30.08.2014 Aufrufe

Studienseminar Koblenz - Studienseminar für das Lehramt an ...

Studienseminar Koblenz - Studienseminar für das Lehramt an ...

Studienseminar Koblenz - Studienseminar für das Lehramt an ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Allgemeines Seminar<br />

<strong>Studienseminar</strong> <strong>Koblenz</strong><br />

Modul 17<br />

Klassische Formen der Leistungsmessung und<br />

Leistungsbeurteilung in der Schule<br />

In einer Anhörung im L<strong>an</strong>dtag von Baden-Württemberg äußerte sich der Lernforscher F.E. Weinert<br />

folgendermaßen: Leistung als objektive Herausforderung und subjektive Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit<br />

Gütest<strong>an</strong>dards ist „für Menschen etwas völlig Selbstverständliches, Natürliches; mehr noch: ein<br />

Bedürfnis“. Weinerts zentrale These zur Schul-Leistung lautet entsprechend: „Leistungen und<br />

Leistungsbeurteilungen sind für Schüler notwendige Erfahrungen zum Aufbau eines möglichst positiv<br />

getönten realistischen Selbstbewusstseins eigener Tüchtigkeit und für die l<strong>an</strong>gfristige Entwicklung<br />

subjektiver Leistungsbereitschaften und individueller Leistungsfähigkeiten.“ Allerdings fügt er wie<br />

<strong>an</strong>dere nicht erst seit TIMSS hinzu, <strong>das</strong>s häufig, „viel zu wenig zwischen Lern- und<br />

Leistungssituationen unterschieden werde“, die „völlig unterschiedlichen psychologischen<br />

Gesetzmäßigkeiten“ unterliegen. „Aufgabe eines guten Unterrichts ist es, Lern- und<br />

Leistungssituationen im Bewusstsein der Schüler so zu separieren, <strong>das</strong>s eine produktive Lernkultur<br />

entstehen k<strong>an</strong>n.“ (vgl. [2])<br />

Funktion, Bezugsnormen und Soll-Eigenschaften von Noten<br />

1. Funktionen von Notengebung<br />

Ausg<strong>an</strong>gspunkt: Ursprünglich wurden (zu Beginn des 19. Jahrhunderts) Schulnoten gerade nicht aus<br />

genuin pädagogischen Gründen eingeführt, sondern zur Durchsetzung und Dokumentation des<br />

Leistungsprinzips. Noten sollten eine Berechtigungs-, Zuteilungs- und Selektionsfunktion erfüllen.<br />

Dabei st<strong>an</strong>d zunächst ein g<strong>an</strong>z und gar fortschrittlicher Ged<strong>an</strong>ke im Vordergrund: Karrieren sollten von<br />

den alten Erbhöfen losgelöst werden, d. h. nicht mehr Geburt, Religion, Geschlecht, Rasse o. ä sollten<br />

über den Zug<strong>an</strong>g zu gesellschaftlichen Positionen entscheiden, sondern allein die individuelle<br />

Leistung.<br />

Wichtige Funktionen:<br />

• Sozialisationsfunktion: Schul<strong>an</strong>fänger lernt neue Leistungsnormen kennen, H<strong>an</strong>dlungsresultate<br />

stehen im Mittelpunkt.<br />

• Rückmeldefunktion: für den Lehrer: erhält Informationen über Qualität und Erfolg seines<br />

Unterrichts, für den Schüler: erhält Auskunft über seinen Leistungsst<strong>an</strong>d.<br />

• Berichtfunktion: Eltern bekommen durch Noten Mitteilungen über den moment<strong>an</strong>en<br />

Leistungsst<strong>an</strong>d ihrer Kinder.<br />

• Anreiz- und Disziplinierungsfunktion: Gefahr: Streben nach guten Noten wird über Streben nach<br />

guter Leistung gestellt.<br />

• Selektions- und Berechtigungsfunktion: Auslese für vorteilhafte Ausbildungsgänge.<br />

