Du hast die Wahl! - Studi38
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Braunschweig | Wolfenbüttel<br />
Wolfsburg | Salzgitter | Suderburg<br />
Ausgabe 10<br />
Wintersemester 2012/2013<br />
<strong>Du</strong> <strong>hast</strong><br />
<strong>die</strong> <strong>Wahl</strong>!<br />
Das Kreuz mit den Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
Das Glück fährt mit!<br />
Auf den Spuren eines<br />
Klassikers: das Omafiets<br />
Freiheit unter Strom<br />
Die Steckdose als Zapfsäule<br />
für <strong>die</strong> Mobilität der Zukunft<br />
Macht hoch <strong>die</strong> Tür<br />
Vom Ziel Offener Hochschulen<br />
– auch ohne Abitur
Braunschweig | Wolfenbüttel<br />
Wolfsburg | Salzgitter | Suderburg<br />
Ausgabe 10<br />
Wintersemester 2012/2013<br />
<strong>Du</strong> <strong>hast</strong><br />
<strong>die</strong> <strong>Wahl</strong>!<br />
Das Kreuz mit den Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
Das Glück fährt mit!<br />
Auf den Spuren eines<br />
Klassikers: das Omafiets<br />
Freiheit unter Strom<br />
Die Steckdose als Zapfsäule<br />
für <strong>die</strong> Mobilität der Zukunft<br />
Macht hoch <strong>die</strong> Tür<br />
Vom Ziel Offener Hochschulen<br />
– auch ohne Abitur
Braunschweig | Wolfenbüttel<br />
Wolfsburg | Salzgitter | Suderburg<br />
Ausgabe 10<br />
Wintersemester 2012/2013<br />
9+1=<br />
Jubiläum!<br />
Alle Ausgaben gibt es übrigens auch digital auf studi38.de
Inhalt<br />
Campus<br />
6 Er sagt, Sie sagt<br />
Und wieder ruft das Sommerloch<br />
7 Cover: Making of<br />
Das Fotoshoot im Tresorraum<br />
8 Daumenkino<br />
Cinemathek, <strong>die</strong> vierte Staffel<br />
9 Bach & Händel 2.0<br />
Ein Sing-along-Projekt lädt zum Mitmachen ein<br />
10 Das Glück fährt auf dem Omafiets<br />
Auf den Spuren eines Klassikers<br />
12 Kleine Dinger mit großer Wirkung!<br />
Der Siegeszug des QR-Codes<br />
14 WG-Recht kompakt<br />
Was man darf, kann und lieber lassen sollte<br />
15 Dialog<br />
Leserbrief: Wohnungsnot für Stu<strong>die</strong>rende?<br />
16 „Ich finde kaum Ruhe zum Schreiben“<br />
Der Chinesische Autor Liao Yiwu im Interview<br />
18 „Schön, intensiv und verrückt …“<br />
Serie: Brief an <strong>die</strong> Daheimgebliebenen<br />
21 <strong>Du</strong> <strong>hast</strong> <strong>die</strong> <strong>Wahl</strong>!<br />
Das Kreuz mit den Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
25 Meinung: Alt und Weise …<br />
26 Campus historie<br />
Serie: „Wann ist <strong>die</strong> nächste Eiszeit fällig?“<br />
27 Dienstanweisung Internet<br />
Rezension<br />
28 Für Zwischendurch<br />
Zwei Studentinnen nutzen leerstehenden Raum für ihr Projekt „Ein Laden“<br />
30 Ein Leben auf vier Rädern<br />
Student Mohammad Bakathir sitzt im Rollstuhl<br />
Wissenschaft<br />
Elektrotechnik Spezial<br />
32 „Unsere Ressourcen sind endlich“<br />
Professor Stephan Rammler über teure Energie, <strong>die</strong> Ideologie von Roadmovies und<br />
<strong>die</strong> Zukunft der Mobilität<br />
32 Elektroauto-Test<br />
36 „Damit hängen Sie an der Ampel erstmal jeden ab“<br />
Dr. Rudolf Krebs über Volkswagens Elektronische Mobilitätsstrategie<br />
Karriere<br />
38 Stellenanzeigen<br />
40 Social Entrepreneurship<br />
Die Kolumne von Professor Reza Asghari<br />
43 Das politische Doppelleben<br />
Christoph Kasper – ausgelastet mit Theorie und Praxis der Politik<br />
Elektrotechnik Spezial<br />
44 Studium unter Hochspannung<br />
Ein Überblick über <strong>die</strong> Fakultät der Elektrotechnik<br />
45 Ich stu<strong>die</strong>re Elektrotechnik …<br />
Stu<strong>die</strong>rende berichten über ihre Erfahrungen<br />
46 Macht hoch <strong>die</strong> Tür …<br />
Das Projekt Offene Hochschule fördert Stu<strong>die</strong>ren ohne Abitur<br />
48 „Scheiß auf Papier, wir machen das jetzt alles digital!“<br />
Jonathan Beddig hat schon während des Studiums eine Agentur gegründet<br />
Schlussakkord<br />
49 Lieblings ... Album? Film? Buch?<br />
50 Change<br />
Kolumne<br />
13 Impressum<br />
Kleine Dinger mit<br />
großer Wirkung!<br />
Im Januar sind Landtagswahlen in<br />
Niedersachsen. Sie entscheiden<br />
wohl über <strong>die</strong> Zukunft der Stu<strong>die</strong>ngebühren.<br />
Es gibt zwei gegensätzliche<br />
Positionen zu einer Sachfrage, <strong>die</strong><br />
dich (und deinen Geldbeutel) unmittelbar<br />
berührt und damit eine<br />
(richtige) <strong>Wahl</strong>. Also raus aus dem Sommerloch, mach dein<br />
Kreuz zum Thema Stu<strong>die</strong>ngebühren und hoch <strong>die</strong> Tür.<br />
Denn wir begrüßen alt und weise unsere Erstis, wünschen<br />
ein Studium unter Hochspannung, „schön, intensiv und<br />
verrückt“ und für Zwischendurch ein Daumenkino. Zum<br />
Schluss noch eine Dienstanweisung Internet: „Wir machen<br />
das jetzt alles digital“ und freuen uns auch im Jubiläumsfreudentaumel<br />
über Dialog. <strong>Du</strong> <strong>hast</strong> du <strong>Wahl</strong>!<br />
Holger Isermann<br />
TU Braunschweig, Redaktionsleitung studi38<br />
10<br />
Campus<br />
Das Glück fährt auf dem Omafiets<br />
Auf den Spuren eines Klassikers<br />
32<br />
Wissenschaft<br />
„Unsere Ressource sind endlich“<br />
Professor Stephan Rammler im Interview<br />
46<br />
Karriere<br />
Macht hoch <strong>die</strong> Tür...<br />
Das Projekt Offene Hochschule fördert Stu<strong>die</strong>ren ohne Abitur<br />
4
PersonalServiceAgentur
Campus<br />
Und wieder ruft das Sommerloch<br />
Bettina Wulff ? Vorsicht liebe Kollegin von der Sie-<br />
Sagt-Seite. Wer Googles Such-Algorithmus verklagt,<br />
der schreckt auch nicht davor zurück ein zugegeben<br />
brillantes aber kleines Unimagazin juristisch auszupressen.<br />
Sowieso hängt mir das Thema Wulff zum Halse raus. Uh,<br />
öh, uahhh!? Darf <strong>die</strong> Präsidentengattin ein Tattoo haben?<br />
*Nerv* Wulff tritt <strong>die</strong> Demokratie mit Füssen und bekommt<br />
doch einen Ehrensold? Wulff ist das nicht genug, er klagt<br />
auf noch mehr Kohle. Bettina besteht auf ihre Emanzipation<br />
und zieht mit ihrem Gatten gleich. Huch? Wie kommt<br />
es nur, dass <strong>die</strong>ses böse, fiese, gemeine und höchst verklagenswürdige<br />
Getuschel über eine mögliche Vergangenheit<br />
als Hostess genau mit der Veröffentlichung ihres Buches zusammentrifft.<br />
Ich finde solche Gier widerlich. Und ich finde<br />
es widerlich, dass <strong>die</strong> Presse mit Pseudo-Empörung antwortet.<br />
Stattdessen könnte man <strong>die</strong>se Gier so wunderbar mit<br />
der immer noch viel zu wirkungslosen Debatte um <strong>die</strong> Arm-<br />
Reich-Schere verknüpfen. Vielleicht sollte man weniger auf<br />
<strong>die</strong> blanken Busen von kommenden Prinzessinnen<br />
achten und sich auf dringendere Dinge<br />
konzentrieren. Wie seht ihr das? Wenn ein<br />
Maurer seine Mauer einfach nicht mauern<br />
will, sollte er dann Gehalt bekommen? Und<br />
wie sieht es mit einem Politiker aus, der nicht<br />
Willens ist einem anderen Vertreter des Volkes<br />
sein Gehör zu schenken und das zu tun,<br />
was er verdammt nochmal tun sollte: Kompromisse<br />
im Sinne aller zu finden. Das finde<br />
ich interessanter als <strong>die</strong> königlichen Hupen.<br />
Ich vernahm kein Me<strong>die</strong>necho zur Haushaltsdebatte,<br />
als während der durchaus nicht inhaltslosen<br />
Rede Gregor Gysis, <strong>die</strong> Kollegen<br />
von SPD und Grünen wie <strong>die</strong> Schulkinder<br />
mit dem Rücken zum Redner fröhlich plapperten<br />
oder sich Frau Merkel und ihre pseudo-christlich-demokratischen<br />
Gefolgsleute <strong>die</strong> Nasen auf<br />
dem IPad plattdrücken. Ich vernahm auch keinen<br />
Aufschrei, als Herr Rösler den Armutsbericht einfach<br />
ganz ignorierte. Und weitere Diskussionen<br />
um eine Umverteilung der finanziellen Besitztümer<br />
direkt beenden will. Ist nicht Solidarität ein<br />
Grundpfeiler unserer Republik?<br />
Oh Mist! Eigentlich sollte es doch um <strong>die</strong> Regenbogenpresse<br />
gehen. Naja, <strong>die</strong> interessiert uns Männer halt auch<br />
nicht. Und ganz ehrlich, wenn wir Brüste sehen wollen,<br />
gibt es dazu Hefners Fachliteratur oder <strong>die</strong> Liebste daheim.<br />
Aber psst… hat <strong>die</strong> Pippa echt einen nachmodellierungswürdigen<br />
Hintern? Ich kenne da ne Amerikanerin, <strong>die</strong> eine<br />
wahre Koryphäe auf dem Gebiet der Gesäßformung mittels<br />
Zement und Bausilikon sein soll… das flüsterte mir das<br />
Sommerloch ;)<br />
Oh bitte, wir wissen alle, was jetzt kommt. Bettina<br />
Wulff und der Schlagschatten ihrer nicht existierenden<br />
Rotlichtvergangenheit samt Klage gegen Datenkrake<br />
„Google“. Die versieht nämlich böserweise bei der<br />
„automatischen Suchvervollständigung“ den Namen der<br />
Ex-First Lady mit dem Anhängsel „Prostitution“. Der Klage<br />
anschließen dürfte sich bald auch Ex-Kate Middleton, nowadays<br />
Lady not-to-Di Nummero zwei. Die haben Paparazzi<br />
ja neulich irgendwo in Frankreich halbnackt abgeschossen,<br />
und wer jetzt einfach nur das neuste Chaneljäckchen der<br />
Prinzessin ergooglen will, bekommt nach vier Buchstaben<br />
den Vorschlag „kate middleton oben ohne“. Das ist irgendwie<br />
kontraproduktiv, auch wenn ich mir vorstellen kann,<br />
dass es <strong>die</strong> Panini-Sammelbildchen- Sammler der Welt<br />
schon in den Fingern juckt. Erst Harry, dann Kate, vielleicht<br />
sollte man demnächst mit Camilla weitermachen?<br />
Nachdem eine ganze Zeit lang <strong>die</strong> Männer und ihre Hausarbeiten<br />
dran waren, bombar<strong>die</strong>rt uns das Netz jetzt – obwohl<br />
das Sommerloch<br />
langsam vorbei sein<br />
sollte – mit weiblichen<br />
Körperteilen. Ich<br />
bin mir nicht sicher,<br />
ob ich das noch lange<br />
aushalte, vor allem,<br />
wenn wirklich bald<br />
Camilla drankommt.<br />
Ich überlege schon,<br />
mir demnächst fürs<br />
Googlen Scheuklappen<br />
zu basteln (mit<br />
kleinen Schlitzen, damit<br />
ich auch wirklich<br />
nur das Eingabefeld sehe).<br />
Man unterstellt den Frauen<br />
Er sagt,<br />
Sie sagt<br />
ja immer, sie würden ihre Nase<br />
zu tief in <strong>die</strong> Regenbogenpresse<br />
stecken. Hier scheinen allerdings<br />
eher männliche Nasen zu<br />
zucken, anscheinend so stark,<br />
dass sie nicht merken, wie tief<br />
sie sich mit ihren Aktionen in<br />
<strong>die</strong> Jauchegrube setzen. Auch der Blogger, der der Wulff hinterherschnüffelte,<br />
ist ein Mann. Und wenn mir jetzt ernsthaft<br />
einer erzählen möchte, dass Frauen interessiert, ob<br />
Kate vielleicht ein Tattoo auf den Brüsten…<br />
Für den nächsten Monat wünsche ich mir zwei Sachen:<br />
Das neue Chaneljäckchen von Kate Middleton und ein Bild<br />
vom nackten Hintern von Pippa Middleton. Mein plastischer<br />
Chirurg meinte nämlich, er bräuchte für seine Skizzen<br />
eine genauere Vorlage. #<br />
Von Torben Schmacke & Anna Wandschneider<br />
Foto: SFBart/Flickr<br />
6
Campus<br />
Cover: Making of<br />
Das Titelbild <strong>die</strong>ser Ausgabe entstand<br />
im Tresorraum der Braunschweigischen<br />
Landessparkasse (Filiale am Bürgerpark).<br />
Pia Moreike hat dort vorab für<br />
uns ihr Kreuz gemacht. Die 23-Jährige<br />
<strong>Wahl</strong>-Braunschweigerin stammt aus<br />
Berlin und ist im Küchenfachgeschäft<br />
Magniküche für Planung, Beratung und<br />
Verkauf zuständig.<br />
Foto: Florian Koch
Campus<br />
Daumenkino<br />
Cinemathek, <strong>die</strong> vierte Staffel<br />
Im Universum-Filmtheater in Braunschweig<br />
präsentiert <strong>die</strong> Reihe Cinemathek<br />
wieder Filme, <strong>die</strong> in der Löwenstadt<br />
bisher noch nicht zu sehen<br />
waren. Die Filmreihe wird von Stu<strong>die</strong>renden<br />
der Me<strong>die</strong>nwissenschaften organisiert,<br />
<strong>die</strong> sich zum Filmblog Daumenkino<br />
zusammengeschlossen haben.<br />
Unterstützt werden sie dabei vom Me<strong>die</strong>nwissenschaftler<br />
Florian Krautkrämer,<br />
der das Projekt 2010 angestoßen hat.<br />
Den Anfang macht am 22. Oktober<br />
„This ain’t California“, ein Film über<br />
Skateboardfahrer in der ehemaligen<br />
DDR und ein Geheimtipp der <strong>die</strong>sjährigen<br />
Berlinale. Der Dokumentarfilm<br />
liefert Einblicke in <strong>die</strong> Skaterszene der<br />
DDR in den<br />
80iger Jahren.<br />
Am 3.<br />
D e z e m b e r<br />
geht es mit<br />
„Revision“<br />
von Philip<br />
Scheffner weiter, der für <strong>die</strong> Vorführung<br />
nach Braunschweig kommt. Auch<br />
hier reist der Regisseur dokumentarisch<br />
in <strong>die</strong> Vergangenheit, an <strong>die</strong> deutschpolnische<br />
Grenze in Mecklenburg-Vorpommern,<br />
wo auf einem Getreidefeld<br />
1992 zwei Männer beim Versuch <strong>die</strong><br />
Grenze zu überschreiten von Jägern erschossen<br />
wurden, <strong>die</strong> angeben, sie mit<br />
Wildschweinen verwechselt zu haben.<br />
→daumenkinos.<br />
wordpress.com<br />
Den Abschluss<br />
im Januar<br />
macht „Tabu“<br />
von Miguel Gomes. Ein Spielfilm, der<br />
bei der Berlinale zweifach ausgezeichnet<br />
wurde. Gomes erzählt in seinem<br />
dritten Langfilm <strong>die</strong> Geschichte einer<br />
längst verlorenen, verbotenen Liebe,<br />
eingebettet in <strong>die</strong> Kolonialvergangenheit<br />
Portugals. Weitere Infos zu den<br />
Filmen und Kontaktdaten für an der<br />
Mitarbeit Interessierte gibt es auf dem<br />
Daumenkino-Blog. #<br />
www.konzertkasse.de<br />
Neueröffnung am 1. Oktober<br />
Konzertkasse<br />
Schild 1a<br />
Zur Neueröffnung unserer Filiale<br />
„Schild 1a“ verlosen wir 120 Tickets<br />
zum Beispiel für:<br />
Chinesischer<br />
Nationalcircus<br />
27.01.2013 – 16 Uhr<br />
Stadthalle Braunschweig<br />
Hans Klok<br />
07.03.2013 – 20 Uhr<br />
Stadthalle Braunschweig<br />
Oomph<br />
20.10.2012 – 20 Uhr<br />
Hallenbad Wolfsburg<br />
Mario Barth<br />
15.12.12 – 20 Uhr<br />
Volkswagen Halle<br />
Braunschweig<br />
Cro<br />
28.01.2013 – 19.30 Uhr<br />
Stadthalle Braunschweig<br />
Am Gewinnspiel teilnehmen:<br />
Diese und über 50 weitere Veranstaltungen<br />
aus dem Raum Braunschweig<br />
warten auf Sie! Füllen Sie in der Konzertkasse<br />
Schild 1a bis zum 20.10.12 einen<br />
Gewinncoupon aus und gewinnen Sie.<br />
Die Teilnahme am Gewinnspiel ist unabhängig von einem Einkauf. Eine Gewinnspielteilnahme ist auch auf konzertkasse.de möglich.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Gewinner werden per E-Mail benachrichtigt.
