Ausgabe 2 - Studi38
Ausgabe 2 - Studi38
Ausgabe 2 - Studi38
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Braunschweig | Wolfenbüttel<br />
Wolfsburg | Salzgitter | Suderburg<br />
<strong>Ausgabe</strong> 2 | Wintersemester 2010<br />
Me,<br />
Myself & I<br />
DAS DIGITALE „ICH“ IN BESTFORM<br />
DER GEDANKENLESER<br />
TV-Experte Thorsten<br />
Havener im Interview<br />
UNTERIRDISCH<br />
Wie der Fall Asse wütend<br />
und Hoffnung macht<br />
DER NAZIJÄGER<br />
Klaus Hoenen´s nächtlicher<br />
Kampf auf den Straßen
Startklar ins Leben!<br />
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Inhalt<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
tue Gutes und sprich darüber – wir<br />
sollten uns diese alte PR-Weisheit<br />
öfter zum Vorbild nehmen. Etwa<br />
wenn es darum geht, dass kreative<br />
Potentiale gefördert, Wissen erweitert,<br />
Forschung vorangetrieben<br />
oder auch kulturelles Leben bereichert<br />
wird. Ein bisschen von allem<br />
findet sich in der vorliegenden <strong>Ausgabe</strong><br />
von „studi38“ wieder. Dieses<br />
Heft ist damit nicht nur Spiegelbild<br />
Andreas Günther<br />
unserer Region. Es ist auch das Ergebnis<br />
einer neuen Partnerschaft<br />
zwischen dem Braunschweiger Zeitungsverlag,<br />
der TU Braunschweig,<br />
der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften und<br />
der Hochschule für Bildende Künste.<br />
Studierenden im Fach Medienwissenschaften eröffnen<br />
wir einerseits die Möglichkeit, wertvolle Erfahrungen bei<br />
der Erstellung eines Magazins zu sammeln und andererseits<br />
vom Know-how eines Medienhauses zu partizipieren.<br />
Langjährige Zeitungsmacher – vom Redakteur bis zum<br />
Werbeprofi – stehen beratend den Kommunikationswissenschaftlern<br />
von morgen zur Seite. Unberührt davon liegt die<br />
inhaltliche Ausrichtung des Heftes in der Verantwortung der<br />
Hochschulen.<br />
Was wir in diesem Heft lesen, zeigt den Querschnitt des<br />
gesellschaftlichen Lebens – beobachtet und beschrieben<br />
von denen, die hier leben um zu arbeiten, zu lernen und<br />
zu forschen. Wer das Magazin liest, kommt zwangsläufig<br />
nicht nur zum Schluss, dass wir an einem exzellenten<br />
Wissensstandort leben. Die Quintessenz lautet vielmehr,<br />
dass es sich hier prima leben und arbeiten lässt. Und so ist<br />
„studi38“ auch ein wichtiges Instrument für die berufliche<br />
Orientierung – das Leben nach der Uni.<br />
Der Braunschweiger Zeitungsverlag hat sich zur Aufgabe<br />
gemacht, die Entwicklung der Region publizistisch<br />
voranzutreiben und zu begleiten. Dazu zählt auch, neue<br />
Partnerschaften einzugehen und Neues zu wagen. Wir freuen<br />
uns, dass uns – diesem Anliegen folgend – mit „studi38“<br />
eine Kooperation zwischen gewachsenem Verlagshaus und<br />
studentischem Arbeiten gelungen ist.<br />
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei den<br />
Unternehmen bedanken, die das Projekt ebenfalls fördern<br />
und so gewährleisten, das „studi38“ mindestens vierteljährlich<br />
erscheint. Das nächste Mal im Januar 2011. Mehr<br />
Informationen erhalten Sie auf www.facebook.com. Wir<br />
haben dort eine eigene Seite eingerichtet unter dem Namen<br />
„studi38.de“.<br />
Campus<br />
4 Er sagt, Sie sagt<br />
6 „Eine Hochschule muss übersetzen“<br />
Interview mit HBK-Präsident Dr. Hubertus von Amelunxen<br />
8 Von der Hand in den Mund?<br />
Wie Studierende heute leben<br />
12 „Weniger Materie und mehr Geist“<br />
Rainer Langhans im Interview<br />
14 Ein alter Menschheitstopos?!<br />
Generationenkonflikte auf dem Prüfstand<br />
16 Die Stunde Null<br />
Studieren in Braunschweig nach dem 2. Weltkrieg<br />
18 Wir brauchen ein Motto!<br />
Kostümdiskussionen<br />
20 Der Nazijäger<br />
Ein Portrait von Klaus Hoenen<br />
24 Work it out<br />
Der neue Outdoorfitnesspark am Sportzentrum<br />
25 Wir brauchen mehr Farbe<br />
Ein Nachruf auf Christoph Schlingensief<br />
Wissenschaft<br />
26 Unterirdisch<br />
Der Fall Asse<br />
29 „Gorleben ist ein Schwarzbau“<br />
Jürgen Trittin über Asse und Atomausstieg<br />
32 Seelenstrip im Netz<br />
Warum wir online unser Innerstes ausbreiten<br />
33 Eine schmutzige Version vom Kinderkarussell<br />
Chatroulette – ein Erfahrungsbericht<br />
34 „Nicht irgendein Hirngespinnst“<br />
Die Geschichte einer jungen Frau mit Depressionen<br />
36 „Viele kommen und wissen nicht, was los ist“<br />