2. Bezugsnormen<br />

Zur Beurteilung schulischer Leistungen können unterschiedliche Maßstäbe <strong>an</strong>gesetzt werden. Zu den<br />

wesentlichen Bewertungssystemen gehören die soziale Bezugsnorm, die individuelle Bezugsnorm<br />

und die kriteriumsorientierte Bezugsnorm.<br />

• soziale Bezugsnorm<br />

1


Die Lernleistung des einzelnen Schülers wird mit den Leistungen der gesamten Klasse verglichen und<br />

vor diesem Hintergrund bewertet (interindividueller Querschnitt). Lehrer gehen in der Regel bei der<br />

Zensurenvergabe von der Normalverteilung aus, d. h. <strong>das</strong>s die Häufigkeit der Werte um den Mittelwert<br />

herum am größten ist und zu den Extremen hin abnimmt (Gaußsche Normalverteilung). Bei einer<br />

solchen Benotungsrichtlinie würde jede Klassenarbeit, ob schwer oder leicht, "gleich gut ausfallen“,<br />

der Durchschnitt wäre stets 3,0. Die quotierte Ausschöpfung der gesamten Notenskala ist d<strong>an</strong>n nicht<br />

möglich, wenn die Punkt- oder Fehlerzahlen nur sehr gering streuen, wenn <strong>an</strong>dernfalls minimale<br />

Leistungsunterschiede zu großen Notendifferenzen fuhren wurden.<br />

Ein Lehrer sollte der Leistungsverteilung in der Klasse nicht so ohne Weiteres die Normalverteilung<br />

überstülpen. Dennoch gilt die Normalverteilung von Schulleistungen in der Vorstellung vieler Lehrer,<br />

Schüler und Eltern als etwas "Natürliches".<br />

• individuelle Bezugsnorm<br />

Die moment<strong>an</strong>en Lernleistungen eines Schülers werden mit seinen eigenen zuvor erbrachten<br />

Leistungen verglichen (intraindividueller Längsschnitt). Individuelle Lernfortschritte werden oft in Form<br />

einer verbalen Beurteilung bek<strong>an</strong>ntgegeben.<br />

• kriteriumsorientierte Bezugsnorm<br />

Die Lernleistung des einzelnen Schülers wird mit dem Lernziel (Kriterium) verglichen. Der Lehrer<br />

entscheidet bei der Lernkontrolle mit Hilfe eines sog. kriteriums- oder lernzielorientierten Tests<br />

zwischen ~Lernziel erreicht' oder "nicht erreicht'. Ist <strong>das</strong> Lernziel noch nicht erreicht, werden<br />

zusätzliche individualisierende Instruktionsbemühungen eingesetzt, so <strong>das</strong>s der Lehrer allen Schülern<br />

die Einheitsnote "Lernziel erreicht" attestieren k<strong>an</strong>n. Die übliche Notenskala ist hier fehl am Platz. Bei<br />

einer rein lernzielbezogenen Überprüfung sollte daher auf eine Notengebung verzichtet werden und<br />

<strong>das</strong> Verfahren als eine gezielte Rückmeldung für den Lehrer und Schüler betrachtet werden.<br />

3. Eigenschaften, die Noten erfüllen sollen<br />

Die im Folgenden erläuterten Testgütekriterien Objektivität, Reliabilität (Zuverlässigkeit) und Validität<br />

lassen sich auf Schulleistungstests oder sonstige Verfahren der schulischen Leistungsmessung<br />

übertragen:<br />

Objektivität<br />

Ein Test ist objektiv, wenn <strong>das</strong> Testergebnis vom Beurteiler unabhängig ist (z. B. wenn verschiedene<br />

Beurteiler beim gleichen Schüler unabhängig vonein<strong>an</strong>der zum gleichen Ergebnis kommen). Je größer<br />

der Beurteilungsspielraum, ist, den der Lehrer bei der Korrektur hat, desto geringer ist die Objektivität.<br />

• empirische Untersuchungen zeigen: Schulnoten erfüllen diese Forderung nicht<br />

• Mädchen werden besser als Jungen beurteilt<br />

• Lehrerinnen geben bessere Noten als Lehrer<br />

• erziehungsschwierige Kinder bekommen schlechte Noten<br />

• beliebte Schüler werden überschätzt, unbeliebte unterschätzt<br />

• Lehrer sind oft nicht in der Lage, zwischen zwei näher beiein<strong>an</strong>der liegenden Gütegraden einer<br />