Campus<br />
Bach & Händel 2.0<br />
Sing-along-Projekt Am 8. Dezember 2012<br />
Foto: Threat to Democracy/Flickr<br />
To sing along, heißt zunächst nicht<br />
viel mehr als mitsingen. Mit einem<br />
kleinen Bindestrich dazwischen<br />
wird daraus community singing<br />
– also so eine Art Singen 2.0, das vor<br />
allem vom Mitmachen lebt. Am 8. Dezember<br />
startet in der Hagenmarkt-Kirche<br />
St. Katharinen zum dritten Mal ein<br />
weihnachtliches Sing-along-Projekt. Gesungen<br />
wird das Weihnachtsoratorium<br />
von Johann S. Bach und Händels „Halleluja“<br />
aus dem Messias. Mitmachen kann<br />
jeder, sofern er das Werk schon einmal<br />
gesungen hat und eigene Noten besitzt.<br />
Die Probe beginnt um 15.00 Uhr, <strong>die</strong><br />
Aufführung mit Solisten und dem Kammerorchester<br />
nur zwei Stunden später<br />
um 17.00 Uhr. Einziger Wehrmuts-<br />
tropfen: Auch wer<br />
mitsingt muss 10<br />
Euro Eintritt zahlen.<br />
Und so könnte<br />
sich das Ganze<br />
am Ende anhören:<br />
→y2u.be/dGHmRbyke2A<br />
Anmeldungen nimmt das Büro<br />
des Landeskirchenmusikdirektors<br />
(LKMD@lk-bs.) unter<br />
05331/802-552 bis zum<br />
30. November entgegen.<br />
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einzusteigen: Ob Praktikum, Berufsausbildung,<br />
Studium im Praxisverbund oder ein Einstieg mit<br />
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Das Glück fährt auf<br />
dem Omafiets<br />
Auf den Spuren eines Klassikers<br />
Von Ingo Kasseck & Simon Polatzek<br />
Der Lenker<br />
Stark gebogen und zum Körper geneigt.<br />
Man hält sich entspannt fest ohne sich<br />
abzustützen. Einer der Gründe für das<br />
aufrechte Fahren.<br />
Der Sattel<br />
Extra breit und gut gefedert.<br />
Die Schutzbleche<br />
Immer tief gezogen und typischer<br />
weise hinten Weiß und vorne mit<br />
der kleinen Nase auf dem Blech.<br />
Der Wiegerahmen<br />
Hier fehlt <strong>die</strong> Stange in<br />
der Mitte: Ein bequemer<br />
Einstieg ist garantiert.<br />
Der Kettenkasten<br />
Von beiden Seiten gut<br />
verpackt sorgt er für<br />
sauberes Fahren.<br />
Der Fahrradständer<br />
Massiv und Doppelt: Auch bei<br />
Sturm oder mit vollem Einkauf:<br />
Das Omafiets bleibt stehen.<br />
In einer Welt, in der technischer<br />
Fortschritt allerorts erlebbar ist,<br />
gibt es so Manches, das gegen <strong>die</strong><br />
Zeit zu arbeiten scheint. Zum Beispiel<br />
ein „Nederlandsch Fabrikaat” – das<br />
Hollandrad oder eben Omafiets. Es ist<br />
natürlich nicht so, dass der Fortschritt<br />
nicht auch in der Fahrradindustrie Einzug<br />
halten würde. Ob E-Bikes oder Carbonrahmen<br />
– wer <strong>die</strong> <strong>Wahl</strong> hat, hat<br />
zumindest den Räderwald vor Augen.<br />
Genau dazwischen hält das Hollandrad<br />
seit über hundert Jahren <strong>die</strong> Stellung.<br />
Aber wo kommt es her, was ist dran<br />
und warum wird es gerade heute wieder<br />
gern gefahren? Auf in den Vintage!<br />
Die Antwort auf <strong>die</strong> Frage wo es herkommt,<br />
ist schnell gefunden: aus England.<br />
Im 18ten Jahrhundert wurden<br />
Fahrräder vor allem in England, dann<br />
in Deutschland und Frankreich zusammengeschraubt.<br />
Erst 1869 begann der<br />
Niederländer Hernricus Burgers, Fahrräder<br />
nach englischem Vorbild zu bauen.<br />
Da aber Holland bekanntermaßen<br />
flach ist wie Zeichenpapier und nass<br />
wie nur kleine Länder am Meer nass<br />
sein können, mendelten sich schon<br />
bald einige Besonderheiten heraus. Und<br />
da fragt man am besten einen Experten<br />
– zum Beispiel Herrn Muschinsky von<br />
Zweirad Hahne: „Man bekommt so ein<br />
Rad fast nicht kaputt. Mit einem Gewicht<br />
von rund 25 Kilo sind das natürlich<br />
sehr schwere Räder, dafür gibt es<br />
aber auch eine gute und solide Qualität.<br />
Seit ich hier vor 30 Jahren angefangen<br />
hab, haben sich <strong>die</strong>se Räder eigentlich<br />
nicht verändert. Schutzbleche, Lenker,<br />
Rahmen, der Schutz aus Moleskin; das<br />
ist immer noch so wie früher. Und <strong>die</strong><br />
große Besonderheit ist eben das einzigartige<br />
Fahrgefühl, man sitzt da sehr<br />
aufrecht.“<br />
Das ist wohl auch heute noch ein<br />
Highlight. Während man bei den anderen<br />
Rädern in gebückter Haltung fährt,<br />
um voran zu kommen, dabei vor allem<br />
den Radweg und das Ziel vor Augen hat,<br />
lädt das Omafiets zum erhabenen Fahren.<br />
Bietet Ruhe und Überblick an und<br />
ist ein gutes Verkehrsmittel für alle, <strong>die</strong><br />
Interesse an dem haben, was abseits<br />
des Weges los ist. Der Name Omafietz<br />
kommt, glaubt man belgischen Sprachwissenschaftlern,<br />
aus dem Deutschen.<br />
Hier wurde das Fahrrad nämlich früher<br />
einmal Vize-Pferd genannt. Dieses Vize<br />
wanderte dann als Fietz über <strong>die</strong> Grenze<br />
und gab dem Fahrrad seinen Namen. #<br />
10
Campus<br />
Fotos: Nostalgia, Simon Polatzek<br />
Ina, 21 „Ich komme aus dem westlichen<br />
Münsterland an der Grenze zu Holland, da<br />
sieht man solche Räder überall. Alle meine<br />
Freunde fahren so ein Rad.“<br />
Bea, 15 „Mir gehen <strong>die</strong> Fahrräder<br />
irgendwie immer kaputt.<br />
Jetzt hab ich halt das hier.“<br />
Inga, 22 „Man kann<br />
zwar nicht so schnell<br />
damit fahren, dafür ist<br />
es super gemütlich.“<br />
Nele, 20 „Am Anfang<br />
wollten alle meine<br />
Freunde auf dem<br />
Rad fahren.“<br />
Martin, 32<br />
„Die Dinger sind<br />
unzerstörbar. “<br />
Tarek, 26 „Gut finde ich, dass man<br />
mich damit von weitem hört, da<br />
das Rad überall klappert.<br />
“<br />
Miriam, 25 „Einmal ist bei einem Sturm ein<br />
Baum draufgefallen, eine Weide, glaube ich<br />
– nur ein paar kleine Kratzer.“<br />
11
Campus<br />
Kleine Dinger<br />
mit großer Wirkung!<br />
Der Siegeszug des QR-Codes<br />
Von Janina Kremkow & Frauke Engelhardt<br />
Ach ja, <strong>die</strong>se kleinen schwarz-weißen<br />
Kästchen, <strong>die</strong> man mit dem<br />
Handy scannen kann!" So oder<br />
ähnlich reagieren viele auf <strong>die</strong> Frage<br />
nach den sogenannten QR-Codes. Denn<br />
fast jeder kennt sie – <strong>die</strong> kleinen Pixelquadrate.<br />
Wie aus dem Nichts tauchten<br />
sie auf und sind seitdem überall wieder<br />
zu finden. Ob als Reklametafeln<br />
auf dem Bus, in Infobroschüren von<br />
Messeständen, auf Verpackungen von<br />
Produkten oder der Geburtstagskarte<br />
eines Freundes – stets wartet ein QR-<br />
Code darauf gescannt zu werden. Doch<br />
wo kommt <strong>die</strong>se praktische Erfindung<br />
überhaupt her und wie genau funktioniert<br />
der QR-Code eigentlich?<br />
Der eine oder andere hat es wahrscheinlich<br />
schon vermutet. Der Ursprung<br />
des quadratischen Barcodes<br />
liegt nicht in Europa. Genau genommen<br />
wurde der „Quick Response“-Code<br />
(„schnelle Antwort“) von dem japanischen<br />
Unternehmen Denso Wave für<br />
den Automobilkonzern Toyota entwickelt.<br />
Er <strong>die</strong>nte einer sicheren Identifikation<br />
von Baukomponenten für <strong>die</strong><br />
Logistik. Das erstaunliche daran – der<br />
QR-Code erblickte bereits im Jahr 1994,<br />
also schon vor fast 20 Jahren das Licht<br />
der Welt.<br />
In Deutschland wurde der erste QR-<br />
Code im Herbst 2007 der breiten Öf-<br />
Fotos: Janina Kremkow<br />
12
Campus<br />
fentlichkeit präsentiert. Als Titelbild<br />
des Spex-Magazin für Popkultur sorgte<br />
er für fragende Blicke. Hier wurde der<br />
Code auch zum ersten Mal als „Zeichen<br />
unserer Zeit“ benannt. Einen Monat<br />
später führte <strong>die</strong> Welt kompakt als erstes<br />
den QR-Code als weitere Informationsquelle<br />
zu den Artikeln ein.<br />
Die grundsätzliche Idee des QR-Codes<br />
ist es, den Menschen auf schnelle und<br />
einfache Weise Informationen zu vermitteln.<br />
Die Matrix des 2D-Codes besteht<br />
aus vielen einzelnen Punkten und<br />
Linien, <strong>die</strong> ko<strong>die</strong>rte Informationen beinhalten.<br />
Insgesamt können in einem<br />
Code bis zu 4200 Zahlen, Buchstaben<br />
oder Sonderzeichen verschlüsselt werden.<br />
Als sichernde Orientierungspunkte<br />
zum Einscannen <strong>die</strong>nen <strong>die</strong> drei Quadrate<br />
an den Ecken der Codes. Dank der<br />
hohen Fehlerkompensationsrate können<br />
sie sogar gelesen werden, wenn<br />
ihre Muster nur noch bis zu 70 Prozent<br />
lesbar sind. Das klassische Aussehen der<br />
QR-Codes lässt sich heute durch farbliche<br />
Veränderungen, integrierte Logos<br />
und Bilder individualisieren.<br />
Zum Scannen der Codes benötigt<br />
man nur ein Smartphone mit Kamera<br />
und eine der vielen existierenden<br />
Apps, <strong>die</strong> den QR-Code einlesen. Auf<br />
<strong>die</strong>se Weise werden <strong>die</strong> versteckten<br />
Informationen, <strong>die</strong> im Code enthalten<br />
sind deko<strong>die</strong>rt und der Inhalt auf<br />
dem Smartphone angezeigt. Dieser als<br />
Mobile Tagging bekannt gewordene<br />
Prozess findet immer mehr begeisterte<br />
Anhänger. Der Siegeszug der QR-Codes<br />
ist damit nicht zuletzt dem Boom des<br />
Smartphones zu verdanken. Wer selbst<br />
einen QR-Code erstellen möchte kann<br />
<strong>die</strong>s ganz einfach tun. QR-Code-Generatoren<br />
werden auf diversen Internetseiten<br />
angeboten. Das Beste hierbei ist,<br />
sowohl das Einscannen als auch das Erstellen<br />
der Codes ist kostenfrei.<br />
Bei all den Vorzügen des QR-Codes ist<br />
an <strong>die</strong>ser Stelle jedoch auch eine kleine<br />
Warnung angebracht. Vor allem <strong>die</strong> Tatsache,<br />
dass man nicht im Voraus sehen<br />
kann, welche Informationen sich hinter<br />
einem Code verstecken und auf welche<br />
Internetseite er verweist, lässt auch kritische<br />
Stimmen immer lauter werden.<br />
So funktionierts: Barcode-<br />
App herunterladen, mit der<br />
Handykamera einscannen…<br />
und voilà – öffnet sich <strong>die</strong><br />
Internetseite…<br />
Im Geburtsland des Codes treibt er<br />
für europäische Augen vielleicht wundersame<br />
Blüten: Das Bestattungsunternehmen<br />
Ishino Koe bietet etwa buddhistische<br />
Gräber mit QR-Code an. Beim<br />
Deko<strong>die</strong>ren landet man dann direkt auf<br />
einem Server, auf dem <strong>die</strong> Hinterbliebenen<br />
Fotos des Verstorbenen oder schriftliche<br />
Erinnerungen hinterlegt haben.<br />
Die südkoreanische Supermarktkette<br />
Tesco hat Supermarktregale in Form<br />
von Plakaten in U-Bahnen aufgehängt,<br />
<strong>die</strong> eine vergleichbare Auswahl wie <strong>die</strong><br />
realen Einkaufsregale aufweisen. Unter<br />
den virtuellen Produkten befindet sich<br />
neben dem Preis auch ein QR-Code, der<br />
einfach mit dem Smartphone gescannt<br />
werden kann. Die Bestellung wird dann<br />
direkt an einen Lieferservice übermittelt,<br />
der <strong>die</strong> Waren noch am selben Tag<br />
nach Hause liefert. Ganz so bunt, wollen<br />
wir es nicht treiben,<br />
aber <strong>die</strong> Codes<br />
ab jetzt auch bei studi38<br />
einsetzen. Wie<br />
findet ihr das?<br />
→facebook.de/studi38<br />
Impressum<br />
Herausgeber: Braunschweiger<br />
Zeitungsverlag GmbH & Co KG<br />
Hamburger Straße 277, 38114 Braunschweig<br />
Telefon: (0531) 39 00-0<br />
Telefax: (0531) 39 00-610<br />
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www.braunschweiger-zeitungsverlag.de<br />
Persönlich haftender Gesellschafter:<br />
Verwaltungsgesellschaft Braunschweiger<br />
Zeitungsverlags GmbH<br />
Geschäftsführer: Harald <strong>Wahl</strong>s<br />
Registergericht: Amtsgericht<br />
Braunschweig, HRA 6991<br />
Ust.-Ident.-Nr.: DE 114 88 11 13<br />
Die redaktionellen Inhalte <strong>die</strong>ser<br />
Ausgabe sind das Ergebnis eines<br />
Projektseminars der Abteilung<br />
Me<strong>die</strong>nwissenschaften der<br />
Technischen Universität Braunschweig<br />
Redaktionsleitung: Holger Isermann<br />
(TU Braunschweig) V. i. S. d. P.<br />
Redaktion: Frauke Engelhardt,<br />
Senem Göcmen, Lisa Habelt, Katrin Haßler,<br />
Tom Howey, Holger Isermann, Ingo Kasseck,<br />
Janina Kremkow, Ninja Kruschewski,<br />
Marina Müller, Nelly Peters,<br />
Simon Polatzek, Torben Schmacke,<br />
Desiree Schober, Robert Schulz,<br />
Laura Trommer, Anna Wandschneider,<br />
Christina Westing, Christina Zais<br />
Adresse: TU Braunschweig,<br />
Abteilung Me<strong>die</strong>nwissenschaften<br />
Bienroder Weg 97, 38106 Braunschweig<br />
Telefon: (0531) 391-8961<br />
Telefax: (0531) 391-8963<br />
E-Mail: redaktion@studi38.de<br />
www.tu-braunschweig.de/<br />
me<strong>die</strong>nwissenschaften<br />
Titelfoto: Florian Koch<br />
Model: Pia Moreike<br />
Objektleitung: Daniela Waltemathe<br />
Anzeigen: Michael Heuchert<br />
(verantwortlich)<br />
Vertrieb: Braunschweiger Zeitungsverlag<br />
Druck: braunschweig-druck GmbH, Ernst-<br />
Böhme-Str. 20, 38112 Braunschweig<br />
Auflage: ca. 10.000 Exemplare<br />
© Braunschweiger Zeitungsverlag 2012<br />
Das Projekt studi38 wird freundlich<br />
unterstützt durch<br />
13
Campus<br />
WG-Recht kompakt<br />
Was man darf, kann und lieber lassen sollte<br />
Von Torben Schmacke<br />
Wie jeden Winter fallen <strong>die</strong><br />
Erstsemesterhorden in <strong>die</strong><br />
Stadt ein und verlangen ein<br />
Dach über ihren Kopf zu bekommen.<br />
Als Stu<strong>die</strong>render mit knappem Budget<br />
liegt es da natürlich nah, eine WG zu<br />
gründen. So kann man sparen und sich<br />
den zurzeit so knappen Wohnraum tei-<br />
len. Endlich ist eine schöne Wohnung<br />
mit annehmbaren Mietkosten gefunden.<br />
Die Endorphingeladene Hand kritzelt<br />
zittrig <strong>die</strong> Unterschrift auf den viel<br />
zu kurz überflogenen Mietvertrag.<br />
Hier beginnt das Unheil. Es mag Verträge<br />
geben, <strong>die</strong> man mehr oder weniger<br />
ungelesen unterschreiben kann.<br />
Der Mietvertrag zählt definitiv nicht<br />
dazu. Lest ihn und entscheidet bewusst,<br />
auf welchem Fundament ihr eure<br />
WG gründen wollt. Ihr könntet euch<br />
zum Beispiel alle als gleichberechtigte<br />
Mitmieter in den Vertrag schreiben lassen.<br />
Hier gilt, wenn es nicht gesondert<br />
geregelt wird, jeder haftet für alle. Läuft<br />
eine Mietschuld auf, könnte sich in <strong>die</strong>sem<br />
Fall euer Vermieter einen beliebigen<br />
Mitmieter rauspicken und von <strong>die</strong>sem<br />
<strong>die</strong> Tilgung der gesamten Schulden<br />
verlangen. Ein weiterer Nachteil: Möchte<br />
ein Bewohner den Mietvertrag kündigen,<br />
müssen auch <strong>die</strong> Verbliebenen<br />
kündigen und einen neuen Vertrag mit<br />
dem Vermieter aushandeln. Dies birgt<br />
<strong>die</strong> Gefahr, dass ein entnervter Wohnungseigentümer<br />
leicht <strong>die</strong> gesamte<br />
WG loswerden kann.<br />
Vielleicht wäre es also ratsam eine andere<br />
Variante des gemeinsamen Wohnens<br />
anzustreben. Einer könnte sich als<br />
Hauptmieter eintragen lassen. Ihm obliegt<br />
dann <strong>die</strong> gesamte Verantwortung<br />
dem Vermieter gegenüber, allerdings<br />
hat auch nur der Hauptmieter ein juristisches<br />
Mitspracherecht bei Entscheidungen<br />
<strong>die</strong> Wohnung betreffend. Er<br />
vermietet dann selbst <strong>die</strong> ungenutzten<br />
Zimmer an <strong>die</strong> Untermieter. Auf Kosten<br />
des Mitspracherechtes entfällt aber<br />
auch ein Großteil der Verantwortung<br />
gegenüber dem Wohnungseigentümer.<br />
Das Ein- und Ausziehen von neuen Untermietern<br />
kann hier ungehindert vom<br />
Eigentümer geschehen. Erst <strong>die</strong> Kündigung<br />
des Hauptmieters beendet das ei-<br />
Foto: Torben Schmacke<br />
14
Campus<br />
gentliche Mietverhältnis. Übrigens ist<br />
<strong>die</strong> Höhe der Untermiete nicht an <strong>die</strong><br />
Höhe der Gesamtmiete gekoppelt.<br />
Egal für welche WG-Variante ihr euch<br />
am Ende entscheidet, eines solltet ihr in<br />
jedem Fall aufstellen: Eine Hausordnung.<br />
Sie regelt das WG-interne Zusammenleben.<br />
Gesetzlich dürfen z.B. gemeinsam<br />
genutzte Zimmer nur im Sinne ihres<br />
Zweckes genutzt werden. Ein Flur gilt<br />
als <strong>Du</strong>rchgangszimmer und sollte eigentlich<br />
nicht als Stauraum für all das<br />
<strong>die</strong>nen, was ihr nicht in euren Privatgemächern<br />
haben wollt. Mit einer Hausordnung<br />
könnt ihr da eigene Regeln<br />
festlegen, <strong>die</strong> es euch beispielsweise erlauben,<br />
den Wäscheständer in den Flur<br />
zu stellen. So verhindert man viele Querelen,<br />
<strong>die</strong> beim gemeinsamen Wohnen<br />
auftreten können.<br />
Was eine Hausordnung nicht regeln<br />
kann sind Verhaltensweisen, <strong>die</strong> deutlich<br />
über <strong>die</strong> Stränge schlagen. Den<br />
