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Analyse des kognitiven Aktivierungspotenzials von Aufgaben

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<strong>Analyse</strong> <strong>des</strong> <strong>kognitiven</strong> <strong>Aktivierungspotenzials</strong> <strong>von</strong> <strong>Aufgaben</strong><br />

Beispielaufgabe 1 aus dem Fach Mathematik<br />

Schraffiere die angegebenen Bruchteile<br />

1/2 5/8<br />

Lebensweltbezug: Ein Lebensweltbezug ist nicht zu erkennen.<br />

Wissensart: Diese <strong>Aufgaben</strong>stellung verlangt mathematisches Wissen auf der konzeptuellen<br />

Ebene. Schüler müssen zeigen, inwiefern sie das Konzept „Brüche“ verstanden haben.<br />

Anzahl der Wissenseinheiten: Für die Bearbeitung der Aufgabe ist die Aktivierung einer<br />

Wissenseinheit erforderlich. Während die erste Aufgabe eventuell noch mit<br />

vormathematischem Alltagswissen zu lösen ist (Schüler kennen das Zeichen für 1/2 und<br />

können ein Dreieck in der Mitte halbieren), benötigt der Schüler für die zweite Aufgabe den<br />

Bruchzahlbegriff, Er muss das Quadrat hierfür zuerst in acht gleich große Flächen teilen und<br />

anschließend fünf dieser Flächen schraffieren.<br />

Kognitive Prozesse: Bezüglich der mit dieser Aufgabe verbundenen <strong>kognitiven</strong> Prozesse<br />

gehen wir <strong>von</strong> einer nahen Transferleistung aus. <strong>Aufgaben</strong> dieser Art werden in der Regel zur<br />

Erläuterung <strong>des</strong> Bruchzahlbegriffs im Mathematikunterricht eingesetzt und sind Schülern<br />

nicht unbekannt. Sie müssen lediglich die gegebene Bruchzahl auf die vorgelegte Figur<br />

übertragen. Figur und Bruchzahl variieren bei diesen <strong>Aufgaben</strong>.<br />

Offenheit: Die Form der Aufgabe ist definiert und divergent. Zumin<strong>des</strong>t das Quadrat kann<br />

auf unterschiedliche Weise in acht gleiche Teile gegliedert werden. Auch die Auswahl der<br />

fünf zu schraffierenden Flächen lässt verschiedene Möglichkeiten offen.<br />

Sprachlogische Komplexität: Die Anweisung besteht aus einem sehr kurzen und einfachen<br />

Satz, der sich direkt auf die Zeichnung bezieht. Damit ist die sprachlogische Komplexität<br />

niedrig.<br />

Repräsentationsformen: Die Aufgabe erfordert die Integration <strong>von</strong> symbolischer und<br />

bildlicher Darstellung <strong>von</strong> Brüchen.<br />

Beispielaufgabe 2 aus dem Fach Mathematik<br />

13,45-134,5 + 122 =<br />

Wissensart: Für die Lösung dieser Aufgabe muss arithmetisches Regel zur Anwendung<br />

kommen.<br />

Anzahl der Wissenseinheiten: Dieses Regel lässt sich in verschiedene, <strong>von</strong>einander<br />

unabhängige Wissenseinheiten untergliedern: Rechenvorschriften (welche Teilaufgabe darf


man zuerst rechnen), schriftliches Addieren, schriftliches Subtrahieren, der Umgang mit<br />

Dezimal- zahlen oder das Beherrschen geeigneter Kopfrechenstrategien als Alternative zu den<br />

schriftlichen Grundrechenalgorithmen. Ebenso kann Wissen über geschicktes Vorgehen beim<br />

Kombinieren der Grundrechenarten <strong>von</strong> Vorteil sein (evtl. zuerst 122 + 13,45 rechnen und<br />

dann 134,5 abziehen). Aufgrund der Aktivierung verschiedener Wissenseinheiten ist diese<br />

Aufgabe für Schüler komplex und anspruchsvoll.<br />

Kognitive Prozesse: Die Aufgabe erfordert jedoch nur einen nahen Transfer. Es ist recht klar.<br />

welche Prozeduren zur Anwendung kommen müssen (schriftliches Addieren und<br />

Subtrahieren oder entsprechen<strong>des</strong> Kopfrechnen).<br />

Offenheit: Es handelt sich um eine klar definierte, konvergente Aufgabe mit einer korrekten<br />

