: Eine Entscheidung zugunsten des<br />

Druckausübenden herbeizuführen, eine Person zum Verlassen einer Abteilung oder des <strong>Betrieb</strong>s<br />

zu bewegen oder auch nur eine Person zu beunruhigen <strong>und</strong> zu diskr<strong>im</strong>inieren.<br />

* aus: U. Straumann/Ch. Z<strong>im</strong>mermann - Lotz, Personenzentriertes Coaching <strong>und</strong> Supervision, 2006.<br />

1


1. <strong>Mobbing</strong> – Teil des betrieblichen Alltags<br />

<strong>Betrieb</strong>liche Konflikte sind nichts Ungewöhnliches, sondern Alltag. Deshalb kann man nicht<br />

bei jeder innerbetrieblichen Auseinandersetzung von <strong>Mobbing</strong> sprechen. Der Psychologe<br />

Heinz Leymann (Der neue <strong>Mobbing</strong> - Bericht, Rowohlt Aktuell, 1995) hat folgende Definition<br />

vorgeschlagen: „<strong>Mobbing</strong> ist eine konfliktbelastete Kommunikation <strong>am</strong> Arbeitsplatz unter Kollegen<br />

oder zwischen Vorgesetzten <strong>und</strong> Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen<br />

ist <strong>und</strong> von einer oder einigen Personen systematisch, oft <strong>und</strong> während längerer<br />

Zeit mit dem Ziel <strong>und</strong>/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder<br />

indirekt angegriffen wird <strong>und</strong> dieses als Diskr<strong>im</strong>inierung empfindet.“. Das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht<br />

definiert <strong>Mobbing</strong> als „systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskr<strong>im</strong>inieren von<br />

Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.“ (Urteil vom 15. 1. 1997, BAGE 85, 56<br />

(58).<br />

Ohne sich an der Suche nach der besten Definition zu beteiligen, lässt sich der Tatbestand<br />

des <strong>Mobbing</strong> von einem üblichen betrieblichen Konflikt dadurch abgrenzen, dass der Mobbende<br />

einen Konflikt mit einer anderen Person systematisch mit unfairen Methoden eskaliert,<br />

um den Gemobbten in seiner Persönlichkeit zu beschädigen. D<strong>am</strong>it ist beabsichtigt, das<br />

<strong>Mobbing</strong>opfer zu etwas zu veranlassen, was es freiwillig nicht getan hätte (eine unzumutbare<br />

Tätigkeit zu verrichten, datengeschützte Informationen preiszugeben, den <strong>Betrieb</strong> zu verlassen<br />

usw.).<br />

<strong>Mobbing</strong> findet sich in nahezu jedem <strong>Betrieb</strong>. Es wird geschätzt, dass in der B<strong>und</strong>esrepublik,<br />

die in Europa mit 2,7 Prozent <strong>im</strong> <strong>Mobbing</strong> - Mittelfeld liegt, mehr als eine Million Menschen<br />

unter <strong>Mobbing</strong> leiden. Mit anderen Worten: Jede neunte Person wird mindestens einmal <strong>im</strong><br />

Verlaufe ihres Erwerbslebens Opfer eines Mobbers. Für Frauen liegt das Risiko, <strong>Mobbing</strong>opfer<br />

zu werden, um 75 Prozent höher als für Männer. Junge (unter 25 Jahren) <strong>und</strong> ältere<br />

(über 55 Jahren) Mitarbeiter sind häufiger betroffen als der „Normalarbeitnehmer“ <strong>im</strong> besten<br />

Arbeitsalter. Unter den Berufsgruppen sind es vorwiegend solche in sozialen Bereichen sowie<br />

<strong>im</strong> Dienstleistungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen. Teilzeitkräfte haben stärker unter <strong>Mobbing</strong><br />

zu leiden als Ganztagsarbeitnehmer, Frauen mehr in Männergruppen als Männer in Frauengruppen.<br />

Anders formuliert: Die Wahrscheinlichkeit, zum Opfer von <strong>Mobbing</strong> zu werden, trifft<br />

den <strong>am</strong> ehesten, dessen betriebliche Stellung prekär oder gefährdet ist. Je besser eine Person<br />

in das betriebliche Geschehen integriert ist, desto geringer ist die Gefahr, gemobbt zu<br />

werden.<br />

2. Ursachen <strong>und</strong> Folgen von <strong>Mobbing</strong><br />

Wenn die Opfer von <strong>Mobbing</strong> zumeist solche sind, deren betrieblicher Status ungesichert ist,<br />

dann wird deutlich, dass die Ursachen von <strong>Mobbing</strong> weniger <strong>im</strong> Verhalten des Gemobbten<br />

zu suchen sind (obwohl dies auch eine Rolle spielen kann), sondern in objektiven Bedingungen<br />

des <strong>Betrieb</strong>s. Als solche können unklare Organisationsstrukturen, die zu <strong>und</strong>urchsichtigen<br />

Verantwortlichkeiten führen, ebenso in Betracht kommen wie ein schlechtes <strong>Betrieb</strong>skl<strong>im</strong>a,<br />

das keine Strukturen für eine rationale Konfliktaustragung zulässt. Weiterhin kann <strong>Mobbing</strong><br />

begünstigt werden durch zunehmenden Stress <strong>am</strong> Arbeitsplatz, der durch wirtschaftliche<br />