Joghurt der Mitbewohnerin aus dem<br />
Kühlschrank zu klauen ist auch in der<br />
WG ein Diebstahl. Wer ohne Erlaubnis<br />
in <strong>die</strong> privaten Zimmer der Mitbewohner<br />
geht begeht Hausfriedensbruch.<br />
Also haltet es wie Kant achtet <strong>die</strong> Freiheiten<br />
eurer Nächsten, wie <strong>die</strong> eigenen.<br />
Meist sind es jedoch nicht <strong>die</strong> Mitbewohner,<br />
<strong>die</strong> einem <strong>die</strong> Sorgenfalten ins<br />
Gesicht bügeln, sondern <strong>die</strong> Nachbarn.<br />
Die Musik ist zu laut, <strong>die</strong> Partygäste sind<br />
zu laut, euer Liebesspiel ist zu laut! Oder<br />
ihr fühlt euch vom Babygeschrei aus der<br />
Nachbarwohnung ausgerechnet während<br />
der Lernphase für <strong>die</strong> nächste Klausur<br />
belästigt. Im Letzteren Fall müsst<br />
ihr jedoch eine ganze Menge ertragen<br />
können. Babys sind laut und das weiß<br />
und akzeptiert auch der Gesetzgeber. In<br />
den anderen Fällen kommt es zunächst<br />
auf <strong>die</strong> Häufigkeit der Lärmbelästigungen<br />
an. In Einzelfällen spricht man von<br />
Ruhestörung, dafür ist <strong>die</strong> Polizei zuständig.<br />
Ist es aber sehr häufig zu laut<br />
spricht man von einer regelmäßigen<br />
Lärmbelästigung. Der Geschädigte sollte<br />
hierbei ein sogenanntes Lärmprotokoll<br />
anfertigen, in dem festgehalten<br />
wird, wann welche Lärmbelästigung<br />
auftrat. In einem solchen Fall liegt ein<br />
Grund für eine Mietminderung vor. Es<br />
empfiehlt sich hier vorsichtig zu kürzen,<br />
denn ab einem ausstehenden Betrag<br />
von drei Monatsmieten bekommt<br />
der Vermieter ein fristloses Sonderkündigungsrecht,<br />
welches jedoch mit der<br />
Tilgung auch sofort wieder verfällt. Pauschal<br />
sind 10 Prozent Mietminderung<br />
schon sehr viel. Am Ende muss der Geschädigte<br />
dem Vermieter <strong>die</strong> Lärmbelästigung<br />
nachweisen. Ein weiteres probates<br />
Mittel auf Missstände hinzuweisen<br />
ist das Zurückbehaltungsrecht. Weigert<br />
sich der Vermieter beispielsweise<br />
Schimmel entfernen zu lassen, kann<br />
man etwas Druck ausüben, indem man<br />
den Teil der Miete einbehält, den <strong>die</strong> Beseitigung<br />
des Mangels kosten würde. Ist<br />
der Vermieter dann einsichtig, müsst<br />
ihr im Gegensatz zur Mietminderung<br />
nachzahlen. Beides kann aber durchaus<br />
parallel genutzt werden.<br />
Bei der Schimmelfrage verweisen Vermieter<br />
übrigens nur allzu gerne auf euer<br />
mangelndes Lüftungsverhalten, das muss<br />
er aber mit einem Gutachten nachweisen.<br />
Zwei weitere Themen führen<br />
häufig zu Streitereien. Mieterhöhungen<br />
im Zuge von Modernisierung und Renovierungsarbeiten.<br />
Alles was den Vermietungswert<br />
der Wohnung erhöht,<br />
muss der Mieter dulden. Es steht ihm<br />
jedoch frei von einem dann einsetzenden<br />
Sonderkündigungsrecht Gebrauch<br />
zu machen. Renovierungsarbeiten sind juristisch<br />
Aufgabe des Vermieters, auch<br />
wenn Mietverträge das oft auf legitime<br />
Weise anders regeln. Trotzdem lohnt<br />
sich vor einem Auszug oft ein genauerer<br />
Blick in <strong>die</strong> Klauseln, da <strong>die</strong>se häufig<br />
falsch formuliert und damit unwirksam<br />
sind. Pauschale festgesetzte Renovierungspflichten<br />
ohne Zeitangaben fallen<br />
beispielsweise darunter.<br />
Seid ihr euch in rechtlichen Fragen<br />
unsicher, lohnt der Besuch eines Anwaltes.<br />
Wer wenig Geld zur Verfügung<br />
hat, gilt gesetzlich als Bedürftiger und<br />
kann eine Beratungshilfe beantragen. So<br />
kostet der Besuch beim Anwalt nur eine<br />
Selbstbeteiligung von 10 Euro. Die nötigen<br />
Unterlagen haben <strong>die</strong> Kanzleien<br />
normalerweise bei sich hinterlegt. So<br />
kommt ihr ohne finanziellen Ruin zu<br />
eurem Recht. #<br />
Dialog<br />
Unsere Leserin Lisa<br />
Krusche schrieb uns<br />
von ihrer verzweifelten<br />
Wohnungssuche. Habt<br />
ihr ähnliche Erfahrungen<br />
gemacht? Dann meldet euch,<br />
und wir greifen das Thema in<br />
der nächsten Ausgabe auf …<br />
Liebes Braunschweig,<br />
ich<br />
hatte dich immer<br />
gern. Ehrlich. Wir<br />
sind gut klargekommen<br />
miteinander,<br />
in den<br />
zwei Jahren in denen ich schon hier<br />
wohne. Aber jetzt droht unsere Beziehung<br />
zu scheitern, <strong>die</strong> junge Liebe in<br />
Hass zu kippen. Liebes Braunschweig,<br />
ich will doch nur eine Wohnung. Aber<br />
das kannst du mir nicht geben. <strong>Du</strong><br />
bist nicht mal zu einem Kompromiss<br />
bereit. Stattdessen zeigst du mir <strong>die</strong><br />
kalte Schulter - und schlimmer noch<br />
flirtest vor meinen Augen ganz unverblümt<br />
mit anderen. Für mich <strong>hast</strong> du,<br />
seit ich <strong>die</strong>sen Wunsch äußerte, nur<br />
Verachtung über. Die du auch offen<br />
zum Ausdruck bringst. "Dreckig, laut,<br />
unzuverlässig. dauerpleite und mit einer<br />
latenten Zerstörungswut behaftet."<br />
So was wirfst du mir und meinen<br />
Mitsuchenden an den Kopf. Warum?<br />
Weil wir Studenten sind. Und anscheinend<br />
<strong>hast</strong> du nicht viel übrig für<br />
<strong>die</strong>sen Teil der Gesellschaft. Jedenfalls<br />
keine Wohnungen. Wir sind vier. Vier<br />
Studenten. Wir kennen uns schon länger,<br />
als wir beide uns kennen, Braunschweig,<br />
wir wissen, dass wir miteinander<br />
wohnen können. Zwei von uns<br />
arbeiten nebenher bei der VW Bank...<br />
… weiter<br />
gehts unter<br />
→is.gd/LisaK<br />
15
Campus<br />
Fotos: Amrei-Marie/Wikipedia, Saad Akhtar<br />
„Ich finde kaum<br />
Ruhe zum Schreiben“<br />
Liao Yiwu ist vor allem seit der Auszeichnung mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels wieder in den<br />
Fokus deutscher Me<strong>die</strong>n gerückt. 1989 wurde er durch sein Gedicht „Massaker“ über das Blutbad auf dem Platz des<br />
himmlischen Friedens international bekannt. Er saß im Gefängnis, wurde gefoltert, dann auf internationalen Druck<br />
entlassen. Seit 2010 lebt Liao Yiwu in Deutschland und war im Rahmen der Vortragsreihe „Gegenwarts-Bildung – The<br />
President’s Choice“ zu Gast an der HBK Braunschweig. Seine Frau, <strong>die</strong> Vorsitzende des unabhängigen chinesischen<br />
PEN, Tienchi Martin-Liao, hat für ihn aus dem Chinesischen übersetzt.<br />
Von Anna Wandschneider<br />
16
Campus<br />
Welchen Stellenwert hatte Literatur in ihrer<br />
Familie?<br />
Mein Vater hat mich schon als ich ein kleiner<br />
Junge war, an <strong>die</strong> klassische chinesische Lyrik<br />
herangeführt. Ich gebe allerdings zu, dass ich<br />
sie kaum verstanden habe. Außerdem war<br />
mein Vater ein strenger Mann und der Unterricht<br />
mit ihm hat mir keinen großen Spaß gemacht.<br />
Mit moderner, westlicher Literatur bin<br />
ich das erste Mal in den achtziger Jahren in<br />
Berührung gekommen. Die Volksrepublik China<br />
befand sich damals in einer Phase der Öffnung<br />
gegenüber der westlichen Kultur. Mein<br />
Lieblingsbuch war damals „On the Road“ von<br />
Jack Kerouac. Die Freiheit, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sen Zeilen<br />
steckte, schien mir damals grenzenlos.<br />
Wann haben Sie sich zum ersten Mal tatsächlich<br />
ans Schreiben gewagt?<br />
Wiederum durch <strong>die</strong> Erziehung meines Vaters<br />
habe ich schon als Kind mit dem Schreiben<br />
klassischer chinesischer Lyrik angefangen.<br />
Mein erstes eigenes "Gedicht" habe ich aber<br />
in der Mittelschule geschrieben. Rückblickend<br />
betrachtet, war es gar nichts besonderes: Es<br />
handelte von einem Räuber, der ein junges<br />
Mädchen entführte. Im Laufe der Zeit entwickelte<br />
<strong>die</strong>ser Räuber aber einen tiefen Respekt<br />
vor der Tugend des Mädchens und ließ<br />
es schließlich frei.<br />
Die Aufmerksamkeit der Regierung erlangten<br />
Sie das erste Mal mit einem Gedicht<br />
über das Massaker auf dem Platz des<br />
himmlischen Friedens. Allerdings haben<br />
Sie das Gedicht einen Tag vor dem tatsächlichen<br />
Massaker geschrieben. Wie konnten<br />
Sie ahnen, was passieren würde?<br />
Es lag in der Luft. Die Demonstrationen haben<br />
ja nicht erst am vierten Juni angefangen,<br />
es brodelte schon Wochen vorher. Die ersten<br />
Tage im Juni fühlten wir uns alle, als würden<br />
wir auf eine Hinrichtung warten. Überall<br />
waren Menschen, überall waren Soldaten.<br />
Am dritten Juni bin ich mit dem Gefühl aufgewacht,<br />
dass ein Massaker unausweichlich ist.<br />
Das saß mir wie ein Stich im Kopf, den ich<br />
nicht mehr los wurde. Ich musste mich hinsetzen<br />
und mir <strong>die</strong>se Angst, <strong>die</strong> gleichzeitig eine<br />
Gewissheit war, von der Seele schreiben. Also<br />
habe ich das Gedicht geschrieben, ohne Pause,<br />
in einem Stück. Am nächsten Tag erfuhr ich<br />
durch <strong>die</strong> BBC, was geschehen war.<br />
Haben Sie glauben können, was Sie da im<br />
Fernsehen sahen?<br />
Ich habe es sofort geglaubt. Dieser Bericht war<br />
so…echt, nicht etwa unwirklich, wie man das<br />
vielleicht erwarten würde. Es war, als ob man<br />
direkt neben dem Reporter stehen würde,<br />
man hörte <strong>die</strong> Schüsse, <strong>die</strong> Sirenen von Krankenwagen…<br />
Ich habe nach einer Weile umgeschaltet,<br />
weil ich wissen wollte, was das chinesische<br />
Fernsehen dazu sagte. Dort erfuhr ich<br />
nur, dass der Ausnahmezustand ausgerufen<br />
wurde, und das bei Krawallen „ein paar Leute<br />
verletzt“ worden sein. Aber jeder kannte <strong>die</strong><br />
Wahrheit.<br />
Das jeder <strong>die</strong> Wahrheit kannte, lag nicht<br />
zuletzt an den ausländischen Me<strong>die</strong>n. Sind<br />
Sie mit deren Berichterstattung zufrieden?<br />
Das variiert. Gerade in Deutschland gefällt<br />
mir <strong>die</strong> Berichterstattung überregionaler Zeitungen<br />
wie der Süddeutschen Zeitung sehr<br />
gut. Viele US-Amerikanische Me<strong>die</strong>n berichten<br />
mir im Gegensatz dazu zu holzschnittartig.<br />
Warum erheben sich nicht mehr Chinesen<br />
gegen <strong>die</strong> Regierung?<br />
Die Volksrepublik China ist eine Mafiagesellschaft.<br />
Ein Menschenleben ist da nicht viel<br />
wert, im Gegenteil - Die Regierung behandelt<br />
Menschen wie wertlose Dinge. Viele Leute<br />
schweigen, weil sie nicht auffallen wollen und<br />
sich nicht in Gefahr bringen wollen. Sie sehen<br />
ja, was mit den Sprachrohren des Widerstandes<br />
passiert. Wang Xiaoning steht wieder<br />
einmal unter Hausarrest. Andere, ohne seine<br />
Popularität im Ausland, verschwinden in<br />
dunklen Löchern. Manche von ihnen tauchen<br />
nie wieder auf, andere sterben unter mysteriösen<br />
Umständen. Ein Freund von mir ist erst<br />
vor wenigen Monaten in einem chinesischen<br />
Gefängnis totgeprügelt worden. Angeblich<br />
waren es Mithäftlinge.<br />
Dazu kommt, dass ein Großteil der Gesellschaft<br />
abgestumpft ist. Die Machtkämpfe<br />
werden nicht auf der Straße, sondern in den<br />
Parteizentralen ausgetragen. Ab und an, wie<br />
jetzt, zum 23. Jahrestag des Tian’anmen-Massakers,<br />
kocht <strong>die</strong> Stimmung kurzzeitig hoch.<br />
Aber warum braucht es dazu einen Jahrestag?<br />
Das sind leider nur kontrollierte Entladungen,<br />
kleine Protestchen, <strong>die</strong> ebenso schnell<br />
wieder einschlafen werden, wie sie aufgekommen<br />
sind.<br />
Sie schreiben keine fiktiven Romane, sondern<br />
eher Reportagen über das Leben der<br />
einfachen Menschen in China – schaffen<br />
Sie es fernab der Heimat überhaupt noch,<br />
zu schreiben?<br />
Ich habe noch eine Menge Material vorrätig.<br />
Gerade schreibe ich zum Beispiel an einem<br />
Buch über den 4. Juni. Allerdings finde<br />
ich durch meine Auftritte immer weniger Zeit<br />
und Ruhe zum Schreiben. Außerdem sorge ich<br />
mich um <strong>die</strong> Menschen, <strong>die</strong> ich in China zurückgelassen<br />
habe. Mein Leben „in Sicherheit“<br />
kann ich deshalb nicht genießen. Wie könnte<br />
ich unbeschwert leben, während meine Freunde<br />
in China weiter unter Verfolgung und Schikanen<br />
zu leiden haben? #<br />
Der Platz (vor dem Tor) des himmlischen Friedens oder auch Tian'anmen-Platz liegt im Zentrum Pekings<br />
und gilt als einer der größten befestigten Plätze der Welt. Im Rahmen<br />
17<br />
der ursprünglich studentischen Demokratiebewegung<br />
im Sommer 1989 wurde er von Demonstranten besetzt. Das chinesische Militär schlug<br />
den Aufstand schließlich gewaltsam nieder und räumte den Tian'anmen-Platz am 4. Juni mit Panzern. Das<br />
Bild des so genannten „Tank Man“ ging um <strong>die</strong> Welt. →http://en.wikipedia.org/wiki/Tank_Man
Campus<br />
„Schön, intensiv<br />
und verrückt …“<br />
Die Serie geht weiter: Ausländische Stu<strong>die</strong>rende erzählen in Briefen wie es ihnen in Braunschweig ergeht. In <strong>die</strong>ser<br />
Ausgabe berichtet <strong>die</strong> 20-Jährige Roxana <strong>Du</strong>mitru aus Rumänien, warum sie in Braunschweig ein neues Leben<br />
angefangen hat und sich dazugehörig fühlt. Sie ist seit 2011 in der Löwenstadt und stu<strong>die</strong>rt an der TU Architektur.<br />
Von Ingo Kasseck & Simon Polatzek<br />
Foto: Simon Polatzek<br />
18
Ausstrahlung<br />
am 19.11.<br />
um 18 Uhr<br />
auf studi38.tv<br />
und TV38<br />
Deine Diskussionsrunde<br />
Campus Talk<br />
Stu<strong>die</strong>ngebühren – du <strong>hast</strong> <strong>die</strong> <strong>Wahl</strong>?<br />
Diskutiere mit Experten live am 8.11. um 18 Uhr<br />
Richard-Wagner-Str. 1-2 in Braunschweig!<br />
Schick uns deine Fragen<br />
bitte vorab an<br />
→ studi38@bzv.de<br />
Weitere Infos unter<br />
Tel.: 0531/39 00 193<br />
→ www.studi38.de
Campus<br />
Mach<br />
mit beim<br />
Campus<br />
Talk<br />
(Seite 19)<br />
20
Campus<br />
<strong>Du</strong> <strong>hast</strong> <strong>die</strong> <strong>Wahl</strong>!<br />
Das Kreuz mit den Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
Am 20. Januar sind Landtagswahlen in Niedersachsen. Mit der<br />
Zusammensetzung des Parlaments entscheidet sich wohl auch <strong>die</strong> Zukunft<br />
der Stu<strong>die</strong>ngebühren. Denn während <strong>die</strong> Regierungsparteien an ihnen<br />
festhalten wollen, plant <strong>die</strong> Opposition den Rotstift anzusetzen. Argumente<br />
für und gegen Stu<strong>die</strong>ngebühren gibt es viele. studi38 hat sie für euch<br />
zusammengetragen und hiesige Politiker nach ihren Positionen befragt.<br />
Von Simon Polatzek & Holger Isermann<br />
Viele von euch kennen es gar<br />
nicht mehr anders: Ein Semester<br />
Studium kostet 500 Euro (+<br />
Semestergebühr + Lebenshaltungskosten).<br />
Doch es ist noch gar nicht so lange<br />
her, da blies Niedersachsens Wissenschaftsminister<br />
Lutz Stratmann in<br />
Braunschweig der studentische Gegenwind<br />
so stark ins Gesicht, dass er seinen<br />
Besuch auf Anraten der Polizei kurzfristig<br />
abbrach. Wenig später beschloss<br />
Niedersachsen im Dezember 2005 als<br />
erstes Bundesland <strong>die</strong> Einführung von<br />
Stu<strong>die</strong>ngebühren für das Erststudium<br />
und hält neben Bayern bis heute an der<br />
Idee fest, <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden an den Kosten<br />
ihrer Ausbildung zu beteiligen. Es<br />
gibt zahlreiche Argumente für und gegen<br />
<strong>die</strong>sen Schritt. Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
sind ein weiterer Tiefschlag für <strong>die</strong> ohnehin<br />
angeschlagene Bildungsgerechtigkeit,<br />
sagen <strong>die</strong> einen – und zitieren<br />
gern eine Stu<strong>die</strong> der Hochschul-informations-system<br />
GmbH (HIS) aus dem<br />
Jahr 2009. Die Hannoveraner Bildungsforscher<br />
haben herausgefunden, dass<br />
im Jahr 2006 zwischen 6000 und 18000<br />
Abiturienten aufgrund der Stu<strong>die</strong>nge-<br />
Politik-<br />
Check<br />
Wer steht bei der kommenden<br />
<strong>Wahl</strong> für welche Position?<br />
studi38 hat für euch Vertreter der<br />
Parteien zu den Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
befragt. Die Antworten findet ihr<br />
in den grauen Kästen...<br />
Fotos: Florian Koch, Ralf ter Veer<br />
Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
Aus 7 mach 2: Nur noch Bayern<br />
und Niedersachsen halten an den<br />
Stu<strong>die</strong>ngebühren fest<br />
2007/2008 2012/2013<br />
Harald Kibbat,<br />
Vorsitzender des<br />
Stadtverbands der<br />
Piratenpartei Braunschweig sagte<br />
studi38 zu <strong>die</strong>sem Thema: “<strong>die</strong><br />
Piratenpartei hat sich im seit 2006<br />
kontinuierlich erweiterten Grundsatzprogramm<br />
unter Punkt 14<br />
eindeutig für den freien Zugang zu<br />
Wissen und Information ausgesprochen,<br />