Lösung.<br />

Lebensweltbezug: Ein Lebensweltbezug ist nicht erkennbar.<br />

Sprachlogische Komplexität: Die sprachlogische Komplexität ist niedrig, weil kein<br />

<strong>Aufgaben</strong>text vorhanden ist. Die mathematische Symbolik ist für Schüler eindeutig.<br />

Repräsentationsformen: Die Aufgabe erfordert weder eine Integration noch eine<br />

Transformation verschiedener Repräsentationsformen. Sie bewegt sich vollständig innerhalb<br />

der arithmetischen Symbolik.<br />

Beispielaufgabe 3 aus dem Fach Deutsch:<br />

Bilde jeweils Satzreihen. Verwende verschiedene, geeignete Bindewörter. Der Hund bellt im<br />

Garten. Ein Fremder läuft schnell vorbei.<br />

Wissensart: Die Schüler müssen aus einer Satzreihe ein sinnvolles Satzgefüge bilden, d.h. es<br />

handelt sich um eine Sprachproduktion und somit prozedurales Wissen, das vermutlich nur<br />

implizit vorhanden ist. Schüler können die korrekte Satzreihe bilden ohne die entsprechenden<br />

grammatikalischen Regeln zu benennen, sollten allerdings die Unterscheidung Satzreihe vs.<br />

Satzgefüge kennen, d.h. erstere ohne, die zweite mit Verbumstellung.<br />

Anzahl der Wissenseinheften: Obwohl zwei verschiedene Begriffe (Satzreihe, Bindewort) in<br />

der <strong>Aufgaben</strong>stellung vorkommen, handelt es sich nicht um zwei eigenständige<br />

Wissenseinheiten (Konzepte), die zur Anwendung kommen. Vielmehr handelt es sich um<br />

Hinweise auf prozedurales Wissen: eine korrekte Satzreihe mit einem passenden Bindewort<br />

bilden, Die beiden Begriffe sind in diesem Zusammenhang Signalwörter.<br />

Kognitive Prozesse: Das Bilden <strong>von</strong> Satzreihen aus einfachen Hauptsätzen wird in der Regel<br />

im Unterricht geübt und somit liegt ein naher Transfer vor. Die <strong>Aufgaben</strong>formulierung enthält<br />

eine eindeutige Handlungsanweisung, die sich auf bekannte Prozeduren und terminologisches<br />

Wissen (Satzreihe, Satzgefüge, Bindewort, Hauptsatz, Nebensatz) bezieht.<br />

Offenheit: Die Aufgabe ist klar definiert und divergent, weil sich verschiedene Bindewörter<br />

eignen.<br />

Lebensweltbezug: Die Aufgabe hat keinen Lebensweltbezug. Schülern wird nicht klar<br />

gemacht, welchen Nutzen das Erstellen <strong>von</strong> Satzreihen hat.


Sprachlogische Komplexität: Die sprachlogische Komplexität der Aufgabe ist gering. Die<br />

Anweisung besteht aus sehr kurzen, einfachen Sätzen und entspricht in ihrer Abfolge der<br />

<strong>Aufgaben</strong>bearbeitung.<br />

Repräsentationsformen: Eine Integration oder Transformation verschiedener<br />

Wissensrepräsentationsformen ist nicht erforderlich. Die Aufgabe verbleibt in der<br />

Repräsentationsform ‚geschriebene Sprache“.<br />

Beispielaufgabe 4 aus Materie-Natur-Technik:<br />

Patronen, die Kohlenstoffdioxid enthalten, werden oft einfach Kohlesäurepatronen“ genannt.<br />

Warum ist das ungenau?<br />

Wissensart: Uni diese Aufgabe richtig lösen zu können, müssen die Schüler den Unterschied<br />

zwischen Kohlenstoffdioxid und Kohlensäure verstanden haben. Es handelt es sich um<br />

Bezeichnungen (Termini) zweier chemischer Stoffe, die in einem inneren Zusammenhang<br />

stehen und somit konzeptuelles Wissen darstellen.<br />

Anzahl der Wissenseinheiten: Für die Lösung der Aufgabe muss ein fachspezifisches<br />

Konzept aktiviert werden, nämlich die Reaktion <strong>von</strong> Kohlenstoffdioxid mit Wasser zu<br />

Kohlensäure.<br />

Kognitive Prozesse: Schüler kennen eventuell die zur Herstellung <strong>von</strong> kohlesäurehaltigem<br />