Leistung zu differenzieren, sie geben den verschiedenen Teilen einer Leistung unterschiedliche<br />

Prioritäten im Einfluss auf die Endzensur<br />

Noten können nicht objektiv sein, weil sie zwei Funktionen erfüllen müssen:<br />

• Leistungen erfassen und messen<br />

• gleichzeitig Bewertung und Interpretation der Leistung<br />

Objektiv gleiche Leistungen müssen nicht gleich interpretiert und bewertet werden, sondern können<br />

auch nach pädagogischer Intention bewertet werden.<br />

M<strong>an</strong> müsste auf die pädagogische Funktion der Note verzichten, nur durch strenge Trennung von<br />

Leistungsmessung und Leistungsbewertung k<strong>an</strong>n <strong>an</strong>nähernde Objektivität erreicht werden.<br />

Reliabilität<br />

Reliabilität meint den Grad der Genauigkeit, mit dem ein Test <strong>das</strong> misst, was er misst, ohne Rücksicht<br />

darauf, was er zu messen vorgibt. Je mehr vonein<strong>an</strong>der unabhängige Einzelaufgabenn zu einem<br />

Lernziel oder Lernbereich gestellt werden, desto zuverlässiger ist <strong>das</strong> Testergebnis.<br />

2


Validität<br />

Ein Test ist valide, wenn er <strong>das</strong>, was er zu messen vorgibt, auch tatsächlich misst.<br />

Schulnoten sind Maßzahlen für die vom Lehrer vorgenommene Einschätzung der schulischen<br />

Leistungen: Schulnoten besitzen logische Validität bezüglich des Merkmals Schulleistung. Lehrer<br />

haben aber unterschiedliche subjektive Konzepte von Schulleistungen und verschiedene Gewichtung<br />

der dazugehörigen Aspekte. Validität ist schwer zu erfassen, liegt nur d<strong>an</strong>n vor, wenn tatsächlich<br />

<strong>das</strong>jenige Merkmal erfasst wird, dessen Erfassung beabsichtigt war.<br />

Fazit:<br />

Liegt Objektivität nicht vor, d<strong>an</strong>n k<strong>an</strong>n <strong>das</strong> Verfahren auch nicht reliabel und valide sein. Nur ein<br />

kleiner Ausschnitt aus dem gesamten Leistungs verhalten des Schülers wird gemessen.<br />

4. Neuralgische Punkte der Notengebung<br />

Wengert [1], S.229ff. unterscheidet zwischen systembedingten Schwachstellen und subjektiven<br />

Fehlerquellen der Notengebung:<br />

Systembedingte Schwachstellen<br />

a) Skalenqualität und Problematik der Durchschnittsnote:<br />

Noten bilden lediglich eine R<strong>an</strong>gskala, keine Intervallskala, womit die Abstände zwischen<br />

Noten nicht interpretierbar sind. Zwar ist "Eins" besser als "Zw ei“ und „Fünf“ schlechter als<br />

"Vier", aber damit ist nicht gesagt, <strong>das</strong>s die "Zwei“ von der "Eins" gleich weit entfernt ist wie<br />

die „fünf“ von der "Vier". Notendurchschnitte wären somit unsinnig. Zum Vergleich: Würde<br />

m<strong>an</strong> die Noten "Eins" bis "Sechs" mit den Buchstaben "A“ bis “J" bezeichnen, wie wäre d<strong>an</strong>n<br />

die Durchschnittsnote eines Schülers, der in 3 Klassenarbeiten die Noten A, B und E<br />

geschrieben hat? Der numerische Aspekt von Noten ist daher nicht überzubetonen.<br />

Problematisch ist auch die gegenseitige Verrechnung von Noten aus verschiedenen Fächern.<br />

Wenn ein Schüler versetzt wird, weil er z. B. eine Fünf in Fr<strong>an</strong>zösisch mit einer Drei in<br />

Mathematik "ausgleichen“ k<strong>an</strong>n, so ließe sich dies pädagogisch sinnvoll nur folgendermaßen<br />

erklären: Der Schüler hat im Fach Mathematik ein "Polster", muss dort daher weniger<br />