Zitat: "Bildungsgebühren<br />
jeglicher Art schränken den Zugang<br />
zu Bildung ein und sind deshalb<br />
kategorisch abzulehnen". Ich für<br />
meinen Teil als Direktkandidat sehe<br />
da wenig Spielraum hinsichtlich<br />
Koalitionsverhandlungen, andererseits<br />
gibt es hinsichtlich etwaiger<br />
Koalitionsverhandlungen noch<br />
keine gefestigte Parteiaussage.“<br />
21
Campus<br />
Christos Pantazis<br />
von der SPD in<br />
Braunschweig ist sich<br />
sicher dass er mit den Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
damals nicht hätte stu<strong>die</strong>ren<br />
gehen können: „Ich selbst<br />
komme aus einem klassischen<br />
Arbeitermilieu“. Er sieht es als<br />
zentrales <strong>Wahl</strong>kampfthema der<br />
SPD an, <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
abzuschaffen: „Alle anderen<br />
Bundesländer bis auf Bayern und<br />
Niedersachsen haben <strong>die</strong> Gebühren<br />
schon abgeschafft. Es wird Zeit das<br />
in Niedersachsen wieder Normalität<br />
einkehrt.“ Kompromisse zu <strong>die</strong>sem<br />
Thema wird es seiner Ansicht nach<br />
nicht geben. “Ich sehe eine klare<br />
Mehrheit im Landtag gegen <strong>die</strong><br />
Stu<strong>die</strong>ngebühren, da werden wir<br />
keine Kompromisse eingehen<br />
müssen.“ Und weiter: „Der aktuelle<br />
Kurs der CDU fördert sowohl auf<br />
Ebene der Universitäten als auch<br />
der Studenten Eliten. Das halte ich<br />
für falsch. Es ist klar nachweisbar,<br />
dass <strong>die</strong> Schere zwischen Arm und<br />
Reich immer weiter auseinander<br />
driftet. Eine Hochschulpolitik, <strong>die</strong><br />
Stu<strong>die</strong>ngebühren befürwortet gießt<br />
da Öl in Feuer. Wer Hochschulen zu<br />
Eliteunis machen will muss sich<br />
auch an den Fördersummen<br />
orientieren, <strong>die</strong> andere Staaten<br />
ihren Universitäten zur Verfügung<br />
stellen. Das kann nicht auf Kosten<br />
der Stu<strong>die</strong>renden geschehen. Kluge<br />
Köpfe sollten <strong>die</strong> Möglichkeit<br />
bekommen sich zu bilden, ohne<br />
sich bis über beide Ohren zu<br />
verschulden.“<br />
bühren kein Studium<br />
aufgenommen haben.<br />
Das Wissenschaftszentrum<br />
Berlin für Sozialforschung<br />
(WZB) bezweifelt<br />
das Ergebnis und hat im<br />
letzten Jahr eine Stu<strong>die</strong><br />
vorgelegt, <strong>die</strong> bei den<br />
Gebührenzahlern positive<br />
Erwartungen ausmacht<br />
– ihr Argument:<br />
Wer Gebühren zahlt erwartet<br />
auch eine Verbesserung<br />
des Studiums.<br />
Damit würden bestehende<br />
Zweifel aufgehoben.<br />
Eine Verbesserung<br />
der Qualität von Lehre<br />
und Ausstattung ist auch<br />
das Hauptargument der<br />
Gebührenbefürworter.<br />
Wer <strong>die</strong>se Rechnung aufmacht<br />
sollte aber nicht<br />
verschweigen, dass <strong>die</strong><br />
hiesige Landesregierung<br />
nicht einmal zwei Jahre<br />
vor der Einführung der Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
ein fast 50 Millionen Euro schweres<br />
Sparprogramm für <strong>die</strong> eigenen Hochschulen<br />
beschloss. Der Rest ist einfache<br />
Rechenarbeit. Ein Beispiel: Die TU<br />
Braunschweig musste in den Jahren<br />
2004 und 2005 durch das so genannte<br />
Hochschuloptimierungskonzept (HOK)<br />
rund 5,4 Millionen Euro dauerhaft einsparen.<br />
Die Stu<strong>die</strong>ngebühren bringen in<br />
<strong>die</strong>sem Sommer- und Wintersemester<br />
Lukas (19) stu<strong>die</strong>rt<br />
Maschinenbau<br />
im 1. Semester<br />
Lea-Christin (20)<br />
stu<strong>die</strong>rt Architektur<br />
im 3. Semester<br />
Einnahmen von rund 10,5 Millionen.<br />
Das heißt zumindest gut <strong>die</strong> Hälfte der<br />
studentischen Gebühren <strong>die</strong>nt lediglich<br />
dem Ausgleich vorangehender Kürzungen<br />
und führt nicht zu einem „Plus“<br />
auf dem Hochschulkonto. Wofür <strong>die</strong><br />
andere Hälfte ausgegeben wird, steht<br />
den Hochschulen relativ frei. Allerdings<br />
heißt es zum Beispiel in Paragraph 11<br />
des Niedersächsischen Hochschulgesetzes<br />
(NHG): "[…] Sofern aus den Einnah-<br />
Fotos: Simon Polatzek<br />
22
Campus<br />
Andre Patrick<br />
Fricke Kreisvorsitzender<br />
der Partei<br />
DIE LINKE in Braunschweig<br />
sieht <strong>die</strong> Situation ähnlich: „Das<br />
Thema Bildung, einschließlich<br />
der Hochschulbildung, ist für<br />
DIE LINKE natürlich eines der<br />
zentralen Themen bei der<br />
kommenden Landtagswahl. Wir<br />
lehnen Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
jeglicher Art ab und werden uns<br />
nach der <strong>Wahl</strong> für deren<br />
schnellstmögliche Abschaffung<br />
einsetzen. Wir halten dabei<br />
bereits eine<br />
Abschaffung zum<br />
Wintersemester<br />
2013/14 für nötig<br />
und möglich. Nötig<br />
ist <strong>die</strong> schnellstmögliche<br />
Abschaffung,<br />
damit nicht mehr<br />
der Geldbeutel der<br />
Eltern über <strong>die</strong><br />
Möglichkeit des Studiums<br />
entscheidet oder Absolventinnen<br />
und Absolventen mit einem<br />
Schuldenberg von der Uni<br />
gehen müssen. Zudem wandern<br />
bereits jetzt viele<br />
Stu<strong>die</strong>rende aus<br />
Niedersachsen in <strong>die</strong><br />
benachbarten<br />
Bundesländer ab, wo<br />
sie keine Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
zahlen<br />
müssen.<br />
Mit Blick auf<br />
den viel beschworenen<br />
Fachkräftemangel, vor<br />
allem aber mit Blick auf <strong>die</strong> Bildungsgerechtigkeit<br />
können wir<br />
uns das in Niedersachsen nicht<br />
mehr leisten.“<br />
Anm. d. Red.:<br />
Siehe IAB-Regional<br />
1/2012,<br />
Kapitel 7<br />
→is.gd/IABReg<br />
Niedersachsen hat<br />
schon immer potenzielle<br />
Stu<strong>die</strong>rende verloren.<br />
Diese Zahl nimmt<br />
nach Angaben des<br />
Instituts für Arbeitsmarkt-<br />
und Berufsforschung<br />
aber zu.<br />
men zusätzliches Lehrpersonal finanziert<br />
wird, darf <strong>die</strong>ses nur zu solchen<br />
Lehraufgaben verpflichtet werden, <strong>die</strong><br />
das für <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>ngänge erforderliche<br />
Lehrangebot ergänzen oder vertiefen.<br />
[…]"<br />
Alle drei Braunschweiger Hochschulen<br />
teilen <strong>die</strong> eingenommenen Gelder<br />
nach einem Schlüssel in zentrale und<br />
dezentrale Mittel auf. Die zentralen<br />
Mittel vergibt das Präsidium, <strong>die</strong> dezentralen<br />
Mittel werden von Stu<strong>die</strong>nkommissionen<br />
oder anderen Gremien der<br />
Stu<strong>die</strong>ngänge verteilt. Während <strong>die</strong> TU<br />
zum Beispiel in den Jahren 2010 und<br />
2011 mehr als <strong>die</strong> Hälfte des Geldes für<br />
wissenschaftliche Mitarbeiter, Tutoren<br />
und studentische Hilfskräfte ausgab,<br />
unterstützt <strong>die</strong> Fachkommission 1 der<br />
HBK <strong>die</strong> freien Künstler vor allem bei<br />
Exkursionen und Materialkosten. Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
verbessern außerdem<br />
<strong>die</strong> Ausstattung in Computerräumen<br />
und Laboren oder verlängern <strong>die</strong> Öffnungszeiten<br />
der Bibliotheken und wohl<br />
auch <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>nzeit. Denn während<br />
<strong>die</strong> einen auf Zuschüsse der Eltern hoffen<br />
können und <strong>die</strong> anderen sich fürs<br />
Anm. d. Red.: Auszug aus<br />
→das-neue-bafoeg.de:<br />
„Staatsdarlehen, <strong>die</strong> für Ausbildungsabschnitte gewährt<br />
werden, <strong>die</strong> nach dem 28.02.2001 begonnen haben, müssen<br />
nur bis zu einem Gesamtbetrag von 10.000 Euro zurückgezahlt<br />
werden.“ Diese Regelung galt schon vor der<br />
Einführung der Stu<strong>die</strong>ngebühren und ist unabhängig von<br />
der Bildungspolitik der Länder.<br />
Almuth von Below-<br />
Neufeldt von der FDP<br />
sieht <strong>die</strong> Lage ähnlich:<br />
„Stu<strong>die</strong>nbeiträge müssen erst nach<br />
Abschluss des Studiums zurückbezahlt<br />
werden. Wir treten des Weiteren<br />
dafür ein, dass <strong>die</strong> Universitäten in<br />
Niedersachsen selbst über <strong>die</strong> Höhe<br />
der Beiträge entscheiden können.<br />
<strong>Du</strong>rch ein Studium<br />
steigt <strong>die</strong> Chance,<br />
einen Beruf ergreifen<br />
zu können, in dem<br />
man überdurchschnittlich<br />
gut ver<strong>die</strong>nt. In<br />
Niedersachsen wurde<br />
zeitgleich mit Stu<strong>die</strong>nbeiträgen<br />
eine Kappungsgrenze<br />
i.H.v.<br />
15.000 Euro eingeführt.<br />
Aufgrund <strong>die</strong>ser hält<br />
sich eine Belastung<br />
prinzipiell in einem bestimmten<br />
Rahmen. Wenn ein Student fünf Jahre<br />
(ein Masterstudium) den BAföG-<br />
Höchstsatz bezieht wird seine<br />
persönliche Belastung sogar geringer.<br />
Allein sein BAföG-Darlehen (50%<br />
dessen, was er insgesamt bekommt)<br />
beläuft sich dann bereits auf 20.100 €.<br />
Soviel musste er vor der Umstellung<br />
komplett zurückzahlen.<br />
Jetzt ist bei 15.000 € Schluss.<br />
<strong>Du</strong>rch Stu<strong>die</strong>nbeiträge wird eine<br />
erhebliche Verbesserung der Lehr- und<br />
Stu<strong>die</strong>nbedingungen herbeigeführt.<br />
Die Stu<strong>die</strong>nbeiträge werden in erster<br />
Linie für <strong>die</strong> Modernisierung des<br />
Hochschulsystems, für eine bessere<br />
Ausstattung sowie längere Öffnungszeiten<br />
für <strong>die</strong> Bibliotheken und für<br />
zusätzliche Tutorenstellen verwendet.<br />
Der Ausbau der Beratungsstellen für<br />
Stu<strong>die</strong>rende mit Kind<br />
und eine Verknüpfung<br />
von Universität und<br />
Berufseinstieg können<br />
hierdurch ebenso<br />
verbessert werden.<br />
Schließlich können <strong>die</strong><br />
Hochschulen durch <strong>die</strong><br />
Einnahmen der<br />
Stu<strong>die</strong>nbeiträge ebenso<br />
längerfristige Projekte<br />
fördern. Die Stu<strong>die</strong>renden<br />
können schließlich<br />
bei der Entscheidung über <strong>die</strong><br />
Verwendung der Stu<strong>die</strong>nbeiträge<br />
beteiligt werden und sich für spezielle<br />
Leistungen einsetzen.Zusätzlich treten<br />
wir dafür ein, dass <strong>die</strong> Hochschulen<br />
künftig selbst, bis zu einer Höchstgrenze,<br />
über <strong>die</strong> Höhe der Beiträge<br />
entscheiden können. Dies führt zu<br />
mehr Wettbewerb unter den Hochschulen<br />
und damit zu Verbesserungen,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden auch<br />
umgehend wahrnehmen.“<br />
23
Campus<br />
Arne (24) stu<strong>die</strong>rt<br />
Maschinenbau<br />
im 11. Semester<br />
Heidemarie Mundlos<br />
von der CDU Braunschweig<br />
verteidigt den<br />
Kurs der CDU, deren Vorschlag <strong>die</strong><br />
Einführung der Gebühren damals war.<br />
Die CDU vertritt den Standpunkt, dass<br />
Stu<strong>die</strong>ngebühren einen wichtigen<br />
Bestandteil zur Finanzierung des<br />
Universitätsbetriebes darstellen. Mit<br />
Verweis auf eine Stellungnahme der<br />
LandesHochschulKonferenz betont<br />
Mundlos „wie viel<br />
Geld in <strong>die</strong> Infrastruktur<br />
der Hochschulen<br />
geflossen ist. Somit ist<br />
eindeutig erkennbar,<br />
dass <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
insbesondere den<br />
Stu<strong>die</strong>renden zugute<br />
kommen.“ Ein Auszug<br />
aus dem Dokument:<br />
„Die Chance, Lehre<br />
und Stu<strong>die</strong>nbedingungen<br />
spürbar zu<br />
verbessern, haben <strong>die</strong><br />
niedersächsischen Hochschulen in<br />
den letzten Jahren mit großem<br />
Engagement genutzt. Allein in den<br />
Jahren 2006 bis 2009 wurden fast 120<br />
Mio. Euro für Personal, fast 4 Mio.<br />
Euro für <strong>die</strong> Verlängerung der<br />
Öffnungszeiten von Bibliotheken,<br />
über 29 Mio. Euro für Lehr- und<br />
Lernmittel der Stu<strong>die</strong>renden, mehr als<br />
27 Mio. Euro für <strong>die</strong> Verbesserung der<br />
Geräteausstattung, über 11 Mio. Euro<br />
zur Verbesserung der DV-Infrastrukturund<br />
fast 6 Mio. Euro für <strong>die</strong> Leistungs-<br />
und Befähigungsstipen<strong>die</strong>n<br />
verausgabt. Der mit Hilfe der Stu<strong>die</strong>nbeiträge<br />
erreichte Zuwachs an Lehrund<br />
Lernqualität bedeutet für<br />
Niedersachsen einen erheblichen<br />
Standortvorteil und zwar mit Blick auf<br />
<strong>die</strong> Entwicklung in anderen<br />
Bundesländern zunehmend im nationalen<br />
aber auch im internationalen<br />
Wettbewerb: Stu<strong>die</strong>nbeiträge verbessern<br />
spürbar <strong>die</strong> Lehrund<br />
Stu<strong>die</strong>nbedingungen!<br />
Diese Tatsache<br />
wird durch empirische<br />
Untersuchungen in anderen<br />
Bundesländern<br />
bestätigt. So kommt<br />
<strong>die</strong> HIS Hochschul-<br />
Informations-System<br />
GmbH in ihrer Stellungnahme<br />
„Abschaffung<br />
von Stu<strong>die</strong>ngebühren“<br />
zu folgender<br />
Bewertung: „Die Erhebung<br />
von Stu<strong>die</strong>ngebühren hat<br />
sich, bei aller gebotenen Vorsicht der<br />
Interpretation, als vorteilhaft für <strong>die</strong><br />
Entwicklung der Stu<strong>die</strong>nqualität aus<br />
Sicht der Stu<strong>die</strong>renden erwiesen. Die<br />
Ergebnisse des HIS-Stu<strong>die</strong>nqualitätsmonitors<br />
weisen in <strong>die</strong> Richtung,dass<br />
[…] <strong>die</strong> Lehrqualität in den Gebührenländern<br />
stärker zugenommen hat als<br />
in den gebührenfreien Ländern.“<br />
„Dem ist nichts hinzuzufügen,<br />
es spricht für sich“, so Mundlos.<br />
Studium auf „Pump“ entscheiden und<br />
sich das Geld zum Beispiel bei der Kreditanstalt<br />
für Wiederaufbau (KfW) leihen,<br />
erhöhen viele Stu<strong>die</strong>rende auch<br />
das Arbeitspensum. Die Arbeitsgruppe<br />
Hochschulforschung der Uni Konstanz<br />
hat herausgefunden, dass 70 Prozent<br />
der Arbeiterkinder den Nebenjob zur<br />
Finanzierung des Studiums benötigen.<br />
Arbeiten Stu<strong>die</strong>rende pro Woche mehr<br />
als acht Stunden, sprechen <strong>die</strong> Wissenschaftler<br />
bereits von einem Teilzeitstudium.<br />
Im Gegensatz zu ihren Kommilitonen,<br />
<strong>die</strong> sich ganz aufs Studium<br />
konzentrieren können, sei bei Ihnen<br />
ein Abschluss in Regelstu<strong>die</strong>nzeit kaum<br />
siehe auch<br />
„Soziale<br />
Ungleichheit im<br />
Hochschulwesen“<br />
→is.gd/SozUn<br />
möglich. Auch <strong>die</strong>se Stu<strong>die</strong> liefert also<br />
Munition für <strong>die</strong> Gegner von Stu<strong>die</strong>ngebühren.<br />
Egal, wie ihr euch am Ende<br />
entscheidet – ihr habt <strong>die</strong> <strong>Wahl</strong>. Denn<br />
wenn am 20. Januar der Urnengang in<br />
Niedersachsen <strong>die</strong> Zusammensetzung<br />
des nächsten Landtages bestimmt, stehen<br />
auch <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>ngebühren zur Diskussion.<br />
Sie könnten schließlich zur<br />
historischen Fußnote werden, <strong>die</strong> einige<br />
Jahrgänge besonders finanziell belastet<br />
hat. Fest steht: Die Regierungsparteien<br />
CDU und FDP wollen <strong>die</strong> Gebühren<br />
beibehalten, SPD, Grüne, Linke und Piratenpartei<br />
plä<strong>die</strong>ren für eine Abschaffung.<br />
Ob der Wegfall der Gelder in <strong>die</strong>sem<br />
Fall durch<br />
Landesmittel kompensiert<br />
wird, ist<br />
offen. Also…lest<br />
selbst und entscheidet<br />
mit! #<br />
Anm. d. Red.: Siehe HIS-Stu<strong>die</strong><br />
→is.gd/HISstu<strong>die</strong> – Zitat:<br />
„Mit Blick auf den – auch in den gebührenfreien Ländern<br />
festzustellenden – allgemeinen Trend einer steigenden<br />
Stu<strong>die</strong>rendenzufriedenheit ist aber anzumerken, dass<br />
für <strong>die</strong>sen Gesamttrend offenbar auch andere Faktoren<br />
– möglicherweise <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>nstrukturreform, <strong>die</strong> Anwendung<br />
von Instrumenten der Qualitätssicherung, <strong>die</strong><br />
Berücksichtigung des Lehrerfolges als Kriterium bei der<br />
staatlichen Hochschulfinanzierung etc. – ursächlich sind.“<br />
Fotos: Simon Polatzek, Torben Schmacke<br />
24
Campus<br />
Meinung: Alt und Weise...<br />
...blickt unser Autor nach langem Studium samt Nebenjob zurück. Den positiven Effekt seines Geldes sieht er nicht.<br />
Von Torben Schmacke<br />
Die Grünen sprechen sich<br />
klar gegen <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
aus. Dr. Gabriele<br />
Heinen-Kljajic von der Grünen<br />
Landtagsfraktion zu <strong>die</strong>sem Thema:<br />
"Niedersachsen ist mit Bayern eines der<br />
letzten verbliebenen Länder, in denen<br />
noch Campus-Maut erhoben wird. In<br />
den anderen Ländern wurde sie wieder<br />
