Gender und Gerechtigkeit in Gesellschaften - Hochschule Darmstadt
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führen, analysieren: sie muss die soziale Konstruktion von Identität ebenso wie<br />
auch die politische <strong>und</strong> gesellschaftliche Institutionalisierung von Ungleichheit<br />
nachzeichnen, d.h. die wesentlichen Parameter sowohl im psychologischen<br />
Funktionsmuster von Menschen als auch <strong>in</strong> der Funktion von Macht- <strong>und</strong><br />
Herrschaftssicherungsapparaten aufdecken. Nach dieser Analyse – die sowohl<br />
psychologisch, wie auch soziologisch <strong>und</strong> politologisch begründet ist – muss durch<br />
Techniken der gezielten Aufweichung <strong>und</strong> Beseitigung der Ursachen für die<br />
Abweichung von der Gleichheitsnorm entgegen gearbeitet werden.<br />
Dies ist dann e<strong>in</strong> äußerst schwieriges Unterfangen, wenn man von e<strong>in</strong>em Modell<br />
ausgeht, dass das Wesen des Menschen egozentrisch, egoistisch, vom<br />
<strong>in</strong>dividualistischen Nutzenkalkül geprägt ist <strong>und</strong> eigene Vorteile <strong>und</strong> Privilegien<br />
ohne weitere Überlegung verfolgt. Dieses Modell des homo oeconomicus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
extremen Fassung wäre entweder verb<strong>und</strong>en mit e<strong>in</strong>er nutzenmaximierenden<br />
Verleugnung von Ungerechtigkeit <strong>und</strong> Unrecht, e<strong>in</strong>er strikten Selbsttäuschung <strong>und</strong><br />
Ignoranz abweichender Erfahrungen oder mit e<strong>in</strong>er macchiavellistischen H<strong>in</strong>nahme<br />
von Verstößen gegen die Gleichheitsnorm <strong>und</strong> H<strong>in</strong>tanstellung ethischer Normen.<br />
E<strong>in</strong> solches Modell würde nahe legen, dass der Kampf gegen Ungleichheit nur von<br />
den „unterprivilegierten“ Gruppen selbst durchgeführt werden könnte. Und auch<br />
dieses nur, wenn diese Gruppen <strong>in</strong> Abkehr von ihrer gesellschaftlichen Prägung e<strong>in</strong><br />
Bewusstse<strong>in</strong> sowohl ihrer Lage als auch ihrer Handlungsmöglichkeiten gew<strong>in</strong>nen<br />
könnten. E<strong>in</strong>e recht unrealistische Vision!<br />
Sowohl nach Erich Fromm (Haben oder Se<strong>in</strong>) wie auch den Erkenntnissen der<br />
Wirtschaftspsychologie haben Menschen aber <strong>in</strong> sich auch die Neigung zu<br />
solidarischen Verhalten, zu Wertschätzung übergeordneter ethischer Normen, sie<br />
s<strong>in</strong>d bereit zu teilen <strong>und</strong> abzugeben, wenn sie dafür andere Belohnungen z.B. <strong>in</strong><br />
Form von Anerkennung, Status, Zuwendung oder sozialer E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung erhalten.<br />
Daniel Kahnemann erhielt z. B. im Jahr 2002 für se<strong>in</strong>e zusammen mit Amos Tversky<br />
durchgeführten Forschungen über das Entscheidungsverhalten von Menschen den<br />
Nobelpreis (zusammen mit Vernon Smith). Die beiden Verhaltensökonomen<br />
konnten nachweisen, dass Menschen, wenn sie e<strong>in</strong>e Verteilungssituation als<br />
ungerecht empf<strong>in</strong>den, lieber auf eigene Zuweisungen verzichten, als e<strong>in</strong>em anderen<br />
e<strong>in</strong>en ungerechten Vorteil zu verschaffen. Kooperativ spielten die Spieler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Experiment nur so lange, wie sie ihren Partner für fair hielten. Nutzte er dagegen<br />
Machtmittel für sich aus, so verweigerten sich die Versuchspersonen – sogar unter<br />
eigenen Verlusten. Solche Experimente zeigten wie e<strong>in</strong>ige andere – z. B. von Ernst<br />
Fehr – dass im Menschen nicht nur e<strong>in</strong> rationaler homo oeconomicus wohnt,<br />
sondern dass er bei Entscheidungen <strong>und</strong> E<strong>in</strong>schätzungen sozialer Situationen<br />
Werte, Normen <strong>und</strong> Emotionen e<strong>in</strong>führt, die unter bestimmten Konstellationen<br />
sogar dom<strong>in</strong>ant werden können.<br />
Dieses neue Menschenbild kann also der Ausgangspunkt für e<strong>in</strong> optimistischeres<br />
politisches Programm darstellen, als der homo oeconomicus es <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Extremform nahe legt.<br />
Februar 2007