Lernbemühungen. investieren und k<strong>an</strong>n dadurch mehr Zeit und Lernaufw<strong>an</strong>d ins Fach<br />

Fr<strong>an</strong>zösisch stecken, wodurch er seine dortigen Mängel schließen k<strong>an</strong>n.<br />

b) Der klassenbezogene Maßstab:<br />

Da es leistungsstarke und schwache Klassen gibt, ist die Klassenzugehörigkeit für die Noten<br />

eines Schülers von eminenter Bedeutung. Während ein mittelmäßiger Schüler in einer<br />

schwachen Klasse gute Noten bekommt, muss er in einer starken Klasse vielleicht gar um die<br />

Versetzung b<strong>an</strong>gen. Die Vergleichbarkeit von Noten über Klassen, erst recht über Schulen<br />

oder Bundesländer hinweg, ist damit in Frage gestellt.<br />

Subjektive Fehlerquellen<br />

a) Effekt der Zusatzinformationen: Negative und positive Zusatzinformationen über einzelne Schüler<br />

beeinflussen die Korrektur und Benotung der Arbeit durch den Lehrer.<br />

b) Sympathie-Effekt: Etliche Lehrer bewerten Schüler, die ihnen sympathisch sind, zu günstig und<br />

diejenigen, die ihnen unsympathisch sind, zu ungünstig. Natürlich gibt es aber auch Lehrer, die in<br />

dieser Hinsicht völlig immun sind.<br />

c) Effekt des ersten Eindruck: Der erste positive oder negative Eindruck hat auf die nachfolgende<br />

Wahrnehmung, Einstellung dem Schüler gegenüber und auf die Bewertung nachweislichen<br />

Einfluss.<br />

d) Voreinstellungs-Effekt: Die Bewertung von Schülerleistungen ist von Voreinstellungen und<br />

Erwartungshaltungen der Lehrer abhängig, denn m<strong>an</strong> nimmt ja bevorzugt <strong>das</strong> wahr, was m<strong>an</strong><br />

3


wahrzunehmen beabsichtigt. Beispiele für solche Grundüberzeugungen sind Sätze wie Jungen<br />

sind sprachlich weniger begabt als Mädchen“ oder "Lateinklassen sind besser".<br />

e) Reihenfolgen-Effekt: Die erste Note in einer Reihe von Prüfungen oder bei der Korrektur<br />

schriftlicher Arbeiten setzt den Maßstab, mit dem die nachfolgenden Noten verglichen werden.<br />

f) Effekt der stabilen Urteilstendenzen: M<strong>an</strong>che Lehrer haben bei ihrer Notengebung sogen<strong>an</strong>nte<br />

"Stabile Urteilstendenzen“, d. h. sie wollen entweder sehr schlechte (Milde-Effekt) oder sehr gute<br />

Noten (Strenge-Effekt) vermeiden.<br />

g) Der Halo-Effekt: Ein hervorstechendes Merkmal oder der Gesamteindruck eines Schülers lässt<br />

den Lehrer auf <strong>an</strong>dere, nicht direkt beobachtbare Merkmale schließen. Das vorherrschende<br />

Merkmal überstrahlt alle <strong>an</strong>deren Merkmale. Beispiele: "Wer sich gut ausdrücken k<strong>an</strong>n, k<strong>an</strong>n auch<br />

klar denken, "Wer in Mathematik gut ist, hat auch in Latein gute Note“, "Dummheit und Stolz<br />

wachsen auf einem Holz", Höflichkeit, Angepasstheit und Bemühung werden positiv belohnt und<br />

überstrahlen die Bewertung der Fachleistungen.<br />

h) Akteur-Beobachter-Effekt: Wenn ein Beobachter <strong>das</strong> Verhalten eines Akteurs beobachtet, so führt<br />

er die Gründe für dessen Aktivi täten eher auf dessen persönliche Eigenschaften oder Fähigkeiten<br />

zurück. Dagegen schreibt der Akteur selber dieselben Verhaltensweisen eher äußeren Faktoren<br />

zu. Beispiel: Der <strong>an</strong> der Tafel geprüfte Schüler kommt ins Stocken und schreibt dies „den<br />

Umständen“ zu: Lehrer und Mitschüler machen ihn nervös, es ist die sechste Stunde … .<br />