abgeschafft, da sie einen Wettbewerbsnachteil<br />
um Deutschlands klügste Köpfe<br />
darstellt und insbesondere junge<br />
Menschen aus eher einkommensschwachen<br />
Familien von einem Studium<br />
abhält. Wir von Bündnis90/DIE GRÜNEN<br />
wollen gleiche Bildungschancen für<br />
alle. Daher gehören <strong>die</strong> Gebühren auch<br />
in Niedersachsen wieder abgeschafft.<br />
Den chronisch unterfinanzierten<br />
Hochschulen müssen <strong>die</strong> Einnahmeausfälle<br />
aus Landesmitteln ersetzt werden.<br />
Die Abschaffung der Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
hätte für uns im Falle einer Regierungsbeteiligung<br />
oberste Priorität."<br />
Die letzten Kredits sind erbracht.<br />
Alt und verbraucht blicke ich<br />
zurück auf ein langes Studium<br />
mit vielen Umwälzungen, Höhen und<br />
Tiefen. Ihr jungen Hühner, lasst euch<br />
sagen, ich kenne <strong>die</strong> alte Zeit noch:<br />
Als Sodom und Gomorra, ähm Bachelor<br />
und Master, bei uns Einzug hielten.<br />
Eine Zeit als sich alle auf das neue System<br />
umstellen mussten, eine Zeit als<br />
Studium nur Fleiß, geistige Energie<br />
und Zeit kostete. Vielleicht liegt es an<br />
der Verschrobenheit, <strong>die</strong> mit dem Alter<br />
kommt, aber: Früher war alles besser.<br />
Meine wertvollsten und prägendsten<br />
Vorlesungen brauchten kein massives<br />
Fundament aus geschichteten 500-Euro-Scheinen,<br />
HD-Beamer an der Decke<br />
und automatisierte Sonnenblenden vor<br />
den Fenstern, sondern gute Professoren<br />
und diskussionsfreudige Studenten.<br />
Ich besuchte <strong>die</strong>se Veranstaltungen allesamt<br />
in meinen ersten zwei Semestern<br />
vor Einführung der Stu<strong>die</strong>ngebühren.<br />
An Qualität haben <strong>die</strong> Vorlesungen<br />
seitdem zwar nicht verloren, aber eben<br />
auch nicht gewonnen. Ich sehe den Effekt<br />
meines Geldes nicht. Mag an der<br />
altersbedingten Sehschwäche liegen,<br />
aber das einzige was mir <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>ngebühren<br />
brachten, war <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />
einen zeitaufwendigen Nebenjob<br />
anzunehmen. Und ich muss sagen,<br />
darunter litt <strong>die</strong> Qualität meines Studiums<br />
erheblich und führte auch dazu,<br />
dass ich euch hier als werdender Urgroßvater<br />
berichte. An den vorgesehenen<br />
6-Semesterplan konnte ich mich<br />
nicht halten. Immer wieder bissen sich<br />
Modul- und Arbeitszeiten. Diese Situation<br />
trifft sicherlich nicht nur auf mich<br />
zu. Stu<strong>die</strong>ngebühren, ein ständig anschwellender<br />
Semesterbeitrag und das<br />
WG-Zimmer verlangen einen ordentlichen<br />
Berg Kohle, der erst einmal hergeschaufelt<br />
werden muss. Bei manchen<br />
helfen Mama und Papa mit ihrem dicken<br />
Bagger mit. Aber andere bleiben<br />
mit ihren kleinen Schippen aus Sandkistenzeiten<br />
auf der Strecke. Bildung<br />
sollte doch jedem unabhängig von Herkunft<br />
und Einkommen zustehen oder<br />
irre ich mich da? Bildung sollte jedem<br />
in gleichem Maße eine Chance geben<br />
<strong>die</strong> Kluft zwischen Arm und Reich überwinden<br />
zu können. Doch das momentane<br />
System führt eher zum Gegenteil:<br />
Derjenige, den <strong>die</strong> Kosten nicht jucken,<br />
profitiert in vollem Maße von den Investitionen,<br />
braucht sich einzig aufs Studium<br />
zu konzentrieren und startet frühzeitig<br />
in seinen Beruf. Der Rest arbeitet<br />
nebenher, lässt interessante Vorlesungen<br />
wegfallen, <strong>die</strong> nicht notwendig sind<br />
oder verlängert das Studium, was weitere<br />
Kosten nach sich zieht. Aber was meckere<br />
ich. Auf <strong>die</strong>se Weise bereitet uns<br />
das Studium doch besser denn je auf das<br />
tatsächliche Leben vor. Und noch etwas<br />
Gutes hatte mein langes Studium. Ich<br />
bin nun alt und weise. Und meine Weisheit<br />
sagt mir: Sparen wir an der Bildung<br />
in Deutschland, sparen wir am einzigen<br />
wirtschaftlichen Gut, das wir haben.<br />
Und um das auch in Zukunft zu besitzen,<br />
müssen wir alle klugen Köpfe fördern.<br />
So, Gebiss raus, Schlafmütze aufgesetzt,<br />
Bettpfanne bereitgestellt und<br />
ab ins Bettchen. #<br />
25
Campus<br />
Campus<br />
historie<br />
Sie propagierten den<br />
Weltstaat und trugen<br />
in Anlehnung an<br />
Griechische Gelehrte<br />
eine weiSSe Toga:<br />
Professor Otto Föppl<br />
und seine Erder...<br />
Von Tom Howey<br />
„Wann ist <strong>die</strong><br />
nächste Eiszeit fällig?“<br />
In seiner Abhandlung mit dem eher<br />
unscheinbaren Titel „Die Weiterentwicklung<br />
des Menschen mit Hilfe<br />
der Technik“ gewehrte Föppl einen seiner<br />
Ausblicke auf <strong>die</strong> mögliche Zukunft:<br />
Die Strahlung des Rundfunks könnte<br />
seiner Meinung nach irgendwann den<br />
Wassergehalt in der Luft regulieren. Dadurch<br />
würde der Mensch praktisch <strong>die</strong><br />
Kontrolle über den Regen erhalten. Dabei<br />
war aber für Föppl klar, dass selbstverständlich<br />
nicht jeder Staat sein eigenes<br />
Wetter machen könnte.<br />
In der Folge erschuf er eine Utopie<br />
in der es nur noch einen Weltstaat geben<br />
sollte; <strong>die</strong> individuellen Interessen<br />
der einzelnen Nationen sollten beiseite<br />
geschoben werden. In <strong>die</strong>ser Welt würde<br />
jeder Staat nur das produzieren, was<br />
er am besten kann und <strong>die</strong> Weltwirtschaft<br />
würde wie ein globaler Tauschhandel<br />
funktionieren. Weiterhin forderte<br />
Föppl eine gemeinsame Sprache, um<br />
Professor Otto Föppl bei einer „Toga-Party“ im Kreise der Erder<br />
Verständigungsschwierigkeiten vorzubeugen<br />
und <strong>die</strong> Völker zu verknüpfen.<br />
Ein jeder Erdbewohner müsse dann<br />
aber auch zum Wohle der Gemeinschaft<br />
handeln: Die Tugenden, <strong>die</strong> Föppl verlangte,<br />
waren – wie in einem Insektenstaat<br />
– Arbeit, Entbehrung und Aufopferung.<br />
Von Lastern, wie übertriebener<br />
Tabak- und Alkoholkonsum, <strong>die</strong> Föppl<br />
bereits zu seiner Zeit anprangerte, hielt<br />
er gar nichts. Vermutlich bemerkte er<br />
auch deswegen, dass es noch eine sehr<br />
lange Zeit dauern würde, bis <strong>die</strong> Vision<br />
<strong>die</strong>ser Weltgesellschaft Wirklichkeit<br />
würde.<br />
Dieses Idealbild<br />
von einem nationalitätslosen<br />
Menschen,<br />
der sich<br />
ständig für <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />
seiner<br />
Gesellschaft<br />
einsetzt, taufte<br />
Föppl den „Erder“.<br />
Tatsächlich gelang<br />
es dem Braunschweiger<br />
Professor<br />
auch, Sympathisanten<br />
für seine Vorstellung zu finden. Die<br />
Versammlungen <strong>die</strong>ser Vereinigung an<br />
der damaligen Technischen Hochschule<br />
von Braunschweig sind inzwischen als<br />
„Toga-Partys“ bekannt, da <strong>die</strong> Mitglieder<br />
zum entsprechenden Kleidungsstil<br />
der alten Griechen neigten. Passenderweise<br />
war Föppls Vorbild für den Erder<br />
der Wissenschaftler, der bereits eine Art<br />
Weltgemeinschaft bildet und, unabhängig<br />
von Nationalität, den Wissensaustausch<br />
mit dem Kollegen sucht.<br />
Dass der Erder sich früher oder später<br />
entwickeln muss, betrachtete Föppl im<br />
Übrigen als unumgänglich. Wenn schon<br />
nicht <strong>die</strong> Wissenschaft dazu beitragen<br />
würde, dass <strong>die</strong> Menschen eine globale<br />
Gemeinschaft bilden, dann aber wenigsten<br />
eine neue Eiszeit. „Wann ist <strong>die</strong><br />
nächste Eiszeit fällig?“, fragte Föppl in<br />
seinen Ausführungen und wies darauf<br />
hin, dass im Angesicht einer solchen<br />
Katastrophe alle Menschen gezwungen<br />
sein werden, für den Erhalt ihrer Spezies<br />
zusammenzuarbeiten. Dann würde<br />
der Erder nicht mehr nur im kleinen<br />
Kreis existieren, sondern auf der ganzen<br />
Welt. #<br />
Foto: Braunschweiger Zeitung, Helmut Wesemann<br />
26
Campus<br />
Dienstanweisung Internet<br />
Von Robert Schulz<br />
Für knapp acht Euro (oder umgerechnet<br />
genau 15,5882353 DM) informiert<br />
das aktuelle Werk des akademischen<br />
Ziehkinds von Prof. Dr. pils. bier. Fred-<br />
Günni Walter (bekannt aus Das Campus-Wörterbuch),<br />
pol. Gerald Fricke,<br />
über <strong>die</strong> neusten Arbeits-Sicherheits-<br />
Trends für das digitale Büro. An zahlreichen<br />
Beispielen klärt der Wörterbuch-<br />
Experte seriös über Phänomene der<br />
Netzwelt auf. Das progressive Internet<br />
Governance-Programm der CSU wird<br />
auf zweieinhalb Seiten ebenso fun<strong>die</strong>rt<br />
und bündig dargestellt, wie <strong>die</strong> Eigentumsrechte<br />
an Wurstbrot- und Wackelpuddingfotos<br />
auf Instagram. Geschickt<br />
führt der Autor digitale Phänomene auf<br />
ihre sozialen Ursprünge zurück; Dekontextualisierung<br />
von Einzelaussagen<br />
und Schulhof-Mobbing seien schon vor<br />
der Massenverbreitung von Heim-Computer,<br />
Internet und Smartphone beobachtbar<br />
gewesen. Der twitternde Webforscher<br />
Dr. rer. pol. Gerald Fricke ist<br />
akademischer Rat am Institut für Wirtschaftsinformatik<br />
der TU Braunschweig.<br />
Vorstellen kann man sich den Vater von<br />
zwei Kindern als eine Mischung aus<br />
Hans Zippert, Thilo Bode und John Perry<br />
Barlow. Neben Veröffentlichungen<br />
in abseitigen Revolverblättern wie der<br />
Frankfurter Rundschau, weist Fussballfanatiker<br />
Fricke Beiträge für Titanic,<br />
taz und Rolling Stone auf. Welche Kapitel<br />
für <strong>die</strong> Prüfung zu Frickes Webgesellschafts-Seminar<br />
relevant sind, verrät<br />
der Autor jedoch<br />
nicht. Wenngleich<br />
er darauf hinweist,<br />
dass Tätowiermaganzine<br />
als Hilfsmittel<br />
zur Klausur<br />
nicht zugelassen<br />
sind. #<br />
Gerald Fricke:<br />
Dienstanweisung Internet –<br />
So funtionieren Aktenordner,<br />
Telefon, Facebook & Co.<br />
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September 2012, 96 Seiten,<br />
ISBN 978-3-934896-62-8<br />
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Campus<br />
Fotos: privat<br />
Für Zwischendurch<br />
Zwei Studentinnen nutzen leerstehenden Raum für ihr Projekt „Ein laden“<br />
Von Nelly Peters<br />
Das kultige Quartier Friedrich-<br />
Wilhelm hat ein Problem: Die<br />
Leerstände. Und das trotz vieler<br />
Passanten, <strong>die</strong> hier <strong>die</strong> Möglichkeit haben<br />
zum Friseur, zum Optiker, in eines<br />
der vielen Restaurants, Spielotheken,<br />
Diskotheken oder Kneipen zu gehen.<br />
Doch wie kann ein Raum mit Leben gefüllt<br />
werden, wenn es an Startkapital<br />
fehlt? Eine interessante Antwort darauf<br />
lautet Zwischennutzung. Diesen Begriff<br />
haben <strong>die</strong> beiden Kommunikationsdesignerinnen<br />
Sina Pardylla und Marie<br />
Schröter aufgegriffen und initiierten<br />
im Rahmen ihrer Masterarbeit das Projekt<br />
>Ein Laden
Campus<br />
„Wenn man es schafft<br />
erfolgreich zu sein, dann<br />
schafft man es auch gegen<br />
das Internet anzukommen,<br />
denn <strong>die</strong> Leute sehnen<br />
sich nach Beratung und<br />
Qualität.“<br />
Sina Pardylla<br />
Raum für Ideen: Das Projekt "Ein Laden"<br />
stärken nämlich den Stadtteil und machen<br />
ihn attraktiver. Dabei steht der<br />
Umsatz nicht so sehr im Mittelpunkt.<br />
„Es geht um das Experimentelle, <strong>die</strong><br />
Suche nach neuen Formen, um Orte<br />
zu aktivieren“, erzählt Pardylla. Dabei<br />
fügt Marie Schröter hinzu: „Besucher<br />
wünschen sich den kommerziellen Gegenpol“.<br />
Laut Pardylla sind viele kleine<br />
Läden fast ausgestorben, da man im Internet<br />
fast alles kaufen kann: „Wenn<br />
man es schafft erfolgreich zu sein, dann<br />
schafft man es auch gegen das Internet<br />
anzukommen, denn <strong>die</strong> Leute sehnen<br />
sich nach Beratung und Qualität.“<br />
Deshalb wollen <strong>die</strong> beiden Designerinnen<br />
vielen Menschen <strong>die</strong> verschiedenen<br />
Ideen der Zwischennutzung näher bringen<br />
und gemeinsam versuchen mit den<br />
Anwohnern und Interessierten, Gedanken<br />
und Wünsche zu erarbeiten. Dabei<br />
ist der Dialog für sie sehr wichtig. Dies<br />
geschieht indem <strong>die</strong> Menschen vorbei<br />
kommen, sich äußern, Leerstände und<br />
Bilder aufzeigen, Fundstücke mitbringen<br />
und Geschichten erzählen. An dem<br />
Projekt sollen sich alle beteiligen können<br />
und somit zu einem Teil des Projektprozesses<br />
werden. Also haben <strong>die</strong><br />
beiden eine Karte von der Braunschweiger<br />
Innenstadt an <strong>die</strong> Wand gehängt.<br />
Mit Hilfe von Pins kann jeder entdeckte<br />
Leerstände, Wünsche und Geschichten<br />
verorten und auf einem<br />
Formular schriftlich<br />
festhalten. Während der<br />
Projektzeit gab es verschiedene<br />
Aktionen wie<br />
den Tausch-o-maten, <strong>die</strong><br />
Kleiderspende oder auch eine gemeinsame<br />
Erkundung des Kultviertels mit<br />
Kindern, <strong>die</strong> anschließend ihre Gedanken<br />
auf Bildern malerisch festhielten.<br />
Die größte Projektaktion war aber der<br />
Tag der Sitzgelegenheit, der eine Woche<br />
vor dem Projektende stattfand. Die<br />
beiden Designerinnen wollten aus der<br />
hektischen <strong>Du</strong>rchgangsstraße eine Straße<br />
des Verweilens machen. Vor dem Laden<br />
stellten sie Sitzgelegenheiten bereit<br />
und haben zum Picknicken, Musizieren,<br />
sich schminken lassen und zum<br />
Gedankenaustausch eingeladen. Es entstand<br />
eine belebte Straße, deren Heiterkeit<br />
sogar das unerwartete Klientel aus<br />
den gegenüberliegenden Kneipen und<br />
Spielotheken anlockte. „Man hat gesehen<br />
wie sich das Straßenbild verändert<br />
hat, Busse und Straßenbahn sind<br />
im Schneckentempo gefahren. Leute<br />
auf den Fahrrädern haben angehalten,<br />
sind abgestiegen und haben sich dazu<br />
gestellt. Es war eine ganz andere Atmosphäre“,<br />
sagt Pardylla. Dadurch wird für<br />
Marie Schröter der Laden nicht mehr<br />
zu einem Ort an dem man sich nur aufhält,<br />
um zu konsumieren, sondern zu<br />
einem Ort des Austausches und des Musizierens<br />
außerhalb der kommerziellen<br />
Zwänge. Für sie ist es somit ein Schritt<br />
zurück zu den Wurzeln. „Wir haben<br />
gelernt, dass es viel bringt etwas positiv<br />
vorzuleben, man kann ja viel erzählen.<br />
Aber wenn man es einfach macht<br />
und zeigt, dass es funktionieren könnte,<br />
dann würden sich Dynamiken entwickeln,<br />
so Pardylla. Mittlerweile ist zwar<br />
das Projekt "Mein Laden" beendet, doch<br />
für <strong>die</strong> beiden hat Braunschweig viele<br />
Gesichter, es ist noch nicht gesättigt an<br />
innovativen Ideen und lässt viel Raum<br />
für Individuelles. Ihr Plädoyer:„Don´t<br />
forget to play./ What´s stopping you?/ If<br />
you are waiting for a sign, this is it./ Do<br />
all things with love/ YOU./ If not now,<br />
then when?/ Think outside the box!" #<br />
29
Campus<br />
Ein Leben auf<br />
vier Rädern<br />
Mohammad Bakathir ist 19 Jahre alt, angehender Student, Spitzensportler und neu in London. Er möchte, weit weg<br />
von seinem zu Hause in Worcester, eigenständiger werden, am liebsten auf eigenen Beinen stehen. Doch das ist<br />
ihm seit einem schweren Autounfall im Jahr 2000 nicht mehr möglich. Wie es zu <strong>die</strong>sem schweren Schicksalsschlag<br />
kam, was seine größte Leidenschaft ist und welche besondere Rolle er bei den Olympischen Spielen 2012 in London<br />
gespielt hat, hat er unserer Autorin erzählt, <strong>die</strong> während ihres Auslandssemesters mit ihm zusammen wohnt.<br />
von Christina Zais<br />
Schwer bepackt, vor allem mit Vorfreude,<br />
erreiche ich nach einem<br />
kurzen Flug und langen Wartezeiten<br />
London, meinen Wohnort für <strong>die</strong><br />
nächsten Monate. Eine Stadt mit vielen<br />
Gesichtern. Die University of East<br />
London (UEL), an der ich das kommende<br />
Semester stu<strong>die</strong>ren werde, liegt eine<br />
knappe Stunde vom Zentrum entfernt.<br />
Ein modernes und buntes Plätzchen inmitten<br />
eines von Industrie geprägten<br />
Stadtviertels. Mit unsicheren Schritten<br />
schleicht eine aufgeregte Truppe von internationalen<br />
Studenten über den noch<br />
leergefegten Campus. Aufgeregt öffne<br />
ich nach der Schlüsselübergabe <strong>die</strong><br />
Tür meines Zimmers. Komisch, dass ich<br />
mich soweit nach unten bücken muss<br />
um an das Schloss zu kommen, denke<br />
ich mir. In der Küche befinden sich<br />
Herdplatten und Spülen in zwei verschiedenen<br />
Höhen. Warum das so ist<br />
werde ich wissen, wenn unser letzter<br />
Mitbewohner ankommt: Mohammad<br />
Bakathir. Mit seinem britischen Akzent<br />
