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Gender und Gerechtigkeit in Gesellschaften - Hochschule Darmstadt

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5<br />

<strong>Gerechtigkeit</strong><br />

echtigkeit<br />

Es muss demnach analysiert werden, welche Methoden geeignet s<strong>in</strong>d, das Ziel zu<br />

erreichen, zwischen den Geschlechterkategorien „<strong>Gerechtigkeit</strong>“ herzustellen. Was<br />

nun aber unter <strong>Gerechtigkeit</strong> zu verstehen ist, ist schwierig zu klären.<br />

Dabei kann von der folgenden Prämisse ausgegangen werden: Menschen wünschen<br />

sich von e<strong>in</strong>er Gesellschaft, <strong>in</strong> der sie leben, neben e<strong>in</strong>er gerechten<br />

Ressourcenverteilung <strong>und</strong> gerechter Chancenallokation auch Wertschätzung <strong>und</strong><br />

Akzeptanz, also e<strong>in</strong>e gute <strong>und</strong> gerechte Behandlung durch die Mitmenschen oder<br />

Mitbürger <strong>und</strong> <strong>in</strong>dividuelle Freiheit zur eigenen Lebensgestaltung. „Das Selbst<br />

verlangt sowohl nach Geme<strong>in</strong>schaft als auch nach Individualität, nach B<strong>in</strong>dung wie<br />

nach Freiheit“ formuliert Drucilla Cornell 2 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Essay über das „Gute“ als<br />

allgeme<strong>in</strong>e Richtschnur für die Gesetzgebung e<strong>in</strong>er Gesellschaft, als Gesetz des<br />

Gesetzes. Cornell bezieht sich auf Hegels These, das Streben nach e<strong>in</strong>em gerechten<br />

<strong>und</strong> egalitären Staat gehe aus e<strong>in</strong>er irreduziblen Verantwortung des Individuums<br />

gegenüber den Anderen hervor. Das Recht hat dabei die Pflicht, das universale Gute<br />

als Richtschnur für die Behandlung aller Individuen zu verfolgen. Das Ideal des<br />

universalen Guten liegt <strong>in</strong> der Symmetrie der Beziehungen aller Menschen. D. h.<br />

Menschen haben auf e<strong>in</strong>er horizontalen Ebene mite<strong>in</strong>ander zu verkehren. Das<br />

universale Gute ist nicht zu def<strong>in</strong>ieren; es ist allenfalls zu erschließen aus dem<br />

Kantschen Imperativ <strong>und</strong> der Regel „Tue anderen nur das, was Du auch von<br />

anderen erfahren möchtest“ oder volkstümlich ausgedrückt: „Was Du nicht willst,<br />

dass man Dir tu, das füg auch ke<strong>in</strong>em anderen zu.“<br />

Entsprechend dieser Gr<strong>und</strong>auffassung des Guten betont Hegel die rechtliche<br />

Verwerfung aller Formen vertraglich geregelter Sklaverei <strong>in</strong> der Moderne. Dabei ist<br />

nicht nur die Institution der Leibeigenschaft e<strong>in</strong>geschlossen, sondern auch viel<br />

subtilere Formen der Unterdrückung, Ausbeutung <strong>und</strong> Entrechtung, wie sie auch im<br />

Geschlechterkampf vorkommen.<br />

<strong>Gerechtigkeit</strong> ist demnach e<strong>in</strong> komplexer Wert. Er be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e Vorstellung von<br />

angemessener Behandlung <strong>in</strong> Abhängigkeit von Bedürfnissen, von Leistungen, von<br />

<strong>in</strong>dividuellem Verhalten. Walster, Walster & Berscheid haben als e<strong>in</strong>en Index der<br />

<strong>Gerechtigkeit</strong> die Balance zwischen den Input-Output-Relationen verschiedener<br />

Individuen entwickelt. Wie aber Inputs bewertet werden ist dabei e<strong>in</strong>e schwierige<br />

gesellschaftliche Setzung.<br />

John Rawls (1975) hat an die Stelle e<strong>in</strong>er komplexen <strong>und</strong> immer unvollständigen<br />

Def<strong>in</strong>ition gerechter Verhältnisse e<strong>in</strong>e Methode gesetzt, mit der die subjektive<br />

<strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft etabliert werden kann: E<strong>in</strong> Maßstab für<br />

<strong>Gerechtigkeit</strong> kann nach Rawls dadurch gewonnen werden, dass sich Akteure<br />

zunächst bewußt „h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>en Schleier der Unwissenheit“ zurückziehen.<br />

Unwissenheit bezieht sich darauf, dass das Individuum die Vorstellung übernehmen<br />

solle, noch nicht zu wissen, was aus ihm selbst werde <strong>und</strong> welche Position es <strong>in</strong> der<br />

Gesellschaft e<strong>in</strong>nehmen werde. Als Denkmodell kann man sich vorstellen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Gremium zu sitzen, <strong>in</strong> dem die Regeln gesellschaftlichen Lebens def<strong>in</strong>iert werden.<br />

2 Cornell, D. Vom Leuchtturm her: Das Erlösungsversprechen <strong>und</strong> die Möglichkeit der Auslegung des<br />

Rechts. In: Anselm Haverkamp (Hrsg.) Gewalt <strong>und</strong> <strong>Gerechtigkeit</strong>. Derrida – Benjam<strong>in</strong>, Frankfurt:<br />

Suhrkamp, 1994, S. 60-96. Zitat S. 74<br />

Februar 2007

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