Wasser in Haushalten verwendeten CO2.-Protonen. Somit müssen die Schüler konzeptuelles<br />

Wissen auf eine neue Situation anwenden (angenommen, dass dieses Problem nicht so schon<br />

im Unterricht besprochen wurde), d.h. es ist ein weiter Transfer <strong>des</strong> Wissens erforderlich.<br />

0ffenheir: Die <strong>Aufgaben</strong>stellung ist klar definiert und eine richtige Lösung wird erwartet<br />

(konvergent).<br />

Lebensweltbezug: Der Lebensweltbezug ist konstruiert, wirkt aber durchaus authentisch,<br />

weil viele Schüler Kohlensäurepatronen aus ihrem Alltag kennen. Der Lebensweltbezug ist<br />

allerdings konstruiert, weil die chemisch falsche Bezeichnung der CO2-Patronen wohl kaum<br />

für Schüler ein relevantes Problem darstellt. Innerhalb dieser <strong>Aufgaben</strong>stellung trägt der<br />

Lebensweltbezug allerdings deutlich zu einer Steigerung der Komplexität bei, weil damit eine<br />

anspruchsvolle Transferleistung erforderlich ist.<br />

Sprachlogische Komplexität: Die sprachlogische Komplexität ist niedrig. Die Aufgabe wird<br />

kurz und präzise formuliert, und es werden keine konkurrierenden oder irrelevanten<br />

Informationen gegeben.<br />

Repräsentationsformen: Eine Integration oder Transformation verschiedener<br />

Repräsentationsformen ist nicht erforderlich.<br />

aus: Kiper u.a. (Hrsg.): Lernaufgaben, Lernmaterialien und Lernmaterialien im<br />

kompetenzorientierten Unterricht. Stuttgart: Kohlhammer 2010, 38-40


Überprüfung <strong>des</strong> Verstandenhabens<br />

Die bekannteste Art der Überprüfung <strong>des</strong> Verstandenhabens ist die implizite Lernaufgabe mit<br />

der Frage: „Haben Sie verstanden?“ Mit ihr wird nicht weniger erwartet als die mentale<br />

Überprüfung der Kohärenz einer eben gerade aufgebauten Bedeutungsstruktur. Von<br />

Katalysatorwirkung kann bei dieser Frage keine Rede sein. Im Gegenteil: Sie weckt<br />

Abwehrreflexe gegenüber einer Selbstreflexion über das Lernen. Im Folgenden finden sich<br />

einige <strong>Aufgaben</strong>stellungen, die sich zur Überprüfung <strong>des</strong> Verstandenhabens weit besser<br />

eignen. Sie sind inhaltsfrei formuliert und aktivieren das strukturell bedingte, weitgehend<br />

implizite Wissen und Verständnis. Die folgenden Lernaufgaben haben katalytische Kraft,<br />

wobei verschiedene kognitiv-lernpsychologische Akzente gesetzt werden.<br />

Verstanden haben heißt:<br />

a) einen Sachverhalt (z.B. einen Begriff) erklären ? semantisches Netzwerk rekonstruieren,<br />

„mental abschreiten“ und vor allem in eigene Worte fassen kommt nahe an das<br />

„Verfertigen der Gedanken durch Reden“ (Kleist) heran;<br />

b) komplexe Inhalte sinnvoll in wichtige Teilthemen oder Unterbegriffe zerlegen ?<br />

semantisches Netzwerk nach Ganzheiten absuchen, ursprüngliche Verdichtungen aus dem<br />

Aufbau herauslösen und wieder entfalten, d.h. rekonstruieren (Umkehrprozess zum<br />

Verdichten);<br />

c) komplexe Problemlösungen in Lösungsschritte unterteilen können ?<br />

Operationsstrukturen rekonstruieren und aufteilen;<br />

d) einen Sachverhalt bildhaft darstellen (in einer Skizze, Zeichnung oder Diagramm) ? eine<br />

semantische Struktur in eine ikonische Struktur transformieren;<br />

e) bildhafte Darstellungen (Skizzen, Diagramme usw.) in Worte fassen und interpretieren ?<br />

eine semantische Struktur aus einer ikonischen in eine symbolische Repräsentation<br />

transformieren;<br />

f) Beispiele aus dem eigenen Alltag geben ? erweiterte Elaborationen mit dem vorhandenen<br />