bittet er uns jedoch ihn schlichtweg<br />
Mo zu nennen. Mo ist 19 und sitzt<br />
im Rollstuhl. Im Alter von sieben Jahren<br />
wurde er zusammen mit seinem Vater,<br />
seinem Bruder und seinen drei Schwestern<br />
während eines Besuches im Jemen<br />
in einen Autounfall verwickelt. Sein Vater<br />
und sein Bruder kamen bei dem Unfall<br />
ums Leben, er ist seither gelähmt.<br />
Nur seine Arme kann er noch bewegen.<br />
„Darüber bin ich mehr als froh“, berichtet<br />
er mir beim Abendessen. Behandelt<br />
wurde Mohammad nach dem schweren<br />
Unfall im Stoke Mandeville Hospital in<br />
Aylesbury, UK. Das Krankenhaus sei auf<br />
Rückenmarkverletzungen spezialisiert,<br />
erklärt er. Während seines dreimonatigen<br />
Aufenthalts wurde er dort lediglich<br />
psychologisch behandelt, bis zum<br />
heutigen Tag nie operiert. „Die Stammzellenforschung<br />
auf <strong>die</strong>sem Gebiet sei<br />
noch nicht soweit“, erläutert er weiter.<br />
Ich bin überrascht wie professionell er<br />
mit seinem Schicksal umgeht. Die UEL<br />
ist im Bereich Sport zur sich am besten<br />
entwickelten Uni in ganz London gekürt<br />
worden. Nicht umsonst trainierte<br />
das amerikanische Team während der<br />
Olympiade am UEL Sportsdock. Auch<br />
Mo konnte sich im Sommer <strong>die</strong> olym-<br />
Fotos: privat<br />
30
Campus<br />
Feuer und Flamme für den Sport: Mo als Fackelträger<br />
während der Olympischen Sommerspiele in London<br />
pischen und paralympischen Spiele live<br />
ansehen. Dort hatte er sogar eine spezielle<br />
Aufgabe. „Zusammen mit anderen<br />
ehrenamtlichen und sportbegeisterten<br />
Helfern wurde ich zu einem Träger des<br />
olympischen Feuers ausgewählt“, flutet<br />
es stolz aus ihm. „Die Spiele waren<br />
großartig. Mein großer Traum ist es eines<br />
Tages bei den Paralympics teilnehmen<br />
zu dürfen“, entgegnet er. Mo ist<br />
Leichtathlet. Nach seinem Unfall war er<br />
lange Zeit in diversen Sportvereinen aktiv,<br />
lieh sich sogenannte „racing chairs“<br />
mit drei Rädern und erlangte mit viel<br />
Übung und Ehrgeiz den ersten Platz bei<br />
den regionalen Wettkämpfen in Birmingham<br />
im 100m und Sperrwurf und<br />
qualifizierte sich daraufhin für den nationalen<br />
Wettkampf, der in Blackpool<br />
stattfand. Dort stellte er einen nationalen<br />
Rekord für seine Altersklasse im<br />
Hundertmeterlauf auf. In den darauffolgenden<br />
zwei Jahren gewann er eine silberne,<br />
sowie eine weitere goldene Medaille.<br />
Während eines Wettbewerbs im<br />
September letzten Jahres stürzte er aus<br />
seinem Rollstuhl und zog sich eine Kniefraktur<br />
zu. Der Arzt riet ihm deshalb im<br />
Sport kürzer zu treten. „Das Sportangebot<br />
der UEL reizt mich aber sehr“, gibt<br />
er schmunzelnd zu. „Wenn ich Sport<br />
mache fühle ich mich frei, vergesse den<br />
Rollstuhl und mein Handicap." #
Elektotechnik<br />
Spezial<br />
Elektroauto-Test<br />
Der Selbstversuch hat bei studi38<br />
Tradition. Also wollten wir nicht<br />
nur von Experten hören, was Elektromobilität<br />
theoretisch bedeutet,<br />
sondern auch am eigenen Leib<br />
spüren, wie sich echte 12 Kilowatt<br />
unterm Hintern anfühlen.<br />
BS Energy lieh uns dafür den<br />
Kleinwagen Mega E-City …<br />
„Unsere Ressourcen<br />
sind endlich“<br />
Professor Stephan Rammler über teure Energie, <strong>die</strong> Ideologie<br />
von Roadmovies und <strong>die</strong> Zukunft der Mobilität<br />
Von Holger Isermann<br />
Haben Sie privat ein Elektroauto?<br />
Wir hatten viele Jahre eins hier am Institut.<br />
Privat fahre ich fast gar nicht mehr, wenn<br />
dann aber ein Verbrennungsauto.<br />
Wir haben letzte Woche ein Elektroauto getestet.<br />
Nach knapp 40 Kilometern meldete<br />
<strong>die</strong> Warnleuchte, dass wir neuen Strom<br />
brauchen. Ist das noch mobil?<br />
Sie sollten bei aktuellen Fahrzeugen sicher mit<br />
100 Kilometern Reichweite rechnen können.<br />
Und natürlich ist das auch mobil, weil Mobilität<br />
nicht mit möglichst vielen Streckenkilometern<br />
gleichzusetzen ist. Jemand, der viel fahren<br />
muss, um ein identisches Maß an Aktivitäten<br />
zu erledigen ist im Vergleich zu jemandem der<br />
mit dem Fahrrad eine viertel Stunde unterwegs<br />
ist doch viel weniger mobil.<br />
Aber bedeutet <strong>die</strong> Abkehr vom Benzin nicht<br />
trotzdem den Verlust von Freiheit? Früher<br />
32
Wissenschaft<br />
Fotos: Holger Isermann, Andreas Greiner-Napp<br />
Professor Stephan Rammler<br />
ist Leiter des Instituts für<br />
Transportation Design an<br />
der HBK. Er beschäftigt<br />
sich mit Mobilitäts- und<br />
Zukunftsforschung, Verkehrs-,<br />
Energie- und Innovationspolitik<br />
sowie Fragen kultureller<br />
Transformation und<br />
zukunftsfähiger Umwelt- und<br />
Gesellschaftspolitik.<br />
konnte ich fahren, bis <strong>die</strong> Straße zu Ende<br />
war…<br />
…ja, das mag im besonderen Segment der<br />
Freizeit-Mobilität stimmen. Ein Auto wird<br />
aber im Alltag vor allem für <strong>die</strong> Wege zur Arbeit,<br />
zum Einkaufen oder andere kurze Fahrten<br />
verwendet. Und das liegt bei den meisten<br />
Menschen in Deutschland alles im Bereich des<br />
Radius eines Elektrofahrzeuges. Wir haben ein<br />
Luxusphänomen, das wir uns über <strong>die</strong> Jahrhunderte<br />
der billigen Verfügbarkeit von fossilen<br />
Ressourcen angewöhnt haben. Dass ich<br />
in der alltäglichen Mobilität für jeden kleinen<br />
Weg 1,5 Tonnen Masse mit Benzin bewege, um<br />
am Ende einmal im Jahr mit dem Auto ans<br />
Meer zu fahren.<br />
projizieren, obwohl er für uns eigentlich keine<br />
Relevanz hat. Das ist vor allem Ideologie, für<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> USA immerhin Kriege führen, um genug<br />
Öl ranzuschaffen.<br />
Wie wichtig ist <strong>die</strong> Akzeptanz bei der Einführung<br />
einer neuen Technologie…<br />
Das ist das zentrale Thema, gerade weil Elektroautos<br />
in der Anschaffung noch deutlich teurer<br />
sind als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor<br />
und gleichzeitig der Reichweitennachteil in<br />
den Köpfen der Menschen herumschwirrt. Bei<br />
den bisherigen Erstnutzern von Elektroautos<br />
sind <strong>die</strong> Akzeptanzraten allerdings rasant gestiegen,<br />
weil sie sehr schnell gemerkt haben,<br />
dass sie ihre Nutzungsroutine im Alltag relativ<br />
problemlos anpassen können. Menschen sind<br />
ja extrem flexibel.<br />
Es geht also nicht nur darum Benzin gegen<br />
Strom als Energielieferant zu tauschen, Sie<br />
wollen gleich unseren geliebten Individualverkehr<br />
zur Diskussion stellen?<br />
Genau! Es ist großer Unsinn zu glauben Elektromobilisierung<br />
wäre der alte Wein in neuen<br />
technologischen Schläuchen. Das Elektro- kann<br />
das Verbrennungsauto nicht ersetzen. Es geht<br />
darum ein neues kulturelles oder gesellschaftliches<br />
Modell für Mobilität zu entwickeln. Unser<br />
Ziel kann es nur sein, insgesamt das Niveau an<br />
individueller Mobilität auf Privatbasis zu reduzieren<br />
und kollektive Formen auf Grundlage<br />
von regenerativen Energien zu entwickeln. Da<br />
spielen Elektroautos auch als Teil eines intelligenten,<br />
atmenden und dezentralen Speicher-<br />
kraf twerks<br />
für Spitzen<br />
und Flauten<br />
bei der Erzeugung<br />
von Windund<br />
Sonnenergie<br />
eine Rolle.<br />
Elektotechnik<br />
Spezial<br />
Warum sollten wir denn nicht einfach den<br />
guten alten Verbrennungsmotor weiterentwickeln.<br />
Immerhin konnte dessen Verbrauch<br />
schon massiv gesenkt werden…<br />
Letztlich erzeuge ich dabei ein running target<br />
indem ich das Konkurrenzmodell zum Elektroauto<br />
immer attraktiver mache. Einerseits ist<br />
es sinnvoll <strong>die</strong> bestehenden Technologien zu<br />
modernisieren, weil das kurzfristig Ressourcen<br />
spart. Gleichzeitig binde ich auch wieder<br />
Ressourcen, <strong>die</strong> ich nur einmal ausgeben kann<br />
an eine Technologielinie, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Sackgasse<br />
führt. Unsere Ressourcen sind endlich.<br />
Sollten Besitzer von durstigen alten Autos<br />
also ein schlechtes Gewissen haben?<br />
So einfach ist es nicht. Ein Elektroauto oder<br />
Hybridfahrzeug hat aufgrund des verbauten<br />
Hightechs einen gigantischen ökologischen<br />
Rucksack. Es kann also sein, dass Sie mit einem<br />
dicken Pickup möglicherweise ökologischer<br />
unterwegs sind.<br />
Die CO2-Bilanz von Elektroautos kann nur so<br />
gut sein wie <strong>die</strong> Bilanz des aktuellen Strommixes.<br />
Ist das Richtig?<br />
Ja. Trotzdem ist ein Elektroauto lokal emissi-<br />
Wann werden wir Roadmovies mit einem<br />
Elektroauto im Kino sehen?<br />
Gar nicht, weil der Roadmovie von Spontanität<br />
und Distanz lebt. Große Strecken auf nichtbefahrenen<br />
Highways in den USA, Cruisen, Drogenkonsum,<br />
Weite, Wüste, Sonnenuntergang.<br />
Es ist ja <strong>die</strong>ser stilisierte Wunschtraum von<br />
Mobilität, den wir auf unsere Alltagsmobilität<br />
CO2-Engel trifft großen Bruder: Wenn das Elektroauto still<br />
steht, hört man tatsächlich nichts. Ein Tritt auf das Gaspedal lässt<br />
den markigen Sound eines elektronischen Hubwagens ertönen,<br />
den wir sonst aus Bau- und Supermärkten kennen…<br />
33
Wissenschaft<br />
Elektotechnik<br />
Spezial<br />
Rund 18.000 Euro plus Überführung kostet der kleine Flitzer. Das ist viel Geld für wenig Auto.<br />
Einmal angeschafft fährt es sich im Vergleich zum klassischen Verbrennungsmotor zwar<br />
günstiger – der Umstieg lohnt sich aber weniger fürs Portemonnaie als fürs Gewissen.<br />
onsfrei, was gerade in den Städten ein großer<br />
Vorteil ist. Wir werden aufgrund der Emissionslage<br />
vor allem in den asiatischen Ballungsregionen<br />
bald Generationen von Menschen mit<br />
massiven Lungen- und Atemwegserkrankungen<br />
haben.<br />
Die Bundesregierung will 2020 eine Millionen<br />
Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen<br />
haben. Gibt es vor dem Hintergrund<br />
des Atomausstiegs überhaupt genug Strom?<br />
Das ist kein Problem und alles durchgerechnet.<br />
Gibt es Alternativen zur Elektromobilität?<br />
Nicht Auto fahren.<br />
Also haben wir keine andere <strong>Wahl</strong>?<br />
Es gibt ja drei unterschiedliche elektrische Antriebe,<br />
Batterieelektrische, Hybridelektrische<br />
oder Brennstoffzellenelektrische, zum Beispiel<br />
Knapp 40 Kilometer, dann war Schluss. Mit den letzten Wattsekunden in<br />
der Batterie rollte der Mega vor <strong>die</strong> Elektrozapfsäule in der Schleinitzstraße.<br />
Wer Strom tankt, muss Zeit mitbringen. Eine Stunde reicht für mehrere<br />
Kaffee und <strong>die</strong> Weiterfahrt zum Campus Nord.<br />
auf Basis des Energieträgers Wasserstoff. Bei<br />
allen geht es aber um elektrische Energie und<br />
<strong>die</strong>ser Weg ist alternativlos.<br />
Wie werden wir uns also 2030 fortbewegen?<br />
Für eine solche Aussage sind <strong>die</strong> Rahmenbedingungen<br />
zu fragil. Ich habe mindesten fünf<br />
denkbare Alternativszenarien. Von alles wie<br />
bisher, nur noch dreckiger und mehr bis hin<br />
zu einer völlig anderen Kultur der Entschleunigung<br />
und Verdichtung als Folge der Preissteigerung<br />
in den Energiemärkten. Möglicherweise<br />
müssen wir uns daran gewöhnen, dass wir<br />
150 Jahre im Para<strong>die</strong>s billiger Energieträger<br />
leben konnten und das eine historische Epoche<br />
in unserer Zivilisationsgeschichte ist. Es sei<br />
denn wir schaffen es unsere technologische Intelligenz,<br />
<strong>die</strong> wir in der Phase entwickelt haben<br />
sehr klug in regenerative Energien zu stecken.<br />
Das wäre das Visum für den Verbleib im<br />
Energiepara<strong>die</strong>s?<br />
Nicht wirklich. Für jede Form von Solartechnik<br />
oder Windkraftanlage braucht man Ressourcen,<br />
zum Beispiel Stahl oder Kupfer. Wir<br />
müssen uns wohl damit abfinden, dass wir auf<br />
einem begrenzten Planeten leben und nicht ad<br />
absurdum unseren Lebensstil weiterentwickeln<br />
können. #<br />
34
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Wissenschaft<br />
Nimmt der Fahrspaß und -komfort nicht<br />
ebenso ab wie der Energieverbrauch des<br />
Elektrofahrzeugs?<br />
Das reine Elektrofahrzeug ist das ideale Fahrzeug<br />
für Stadt- und Pendelverkehr in Ballungsräumen.<br />
Es wird also vorwiegend in<br />
Geschwindigkeitsbereichen von bis zu 70<br />
Stundenkilometer bewegt beziehungsweise<br />
auf Stadtautobahnen mit 100 Stundenkilometern.<br />
Hier macht das Fahren mit einem Elektrofahrzeug<br />
gerade deswegen sehr viel Spaß,<br />
weil das Elektrofahrzeug im Gegensatz zu ver-<br />
Elektotechnik<br />
Spezial<br />
„Damit hängen<br />
Sie an der Ampel<br />
erstmal jeden ab“<br />
Dr. Rudolf Krebs über Volkswagens Elektronische Mobilitätsstrategie<br />
Von Janina Kremkow<br />
Ist es Ihr Ziel das Automobilgeschäft zukünftig<br />
nur noch auf Elektrofahrzeuge<br />
auszurichten?<br />
Wir werden in den nächsten Dekaden eine Koexistenz<br />
von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren,<br />
alternativen Antrieben, Hybrid-, Plug-<br />
In-Hybrid- und reinem Elektro-Antrieb sehen.<br />
Daher verfolgen wir konsequent <strong>die</strong> weitere<br />
Optimierung unserer hocheffizienten TDI-, TSIund<br />
TFSI-Motoren sowie der DSG-Getriebe. Ein<br />
zweites Standbein sind Erdgas-Fahrzeuge in<br />
Verbindung mit zukünftigen Biokraftstoffen.<br />
Was bedeutet das für zukünftige Mitarbeiter<br />
in Entwicklung und Forschung – also <strong>die</strong><br />
Stu<strong>die</strong>renden von heute?<br />
Aktuell beobachten wir am Arbeitsmarkt, dass<br />
<strong>die</strong> Experten für Batterietechnologien sehr rar<br />
sind. Aus <strong>die</strong>sem Grund wünschen wir uns als<br />
Arbeitsgeber natürlich sehr, dass <strong>die</strong> Universitäten<br />
und Fachhochschulen ihr Stu<strong>die</strong>nangebot<br />
in <strong>die</strong>sem Ingenieursbereich weiter ausbauen.<br />
Aber auch Softwareingenieure werden in den<br />
nächsten Jahren weiterhin sehr gefragt sein.<br />
Das erste Elektrofahrzeug gibt es seit 1888.<br />
Warum werden erst jetzt <strong>die</strong> Stimmen nach<br />
Elektrofahrzeugen laut?<br />
Weltweit beobachten wir seit einigen Jahren<br />
Megatrends, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Entwicklung von alternativen<br />
Antrieben forcieren. Diese sind 1. der Klimawandel<br />
und einhergehend das Ziel, CO2-<br />
Emissionen zu reduzieren, 2. Die Endlichkeit<br />
fossiler Rohstoffe sowie 3. Luftverschmutzung<br />
und Lärm insbesondere in den Städten zu reduzieren.<br />
Aufgrund der damals verfügbaren<br />
Batterietechnologie war es aber nicht möglich,<br />
das Elektrofahrzeug über eine Nische hinaus<br />
am Markt zu etablieren. Mit Einführung<br />
der Lithium-Ionen-Technologie wird <strong>die</strong>s nun<br />
möglich.<br />
Wie hoch ist <strong>die</strong> Lebenserwartung der Lithium-Ionen-Batterien<br />
und mit wie langen<br />
Akkuladezeiten hat der Verbraucher zu<br />
rechnen?<br />
Wir haben den Anspruch, dass unsere Batterie<br />
selbst nach zehn Jahren Alltagsnutzung im<br />
Fahrzeug noch 80 Prozent ihrer Kapazität hat.<br />
Beim Laden mit normalem Haushaltsstrom<br />
(3,3 kW) rechnen wir mit Ladezeiten von 6-8<br />
Stunden, beim dreiphasigen Laden mit 10 kW<br />
liegt <strong>die</strong> Dauer bei drei bis vier Stunden. Wird<br />
Gleichstrom verwendet (DC-Laden mit 50 kW),<br />
dann wird <strong>die</strong> Fahrzeugbatterie innerhalb von<br />
ca. 20 bis 30 Minuten wieder geladen.<br />
36
Wissenschaft<br />
Fotos: Volkswagen<br />
Dr. Rudolf<br />
Krebs ist<br />
generalbevollmächtigter<br />
Leiter der<br />
Elektro-Traktion<br />
im Volkswagen<br />
Konzern<br />
brennungsmotorisch angetriebenen Fahrzeugen<br />
bereits beim Anfahren über das volle Drehmoment<br />
verfügt. Beim Golf Blue-e-Motion sind<br />
das 270 Nm – damit hängen sie an der Ampel<br />
erst mal jeden ab.<br />
Rentiert sich ein Elektrofahrzeug auch dann<br />
noch für den Verbraucher, wenn <strong>die</strong> Strompreise<br />
weiter ansteigen?<br />
Beispielsweise bei einer Verdopplung der Energiekosten<br />
wird der Vorteil eines Elektrofahrzeugs<br />
erst richtig sichtbar! Denn <strong>die</strong> Kosten<br />
für fossile Kraftstoffe werden dementsprechend<br />
mit ansteigen, so dass <strong>die</strong> Differenz zwischen<br />
Strom- und Kraftstoffpreis noch größer wird.<br />
Elektrofahrzeuge werden dann für den Verbraucher<br />
interessant, weil der Kunde seine<br />
tägliche Mobilität wesentlich kostengünstiger<br />
realisieren kann.<br />
2020 sollen laut des Nationalen Entwicklungsplans<br />
der Elektromobilität der Bundesregierung<br />
eine Millionen Elektrofahrzeuge<br />
auf deutschen Straßen rollen, ist das<br />