Dagegen „weiß“ der (beobachtende) Lehrer, <strong>das</strong>s dies nur „Ausreden“ sind: der hat einfach nicht<br />

gelernt oder ist unbegabt!<br />

Anmerkungen zur Gestaltung schriftlicher Überprüfungen (nach Wengert, [1], S. 238 -<br />

244)<br />

Wengert nennt fünf zeitliche "Stationen“, die bei schriftlichen Überprüfungen beachtet werden sollten;<br />

sie seien nachfolgend weitgehend stichwortartig zusammengefasst:<br />

1. Der vorauslaufende Unterricht<br />

- Klare Ausrichtung des Unterrichts <strong>an</strong> überprüfbaren Lernzielen: Die grundlegenden Lernziele<br />

beinhalten <strong>das</strong> Basiscurriculum, dessen Beherrschung zumindest die Note "ausreichend"<br />

gar<strong>an</strong>tiert. Die <strong>an</strong>spruchsvolleren Lernziele beinhalten <strong>das</strong> Aufbaucurriculum, dessen<br />

Beherrschung im Sinne der Taxonomiestufen gewichtet wird (s.u.)<br />

- Rechtzeitige Ankündigung des Inhalts, Umf<strong>an</strong>gs und der Art der Prüfung: Die "Schwierigkeit einer<br />

Klassenarbeit [darf] nicht auf Unklarheit und Verunsicherung beruhen“.<br />

- Grundsätzlich eine abschließende Frage- und Wiederholungsstunde <strong>an</strong>bieten.<br />

2. Die Pl<strong>an</strong>ung und Zusammenstellung der Klassenarbeit<br />

Vorweg muss grundsätzlich die Validität für den konkret zugrunde liegenden Unterricht beachtet<br />

werden: Der Lehrer muss sich also über die wichtigsten inhaltlichen Aspekte und seine zentralen<br />

Lernziele im Klaren sein. Auf dieser Grundlage werden von Wengert folgende Anmerkungen gemuht:<br />

- Eine größere Anzahl von ein<strong>an</strong>der unabhängigen Aufgaben stellen (=Reliabilität).<br />

- Die aufsteigenden Taxonomiestufen (Wissen, Verstehen, Anwenden, Analyse, Synthese,<br />

Evaluation) beachten sowie auf unterschiedliche Aufgabenstellungen achten: gebundene<br />

Antworten, frei zu formulierende Kurz<strong>an</strong>tworten, Antworten mit längeren Einlassungen etc.<br />

- Klare und eindeutige Formulierungen nicht nur bezogen auf den Stoff, sondern auch bezüglich der<br />

Art der verl<strong>an</strong>gten Antworten ("Formuliere als Text, in Stichworten, mit Spiegelstrichen etc.")<br />

benutzen.<br />

- Als erste Aufgabe vom Schwierigkeitsgrad her einen "Eisbrecher" vorgeben, um auch den<br />

schwächeren Schülerlnnen Mut zu machen.<br />

- Grundsätzlich die Zeitfrage bedenken.<br />

- Sicherstellen, <strong>das</strong>s die Note "ausreichend" auch "ausreichend" ist, d h. auf Grundlage des<br />

"Basiscurriculums" erreichbar ist.<br />

4


- Als Strukturierungshilfe für die SchülerInnen die erreichbaren Punkte auf dem Aufgabenblatt<br />

vermerken (und dabei zugleich bedenken, <strong>das</strong>s hohe Punktzahlen für einzelne Aufgaben gerade<br />

bei lernschwächeren SchülerInnen starke Ängste auslösen können).<br />

- Falls zur Verminderung von Abschreibemöglichkeiten parallele Gruppen gebildet werden, ist<br />

peinlich genau auf eine gleichwertige Leistungs<strong>an</strong>forderung - inhaltlich wie bezogen auf die<br />

Lernziele - zu achten.<br />

3. Während der Klassenarbeit<br />

- Zur Dämpfung der SchülerInnennervosität eine freundliche, sachliche und störungsfreie<br />

Atmosphäre schaffen.<br />

- Der Lehrer hat Ruhe auszustrahlen und sich unauffällig zu verhalten (also nicht perm<strong>an</strong>ent<br />

herumzulaufen und vor allem auf gestellte Fragen leise zu <strong>an</strong>tworten).<br />