Weltwissen vornehmen;<br />

g) Zusammenhänge zu anderen Begriffen oder Themen herstellen ? semantisches Netzwerk<br />

„weiträumig“ rekonstruieren und kategoriale Beurteilungen <strong>von</strong> Zusammenhängen<br />

(Relationen) vornehmen;<br />

h) Erkenntnisse in einen neuen Kontext einbetten ? die neue Struktur dekontextualisieren<br />

und dadurch für einen Transfer vorbereiten.<br />

Bei (a), (b) und (c) geht es um einen Umgang mit dem verfügbaren semantischen Netzwerk.<br />

(d) und (e) verlangen eine Transformation einer Wissensstruktur <strong>von</strong> einem Modus in einen<br />

andern (im Sinne <strong>von</strong> Bruner 1968). (f), (g) und (h) sind die anspruchsvollsten Varianten; (f)<br />

und (g) erfordern ein Abschreiten <strong>des</strong> erweiterten semantischen Netzwerks und (h) eine<br />

Fokussierung auf weitere Elemente außerhalb <strong>des</strong> bisherigen Kontexts.<br />

nach: Kiper u.a. (Hrsg.): Lernaufgaben, Lernmaterialien und Lernmaterialien im<br />

kompetenzorientierten Unterricht. Stuttgart: Kohlhammer 2010, S. 79


Bestimmung der semantischen Reichweite<br />

Im nächsten Schritt erfolgt die Zuordnung der semantischen Reichweite der zu entwickelnden<br />

Lernaufgaben. Das Maß der semantischen Reichweite ist abgeleitet aus der Forschung zum<br />

Textverstehen (vgl. Kintsch 1998; 2005). Die semantische Reichweite beschreibt, ob sich die<br />

Lernaufgaben auf direkt im Lernmaterial enthaltene Informationen beziehen oder darüber<br />

hinausgehen. Zur Feststellung der semantischen Reichweite werden die festgelegten<br />

Lernergebnisse und die ihnen zugeordneten Lernaktivitäten mit dem Lernmaterial<br />

abgeglichen, das den Lernenden zur Verfügung gestellt wird. Entsprechend der semantischen<br />

Reichweite, also der Distanz zwischen Lernmaterial und den angestrebten Zielen, werden<br />

verschiedene Lernaufgabentypen vorgeschlagen,<br />

Bei geringer semantischer Reichweite werden Lernaufgaben vorgeschlagen, die direkt auf<br />

dem Lernmaterial basieren. Diese Lernaufgaben können auf die Erfassung der übergreifenden<br />

Sinnstruktur <strong>des</strong> Materials zielen. Sie können weiter spezifiziert werden und einzelne<br />

Sinnzusammenhänge erfassen, wie z. B. bestimmte Inhalte, Ziele, Gründe oder im Material<br />

beschriebene Abläufe. Drittens können sie sich auch auf grundlegende Informationen aus dem<br />

Lernmaterial beziehen und z.B. in Form <strong>von</strong> W-Fragen realisiert werden (Wer? Was? Wann?<br />

usw.). Die Gruppe der Lernaufgaben geringer semantischer Reichweite ist selbst also gestuft<br />

und bietet dadurch z.B. die Möglichkeit der inneren Differenzierung oder der Anpassung der<br />

Lernaufgaben an die gegebene Lernsituation, z.B. Anfang oder Ende einer Lehreinheit.<br />

Lernaufgaben höherer semantischer Reichweite beziehen sich nicht direkt auf im<br />

Lernmaterial enthaltene Information, sondern gehen darüber hinaus. Sie fordern zur<br />

Inferenzbildung auf und zielen damit auf die Entwicklung einer adäquaten mentalen<br />

Repräsentation <strong>des</strong> Lernmaterials. Lernaufgaben dieses Typs zielen auf die Integration <strong>von</strong><br />

Informationen in das eigene Vorwissen oder auf Erklärung, Vorhersage oder Spekulation über<br />

im Material enthaltene Informationen. Die Angabe der semantischen Reichweite der<br />

Lernaufgaben ermöglicht die direkte Ableitung <strong>von</strong> Lernaufgaben und bildet damit den<br />

Abschluss der konzeptionellen Vorarbeiten in SEGLER.<br />

nach: Kiper u.a. (Hrsg.): Lernaufgaben, Lernmaterialien und Lernmaterialien im<br />

kompetenzorientierten Unterricht. Stuttgart: Kohlhammer 2010, S. 22


Leitprinzipien der Gestaltung <strong>von</strong> Lernaufgaben<br />

Vorrangig zielt die Konzeption <strong>von</strong> Lernaufgaben und ihrer Bestandteile auf die<br />

