Gender und Gerechtigkeit in Gesellschaften - Hochschule Darmstadt

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12 Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sieht wie Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention in Artikel 3 ein Diskriminierungsverbot vor. Hinzugefügt wurde aber in Satz 2 eine aktive Pflicht des Staates zur Herstellung des Gebots aktiv beizutragen: Artikel 3 (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Das Grundgesetz hebt insbesondere die Verantwortung des Staates für die Einhaltung von Gleichheitsnormen heraus. Inzwischen sind aber die Machtverhältnisse durch die Entwicklung großer multi- oder transnationaler Unternehmen, die sich in einem dauernden Veränderungsprozess befinden – Unternehmensteile werden gekauft und verkauft, mergers und acquisitions sind an der Tagesordnung und ersetzen bei vielen Managern die frühere Konzentration auf die Produktion von Gütern – so verändert, dass staatliche Instanzen nur noch beschränkten Einfluss auf die Akteure in der Wirtschaft haben. Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft wirken in dieselbe Richtung. In diesem Zusammenhang wird seit vielen Jahren der Ruf laut, dass sich die Staaten zusammen schließen, um ein Ausweichen von Unternehmen vor staatlichen Normen durch Verschiebung von Unternehmensteilen in andere Länder zu verhindern. Gesetzgeberische Ansätze zur Vermeidung von Diskriminierungen sind vor allem in der Europäischen Gemeinschaft, aber auch bei den Vereinten Nationen in Gange. Eine erste vor einigen Jahren in’s Leben gerufene Initiative , das Forum „Global Compact“ 4 beinhaltet eine Selbstverpflichtung von Firmen, keine Menschenrechtsverletzungen im Sinne von Zwangs-, Pflicht- und Kinderarbeit durchzuführen und allen Beschäftigten eine gerechte, die Existenz sichernde Entlohnung zu gewähren. Dabei sollen die Normen sich nicht an den nationalen Standards, die in einem Land herrschen, sondern an den internationalen Menschenrechts-Standards messen lassen. Schon 1998 begann aber auch die Arbeit der UN-Menschenrechtskonvention an einer Konzeption, die diese Normen gesetzmäßig absichern sollte. Eine unabhängige Expertengruppe , an der auch Firmen beteiligt waren, erhielt den Auftrag, verbindliche Normen zur Verantwortung von Unternehmen, sowie Möglichkeiten der Überwachung und 4 Uno-Generalsekretär Kofi Annan schlug 1999 dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor, einen „globalen Pakt“ zwischen Unternehmen, Lobby-Gruppen, Regierungen und UNO zu schließen, der für Einhaltung der Menschenrechte in der Wirtschaft sorgen sollte. Dieser Pakt wurde dann im Jahre 2000 in New York als „global compact“ geschlossen. Februar 2007

13 Sanktionierung im Falle von Verstößen zu formulieren. Der vorgelegte Entwurf soll nun im August 2003 von der UNO-Unterkommission zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte verabschiedet werden. Die Normen tragen der Tatsache Rechnung, dass die Globalisierung fortschreitet und die „global players“ auch immer stärker über den eigenen Staat hinaus tätig sind und Einfluss haben. Die Normen sollen deshalb für Unternehmen aus den verschiedensten Branchen und verschiedenster Größe Geltung erhalten. In bezug auf Diskriminierung sieht der Entwurf beispielsweise vor, dass gleiche Chancen und Behandlung aller Gruppen – unabhängig von Rasse, Farbe, Geschlecht, Religion, politischer Haltung, Nationalität, sozialer Herkunft, Status, Behinderung, Alter, oder anderer Status- Faktoren, die in keiner Verbindung zur Fähigkeit des Individuums stehen, seine Arbeit durchzuführen. 5 David Weissbrodt, Juraprofessor an der University von Minnesota und Mitglied der Expertengruppe erläuterte in einem Interview mit Amnesty International 6 , dass Entschädigungen vorgesehen sind, die eine Firma zahlen muss, wenn sie verantwortungslos mit der Umwelt umgeht, oder Menschenrechte verletzt. Genau dies ruft aber nun die Wirtschaft auf den Plan. Es gibt enorme Widerstände der Unternehmen, die auf ihre Selbstverpflichtung und Selbstkontrolle pochen. Die Internationale Handelskammer lehnt eine Haftung von Firmen bei Menschenrechtsverletzungen vehement ab. Eine Überregulierung wird als schädlich angesehen, würde sie doch potentiell auch manchen „Standortvorteil“ betreffen, der z. B. in der letzten Zeit bei der Firma Nike in die Öffentlichkeit gebracht wurde. Diese beschäftigt vor allem in Indonesien vor allem Frauen zu Niedrigstlöhnen und bei schlechten Arbeitsbedingungen. Arbeitsstandards und Arbeitnehmerrechte, wie sie der neue UN-Entwurf vorsieht, würde nach Ansicht solcher Firmen eine Kostenexplosion mit sich bringen. Bisher mussten Unternehmen, die dem freiwilligen Pakt beitreten wollten, nur eine schriftliche Absichtserklärung einreichen und ihre Bemühungen im Geschäftsbericht dokumentieren. Dafür können sie sich mit dem publikumswirksamen Uno-Logo schmücken. Inzwischen sind über 650 Unternehmen dem Pakt beigetreten, ein Viertel davon gehört zu den größten Unternehmen der Welt. Nun ist die strategische Frage entbrannt, ob durch Zwangsmaßnahmen nicht die sanfte, auf Bewusstseinsveränderung setzende Strategie des Global compact ausgehebelt würde. Das bisher gebildete „Vertrauen“, so die Kassandra-Rufe, könnten durch eine Zwangsmaßnahme vernichtet werden. 7 5 Draft Commentary on the Norms of Responsibility of transnational corporations and other business enterprises with regard to human Rights. U.N.Document E/CN.4/Sub.2/2003/XX, E/CN.4/Sub.2/2003/WG.2/WP.1 (for discussion in July/August 2003) Internet: www1.umn.edu/humanrts/links/businessresponsibilitycomm-2002.html 6 ai-journal Mai 2003. Internet: www2.amnesty.de/internet/ai-theme.nsf 7 Güssgen, Florian Vertrauen ist besser – Die UNO-Menschenrechtskommission will per Gesetz die Wirtschaft disziplinieren. Der Ansatz ist verfehlt – und beschädigt ein anderes, erfolgreiches UNO- Konzept. Financial Times Deutschland, 19. August 2003, S. 27 Februar 2007