- Zentral ist es, den eigenen Kontrollmaßstab zu finden und diesen den SchülerInnen vor der<br />

Klassenarbeit tr<strong>an</strong>sparent zu machen. Unbedingt sollte m<strong>an</strong> sich vorher eine abgestufte Palette<br />

von Maßnahmen bei unkorrektem Verhalten überlegen, die konsequent - im Sinne von:<br />

grundsätzlich gleich - <strong>an</strong>gewendet wird: "Häufig genügt es bei kleineren Unkorrektheiten ja, wenn<br />

er [der Lehrer] durch Blickkontakt, Annäherung oder direkte kurze Ermahnung seine Wachsamkeit<br />

signalisiert. Bei groben Verstößen muss er aber auch den Mut zu härteren Maßnahmen haben,<br />

die vom Nichtwerten der moment<strong>an</strong> bearbeiteten Aufgabe über einen Notenabzug oder dem<br />

sofortigen Wegnehmen der Arbeit bis hin zu der Note 'ungenügend' reichen können“.<br />

4. Korrektur und Benotung<br />

- Die Arbeit ist zeitlich möglichst umgehend zu korrigieren, gerade auch, da bei einer schnellen<br />

Rückgabe die Erinnerung der SchülerInnen noch vorh<strong>an</strong>den ist.<br />

- Die eigene Subjektivität ist so gering wie möglich zu halten: Vorweg ist eine Musterlösung mit<br />

einem detaillierten Punkteschlüssel <strong>an</strong>zufertigen.<br />

Gegebenenfalls sollte <strong>an</strong>onym berichtigt werden. Die Arbeiten sollten nicht geordnet werden<br />

(Reihenfolgeeffekt!). Eventuell sollten nicht die einzelnen Arbeiten Exemplar für Exemplar,<br />

sondern Aufgabe für Aufgabe korrigiert werden. Diese Forderung ist gerade auch zentral bezogen<br />

auf den eigenen Erwartungshorizont: Bei einem solchen Vorgehen k<strong>an</strong>n eine möglicherweise zu<br />

schwierig konzipierte Arbeit noch durch Vereinfachung der Musterlösung der Realität <strong>an</strong>gepasst<br />

werden<br />

- Nach der Feststellung aller Rohpunktzahlen sollte der eigene Wertungsmaßstab geprüft und<br />

eventuell korrigiert werden. Erst d<strong>an</strong>n sollten die Noten vergeben werden.<br />

- Lobende und ermutigende Kommentare sind motivationsfördernd. Sie müssen aber "echt" sein<br />

und dürfen nicht inflationär verteilt werden.<br />

5. Rückgabe<br />

Abschließend betont Wengert die Wichtigkeit einer <strong>an</strong>gemessenen - "mehr oder weniger ausführliche“<br />

Besprechung und macht hierfür folgende Vorschläge:<br />

- Vor der Rückgabe ist der eigene Erwartungshorizont bek<strong>an</strong>nt zu geben. Hierbei ist auch auf die<br />

typischen Fehler, Irrtümer und Missverständnisse einzugehen.<br />

- Wie bereits betont sollte die Arbeit möglichst schnell zurückgegeben werden.<br />

- Die Rückgabe muss behutsam und taktvoll geschehen.<br />

- Die einzelnen Noten sollten nicht öffentlich verlesen und die Arbeiten nicht nach den Noten sortiert<br />

werden.<br />

- Die Arbeit sollte persönlich übergeben werden, eventuell mit einigen persönlichen Worten, jedoch<br />

nicht mit erhobener Stimme.<br />

- Es sollte nicht die Notenverteilung, sondern nur die Durchschnittsnote bek<strong>an</strong>nt gegeben werden<br />

(der Autor nennt die Gefahr des "Anpr<strong>an</strong>gerungseffekts").<br />

- Der Lehrer darf grundsätzlich keiner Nachfrage ausweichen und muss in berechtigten Fällen seine<br />

Korrekturmaßnahmen abändern.<br />

5


Anmerkungen zur Benotung mündliche Leistungen (nach Wengert [1], S.244-248)<br />

