Gender und Gerechtigkeit in Gesellschaften - Hochschule Darmstadt
Gender und Gerechtigkeit in Gesellschaften - Hochschule Darmstadt
Gender und Gerechtigkeit in Gesellschaften - Hochschule Darmstadt
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
19<br />
In der Praxis war diese Aussage nicht für Frauen bestimmt, nicht für Männer, die<br />
Sklaven oder Dienstboten waren, nicht für e<strong>in</strong>geborene Amerikaner.<br />
Bis heute muss um die Selbstverständlichkeit gekämpft werden, Frauen als<br />
gleichwertige Menschen anzusehen, die Anwendung der allgeme<strong>in</strong>en<br />
Menschenrechte als selbstverständlich auf für die Kategorie Frauen anzusehen <strong>und</strong><br />
es als Verpflichtung von <strong>Gesellschaften</strong> zu sehen, für Frauenrechte zu sorgen.<br />
Es ist auch <strong>in</strong> den europäischen Ländern noch nicht allzu lange her, dass Frauen<br />
selbstverständliche Bürgerrechte wie das Wahlrecht, das Recht auf eigene<br />
Erwerbstätigkeit oder Freizügigkeit <strong>in</strong> f<strong>in</strong>anziellen Fragen nicht zugestanden<br />
wurden. In Ländern wie vielen islamisch geprägten Afrikas <strong>und</strong> des Nahen Ostens<br />
kämpfen Frauen um ihre Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> ihr Leben – e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>fordern von<br />
Menschenrechten oder bürgerlichen Freiheiten wird gar als absurd betrachtet (s.<br />
Afghanistan).<br />
Judith Lorber (deutsch: 1999 11 ) formuliert: „die großen Revolutionen der Modern <strong>in</strong><br />
Frankreich, Rußland <strong>und</strong> Ch<strong>in</strong>a haben die Klassenverhältnisse der Männer<br />
verändert <strong>und</strong> die Macht im Staat <strong>in</strong> die Hände von e<strong>in</strong>stmals unterdrückten<br />
Männern gelegt. Für die Frauen dieser neuen herrschenden Klassen, die diese<br />
Revolutionen aktiv mitgemacht hatten, endeten sie mit ihrer politischen<br />
Unterdrückung durch die Männer.“ (S. 355)<br />
Gleichheit <strong>und</strong> Emanzipation der Menschen<br />
Was bedeutet es, wenn wir davon reden, dass Frauen im sozialen Leben <strong>und</strong> im<br />
Erwerbsleben gleichgestellt werden sollen? Nicht etwa, wie polemisch unterstellt<br />
werden kann, dass weibliche Individuen nicht entsprechend ihren Fähigkeiten <strong>und</strong><br />
Neigungen, ihren Unterschieden <strong>und</strong> ihren <strong>in</strong>dividuellen Bedürfnissen behandelt<br />
werden sollten, sondern fortan nach „männlichen“ Anforderungen zu behandeln<br />
seien. Dies wäre nur die Umkehrung e<strong>in</strong>er stereotypen <strong>und</strong> nicht-<strong>in</strong>dividuellen<br />
Behandlung im Geme<strong>in</strong>wesen, das dem Primat der sensiblen Verfolgung von<br />
Menschenrechten ebenso wenig entsprechen würde wie die Frauendiskrim<strong>in</strong>ierung.<br />
Stattdessen kann die alte Forderung nach e<strong>in</strong>er „Emanzipation“, e<strong>in</strong>er Befreiung<br />
von Denk- <strong>und</strong> Handlungszwängen, erhoben werden. Diese beschrieb Charles<br />
Fourier, der 1837 der Schöpfer des Wortes „Fem<strong>in</strong>ismus“ war, mit dem Spruch: Der<br />
Grad der weiblichen Emanzipation ist das natürliche Maß der allgeme<strong>in</strong>en<br />
Emanzipation.<br />
In dem Maße, <strong>in</strong> dem Frauen sensibilisiert, ermutigt <strong>und</strong> aktiviert s<strong>in</strong>d, ihr Leben <strong>in</strong><br />
die eigene Hand zu nehmen <strong>und</strong> die Bed<strong>in</strong>gungen dieses Lebens mitzugestalten,<br />
wird auch die ganze Bevölkerung e<strong>in</strong>e befreite <strong>und</strong> bereichernde E<strong>in</strong>stellung<br />
erhalten. Gefordert s<strong>in</strong>d also <strong>in</strong> allen Lebensbereichen emanzipatorische<br />
Anstrengungen, die sowohl die Interaktion, das Zusammenleben, Kommunizieren,<br />
Kooperieren – also prozesshafte Aspekte – als auch gleiche Chancen durch die<br />
Gestaltung von politischen, gesellschaftlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Strukturen<br />
betreffen.<br />
11 Lorber, Judith <strong>Gender</strong> Paradoxien, Opladen: Leske <strong>und</strong> Budrich, 1999<br />
Februar 2007