Schwierigkeiten bedingt ist, auf die mit Einführung neuer Technik oder betrieblicher Umorganisation<br />

reagiert wird. Auch die falsche Beschäftigung einer Person an einem Arbeitsplatz,<br />

die zu Über- oder Unterforderung führt, kann Ursache von <strong>Mobbing</strong> sein. Schließlich<br />

2


wird in der Literatur das Versagen von Führungskräften als eine mögliche Ursache angeführt.<br />

D<strong>am</strong>it objektive betriebliche Probleme auch zu einem <strong>Mobbing</strong>verhalten führen, müssen sich<br />

Personen auch diesen Problemen gemäß verhalten. Die schlechteste Arbeitsorganisation<br />

führt nicht zu <strong>Mobbing</strong>problemen, wenn Beschäftigte <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>sleitung es verstehen, die<br />

Konflikte auszugleichen. Das dürfte aber nur selten der Fall sein. Wahrscheinlicher ist, dass<br />

objektive betriebliche Probleme auch bestehende Konkurrenzstrukturen eines <strong>Betrieb</strong>es verschärfen.<br />

So kann durch Organisationsprobleme eines <strong>Betrieb</strong>s das Verhalten der Beschäftigten<br />

untereinander oder das zwischen Vorgesetzten <strong>und</strong> Beschäftigten nachhaltig so verändert<br />

werden, dass <strong>Mobbing</strong> eine logische Folge ist. Typische individuelle Ursachen von<br />

<strong>Mobbing</strong>verhalten sind Neid, Machtstreben, Rache, Unsicherheit <strong>und</strong> Wut. Das gemobbte<br />

Opfer ist dann ein willkommener Anlass, die eigenen negativen Gefühle auszuagieren, ohne<br />

zunächst Sanktionen befürchten zu müssen. Da <strong>Mobbing</strong>sopfer häufig ohnehin einen schweren<br />

Stand in dem <strong>Betrieb</strong> haben, kann der Mobber davon ausgehen, dass sein Verhalten –<br />

zumindest für eine gewisse Zeit – ohne negative Folgen für ihn bleiben wird.<br />

Für die gemobbte Person, die sozial isoliert <strong>und</strong> geächtet, <strong>im</strong> schl<strong>im</strong>msten Fall vom Verlust<br />

des Arbeitsplatzes bedroht wird, kann <strong>Mobbing</strong> negative Konsequenzen haben. Diese können<br />

<strong>im</strong> Verlust von befre<strong>und</strong>eten Kollegen, der Entstehung von Angst <strong>und</strong> Minderwertigkeitsgefühlen<br />

liegen sowie bis hin zu Krankheiten <strong>und</strong> Suizidversuchen führen. Zum Schluss<br />

sehnt das <strong>Mobbing</strong>sopfer nur noch eine Situation herbei, in der es nicht mehr von den Aktionen<br />

des Mobbers betroffen wird.<br />

Was zunächst aber nur wie die individuelle Attacke auf eine einzelne Person aussieht, kann<br />

sich auch zu <strong>Mobbing</strong>strukturen in einem <strong>Betrieb</strong> ausbilden, die ganze Gruppen (best<strong>im</strong>mte<br />

Gruppen von Ausländern, Behinderte usw.) betrifft. Auf diese Weise wird das <strong>Betrieb</strong>skl<strong>im</strong>a<br />

nachhaltig verschlechtert, was wiederum ökonomische Folgen nach sich ziehen kann. Aus<br />

einem einzelnen Fall von <strong>Mobbing</strong> wäre dann ein soziales <strong>und</strong> ökonomisches Problem in<br />

dem <strong>Betrieb</strong> geworden. Das ist der Gr<strong>und</strong>, warum Geschäftsleitung <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>srat in der<br />

Regel bemüht sind, Fälle von <strong>Mobbing</strong> zum Anlass für eine Analyse betrieblicher Probleme<br />

sowie ihrer möglichen Beseitigung zu nehmen.<br />

3. Rechtliche Möglichkeiten gegen <strong>Mobbing</strong><br />

Der Gesetzgeber hat eine Reihe rechtlicher Vorschriften zur Verfügung gestellt, gegen <strong>Mobbing</strong><br />

vorzugehen. Das Arbeitsschutzgesetz <strong>und</strong> das <strong>Betrieb</strong>sverfassungsgesetz sehen mehrere<br />

Möglichkeiten für einen Arbeitnehmer vor, alleine oder zus<strong>am</strong>men mit dem <strong>Betrieb</strong>srat<br />

sich gegen das Verhalten eines Mobbers zur Wehr zu setzen. Vor allem das <strong>Betrieb</strong>sverfassungsgesetz<br />

(BetrVG) enthält vielfältige Regelungen, die darauf zielen, <strong>Mobbing</strong> zu unterbinden.<br />