Mündliche Noten tragen eigenständig zur Jahreszensur bei. In den Nebenfächern k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> auf<br />

schriftliche Nachweise sogar g<strong>an</strong>z verzichten und die Noten ausschließlich auf der Grundlage der<br />

mündlichen Schülerbeiträge machen. Das Umgekehrte ist aber in keinem Fach möglich. Mündliche<br />

Noten sollen unabhängig von schriftlichen Noten erhoben werden und sollen nicht nur her<strong>an</strong>gezogen<br />

werden, wenn es lediglich um <strong>das</strong> Auf- oder Abrunden der durch Klassenarbeiten erhobenen Noten<br />

geht. Mündliche Noten müssen sich auf echte mündliche Leistungen und dürfen sich nicht auf<br />

verkappte schriftliche Leistungen beziehen. Negativbeispiel: Um die aufwendige und als lästig<br />

<strong>an</strong>gesehene mündliche Überprüfung zu umgehen und sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, die den<br />

einzelnen Schülern beim Abfragen gestellten Aufgaben seien unterschiedlich schwierig, wurde allen<br />

Schülern gleichzeitig dieselben Fragen gestellt, die sie schriftlich auf einem Zettel be<strong>an</strong>tworten<br />

mussten. Dies bildete d<strong>an</strong>n die Grundlage für die mündlichen Noten. Mündliche Noten müssen unter<br />

Umständen vom Lehrer eingefordert werden. Mit der Begründung, ein Schüler habe sich im Unterricht<br />

nie gemeldet, darf keine schlechte mündliche Note vergeben werden. In einem solchen Fall muss der<br />

Lehrer den Schüler von sich aus aufrufen und ihm Gelegenheit geben, eine mündliche Leistung zu<br />

erbringen.<br />

Vorteile mündlicher Noten:<br />

• Sie eignen sich besser als schriftliche Leistungen zur Erfassung einer Kontinuität des Lernens.<br />

• Der Lehrer k<strong>an</strong>n flexibel nachfragen und helfen, wodurch die Leistung genauer feststellbar ist als<br />

bei einer Klassenarbeit.<br />

• Bei mündlichen Prüfungen erfolgt unmittelbare Rückmeldung.<br />

• Mündliche Noten bieten denjenigen Schülern noch eine Ch<strong>an</strong>ce, die bei schriftlichen<br />

Überprüfungen wegen Angst oder großer Aufregung unter ihren Möglichkeiten bleiben.<br />

• Bei mündlichen Prüfungen besteht kein dauernder Zw<strong>an</strong>g zu direktem sozialen Vergleich. Der<br />

Schüler wird <strong>an</strong> sich selbst gemessen, die individuelle Bezugsnorm rückt in den Vordergrund.<br />

• Besondere Beiträge und Kreativität außer der Reihe k<strong>an</strong>n gewürdigt und mit einer guten<br />

mündlichen Note belohnt werden.<br />

• Mündliche Noten bieten Anreize zur Unterrichtsbeteiligung.<br />

Nachteile mündlicher Noten:<br />

• Die mündliche Leistungsüberprüfung bezieht sich auf eine flüchtige, einmalige und einzigartige<br />

Situation. Sie erlaubt keinen direkten Vergleich mit <strong>an</strong>deren Leistungen, der Lehrer muss rasch<br />

entscheiden.<br />

• Mündliche Noten beruhen auf Schätzurteilen. Sie sind weniger exakt und valide als schriftliche<br />

Noten, die sich aus Punkte- bzw. Fehlerzahl ergeben. Der Ermessensspielraum für den Lehrer ist<br />

sehr groß.<br />

• Erinnerungslücken oder -verfälschungen durch besonders herausragende Ereignisse können die<br />

Benotung mündlicher Leistungen verfälschen, da zwischen der Leistung selbst und der Benotung<br />

ein mehr oder weniger l<strong>an</strong>ger Zeitraum liegt.<br />

• Die Gefahr unbewusster subjektiver Einflüsse ist besonders groß. Ein Schüler, der gut reden und<br />

flüssig formulieren k<strong>an</strong>n, wird oft- besser eingeschätzt als ein Schüler, der inhaltlich zwar <strong>das</strong>selbe<br />

sagt, dessen Ausdrucksfähigkeit aber geringer ist. Auch wirkt sich oftmals eine qu<strong>an</strong>titativ hohe<br />