12<br />

Das Gr<strong>und</strong>gesetz der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland sieht wie Artikel 14 der<br />

Europäischen Menschenrechtskonvention <strong>in</strong> Artikel 3 e<strong>in</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbot<br />

vor. H<strong>in</strong>zugefügt wurde aber <strong>in</strong> Satz 2 e<strong>in</strong>e aktive Pflicht des Staates zur<br />

Herstellung des Gebots aktiv beizutragen:<br />

Artikel 3<br />

(1) Alle Menschen s<strong>in</strong>d vor dem Gesetz gleich.<br />

(2) Männer <strong>und</strong> Frauen s<strong>in</strong>d gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche<br />

Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen <strong>und</strong> Männern <strong>und</strong> wirkt auf die<br />

Beseitigung bestehender Nachteile h<strong>in</strong>.<br />

(3) Niemand darf wegen se<strong>in</strong>es Geschlechtes, se<strong>in</strong>er Abstammung, se<strong>in</strong>er Rasse,<br />

se<strong>in</strong>er Sprache, se<strong>in</strong>er Heimat <strong>und</strong> Herkunft, se<strong>in</strong>es Glaubens, se<strong>in</strong>er religiösen<br />

oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf<br />

wegen se<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung benachteiligt werden.<br />

Das Gr<strong>und</strong>gesetz hebt <strong>in</strong>sbesondere die Verantwortung des Staates für die<br />

E<strong>in</strong>haltung von Gleichheitsnormen heraus. Inzwischen s<strong>in</strong>d aber die<br />

Machtverhältnisse durch die Entwicklung großer multi- oder transnationaler<br />

Unternehmen, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dauernden Veränderungsprozess bef<strong>in</strong>den –<br />

Unternehmensteile werden gekauft <strong>und</strong> verkauft, mergers <strong>und</strong> acquisitions s<strong>in</strong>d an<br />

der Tagesordnung <strong>und</strong> ersetzen bei vielen Managern die frühere Konzentration auf<br />

die Produktion von Gütern – so verändert, dass staatliche Instanzen nur noch<br />

beschränkten E<strong>in</strong>fluss auf die Akteure <strong>in</strong> der Wirtschaft haben. Verflechtungen<br />

zwischen Politik <strong>und</strong> Wirtschaft wirken <strong>in</strong> dieselbe Richtung.<br />

In diesem Zusammenhang wird seit vielen Jahren der Ruf laut, dass sich die<br />

Staaten zusammen schließen, um e<strong>in</strong> Ausweichen von Unternehmen vor staatlichen<br />

Normen durch Verschiebung von Unternehmensteilen <strong>in</strong> andere Länder zu<br />

verh<strong>in</strong>dern.<br />

Gesetzgeberische Ansätze zur Vermeidung von Diskrim<strong>in</strong>ierungen s<strong>in</strong>d vor allem <strong>in</strong><br />

der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaft, aber auch bei den Vere<strong>in</strong>ten Nationen <strong>in</strong> Gange.<br />

E<strong>in</strong>e erste vor e<strong>in</strong>igen Jahren <strong>in</strong>’s Leben gerufene Initiative , das Forum „Global<br />

Compact“ 4 be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e Selbstverpflichtung von Firmen, ke<strong>in</strong>e<br />

Menschenrechtsverletzungen im S<strong>in</strong>ne von Zwangs-, Pflicht- <strong>und</strong> K<strong>in</strong>derarbeit<br />

durchzuführen <strong>und</strong> allen Beschäftigten e<strong>in</strong>e gerechte, die Existenz sichernde<br />

Entlohnung zu gewähren. Dabei sollen die Normen sich nicht an den nationalen<br />

Standards, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land herrschen, sondern an den <strong>in</strong>ternationalen<br />

Menschenrechts-Standards messen lassen. Schon 1998 begann aber auch die<br />

Arbeit der UN-Menschenrechtskonvention an e<strong>in</strong>er Konzeption, die diese Normen<br />

gesetzmäßig absichern sollte. E<strong>in</strong>e unabhängige Expertengruppe , an der auch<br />

Firmen beteiligt waren, erhielt den Auftrag, verb<strong>in</strong>dliche Normen zur<br />

Verantwortung von Unternehmen, sowie Möglichkeiten der Überwachung <strong>und</strong><br />

4 Uno-Generalsekretär Kofi Annan schlug 1999 dem Weltwirtschaftsforum <strong>in</strong> Davos vor, e<strong>in</strong>en<br />

„globalen Pakt“ zwischen Unternehmen, Lobby-Gruppen, Regierungen <strong>und</strong> UNO zu schließen, der für<br />

E<strong>in</strong>haltung der Menschenrechte <strong>in</strong> der Wirtschaft sorgen sollte. Dieser Pakt wurde dann im Jahre<br />

2000 <strong>in</strong> New York als „global compact“ geschlossen.<br />

Februar 2007

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