Zunächst ist es der gr<strong>und</strong>legende § 74 BetrVG, der Arbeitgeber <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>srat zur<br />

vertrauensvollen Zus<strong>am</strong>menarbeit mit ernstem Einigungswillen anhält. In diesem Kontext<br />

kann auch das <strong>Betrieb</strong>skl<strong>im</strong>a Thema rechtlicher Erörterung werden. Ebenfalls gr<strong>und</strong>legender<br />

Natur ist § 75 BetrVG, demzufolge Arbeitgeber <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>srat darüber zu wachen haben,<br />

„dass alle <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> tätigen Personen nach den Gr<strong>und</strong>sätzen von Recht <strong>und</strong> Billigkeit behandelt<br />

werden, insbesondere, dass jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen<br />

ihrer Abst<strong>am</strong>mung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung<br />

oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.<br />

Sie haben darauf zu achten, dass Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung best<strong>im</strong>mter<br />

Altersstufen benachteiligt werden.“ Auch § 75 Absatz 2 zielt auf den Schutz vor <strong>Mobbing</strong>:<br />

3


“Arbeitgeber <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>srat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> beschäftigten<br />

Arbeitnehmer zu schützen <strong>und</strong> zu fördern. Sie haben die Selbstständigkeit <strong>und</strong><br />

Eigeninitiative der Arbeitnehmer <strong>und</strong> Arbeitsgruppen zu fördern.“<br />

Die §§ 74, 75 BetrVG sind an Geschäftsleitung <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>srat adressiert <strong>und</strong> geben deshalb<br />

dem einzelnen Arbeitnehmer keine Möglichkeit einen Rechtsanspruch, <strong>im</strong> Falle von<br />

<strong>Mobbing</strong> eine Beschwerde geltend zu machen. Ein individuelles Beschwerderecht hingegen<br />

sieht § 84 BetrVG vor. Dort heißt es in Absatz 1: “Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, sich bei<br />

den zuständigen Stellen des <strong>Betrieb</strong>s zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder<br />

von Arbeitnehmern des <strong>Betrieb</strong>s benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger<br />

Weise beeinträchtigt fühlt. Er kann ein Mitglied des <strong>Betrieb</strong>srats zur Unterstützung oder Vermittlung<br />

heranziehen.“ D<strong>am</strong>it der Arbeitnehmer sieht, dass seine Beschwerde vom Arbeitgeber<br />

behandelt worden ist, verpflichtet diesen das Gesetz (Absatz 2), „den Arbeitnehmer über<br />

die Behandlung der Beschwerde zu bescheiden <strong>und</strong>, soweit er die Beschwerde für berechtigt<br />

erachtet, ihr abzuhelfen.“ Zum Schutz des sich beschwerenden Arbeitnehmers sieht Absatz<br />

3 schließlich vor, dass diesem „wegen der Erhebung einer Beschwerde ... keine Nachteile<br />

entstehen (dürfen)“.<br />

Das individuelle Beschwerderecht des § 84 BetrVG wird durch § 85 BetrVG ergänzt, der ein<br />

Beschwerderecht des Arbeitnehmers an den <strong>Betrieb</strong>srat vorsieht. Hat der einzelne Arbeitnehmer<br />

<strong>im</strong> Rahmen von § 84 BetrVG nach Ablehnung seiner Beschwerde durch den Arbeitgeber<br />

gegen diesen kein unmittelbares Rechtsmittel mehr, so gewährt § 85 dem <strong>Betrieb</strong>srat<br />

die Möglichkeit, in <strong>Mobbing</strong>fällen die Einigungsstelle anzurufen, deren Spruch die Einigung<br />

zwischen <strong>Betrieb</strong>srat <strong>und</strong> Arbeitgeber ersetzt.<br />

3. 1 Innerbetriebliche Möglichkeiten: die Einigungsstelle<br />

Was ist die Einigungsstelle <strong>und</strong> welche Rolle kann sie in <strong>Mobbing</strong>verfahren spielen ? - Die<br />

Einigungsstelle verfolgt das Ziel, betriebliche Konflikte nicht vor den Arbeitsgerichten, sondern<br />

innerhalb eines <strong>Betrieb</strong>s auszutragen. Die innerbetriebliche Konflikterledigung ist nicht<br />

nur zeit- <strong>und</strong> geldsparender als ein Gerichtsverfahren, sondern auch sachnäher. Gesetzlich<br />

trägt dem die Formulierung in § 76 Abs. 5 Satz 3 Rechnung. Dort wird verlangt, dass die Einigungsstelle<br />

die „Belange des <strong>Betrieb</strong>s <strong>und</strong> der betroffenen Arbeitnehmer“ berücksichtigen<br />

soll. Die in § 2 Abs. 1 BetrVG festgeschriebene Idee einer „vertrauensvollen Zus<strong>am</strong>menarbeit“<br />

zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>srat findet sich in den Regeln für die Einigungsstelle<br />

wieder. Eine Garantie dafür, dass es stets zu einer innerbetrieblichen Lösung kommt, ist das<br />

Verfahren vor der Einigungsstelle allerdings nicht. Deshalb sieht das Gesetz in § 76 Abs. 5<br />

Satz 4 BetrVG die Möglichkeit der Einschaltung eines Arbeitsgerichts für den Fall vor, dass<br />