Unterrichtsbeteiligung bei der mündlichen Fachnote aus, obwohl nur die Qualität der Beiträge<br />

zählen soll.<br />

• Mündliche Noten unterliegen einem Erwartungseffekt: Ein Lehrer erwartet die mündliche Note im<br />

gleichen Bereich wie die schriftliche Leistung. Nur bei starken Diskrep<strong>an</strong>zen werden stark<br />

unterschiedliche schriftliche und mündliche Noten gegeben, wobei die mündlichen Noten de facto<br />

nur den Ausschlag für <strong>das</strong> Auf- und Abrunden der schriftlichen Noten geben.<br />

Definition der Epochalnote nach Amtsblatt des Kultusministeriums von Rheinl<strong>an</strong>d-Pfalz Nr.2(1980),<br />

S. 36:<br />

„Die Epochalnote ist die Wertung der in einer Unterrichtseinheit oder in Teilen einer Unterrichtseinheit<br />

erbrachten Leistung. Sie bezieht sich also nicht auf eine punktuelle Einzelleistung, sondern auf eine<br />

Reihe von Beiträgen, die in einem größeren Zeitraum, also in einer Unterrichtseinheit oder in Teilen<br />

von ihr, beobachtet und insgesamt benotet worden sind. Der Zeitraum, für den eine solche Note<br />

gegeben wird, erstreckt sich über die Anzahl von Stunden, die einem einheitlichen Thema oder einer<br />

größeren Thematik gewidmet ist. Eine solche Unterrichtseinheit wird in der 5. Klasse meist eine<br />

geringere Stundenzahl erfordern als in der Oberstufe des Gymnasiums, im Erdkundeunterricht eine<br />

6


<strong>an</strong>dere als in Deutsch... Wichtig ist, und dies spielt für die Epochalnote eine große Rolle, <strong>das</strong>s der<br />

Zeitraum, in dem sie gegeben wird, überschaubar ist, überschaubar für den Schüler und den Lehrer.“<br />

Literatur<br />

[1] Wengert, H<strong>an</strong>s Gert: Leistungsbeurteilung in der Schule, in: Bovet, Gislinde (Hrsg.): Leitfaden<br />

Schulpraxis. Pädagogik und Psychologie für den Lehrerberuf. Berlin: Cornelsen 1994, S.221-<br />

250<br />

[2] Weinert, F. E.: Fördert <strong>das</strong> System der Leistungsbewertung die Leistungsbereitschaft der<br />

Schülerinnen und Schüler? Unveröff. M<strong>an</strong>uskript für die Anhörung am 8. Juli 1999 im L<strong>an</strong>dtag<br />

von Baden-Württemberg. Aus: Seminar 2(1999), S.2.<br />

[3] Becker, Georg: Unterricht auswerten und beurteilen. Weinheim: Beltz 1998<br />

[4] Gaude, Peter: Beobachten, Beurteilen und Beraten von Schülern. Fr<strong>an</strong>kfurt 1989<br />

[5] Ingenkamp, Karlheinz: Diagnostik in der Schule. Weinheim: Beltz 1989<br />

[6] Kattm<strong>an</strong>n, Ulrich: Testen und Beurteilen im Biologieunterricht. In: Unterricht Biologie,<br />

12(1997), S.4 - 13<br />

[7] Martin, Lothar: Beraten und Beurteilung in der Schule (München 1980)<br />

[8] Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung (MBWW): Pädagogisches Gespräch<br />

zum Thema „Leistung in der Schule“ – Protokolle. Mainz 1995<br />

[9] Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung (MBWW): Schulordnung für die<br />

öffentlichen Hauptschulen, Regionalen Schulen, Realschulen, Gymnasien, integrierte<br />

Gesamtschulen und Kollegs (Übergreifende Schulordnung). Mainz, zuletzt geändert<br />

23.11.1999<br />

[10] Vogelsberger, Kurt: Leistungsmessung zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In: Pädagogik,<br />

3/1995, S. 6 - 9<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!