realistisch?<br />
Die Zahl von einer Million E-Fahrzeuge halten<br />
wir für durchaus realistisch, jedoch unter<br />
Vorbehalt, dass alle empfohlenen Maßnahmen<br />
der NPE bis dahin auch umgesetzt sind. Für<br />
Elektrofahrzeuge (reine Elektrofahrzeuge und<br />
Plug-In Hybride) rechnen wir daher im Jahr<br />
2020 weiterhin mit einem Marktanteil bei den<br />
Neuzulassungen von etwa 3 Prozent. Bis 2020<br />
Elektotechnik<br />
hat Volkswagen<br />
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Social<br />
Entrepreneurship<br />
Die Gründung von innovativen<br />
Unternehmen ist <strong>die</strong> Voraussetzung<br />
für <strong>die</strong> wirtschaftliche<br />
Entwicklung und Prosperitätssicherung.<br />
Entrepreneurship tangiert jedoch<br />
nicht nur <strong>die</strong> ökonomische Sphäre, sondern<br />
auch <strong>die</strong> Gesamtheit unserer Gesellschaft.<br />
Substantielle Persönlichkeitsmerkmale,<br />
<strong>die</strong> für <strong>die</strong> Entstehung und<br />
Fortentwicklung von neuen Unternehmen<br />
erforderlich sind, sind auch notwendig,<br />
um <strong>die</strong> sozialen und politischen<br />
Herausforderungen zu bewerkstelligen.<br />
Der Nobelpreisträger Muhammad<br />
Yunus hat mit seiner entrepreneurialen<br />
Idee <strong>die</strong> Entwicklungspolitik revolutioniert<br />
und Millionen von Menschen in<br />
Bangladesch und anderen Ländern von<br />
der Armut befreit. <strong>Du</strong>rch Kleinkredite<br />
in Höhe von 50 bis 100 Dollar an <strong>die</strong><br />
Landbevölkerung hat er geholfen, dass<br />
<strong>die</strong>se kleine Unternehmen gründen und<br />
ihre Existenz sichern können. Nicht <strong>die</strong><br />
staatliche Entwicklungshilfe reicher<br />
Länder, sondern <strong>die</strong> Mikrodarlehen inländischer<br />
Kapitalgeber haben Wachstumsprozesse<br />
ausgelöst.<br />
Das Modell des Mikrokredits wird<br />
inzwischen auch in Industrieländern<br />
angewendet. Das Bundeswirtschaftsministerium<br />
hat in <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />
<strong>die</strong> Initiative Mikrokreditfonds<br />
Deutschland gestartet, wodurch Gründungen<br />
mit Krediten in Höhe von 1.000<br />
bis 10.000 Euro gewährt werden.<br />
Social Entrepreneurship impliziert<br />
den Kapitalismus mit einem menschlichen<br />
Gesicht. Dabei werden Marktstrukturen<br />
zur Lösung sozialer und<br />
gesellschaftlicher Probleme zugrunde<br />
gelegt. Die Marktdynamik sorgt dafür,<br />
dass wertvolle Dienste angeboten und<br />
nachhaltig am Markt bestehen können,<br />
ohne dabei um staatliche Subventionen<br />
Kolumne<br />
Prof. Reza Asghari<br />
gibt an <strong>die</strong>ser Stelle<br />
Einblicke in <strong>die</strong> Welt<br />
des Entrepreneurships.<br />
Hier erklärt er <strong>die</strong><br />
Bedeutung des Social<br />
Entrepreneurship für <strong>die</strong><br />
Lösung gesellschaftlicher<br />
Herausforderungen.<br />
ringen zu müssen. Dieser Aspekt gewinnt<br />
aufgrund von knapper werdenden<br />
öffentlichen Mitteln an Bedeutung.<br />
Social Entrepreneurship setzt Bürgerengagement<br />
voraus und leistet einen<br />
wichtigen Beitrag zur Bürgergesellschaft.<br />
Soziale Netze und das Web 2.0<br />
bieten dabei große Chancen, sich mit<br />
einem geringen Aufwand in der virtuellen<br />
Welt zu vernetzen, neue Ideen mit<br />
vielen Menschen zu teilen und das Social<br />
Entrepreneurship zu etablieren.<br />
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Karriere<br />
Foto: Christina Westing<br />
Neben dem Hauseingang<br />
eines<br />
unscheinbaren<br />
Gebäudes direkt in der<br />
Fußgängerzone hängt<br />
ein Briefkasten mit einem<br />
kleinen Schild –<br />
CDU ist darauf zu lesen.<br />
Ein paar Treppenstufen<br />
hinauf gegangen,<br />
<strong>die</strong> Tür aufgeschlossen<br />
und schon befindet sich<br />
Christoph Kasper im<br />
Büro der Gifhorner CDU.<br />
Zwar stu<strong>die</strong>rt der 26-Jährige<br />
zurzeit Integrierte<br />
Sozialwissenschaften an<br />
der TU Braunschweig,<br />
arbeitet nebenher aber<br />
auch als Geschäftsführer<br />
der Kreistagsfraktion.<br />
„Ich arbeite nicht<br />
viel mehr als andere, <strong>die</strong><br />
neben dem Studium einem<br />
festen Job nachgehen.“<br />
Bereits 2007 trat<br />
Kasper der CDU im Ortsverband<br />
Meine bei, ein<br />
Schritt, der vor allem<br />
aus persönlicher Überzeugung<br />
entstand. „Ich<br />
bin so ein Mittelding zwischen<br />
schwarz und grün,<br />
in meinen Augen hat<br />
<strong>die</strong> CDU viele Dinge aus<br />
dem Programm der Grünen<br />
aufgenommen, aber<br />
versucht sie in einem realistischen<br />
Rahmen umzusetzen.“<br />
Seitdem engagiert<br />
sich Kasper mit<br />
Hingabe ehrenamtlich<br />
für <strong>die</strong> Politik, mit Erfolg!<br />
Bereits nach kurzer<br />
Zeit der Mitgliedschaft<br />
übernahm der engagierte<br />
Politiker ein Amt im Vorstand. 2012<br />
hatte er dann das Glück, als erster Geschäftsführer<br />
für <strong>die</strong> Kreistagsfraktion<br />
in Gifhorn eingestellt zu werden. Ein<br />
Job, so könnte man meinen, der viel Erfahrung<br />
voraussetzt. Zwar bringt Kasper<br />
theoretische Grundlagen aus dem Studium<br />
mit, <strong>die</strong>se seien in der Praxis jedoch<br />
Das politische<br />
Doppelleben<br />
Christoph Kasper – ausgelastet mit<br />
Theorie und Praxis der Politik<br />
Von Christina Westing<br />
nicht immer umsetzbar. Bedenken, <strong>die</strong><br />
für den Studenten überflüssig sind.<br />
„Wenn ich nicht irgendwo zu einem<br />
großen Maß überzeugt hätte, dann säße<br />
ich nicht hier“. Für seine große Leistung<br />
in der realen Welt der Politik als<br />
junger Studi kamen von seinen Kommilitonen<br />
bisher nur Glückwünsche. Der<br />
Job sei gerade während<br />
der Klausurenphase<br />
stressig, aber<br />
<strong>die</strong> Leidenschaft für<br />
<strong>die</strong> Politik, plus das<br />
dreifache Gehalt eines<br />
normalen Nebenjobs<br />
im Monat<br />
sind da schon<br />
eine gute Entschädigung.<br />
„Für mich<br />
ist es einfach eine<br />
geniale Symbiose<br />
aus mehreren Teilen,<br />
das Rund-umg<br />
l ü c k l i c h - P a k e t<br />
sozusagen.“ Theoretisch<br />
wird Kasper<br />
seine politische<br />
Karriere in jedem<br />
Fall fortsetzen. Im<br />
Sommersemester<br />
2013 steht für ihn<br />
der Bachelor an,<br />
bis zum Ende seines<br />
Arbeitsvertrages<br />
2016 will er den<br />
Master in Organisationskultur<br />
und<br />
Wissenstransfer abschließen.<br />
Inwiefern<br />
es dann praktisch<br />
in der Politik<br />
weitergeht, müsse<br />
man sehen. „Es ist<br />
durchaus so, dass<br />
bei Herrn Kasper<br />
Potential vorhanden<br />
ist, er muss auf<br />
jeden Fall weiterhin<br />
aktiv bleiben“,<br />
meint eine Kollegin<br />
Kaspers, <strong>die</strong><br />
ihn seit gut zwei<br />
Jahren kennt. Aber<br />
erst einmal gilt es,<br />
20 Stunden in der Woche Fraktionssitzungen<br />
vorzubereiten, den Pressebereich<br />
abzuarbeiten und Termine zu<br />
organisieren. Und nach getaner Arbeit<br />
schließt sich <strong>die</strong> Tür der Gifhorner CDU<br />
und Christoph Kasper wechselt wieder<br />
in sein Leben des ganz normalen<br />
Studenten. #<br />
43
Karriere<br />
Elektotechnik<br />
Spezial<br />
Studium unter<br />
Hochspannung<br />
Ein Überblick über <strong>die</strong> Fakultät der Elektrotechnik<br />
in Braunschweig und <strong>die</strong> Zukunft der Branche<br />
Von Lisa Habelt & Desiree Schober<br />
Wie sieht eigentlich<br />
unsere Zukunft<br />
aus? Müssen<br />
wir bald nicht mehr<br />
in den Supermarkt gehen,<br />
weil unser Kühlschrank <strong>die</strong><br />
Lebensmittel für uns bei<br />
Bedarf nachbestellt? Verlinkt<br />
eine Brille uns demnächst<br />
direkt mit dem Facebook-Profil<br />
einer Person,<br />
<strong>die</strong> wir neu kennenlernen?<br />
Der Fachbereich Elektrotechnik<br />
an der TU Braunschweig<br />
beschäftigt sich<br />
täglich mit solchen Fragen.<br />
„Es gibt heute fast keine<br />
Baugruppen mehr, in denen<br />
Elektrotechnik keine<br />
Rolle spielt. Sie erhält eigentlich<br />
in alle Bereiche Einzug“, erklärt<br />
Markus Maurer, der an der TU Professor<br />
für elektronische Fahrzeugsysteme<br />
ist. Sein Forschungsschwerpunkt sind<br />
elektronische Komponenten, <strong>die</strong> heute<br />
und zukünftig in Fahrzeugen verwendet<br />
werden.<br />
Maurers wichtigste „Mitarbeiterin“<br />
ist das autonome Auto Leonie, das<br />
man häufiger auf den Straßen Braunschweigs<br />
antreffen kann.<br />
Die kleineren Geschwister<br />
von Leonie messen sich<br />
einmal im Jahr abseits vom<br />
Straßenverkehr. Im Februar<br />
2013 findet bereits zum<br />
sechsten Mal der „Carolo<br />
Cup“ statt, ein studentischer<br />
Wettbewerb, in dem<br />
Teams aus ganz Deutschland<br />
ihre selbstentwickel-<br />
Prof. Markus Maurer<br />
ten autonomen Modellfahrzeuge in<br />
einem Parcours gegeneinander antreten<br />
lassen. Zweimal hat <strong>die</strong> Gruppe<br />
aus Braunschweig <strong>die</strong>sen Wettbewerb<br />
schon gewonnen und <strong>die</strong> Arbeit an dem<br />
neuen Modell für den nächsten Wettbewerb<br />
ist bereits in vollem Gange.<br />
Interesse? →www.team-cdlc.de<br />
In Braunschweig befinden sich <strong>die</strong><br />
Fächer Elektrotechnik, Informationstechnik<br />
und<br />
Physik in einer<br />
gemeinsamen<br />
Fakultät. Der<br />
Standort verbindet<br />
durch<br />
<strong>die</strong>se Organisationsstruktur<br />
<strong>die</strong> Naturwissenschaft<br />
mit den Inge-<br />
Holger Stegert<br />
nieurwissenschaften. „Dadurch<br />
sollen Kooperationen<br />
zwischen den beiden<br />
Bereichen ermöglicht und<br />
<strong>die</strong> Zusammenarbeit in<br />
der Lehre erleichtert werden“,<br />
erklärt Dekan Holger<br />
Stegert. Innerhalb der Fakultät<br />
gibt es zehn Institute<br />
der Elektrotechnik und<br />
Informationstechnik und<br />
fünf Institute der Physik.<br />
Insgesamt stu<strong>die</strong>ren hier<br />
rund 1600 Stu<strong>die</strong>rende.<br />
„Das klingt auf den ersten<br />
Blick viel, ist aber eigentlich<br />
noch zu wenig“, betont<br />
Stegert. Dass es zu wenig<br />
Stu<strong>die</strong>rende innerhalb<br />
<strong>die</strong>ser technischen Gebiete<br />
gibt, sei aber kein Problem des Standortes,<br />
sondern in ganz Deutschland<br />
und auf internationaler Ebene so. Stegert:<br />
„Freie Stellen gibt es deshalb für<br />
zukünftige Elektrotechnikabsolventen<br />
genügend, wodurch sowohl <strong>die</strong> Berufschancen<br />
als und auch <strong>die</strong> Einstiegsgehälter<br />
ziemlich hoch sind.“<br />
Ein großer Vorteil der Stu<strong>die</strong>rendenanzahl<br />
sei, zumindest am Standort<br />
Braunschweig, der familiäre<br />
und unkomplizierte<br />
Umgang zwischen den Stu<strong>die</strong>renden,<br />
mit ihren Professoren<br />
und vor allem mit<br />
den Betreuern, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sen<br />
anspruchsvollen Stu<strong>die</strong>ngängen<br />
besonders wichtig<br />
wären. Und was sagen<br />
<strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden selbst?<br />
Einfach rechts schauen… #<br />
Fotos: Desiree Schober<br />
44
Karriere<br />
Ich stu<strong>die</strong>re<br />
Elektrotechnik …<br />
Elektotechnik<br />
Spezial<br />
Stu<strong>die</strong>rende aus unterschiedlichen Fachbereichen und verschiedenen Semestern berichten<br />
über ihre Erfahrungen mit dem Bereich Elektrotechnik innerhalb ihrer Stu<strong>die</strong>ngänge<br />
Von Lisa Habelt & Desiree Schober<br />
„Man beginnt mit den Grundlagen der Elektrotechnik und vertieft sich dann meist ab dem 4. Semester. Am<br />
Anfang kann man außerdem verschiedene Praktika machen in den Bereichen Elektrotechnik, Messtechnik und<br />
Programmieren. Auf <strong>die</strong>se Weise wird man gut in das Thema hineingeführt. Ich find das Studium eigentlich<br />
sehr entspannt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich schon von klein auf viel mit Elektrotechnik zu tun hatte,<br />
da ich mit meinem Vater schon immer viel an technischen Sachen gebastelt habe.“<br />
Sebastian Stubba, 22, TU Braunschweig, Bachelor Elektrotechnik, 4. Semester<br />
„Also das Grundstudium war recht schwer und nicht so interessant. Im Hauptstudium waren dann einige<br />
Vorlesungen dabei, <strong>die</strong> Spaß gemacht haben. <strong>Du</strong>rch <strong>die</strong> Labore konnte man das gelernte praktisch anwenden.<br />
Was ich nach dem Bachelor mache weiß ich noch nicht, eventuell noch den Master oder Feuerwehrmann.“<br />
Lars Diekmann, 25, FH Wolfenbüttel, Bachelor Elektromobilität, 8. Semester<br />
„Ich habe nun zwei Semester Me<strong>die</strong>nwissenschaften und somit auch das Modul „Einführung in <strong>die</strong> Elektrotechnik“<br />
hinter mir. Die Klausur war zum Glück durch Vorjahresbeispiele gut vorzubereiten, aber<br />
wirklichen Zugang zu den schwierigeren Themen habe ich leider nicht bekommen. Obwohl ich nicht uninteressiert<br />
bin, war das Tempo einfach zu schnell, was sich vielleicht auch daran zeigt, dass fast jeder<br />
Zweite durchgefallen ist. Ich weiß noch überhaupt nicht, in welche Richtung ich später beruflich gehen<br />
möchte, weshalb ich <strong>die</strong> Relevanz für <strong>die</strong> Zukunft noch nicht beurteilen kann.“<br />
Laura Piep, 21, TU Braunschweig, Bachelor Me<strong>die</strong>nwissenschaften, 3. Semester<br />
„Das Informations-Systemtechnik Studium ist eine Verbindung aus Elektrotechnik und Informatik. Die Mischung<br />
find ich gut. Abgesehen davon, dass meiner Ansicht nach das eine oder andere Fach nicht so ganz in das Konzept<br />
passt, bin ich ganz zufrieden. Ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit im Institut für Regelungstechnik (IFR). Das<br />
Institut ist sehr gut prädestiniert für <strong>die</strong>sen Stu<strong>die</strong>ngang. Die Regelungstechnik werde ich erst im nächsten Semester<br />
zum Master besuchen. Ich denke aber, das ist so der Bereich, in dem ich auch später arbeiten will. Denn gerade<br />
<strong>die</strong> Schnittstelle zwischen der reinen Informatik und der reinen Elektrotechnik finde ich sehr interessant.“<br />
Jan Wrede, 22, TU Braunschweig, Bachelor Informations-Systemtechnik, 6. Semester<br />
Fotos: Lisa Habelt, Privat<br />
„Ich stu<strong>die</strong>re im ersten Semester Informatik Master und habe vorher meinen Bachelorabschluss in Informations-Systemtechnik<br />
gemacht. Für den Master habe zu Informatik gewechselt, da ich mich hier<br />
meiner Meinung nach freier und selbständiger spezialisieren kann. Im Bereich der Elektrotechnik und<br />
der Informations-Systemtechnik sind <strong>die</strong> Auswahlmöglichkeiten innerhalb des Master-Stu<strong>die</strong>ngangs<br />
nicht so breit gefächert und <strong>die</strong> Vorgaben sind relativ starr.“<br />
Georg von Zengen, 25, TU Braunschweig, Master Informatik, 1. Semester<br />
45
Karriere<br />
Fotos: Nelly Peters, ANYJAZZ64<br />
Macht hoch <strong>die</strong> Tür …<br />
Das Projekt Offene Hochschule fördert Stu<strong>die</strong>ren ohne Abitur<br />
Von Nelly Peters<br />
Wer ein Abitur hat, kann stu<strong>die</strong>ren.<br />
Für alle anderen<br />
bleibt der Zugang zur Universität<br />
in der Regel versperrt. Dieses<br />
akademische Naturgesetz ist seit der<br />
Novellierung des Niedersächsischen<br />
Hochschulgesetzes im Jahr 2010 aufgehoben.<br />
Seitdem können theoretisch<br />
alle Menschen mit beruflicher Qualifizierung<br />
fachbezogen stu<strong>die</strong>ren. „An<br />
der TU haben wir momentan aber nur<br />
rund 150 Stu<strong>die</strong>rende ohne Abitur. Natürlich<br />
wollen wir mehr Menschen Anreize<br />
bieten“, erklärt Marcus Voitel, der<br />
an der TU im Projekt „Offene Hochschule<br />
– Lifelong Learning“ arbeitet. In <strong>die</strong>sem,<br />
vom Land Niedersachsen geförderten<br />
Projekt, versuchen Wissenschaftler<br />
an insgesamt vier Hochschulstandorten<br />
mehr Menschen ohne Abitur zum Stu<strong>die</strong>ren<br />
zu motivieren. Dass <strong>die</strong>ser Weg<br />
nämlich nach wie vor steinig ist, erzählen<br />
Christian Alexander <strong>Du</strong>dek und Katrin<br />
Scheel. Beide haben den Sprung ins<br />
Studium gewagt.<br />
Christian Alexander <strong>Du</strong>dek ist 29 Jahre<br />
alt, in einer festen Beziehung und hat<br />
einen fünf Monate alten Sohn. Nach seinem<br />
erweiterten Realschulabschluss begann<br />
er eine Ausbildung zum Koch und<br />
blieb seinem Beruf neun Jahre treu.<br />
bis er beschloss sich an der TU Braunschweig<br />
für das Fach Biotechnologie zu<br />
bewerben. Die sogenannte 3 + 3 Regel<br />
erfüllte er, da er nach seiner dreijährigen<br />
Ausbildung schon mehr als drei Jahre<br />
im gleichen Beruf gearbeitet hatte.<br />