Arbeitgeber oder <strong>Betrieb</strong>srat die Grenzen ihres Ermessens überschritten haben. Auch § 76<br />

Abs. 7 BetrVG eröffnet den Weg zu den Arbeitsgerichten.<br />

Die Einigungsstelle ist gr<strong>und</strong>sätzlich keine Dauereinrichtung, sondern wird bei Bedarf gebildet.<br />

Der unparteiische Vorsitzende soll neben den Vertretern der Parteien Arbeitgeber <strong>und</strong><br />

<strong>Betrieb</strong>srat dafür sorgen, dass keine der beiden streitenden Parteien benachteiligt wird. Deshalb<br />

besteht auch über die Bestellung des Unparteiischen ein Einigungszwang. Notfalls kann<br />

die Einigung gerichtlich <strong>im</strong> Wege des Beschlussverfahrens erzwungen werden, § 76 Abs. 2<br />

S. 2 <strong>und</strong> 3 BetrVG, § 98 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der Spruch der Einigungsstelle ist<br />

für die <strong>Betrieb</strong>sparteien bindend, weil er wie eine <strong>Betrieb</strong>svereinbarung angesehen wird. Al-<br />

4


lerdings gilt dies nur dann, wenn eine Form der erzwingbaren Mitbest<strong>im</strong>mung, wie in § 85<br />

BetrVG, vorliegt.<br />

Für die Einigungsstelle besteht ein Entscheidungszwang, d. h. es genügt nicht, dass der Antrag<br />

einer Partei zurückgewiesen wird. Es muss eine positive Entscheidung getroffen werden.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich entscheidet die Einigungsstelle nur bei sog. Regelungsstreitigkeiten,<br />

während die Arbeitsgerichte für Rechtsstreitigkeiten zuständig sind. Hat die Einigungsstelle<br />

eine Entscheidung getroffen, vertritt aber einer der beiden <strong>Betrieb</strong>sparteien die Auffassung,<br />

der Spruch berücksichtige nicht angemessen die Belange des <strong>Betrieb</strong>s oder der betroffenen<br />

Arbeitnehmer, so kann er binnen einer Frist von zwei Wochen be<strong>im</strong> Arbeitsgericht die Überprüfung<br />

beantragen, § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG. Das Arbeitsgericht kann die Nichtigkeit des<br />

Spruch der Einigungsstelle feststellen, ihn aber nicht abändern oder eine eigene Regelung<br />

treffen.<br />

Haben Arbeitgeber <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>srat <strong>im</strong> Rahmen der gesetzlichen Mitbest<strong>im</strong>mung eine Einigung<br />

erzielt, dann legen sie diese in einer <strong>Betrieb</strong>svereinbarung nieder. <strong>Betrieb</strong>svereinbarungen<br />

können durch Spruch der Einigungsstelle oder gemeins<strong>am</strong>en Beschluss der <strong>Betrieb</strong>sparteien<br />

zustande kommen. Durch eine <strong>Betrieb</strong>svereinbarung kann alles geregelt werden,<br />

was in den Aufgabenbereich des <strong>Betrieb</strong>srats fällt. Verstößt eine <strong>Betrieb</strong>svereinbarung<br />

gegen höherrangige rechtliche Regelungen, ist sie nichtig.<br />

<strong>Betrieb</strong>svereinbarungen wirken unmittelbar <strong>und</strong> zwingend wie ein Gesetz auf die Arbeitsverhältnisse<br />

ein. Eine <strong>Betrieb</strong>svereinbarung erfasst alle Arbeitsverhältnisse innerhalb eines <strong>Betrieb</strong>s<br />

mit Ausnahme der leitenden Angestellten. Eingeschränkt wird die Wirkung nur durch<br />

den Vorrang des Tarifvertrags, § 77 Abs. 3 BetrVG. Was bereits in einem Tarifvertrag geregelt<br />

ist, kann nicht noch einmal Gegenstand einer <strong>Betrieb</strong>svereinbarung werden. Sinn dieser<br />

gesetzlichen Vorschrift ist es, den Gewerkschaften („Tarifvertrag“) Vorrang vor den <strong>Betrieb</strong>sräten<br />

(BV) zu geben. Üblicherweise können <strong>Betrieb</strong>svereinbarungen ohne Angaben von<br />

Gründen mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Ist eine erzwingbare <strong>Betrieb</strong>svereinbarung<br />

(wie in den Fällen der Mitbest<strong>im</strong>mung in sozialen Angelegenheiten, § 87<br />

BetrVG) abgeschlossen worden, dann entfaltet sie nach Zeitablauf Nachwirkungen bis zum<br />

Abschluss einer neuen. Bei freiwillig abgeschlossenen Vereinbarungen gibt es eine solche<br />

Nachwirkung nicht. Weil <strong>Betrieb</strong>svereinbarungen schriftlich vereinbart werden müssen, fehlt<br />

allen mündlichen Vereinbarungen zwischen <strong>Betrieb</strong>srat <strong>und</strong> Arbeitgeber der Charakter einer<br />

rechtsgültigen Vereinbarung.<br />

In einer <strong>Betrieb</strong>svereinbarung können auch Regelungen getroffen werden, die das soziale<br />