Selbsterschließung <strong>von</strong> neuem Wissen und Können. Betrachtet man diesen Lernprozess, so<br />

fällt zunächst die Maximierung der Lerneraktivitäten ins Auge. Besonders wichtig ist die<br />

qualitative Ausrichtung der Lerneraktivitäten, Statt unse ständig-reproduktives Tun im Sinne<br />

eines „angeleiteten Tätigseins“ (Gudjons) 2001) gilt es, mit Hilfe selbständig-produktiver<br />

Aneignungsaktivitäten die häufig bei lernenden zu beobachtbare „defensivbewältigungsorientierte“<br />

in eine „expansiv-sachorientierte Lernhaltung“ (Holzkamp 1993;<br />

2004) zu verwandeln. Um diesen Lernkulturwandel zu unterstützen, hat es sich als nützlich<br />

erwiesen, die Gestaltung <strong>von</strong> Lernaufgaben an folgenden Prinzipien zu orientieren:<br />

Das Prinzip der Situierung knüpft an das „Situierte Kognitionsmodell“ (vgl.:<br />

„Situated Cognition“, Lave & Wenger 1991) an und meint die Integration <strong>von</strong> neuem Wissen<br />

und neuen Fähigkeiten in einen für die Lernenden vorstellbaren Verwendungskontext.<br />

Umgesetzt wird die Situierung durch eine situations- und aufgabenbezogen Modellierung <strong>von</strong><br />

Wissen und Können in Form eines Szenarios und der daraus resultierenden <strong>Aufgaben</strong> sowie<br />

einer Einstiegsanweisung, die eine solche Situation materiell nachbildet.<br />

Angestoßen wird das Prinzip der sachlichen Einbindung durch die Übergabe <strong>des</strong> in der<br />

Lernaufgahe enthaltenen Auftrags und der Ergebnisverantwortung an die Lernenden. Der<br />

Zwang, liefern zu müssen, verstärkt bei den Lernenden nicht nur den Anstoß, ihre spezifische<br />

(Berufs-)Rolle als Bearbeiter einer Verwendungssituation der Lebens- und Berufpraxis zu<br />

antizipieren und sich mit ihr zu identifizieren. Damit leisten verschiedene<br />

Anforderungsfacetten der Situation und Aufgabe gleichzeitig eine „Sinnstiftung“ (Blankertz<br />

1983, 139), denn das zur <strong>Aufgaben</strong>bearbeitung notwendigerweise neu zu erschließende<br />

Wissen erhält für die Lernenden dadurch eine Sinn- und Bedeutungsstruktur, die sich in den<br />

dabei neu entwickelten subjektiven Handlungspotentialen der Lernenden didaktisch<br />

„spiegelt“. Dazu sollte bereits das Szenario nicht nur thementypisch, sondern auch als<br />

verlockende Herausforderung formuliert werden, die aus der Sicht der Lernenden eine<br />

Aussicht auf Erfolgserlebnisse bietet, die eine Sogwirkung auf das Erschließen neuen Wissens<br />

und das Weiterentwickeln <strong>von</strong> Kompetenzen ausübt.<br />

Das Prinzip der sozialen Einbindung ergänzt die kognitiv-sachorientierte Dimension der<br />

arrangierten Lernsituation um eine emotional-soziale Dimension. Es knüpft an das Bedürfnis<br />

der Lernenden nach „sozialer Eingebundenheit“ (als eine der drei Komponenten der<br />

Selbstbestimmungstheorie der Motivation; Deci & Ryan 1993) an und bedient sich <strong>des</strong><br />

Wirkungsmechanismus, der aus dem Grundbedürfnis der Menschen nach sozialen Kontakten,<br />

Anerkennung und Wertschätzung resultiert. Da sowohl die Bereitschaft, sich in eine Gruppe<br />

„einzubringen“ sowie die vom einzelnen Gruppenmitglied zur Erreichung der gemeinsamen<br />

Ziele geleisteten individuellen Beiträge (auf der Sach- und der Prozessebene) über Akzeptanz<br />

und Wertschätzung in der Gruppe entscheiden, liefert das t7bertragen der<br />

Ergebnisverantwortung für die Bearbeitung einer Lernaufgabe an eine Lerngruppe dem<br />