„Eigentlich wollte ich seit ich klein bin<br />
Koch werden“, sagt <strong>Du</strong>dek. Doch nach<br />
und nach wurde er unzufrieden. „Ich<br />
habe ein paar sehr schlechte Erfahrungen<br />
mit Chefs gemacht, wurde schlecht<br />
bezahlt und wenn ich nach einer Gehaltserhöhung<br />
gefragt habe, wurde mit<br />
der Kündigung gedroht“, erzählt er wei-<br />
46
Karriere<br />
„Soweit es geht nach oben.<br />
Jetzt wo ich angefangen<br />
habe und es mir Spaß<br />
macht, da möchte ich<br />
alles raus holen.“<br />
Christian Alexander <strong>Du</strong>dek<br />
ter. Mittlerweile stu<strong>die</strong>rt er hoch motiviert<br />
im 3. Semester. Auf dem Campus<br />
hat sich <strong>Du</strong>deks Werdegang ziemlich<br />
schnell herumgesprochen und somit<br />
hatte er keine Probleme trotz Altersunterschied<br />
Anschluss zu finden. Momente<br />
in denen der ehemalige Koch an seiner<br />
Entscheidung gezweifelt hatte, gab<br />
es nicht: „Auch wenn es nicht einfach<br />
ist...vor allem im ersten Semester war es<br />
richtig schwer. Aber es macht mir Spaß,<br />
<strong>die</strong> Praktika und <strong>die</strong> Themen sind interessant.“<br />
Sein Studium nimmt Christian<br />
Alexander <strong>Du</strong>dek sehr ernst, dazu hat er<br />
noch seine kleine Familie. Logisch, dass<br />
das Studentenleben dabei auf der Strecke<br />
bleibt. „Ich muss jetzt richtig Gas<br />
geben. Ich werde 30 und kann nicht herum<br />
trödeln.“ Denn das nächste Ziel hat<br />
er fest im Blick: Einen Masterplatz. Und<br />
danach? „Soweit es geht nach oben.<br />
Jetzt wo ich angefangen habe und es<br />
mir Spaß macht, da möchte ich alles<br />
raus holen.“<br />
Katrin Scheel, <strong>die</strong> heute 40 Jahre alt,<br />
verheiratet und Mutter von drei Kindern<br />
ist, hat <strong>die</strong>sen steilen Aufstieg bereits<br />
vorgemacht. Fast im gleichen Alter<br />
wie <strong>Du</strong>dek fing sie mit dem Mathestudium<br />
an der TU Braunschweig an. Heute<br />
ist sie der Technischen Universität treu<br />
geblieben und promoviert in Teilzeit.<br />
Alles begann bei Katrin Scheel mit<br />
der Immaturenprüfung, <strong>die</strong> den Zugang<br />
zu einer Hochschule ermöglichte.<br />
Wer eine Berufsausbildung, ein paar<br />
Jahre Berufserfahrung oder auch fünf<br />
Jahre lang einen eigenen Haushalt mit<br />
Kindern aufweisen kann, darf an <strong>die</strong>ser<br />
Prüfung teilnehmen.<br />
Katrin Scheel hat ihr Abitur damals<br />
aufgrund einer Schwangerschaft abgebrochen.<br />
„Auf einem altsprachlichen<br />
Gymnasium, das sehr angestaubt und<br />
elitär war, hat man mir vorsichtig gesagt,<br />
dass ich kein guter Einfluss für<br />
„Ein Beweis, wenn er<br />
richtig schön gemacht<br />
ist, ist ästhetisch. Aber<br />
das verstehen glaub ich<br />
nur Mathematiker.“<br />
Katrin Scheel<br />
<strong>die</strong> anderen und es mit Kind ein wenig<br />
zu viel wäre.“ Deshalb ist sie von der<br />
Schule abgegangen und hat geheiratet.<br />
Eigentlich wollte sie das Abitur später<br />
auf dem Abendgymnasium nachholen,<br />
doch ihr Mann erkrankte an Krebs<br />
und <strong>die</strong> junge Mutter blieb bis zum seinem<br />
Tod zu Hause. Später merkte Katrin<br />
Scheel, dass es endlich an der Zeit<br />
war, das zu machen, was sie schon immer<br />
machen wollte – ihr Abitur.<br />
Über den zweiten Bildungsweg, also<br />
mit der bestandenen Immaturenprüfung<br />
fing sie an Mathematik zu stu<strong>die</strong>ren.<br />
„Ich kann nichts anderes. Mathe ist<br />
für mich hoch interessant. Es macht mir<br />
auch unheimlich Spaß mit Studenten,<br />
Jugendlichen oder Kindern zu arbeiten,<br />
denen zu zeigen wie schön Mathematik<br />
ist. Ein Beweis, wenn er richtig schön<br />
gemacht ist, ist ästhetisch. Aber das verstehen<br />
glaub ich nur Mathematiker.“<br />
Obwohl Katrin Scheel ihr Diplom mit<br />
einer Eins bestanden hatte, zweifelte<br />
sie dennoch vom ersten bis zum letzten<br />
Tag an sich selbst. Während des Studiums<br />
bekam sie ihr zweites Kind und besuchte<br />
nur <strong>die</strong> Vormittagsvorlesungen,<br />
da sie sich danach um <strong>die</strong> Kinder kümmern<br />
musste. „Ich saß alleine zu Hause<br />
und während <strong>die</strong> Kinder schliefen<br />
oder spielten, versuchte ich alles aufzuarbeiten.<br />
Mir fehlten <strong>die</strong> Vorlesungen<br />
vom Nachmittag und Abend, mir fehlte<br />
der Austausch mit den anderen. Da<br />
fühlt man sich ständig fehl am Platz.<br />
Ich habe gedacht, dass es an mir liegt.<br />
Aber dann merkte ich, dass es einfach<br />
daran lag, dass ich alleine war.“ Als sie<br />
ihren zweiten Mann kennenlernte, der<br />
sogar Mathematiker an der TU Braunschweig<br />
war, wurde alles einfacher. Mit<br />
viel Ehrgeiz, Disziplin und Erfolg meisterte<br />
Katrin Scheel ihre Stu<strong>die</strong>nzeit. Bekam<br />
währenddessen sogar ein drittes<br />
Kind und unterrichtet neben ihrer Promotion<br />
studentische Übungsgruppen.<br />
Christian Alexander <strong>Du</strong>dek und Katrin<br />
Scheel haben mit Engagement und Ehrgeiz<br />
viele Hürden genommen. Die sind<br />
den Wissenschaftlern im Projekt Offene<br />
Hochschule längst bekannt. Voitel:<br />
„Nicht <strong>die</strong> Art der Stu<strong>die</strong>nberechtigung,<br />
sondern <strong>die</strong> Fachzugehörigkeit und <strong>die</strong><br />
bedarfsgerechte Ausrichtung der Stu<strong>die</strong>nangebote<br />
im Sinne des Diversity<br />
Managements entscheiden über den<br />
individuellen Erfolg. Für kritische Stu<strong>die</strong>nphasen,<br />
vor allem für den Übergang<br />
vom Beruf ins Studium, bietet <strong>die</strong> TU<br />
ein hochwertiges Übergangsmanagement<br />
in Kooperation mit regionalen<br />
Bildungseinrichtungen.“<br />
#<br />
Infos zum Projekt<br />
Offene Hochschule<br />
und Hilfe<br />
für Stu<strong>die</strong>nanfänger<br />
ohne Abitur<br />
gibt es hier: →www.tu-bs.de/oh<br />
47
Karriere<br />
„Scheiß auf Papier,<br />
wir machen das jetzt alles digital!“<br />
„Was mache ich bloß nach meinem Studium?“ Diese Frage beschäftigt wohl viele Stu<strong>die</strong>rende, spätestens wenn sie<br />
auf den langersehnten Abschluss zusteuern. Wie wäre es denn mit einer eigenen Agentur? Sein eigener Chef sein!<br />
Jonathan Beddig, ehemaliger Student der Ostfalia Hochschule hat genau das getan und studi38 Einblicke in seine<br />
Arbeit gewährt.<br />
Von Ninja Kruschewski<br />
Jonathan Beddig (Zweiter v. links) zusammen mit seinem PlaySys-Team<br />
Empfangen werde ich von einem<br />
treuherzig blickenden Golden Retriever.<br />
Er begrüßt mich neugierig,<br />
bis der Ruf „Ernie“ ertönt. Mit dem<br />
Rufenden, Jonathan Beddig, bin ich für<br />
ein Interview in seinem ‚Co-Workoffice‘<br />
verabredet, weil seine Agentur gerade<br />
umzieht. „Hier gibt‘s auch ne Kaffeemaschine<br />
und eine staubfreie Sitzgelegenheit“,<br />
begründet er.<br />
Schon bevor Jonathan Beddig sein<br />
Me<strong>die</strong>nmanagement-Studium an der<br />
Ostfalia begann, gründete er 2007 zusammen<br />
mit Simon Börner <strong>die</strong> Werbeagentur<br />
B&B Media. Im Laufe der Zeit<br />
entwickelte sich daraus eine Internet-<br />
Werbeagentur. Inzwischen gibt es bei<br />
B&B Media kaum noch Printwerbung,<br />
80 Prozent der Erzeugnisse sind digital.<br />
Jonathan erklärt: „Das ist einfach ein<br />
ideologischer Ansatz. Wenn ich 1000<br />
Flyer drucke, erzielen davon vielleicht<br />
nur zwei den Nutzen, den ich mir wünsche.<br />
Man produziert eigentlich tierisch<br />
viel Werbemüll.“ Und grinsend fügt der<br />
28-Jährige hinzu: „Bei PlaySys haben<br />
wir gesagt: Scheiß auf Papier, wir machen<br />
das jetzt alles digital!“<br />
Das Projekt ‚PlaySys‘ hält Jonathan<br />
momentan besonders auf Trab. Es ist<br />
ein von ihm und seinen Kollegen entwickeltes<br />
System zur Verwaltung von Bildschirm-Werbung.<br />
„Zum einen ist es ein<br />
Content-Management-System, mit dem<br />
Ladenbetreiber quasi selbst Bewegtbild-<br />
Werbung mit Text und Fotos erstellen<br />
und ihre Bildschirme damit bespielen<br />
können. Zum anderen ist PlaySys aber<br />
auch das Vermarktungstool, um <strong>die</strong>se<br />
Werbeflächen an Dritte weiterzuverkaufen.<br />
Das heißt, es ist eine Mischung aus<br />
Content-Management und einem Social<br />
Network für Bildschirm-Werbung.“<br />
Darüber hinaus besitzt<br />
PlaySys einen Ticketdrucker.<br />
„Wir brauchten irgendetwas<br />
Altmodisches,<br />
das selbst Oma Erna versteht.<br />
Damit bekommt<br />
der Besucher durch einen<br />
einfachen Knopfdruck Visitenkarten<br />
oder auch Gutscheine<br />
an <strong>die</strong> Hand.“<br />
PlaySys kann aber noch<br />
mehr: Zwei Kameras scannen<br />
<strong>die</strong> Betrachter nach biometrischen<br />
Mustern und können<br />
so <strong>die</strong> Reichweite der<br />
Werbung messen. „Dadurch,<br />
dass wir <strong>die</strong> Möglichkeit haben,<br />
einzelne Besucher zu<br />
zählen, verkaufen wir gesehene Werbung<br />
und nicht nur potenziell gesehene“,<br />
erläutert Jonathan.<br />
An seiner Arbeit in der Werbeagentur<br />
schätzt er vor allem,<br />
dass sie sehr vielfältig<br />
ist. „Ich brauche eigentlich<br />
immer eine richtige Herausforderung,<br />
bin jemand,<br />
der gerne ins kalte Wasser<br />
springt und Dinge tut, <strong>die</strong> er<br />
vorher noch nie getan hat.“<br />
Außerdem hat Jonathan den<br />
Vorteil, sein eigener Chef zu<br />
sein: „Ich kann mir meine Arbeit<br />
selbst einteilen und selbstständig<br />
Entscheidungen treffen.<br />
Ich bin flexibel und kann alles<br />
machen was ich will.“ Nach einer<br />
kurzen Pause ergänzt er<br />
schmunzelnd: „Fast alles!“. #<br />
Fotos: Ninja Kruschewski<br />
48
Schlussakkord<br />
Lieblings …<br />
… Album? Film? Buch?<br />
Ein Blick hinter <strong>die</strong> Kulissen: Unsere Redakteure verraten euch exklusiv ihre Vorlieben!<br />
Kathrin Haßler<br />
Marina Müller<br />
Laura Trommer<br />
Lieblingsalbum<br />
Name des Albums: Forever<br />
Interpret: Medina<br />
Weil: authentisch, persönlich, tanzbar<br />
Die dänische Sängerin macht emotionalen<br />
Dance-Sound der Extraklasse. <strong>Du</strong>rch <strong>die</strong>se<br />
Klänge bekommt man gleich gute Laune.<br />
Lieblingsfilm<br />
Name des Films:<br />
Ziemlich beste Freunde<br />
Regisseur:<br />
Olivier Nakache, Éric Toledano<br />
Weil: emotional, witzig, bewegend<br />
Die schöne Tragikomö<strong>die</strong> handelt von einer<br />
besonderen Freundschaft zwischen einem Gelähmten<br />
und seinem Pfleger, <strong>die</strong> aus verschiedenen<br />
sozialen Schichten stammen. Großartige<br />
Schauspieler und großartiger Film.<br />
Lieblingsbuch<br />
Name des Buches: Für immer der Deine<br />
Autor: Nicolas Sparks<br />
Weil: ergreifend, romantisch,<br />
spannend<br />
Herzzerreißender Liebesroman mit vielen<br />
Momenten zum Lachen und Weinen.Nicolas<br />
Sparks versteht sein Handwerk wie kein<br />
anderer.<br />
Lieblingsalbum:<br />
Name des Albums: Show your Bones<br />
Interpret: Yeah Yeah Yeahs<br />
Weil: energisch, abwechslungsreich,<br />
ehrlich<br />
Karen O‘s eigenwilliger Gesang harmoniert<br />
wunderbar mit dem Sound der Band. Immer<br />
wieder anhörbar.<br />
Lieblingsfilm:<br />
Name des Films:<br />
Kaffee, Milch und Zucker<br />
Regie: Herbert Ross<br />
Weil: humorvoll, einfühlsam,<br />
bewegend<br />
Ein lustiger aber auch trauriger Film über <strong>die</strong><br />
Freundschaft drei unterschiedlicher Frauen.<br />
Die Darstellerinnen spielen so charmant, dass<br />
man einfach mitfühlen muss.<br />
Lieblingsbuch:<br />
Name des Buches: Die drei Stigmata<br />
des Palmer Eldritch<br />
Autor: Philip K. Dick<br />
Weil: eigensinnig, abgedreht,<br />
nachdenklich<br />
Da <strong>die</strong> Welt fast zerstört ist, flüchten sich <strong>die</strong><br />
Menschen mit Drogen in eine Scheinwelt, bis<br />
Realität und Illusion verschwimmen.<br />
Lieblingsalbum<br />
Name des Albums:<br />
Our version of events<br />
Interpret: Emeli Sandé<br />
Weil: tolle Stimme - tolle Songs<br />
Ein Album für beides - konzentriertes Hinhören<br />
oder nebenbei berieseln lassen. Es klingt<br />
immer gut.<br />
Lieblingsfilm<br />
Name des Films: Hasta la vista<br />
Regie: Geoffrey Enthoven<br />
Weil: ernst, traurig und lustig zugleich<br />
Der aus dem Dramatischen gewachsene Witz<br />
gibt <strong>die</strong>sem genau <strong>die</strong> richtige Schärfe. Eine<br />
tolle Mischung aus allem, weil der Humor an<br />
den richtigen Stellen sitzt.<br />
Lieblingsbuch<br />
Name des Buches:<br />
Das Orangenmädchen<br />
Autor: Jostein Gaarder<br />
Weil: total bedacht und doch so leicht<br />
Einfach außergewöhnlich schön geschrieben<br />
und toll zu lesen, was für tiefe Botschaften in<br />
einem einzelnen Brief stecken können.<br />
49
Schlussakkord<br />
Foto: auspieces<br />
Über Ende, Anfang und den Moment dazwischen …<br />
Von Senem Göcmen<br />
Während man einen Fuß vor<br />
den anderen setzt, ist man<br />
darauf bedacht seinen Kopf<br />
zu beugen, soweit dem Weg entgegen,<br />
dass man ihn ja nicht aus den Augen verliert<br />
oder gar über eine Stein stolpert.<br />
Doch manchmal tut einem der Weg den<br />
Gefallen und endet und der Wanderer<br />
hebt seinen Blick in Verwunderung.<br />
Was er sieht ist <strong>die</strong> Fläche vor ihm,<br />
unerschlossen, und den Pfad, den er zurückgelegt<br />
hat, der nun, da er <strong>die</strong> Mühen<br />
der Wanderung hinter sich gelassen,<br />
ganz friedlich ruht. Vergessen <strong>die</strong><br />
kleinen Fehltritte und dumpf nur <strong>die</strong><br />
Erinnerung an das Taumeln und Wanken,<br />
das ihm das Herz pochen ließ. Die<br />
Sorgen, mit denen er <strong>die</strong> Reise begann,<br />
erscheinen wie Kindermärchen, deren<br />
Wahrheit längst vergangen ist.<br />
Etwas geht zu Ende und man steht<br />
da, mit seinen Erinnerungen und wenn<br />
man Glück hatte einem Zettel, auf dem<br />
„Zeugnis“ steht. Aber was für ein gekaufter<br />
Zeuge das ist! Mühsame Arbeit<br />
hat ihn bestochen und fragte man ihn<br />
nach den Momenten des Glücks, der<br />
Freude, Liebe und Hingabe, was könnte<br />
er schon erzählen? Manch einer ist<br />
vielleicht überrumpelt vom plötzlichen<br />
Ende des Weges und schaut melancholisch<br />
zurück, während der andere das<br />
Vergangene wie eine Tür hinter sich zuzieht<br />
und freudig dem, was kommen<br />
wird, entgegensehnt. All <strong>die</strong>se diffusen<br />
Ängste und Träume finden ihre Kulmination<br />
in <strong>die</strong>sem Ding, dass sich nennt,<br />
wie ein Hammerschlag: Exmatrikulation.<br />
Ob es danach noch mal an einer<br />
Uni weitergeht, man doch erst ein Praktikum<br />
oder Auslandsaufenthalt plant<br />
oder sich gleich in <strong>die</strong>se Erwachsenenwelt,<br />
<strong>die</strong>ses Arbeitsleben stürzt, das ist<br />
in <strong>die</strong>sem Moment ziemlich gleichgültig.<br />
Was es bedeutet ist, dass man einen<br />
Teil seines Lebens geronnen in Erinnerungen,<br />
Fotos, Facebookupdates<br />
und all den anderen Memento Moris<br />
darlegt und „Ich packe meinen Koffer<br />
und nehme mit..“ spielt. Was will man<br />
behalten und was war doch nur für <strong>die</strong><br />
Zeit schön und kann getrost zurückgelassen<br />
werden? In <strong>die</strong>sem nostalgischen<br />
Moment des Abschieds erscheint alles<br />
unglaublich wichtig und wertvoll – ein<br />
grausamer Streich der Psyche, wo man<br />
doch eigentlich nie Bock auf Klausuren<br />
und Seminare hatte, Mitbewohner<br />
genervt haben oder <strong>die</strong> Bars alle langweilig<br />
waren. Manchmal hat man Glück<br />
und Freunde ziehen mit einem in <strong>die</strong><br />
großen Städte, doch kann man sich fragen,<br />
ob man das will. Ist es denn nicht<br />
auch ganz schön mal von vorne zu beginnen,<br />
ohne den ganzen Ballast von<br />
früher? Mit neuer Weisheit und Offenheit<br />
an <strong>die</strong> Dinge, <strong>die</strong> da kommen, heranzugehen?<br />
Sagt man zwar so häufig,<br />
dass der Weg im Leben das Ziel sein soll,<br />
doch könnten nicht auch <strong>die</strong> Zäsuren,<br />
<strong>die</strong> Übergänge und Schwellen eine viel<br />
bedeutsamere, und vielleicht deshalb so<br />
gefürchtete Überlegenheit besitzen? Zumindest<br />
spiegelt sich doch im Zeitgeist<br />
eine übertriebene Liebe für den Übergang<br />
wieder, wenn man hört, „dass man<br />
das ja für den Lebenslauf macht“, einem<br />
Briefchen, dessen einziger Sinn es ist,<br />
das irgendwo Weggehen und irgendwo<br />
anders Ankommen zu protokollieren.<br />
Man muss sich arrangieren mit der<br />
gesellschaftlich geforderten Mobilität,<br />
doch sollte man Übergänge nutzen, um<br />
inne zuhalten und den Kopf zu heben. #<br />
50
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