Verhalten <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> betreffen („<strong>Mobbing</strong>prävention“). So heißt es beispielsweise in der Prä<strong>am</strong>bel<br />

einer von der Gewerkschaft IG Metall konzipierten Muster-<strong>Betrieb</strong>svereinbarung: “Arbeitgeber<br />

<strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>srat sind sich bewusst, dass fehlerhafter sozialer Umgang, unsoziale<br />

Verhaltensweisen <strong>und</strong> nicht gelöste Konflikte das <strong>Betrieb</strong>skl<strong>im</strong>a nachhaltig beeinflussen, den<br />

Arbeitsprozess stören, die Produktivität des <strong>Betrieb</strong>es sowie die Qualität des Arbeitsergebnisses<br />

vermindern <strong>und</strong> vielfache negative Auswirkungen für den <strong>Betrieb</strong> sowie für die Belegschaft<br />

mit sich bringen. Psychosomatische Beschwerden <strong>und</strong> Erkrankungen, Depressionen,<br />

Erschöpfungszustände, Folgeerkrankungen infolge mangelnder Abwehrkräfte, Verzweiflung,<br />

Angstzustände <strong>und</strong> vieles mehr können Folge von <strong>Mobbing</strong> sein. Anliegen dieser <strong>Betrieb</strong>svereinbarung<br />

ist es insbesondere, das <strong>Betrieb</strong>skl<strong>im</strong>a <strong>und</strong> den sozialen Umgang aller <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong><br />

tätigen Personen zu verbessern.“ (<strong>Mobbing</strong> wirkungsvoll begegnen – ein Ratgeber der<br />

IG Metall, Frankfurt <strong>am</strong> Main 2003)<br />

5


Im einzelnen werden sodann in der <strong>Betrieb</strong>svereinbarung u. a. folgende Regelungen getroffen:<br />

- Ernennung eines betrieblichen Konfliktbeauftragten, der eine einvernehmliche Schlichtung<br />

herbeiführen soll. Dieser wird materiell so ausgestattet, dass er seine Aufgaben<br />

effektiv wahrnehmen kann. Die Kosten für seine Ausbildung (Supervision) trägt der Arbeitgeber;<br />

- Recht eines jeden Beschäftigten, sich während der Arbeitszeit be<strong>im</strong> betrieblichen Konfliktbeauftragten<br />

über die <strong>Betrieb</strong>svereinbarung zu informieren <strong>und</strong> sich über Benachteiligungen,<br />

Schikanen, Belästigungen <strong>und</strong> Verungl<strong>im</strong>pfungen zu beschweren. Die Zeiten<br />

gelten als Arbeitszeit;<br />

- Maßnahmen gegen <strong>Mobbing</strong>. Dazu zählen Aufklärung <strong>und</strong> Beseitigung betrieblicher<br />

Mängel, Suchen nach einvernehmlichen Lösungen, notfalls Verhängung betrieblicher<br />

Sanktionen gegen den Mobber (Abmahnung, Versetzung, verhaltensbedingte Kündigung);<br />

- Im Falle der Nichteinigung Anrufen der betrieblichen Konfliktkommission, die nach drei<br />

Sitzungen eine Einigung erreicht haben soll.<br />

Die Idee, betriebliche Konflikte nicht gerichtlich, sondern zus<strong>am</strong>men mit den unmittelbar Betroffenen<br />

auszutragen, ist dem Wunsch mancher betroffener Arbeitnehmer, den Konflikt vor<br />

Gericht auszutragen, vorzuziehen. So sehr das Bedürfnis eines Gemobbten zu verstehen ist,<br />

keinen Kompromiss zu suchen, sondern das Problem durch den einseitigen Spruch eines<br />

Richters entscheiden lassen, so sehr sei solange davon abgeraten, wie die Möglichkeit einer<br />

einvernehmlichen betrieblichen Lösung besteht. Im Wege des Kompromisses gef<strong>und</strong>ene<br />

betriebliche Lösungen haben den Vorteil, dass sie von beiden Parteien akzeptiert werden,<br />

wenngleich beide Abstriche von ihren Ausgangspositionen haben machen müssen. Aber<br />

beidseitig akzeptierte Lösungen haben zur Folge, dass sich die Parteien nach Beendigung<br />

des Konflikts wieder begegnen können <strong>und</strong> ein einvernehmliches Handeln in Zukunft möglich<br />

ist.<br />

Per Urteil zustande gekommene Entscheidungen werden zwar in der Regel auch akzeptiert,<br />

aber der Verlierer verlässt den Gerichtssaal nicht selten mit Gefühlen der Bitterkeit, die er bei<br />

der nächsten Möglichkeit gegenüber dem Gewinner zum Ausdruck bringt. Umgekehrt verlässt<br />

der Gewinner den Gerichtsaal häufig mit einem Triumphgefühl, das den Weg für eine<br />

kooperative zukünftige Zus<strong>am</strong>menarbeit verbauen kann.<br />

Dennoch gibt es <strong>im</strong>mer wieder Fallkonstellationen, in denen eine einvernehmliche Lösung<br />

nicht möglich ist. Dann wird dem Gemobbten nichts anderes bleiben, als vor Gericht eine<br />