Lernenden den entscheidenden Anstoß, sich zu integrieren, mitzuarbeiten und dabei die<br />

Verantwortung für die Arbeitsergebnisse mit zu übernehmen<br />

Mit dem Gestaltungsprinzip der Produktisierung soll bei der Konstruktion <strong>von</strong> Lernaufgaben<br />

verhindert werden, dass die im Lernprozess gewonnenen Erkenntnisse und entwickelten<br />

Kompetenzen direkt danach wieder verloren gehen. Lernaufgaben sollen nämlich neues<br />

Wissen und Können nicht nur erschließen und aufbauen, sondern durch das Herstellen<br />

materialer Produkte auch als Konsolidierungs-Medium der Lernfortschrittsbilanzierung


dienen. In einer „Zwei-Perspektiven-Matrix“ werden dazu die neu zu erschließenden<br />

Könnens- mit den dazu vorauszusetzenden handlungsregulierenden Wissenselementen<br />

didaktisch verknüpft und in sinnlich wahrnehmbare Zwischen- und Endprodukte<br />

transformiert. Produkte materialisieren und dokumentieren die Lernergebnisse auf dreierlei<br />

Weise;<br />

– als Beschreibungsprodukte, die deklaratives Was-Wissen sammeln, ordnen und darstellen<br />

(Listen, Schaubilder, Prozess-Diagramme);<br />

– als Erklärungsprodukte, die konditionales Warum-Wissen und <strong>des</strong>sen<br />

Wirkungsmechanismen sichtbar machen (Ursache-Wirkungs-Darstellungen, Fehler-<br />

Ursachen-Tabelle, Fluss-Diagramme);<br />

– als Gestaltungsprodukte, die prozessuales Wie-Wissen visualisieren<br />

(Entscheidungstabelle, Arbeitsablau4iilan, Liste mit Bearbeitungsregeln.)<br />

Für die „inneren“ und durch individuelle kognitiv-emotionale Plastizität gekennzeichneten<br />

parallelen Lernprozesse bilden die mit jeder einzelnen Erschließungsanweisung schrittweise<br />

entstehenden Zwischen- oder Endprodukte dann eine Art „äußere“ und materiale »Rankhilfe“.<br />

Die oft <strong>von</strong> Unsicherheit geprägten Such- und Erschließungsbewegungen der Lernenden<br />

können auf diese Weise flankiert und stabilisiert und die Lernfortschritte auf den<br />

unterschiedlichen Erschließungspfaden sichtbar werden.<br />

In umfänglicheren und <strong>des</strong>halb lang andauernden Lernprozessen, in denen komplexe<br />

Kompetenzen entwickelt werden sollen (wie z.B. Lernfelder im schulischen Unterricht),<br />

werden diese Kompetenzen meist in Teil-Kompetenzen zerlegt und f ihre schrittweise<br />

Entwicklung auf eine Abfolge <strong>von</strong> mehreren Lernaufgaben aufgeteilt. Beim Prinzip der<br />

Selbstwirksamkeit gilt es für einen auf die Entwicklung der Kompetenzen bezogenen<br />

systematischen Wissensaufbau sicherzustellen, dass alle wesentlichen Wissenselemente<br />

berücksichtigt werden. Konkret: Diese müssen als Lerninhalte zum Gegenstand der<br />

Aufmerksamkeit der gedanklichen Auseinandersetzung und <strong>von</strong> solchen<br />

Aneignungsaktivitäten werden, welche eine logische Umstrukturierung dieser<br />

Wissenselemente vollziehen. Eine mögliche Lösung für die didaktische Verknüpfung bietet<br />

sich an, wenn man die zu entwickelnden Kompetenzen nach dem Muster der „logischen<br />

Buchführung“ (Maturana & Varela 1997, 148) ordnet. Danach kann man die „Gegenstände“<br />

eines Lernprozesses danach unterscheiden, ob diese aus der Akteurssicht, also aus der<br />

Perspektive eines Handelnden oder aus der Theoriesicht, d.h. aus der Perspektive eines<br />

Beobachters „gewonnen“ werden.<br />

nach: Kiper u.a. (Hrsg.): Lernaufgaben, Lernmaterialien und Lernmaterialien im<br />

kompetenzorientierten Unterricht. Stuttgart: Kohlhammer 2010, S. 92-95

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