Verletzung seines Persönlichkeitsrechts einzuklagen. Der Gesetzgeber stellt ihm für diesen<br />

Fall mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Gr<strong>und</strong>legende Normen sind die Artikel 1 <strong>und</strong> 2<br />

des Gr<strong>und</strong>gesetzes (GG), die das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines jeden Menschen<br />

enthalten. Darunter werden sowohl das Recht auf körperliche <strong>und</strong> seelische Unversehrtheit<br />

wie der Schutz der persönlichen Ehre verstanden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert<br />

einen Gr<strong>und</strong>bestand würdevoller menschlicher Existenz. Spezielle gesetzliche Regelungen,<br />

wie das Beschäftigtenschutzgesetz, das einen Schutz vor sexueller Belästigung <strong>im</strong><br />

<strong>Betrieb</strong> gewähren soll, sind Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Neben dem<br />

allgemeinen Persönlichkeitsrecht können <strong>im</strong> Wege des <strong>Mobbing</strong> auch andere Gr<strong>und</strong>rechte<br />

wie die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG), der Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz (Art. 3 GG), die Glaubens<strong>und</strong><br />

Gewissensfreiheit (Art. 4 GG) verletzt werden.<br />

6


Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann in verschiedener Weise rechtlich<br />

geltend gemacht werden: arbeits-, zivil- <strong>und</strong> strafrechtlich. Gr<strong>und</strong>sätzlich bei gerichtlichen<br />

Verfahren in Sachen <strong>Mobbing</strong> davon auszugehen, dass – wie bei vielen Gerichtsverfahren -<br />

ein für den Gemobbten positiver Ausgang schwer zu prognostizieren ist. Nicht <strong>im</strong> Wege der<br />

Kooperation gef<strong>und</strong>ene Lösungen enthalten stets ein kaum einschätzbares Risiko des Konfliktausgangs.<br />

Da unvorhersehbar ist, was ein des <strong>Mobbing</strong> Beschuldigter zu seiner Verteidigung<br />

vortragen wird (durch Zeugen oder Beweisstücke), ist auch die Entscheidung des Richters<br />

schwer einzuschätzen.<br />

3. 2 Arbeitsgerichtsverfahren<br />

Was kann ein Gemobbter <strong>im</strong> Rahmen eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht erreichen?<br />

Wer einmal die Leiden des <strong>Mobbing</strong>s durchlaufen hat, möchte zunächst, dass wieder ein<br />

mobbingfreier Zustand entsteht. Um dies zu erreichen, kann eine Klage gegen den Arbeitgeber<br />

eingereicht werden, in dem dieser aufgefordert wird, alles in seinen Möglichkeiten stehende<br />

zu tun, einen Zustand wiederherzustellen, in dem die betroffene Person nicht in ihrem<br />

allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Erreicht der Gemobbte mit der Klage<br />

sein Ziel, dann wird der Arbeitgeber vom Gericht aufgefordert, alles zu tun, d<strong>am</strong>it der Mobbende<br />

sein Verhalten unterlässt. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, die ganze Palette arbeitsrechtlicher<br />

Sanktionen gegen einen Arbeitnehmer anzuwenden, um ihn zu einem arbeitsvertraglich<br />

korrekten Verhalten zu zwingen. Jeder Arbeitnehmer hat nämlich die arbeitsvertragliche<br />

Nebenpflicht, alles zu unterlassen, was einen anderen Arbeitnehmer oder die<br />

Interessen des <strong>Betrieb</strong>es beeinträchtigt. Um diese Nebenpflicht durchzusetzen, muss der<br />

Arbeitgeber den Mobber verwarnen, eventuell an einen anderen Arbeitsplatz versetzen, bei<br />

Nichtbefolgen abmahnen <strong>und</strong> wenn auch dies ohne Konsequenzen bleibt, notfalls auch aus<br />

verhaltensbedingten Gründen kündigen. Im günstigsten Fall erreicht der Gemobbte durch ein<br />

arbeitsgerichtliches Verfahren, dass der Mobber in Zukunft sein Verhalten unterlässt oder die<br />

Abteilung oder den <strong>Betrieb</strong> verlassen muss.<br />

3. 3 Zivilgerichtliches Verfahren<br />

Neben der arbeitsrechtlichen Sanktionierung des Mobbers kann der Gemobbte <strong>im</strong> Wege<br />

eines Zivilprozesses erreichen, dass er für den ihn entstandenen Schaden entschädigt wird.<br />

Im Rahmen eines Verfahrens wegen unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB kann<br />

auch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts in Gang gesetzt<br />

werden. Bekannt sind solche Schadensersatzprozesse von Personen des öffentlichen<br />

Lebens, die sich durch die Veröffentlichung von Fotografien, die sie in privaten Zus<strong>am</strong>menhängen<br />

zeigen, in ihrem Persönlichkeitsrechts verletzt sehen. In solchen Fällen könne Summen<br />

von mehreren h<strong>und</strong>erttausend Euro für die Klagenden festgesetzt werden. In diesen<br />

finanziellen D<strong>im</strong>ensionen sollte man aber auf keinen Fall denken, wenn man eine Schadensersatzklage<br />

erwägt. Es müssten schon gravierende Beeinträchtigungen geltend gemacht<br />

werden (z. B vollständige Ruinierung des guten Rufs einer Person), um größere Summen<br />

erstreiten zu können. Bei Klagen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts sollte man<br />

umsichtig erwägen, ob überhaupt Geldbeträge eingeklagt werden können. Dieselbe Überlegung<br />

gilt bei Klagen wegen Schmerzensgeld (§ 847 BGB), weil hier die Rechtsprechung sehr<br />

enge Grenzen gesetzt hat. Aus einem durchschnittlichen <strong>Mobbing</strong>verhalten (z. B. systemati-<br />

7


sches Meiden einer Person) einen Anspruch auf Schmerzensgeld herleiten zu wollen, dürfte<br />

in den meisten Fällen aussichtslos sein.<br />

Weitaus aussichtsreicher hingegen sind zivilrechtliche Verfahren, die den Widerruf oder die<br />

Unterlassung ehrverletzender Äußerungen zum Gegenstand haben. Hat der Mobber den<br />

Gemobbten in einer unzulässigen Weise charakterisiert oder ihm gegenüber ein unzulässiges<br />

Verhalten gezeigt, so kann der Gemobbte per Gerichtsentscheidung versuchen durchzusetzen,<br />

dass dieses Verhalten in Zukunft unterbleibt bzw. die entsprechende Äußerung<br />

dort widerrufen wird, wo sie gemacht worden ist, §§ 823, 1004 BGB. Solche Verfahren werden<br />

<strong>im</strong>mer wieder von einem Kläger gewonnen. Dennoch sei auch hier Vorsicht geboten.<br />

Denn auch ein für den Kläger erfolgreiches Urteil heißt noch nicht, dass der Verurteilte sein<br />

<strong>Mobbing</strong>verhalten unterlässt. Da sich ein Unterlassungsurteil auf spezifische Verhaltensweisen<br />

des Mobbers bezieht <strong>und</strong> sie ihm untersagt, kann der Mobber durchaus mit anderen,<br />

bislang noch nicht gerügten Taten den Gemobbten weiterhin verfolgen.<br />

Hier werden die Grenzen gerichtlicher Entscheidungen gut sichtbar. Nicht nur, dass ein Gerichtsverfahren<br />

unkalkulierbar ist <strong>und</strong> eine lange Zeit in Anspruch n<strong>im</strong>mt, ist <strong>Mobbing</strong> ein zum<br />

Teil strukturelles Problem. Auch die Tatsache, dass ein für den Kläger positives Urteil keineswegs<br />

bedeuten muss, dass nun die inkr<strong>im</strong>inierten Handlungen unterbleiben, zeigt die<br />

Grenzen gerichtsförmiger Verfahren auf. Anders formuliert: Der Vorteil eines einvernehmlichen,<br />

nicht-gerichtsförmigen Verfahrens besteht darin, dass der freiwillig auf sein Verhalten<br />

verzichtende Mobber die beste Garantie dafür ist, dass er sein Verhalten in Zukunft unterlässt.<br />

3. 4 Strafgerichtsverfahren<br />

Neben dem arbeitsrechtlichen <strong>und</strong> zivilrechtlichen Verfahren bleibt schließlich eine dritte<br />

Möglichkeit für den gemobbten, gegen den Mobber vorzugehen: das strafrechtliche Verfahren.<br />

Vom Ausgang dieses Verfahrens hat der Gemobbte unmittelbar nichts, außer der möglichen<br />

Genugtuung, dass der Mobber für sein Verhalten mit staatlichen Sanktionen belegt<br />

worden ist. Für wen dies von Bedeutung ist, der möge <strong>im</strong> gegebenen Fall Strafanzeige wegen<br />

eines Delikt erstatten, das der Mobber begangen hat.<br />

Als mögliche Delikte können eine Reihe von strafrechtlichen Tatbeständen in Frage kommen:<br />

- Beleidigung § 185 StGB (Besch<strong>im</strong>pfungen),<br />

- Üble Nachrede § 186 StGB (wahrheitswidrige Vermutungen),<br />

- Verleumdung § 187 StGB (falsche Aussagen wider besseres Wissen),<br />

- Sachbeschädigung § 303 StGB (beliebt: Beschädigung eines PKW),<br />

- Körperverletzung § 223, 229 StGB (Hervorrufen einer psychischen Beeinträchtigung),<br />

- Nötigung § 240 StGB (Verschließen einer Tür, um jemanden <strong>am</strong> Verlassen<br />

eines Raumes zu hindern),<br />

Da die meisten dieser Delikte nur auf Antrag verfolgt werden, muss der Gemobbte aktiv werden<br />

<strong>und</strong> Strafantrag stellen. Wie bei allen Gerichtsverfahren hängt auch der Ausgang eines<br />

Strafverfahrens von der Glaubwürdigkeit der dargelegten Beweise ab. Ein Kläger mag noch<br />

so überzeugt davon sein, dass ein von ihm als <strong>Mobbing</strong> empf<strong>und</strong>enes Verhalten eines anderen<br />

einen Straftatbestand erfüllt, solange er dies nicht glaubwürdig darlegen <strong>und</strong> die Gegen-<br />

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argumente des Angeklagten widerlegen kann, wird er erfolglos bleiben. Be<strong>im</strong> Strafverfahren<br />

sehen wir dieselbe Problematik wie bei den beiden anderen Gerichtsverfahren: sie dauern<br />

lange, ihr Ausgang ist häufig ungewiss <strong>und</strong> die psychischen Belastungen des Verfahrens<br />

können groß sein. Eine einvernehmliche Einigung, die ein Strafverfahren nicht nötig sein<br />

lässt, ist auch hier vorzuziehen. Im Strafrecht gibt es dafür die Möglichkeit des Täter-Opfer-<br />

Ausgleichs, der eine einvernehmliche Lösung ermöglichen kann: der Täter macht den durch<br />

ihn verursachten Schaden freiwillig wieder gut.<br />

4. Außerrechtliche Möglichkeiten gegen <strong>Mobbing</strong><br />

Es wurde bereits häufiger darauf hingewiesen, dass ein gerichtlicher erzwungener Schutz<br />

vor <strong>Mobbing</strong> risikoreich sein kann <strong>und</strong> deshalb empfohlen wird, zunächst außergerichtliche<br />

Verfahren zu praktizieren. Erst wenn sich herausstellt, dass außergerichtliche Verfahren ohne<br />

Erfolg bleiben, sollten staatliche Gerichte in Anspruch genommen werden. Wir haben bereits<br />

eine außerstaatliche Einigungsmöglichkeit gesehen, die das BetrVG vorsieht: das Verfahren<br />

vor der Einigungsstelle. Sie ist aber auch durch gesetzliche Regelungen festgelegt.<br />

Jenseits aller staatlichen Festlegungen sind die erfolgreich arbeitenden <strong>Mobbing</strong>-<br />

Beratungsstellen der Gewerkschaften tätig. Besonders die Industriegewerkschaft Metall hat<br />

ein Netz solcher Beratungsstellen aufgebaut, das sich als erste Anlaufstelle für gemobbte<br />

Personen versteht (vgl. hierzu die Arbeitshilfe 16 der IG Metall, <strong>Mobbing</strong> wirkungsvoll begegnen<br />

– ein Ratgeber der IG Metall, Frankfurt <strong>am</strong> Main 2003).<br />

Die Beratungsstellen der Gewerkschaften geben bei <strong>Mobbing</strong>fällen für die Betroffenen Unterstützung<br />

in folgenden Fragen:<br />

- Untersuchung der betrieblichen Ursachen des Problems,<br />

- Vermittlung von Adressen der staatlichen Arbeitsschutzämter, von Krankenkassen<br />

<strong>und</strong> Versicherungsträgern,<br />

- Maßnahmen gegen ges<strong>und</strong>heitliche Schäden aufgr<strong>und</strong> von <strong>Mobbing</strong>,<br />

- Möglichkeiten der außergerichtlichen Konfliktlösung innerhalb des <strong>Betrieb</strong>s,<br />

- Rechtsbeistand <strong>im</strong> Falle eines oder mehrerer gerichtlicher Verfahren.<br />

Eine professionelle Beratung zur Lösung betrieblicher <strong>Konfliktstrukturen</strong> muss sich die Ursache<br />

der betrieblichen Probleme bewusst machen. Erst wenn diese in Ansätzen überschaubar<br />

sind, kann Beratung mit der Perspektive auf Lösung oder Beilegung eines Konflikts erfolgreich<br />

sein. Allein die Einleitung rechtlicher Schritte wird meist erfolglos sein, weil Gerichte<br />

<strong>im</strong>mer nur einen einzelnen Fall entscheiden, nichts aber an den Ursachen ändern können,<br />

die zu einem <strong>Mobbing</strong>verhalten geführt haben. Aus diesem Gr<strong>und</strong> sollte jede Person, die<br />

sich gemobbt fühlt, zunächst betriebliche oder gewerkschaftliche Ansprechpartner aufsuchen<br />

<strong>und</strong> einvernehmliche Lösungen in Betracht ziehen. Die Brückenfunktion die Beratung zur<br />

Überwindung von Konflikten einnehmen kann, ist nicht zu unterschätzen. Sie kann überdies<br />

dazu beitragen, sowohl materielle als auch <strong>im</strong>materielle Kosten bei allen Betroffenen erheblich<br />

zu reduzieren. Gerichtliche Verfahren sollten die letzte Möglichkeit sein <strong>und</strong> erst dann<br />

bemüht werden, wenn alle anderen Versuche gescheitert sind.<br />

Literatur:<br />

Hirigoyen, Marie-France: <strong>Mobbing</strong>. Wenn der Job zur Hölle wird. München 2001<br />

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Kolodej, Christa: <strong>Mobbing</strong>. facultas wuv universitätsverlag, Wien 2005<br />

Leymann, Heinz: <strong>Mobbing</strong>. Psychoterror <strong>am</strong> Arbeitsplatz <strong>und</strong> wie man sich dagegen wehren<br />

kann. Reinbek 1993<br />

Ratgeber der IG Metall: <strong>Mobbing</strong> wirkungsvoll begegnen. Frankfurt a.M. 2003<br />

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