Psychologin Anja Grocholewski über Depressionen und deren Therapie<br />
Karriere<br />
40 „Dieses Konkurrenzdenken ist doch Schmarrn!“<br />
Karrieretipps von Jazzanova-DJ Jürgen von Knoblauch<br />
42 Internetzworking<br />
Kontaktpflege über Soziale Netzwerke<br />
44 Der Gedankenleser<br />
Mimikprofi Thorsten Havener im Interview<br />
Schlussakkord<br />
46 Willkommen in Braunschweig!<br />
Suvival-Guide für Erstsemester<br />
48 Get the Party started<br />
Sechs Tipps für eine gute Party<br />
49 Lieblings...Album? Film? Buch?<br />
50 Heute. Morgen. Gestern.<br />
19 Impressum<br />
3
Campus<br />
Wie, ihr wollt zusammenziehen?<br />
Ihr studiert doch nur<br />
noch anderthalb Jahre? Das<br />
ist kein gutes Timing“, meinten meine<br />
Freunde. Die „Danach-Frage“ hatte ich<br />
mir seit der Schulzeit bisher gut vom<br />
Leib gehalten. Mit den Abizeugnissen<br />
und Hochschulzusagen, kamen damals<br />
die Laufpässe. Nur die wenigsten versuchten<br />
sich mit halbgaren Kompromissen<br />
wie Fernbeziehung und Beziehungspause<br />
eine Weile über Wasser zu halten.<br />
Ein noch kleinerer Teil davon ist auch<br />
heute noch ein Paar.<br />
Wiederholt sich das<br />
große Beziehungssterben<br />
auch nach<br />
dem Studium? Nicht<br />
unbedingt. Die größten<br />
Feinde sind Verschwiegenheit<br />
und<br />
Timing. Aber: Beides<br />
haben wir selbst in<br />
der Hand. Wir müssen<br />
nur rechtzeitig<br />
über unsere Pläne<br />
sprechen, um am<br />
Ende gemeinsame<br />
Pläne zu schaffen.<br />
Wem dazu Mut oder<br />
Muße fehlen, dem<br />
fehlt schnell auch der<br />
vertraute Partner. Fest<br />
steht: Ein Zukunftsplan<br />
funktioniert wie<br />
die erste gemeinsame<br />
Wohnung. Erst suchen<br />
wir lange nach<br />
dem richtigen Ort,<br />
dann heißt es renovieren<br />
und wir streiten<br />
uns über die Farbe an<br />
den Wänden und die<br />
Aufteilung der Zimmer.<br />
Für eine gewisse<br />
Zeit leben wir sogar<br />
auf einer Dauerbaustelle.<br />
Doch am Ende<br />
liegen wir gemeinsam<br />
auf der Couch – im Gegensatz<br />
zu den Wortlosen.<br />
Die sind plötzlich obdachlos und<br />
allein, weil sie nicht reden wollten oder<br />
konnten. Also: Timing ist wirklich alles.<br />
Mindestens<br />
haltbar<br />
bis …<br />
Von Christian Matz & Maria Boger<br />
Jetzt ist die Dose Ravioli in pikanter<br />
Fleischsauce noch genießbar. Doch<br />
in einigen Jahren sieht das ganz anders<br />
aus. Man würde sie dann nur in<br />
großer Not verspeisen. Denn sobald das<br />
Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten<br />
ist, landen die Ravioli eher im Müll<br />
als auf dem Herd. Und das obwohl Dosenfutter<br />
ja bekanntlich nie niemals<br />
schlecht werden kann, oder? Genau<br />
wie die große Liebe. Hat man sie einmal<br />
gefunden, braucht man nie wieder<br />
nach ihr zu suchen. Doch ist das wirklich<br />
so? Viele Pärchen<br />
aus dem Freundeskreis<br />
wirken auf<br />
den ersten Blick<br />
bis in alle Ewigkeiten<br />
genießbar.<br />
Aber nicht selten<br />
trügt die Verpackung.<br />
Noch ist es<br />
nur ein Auslandssemester,<br />
aber schon<br />
bald nagt die große<br />
unbekannte Zukunft<br />
an der Liebe.<br />
Er will später mit<br />
seinen zwei Kindern<br />
auf einem alten<br />
Bauernhof leben,<br />
während Sie<br />
eigentlich gar keine<br />
Kinder will und<br />
von einem Loft<br />
in der Großstadt<br />
träumt. Diese Vorstellungen<br />
passen<br />
nicht zusammen<br />
und machen die Beziehung<br />
nach und<br />
nach ungenießbar.<br />
Und irgendwann<br />
ist die große Liebe<br />
schlecht geworden.<br />
Auch Ravioli sind<br />
nicht für die Ewigkeit,<br />
aber für den<br />
Moment, für das<br />
Hier und Jetzt. Und<br />
manchmal auch für Morgen,<br />
für das Dort und Später. So<br />
genau weiß das bei den Ravioli keiner,<br />
und auch bei der Liebe nicht.<br />
Foto: Maggi GmbH<br />
4
Campus<br />
Fotos: Cisco Ripac, Gabriele genannt Gabi Schoenemann, Peter Fenge – pixelio.de<br />
Partyhasen im Netz<br />
VIEL LÄRM UM NICHTS<br />
Und es stimmt doch: Sie jammern viel<br />
und arbeiten wenig. Studierende ackern<br />
im Schnitt nur knapp vier Stunden am<br />
Tag für ihr Studium. Das belegt eine<br />
Studie des Hamburger Zentrums für<br />
Hochschul- und<br />
Weiterbildung.<br />
Zwölf lange<br />
Stunden Freizeit<br />
bleiben dem<br />
Durchschnittsstudierenden<br />
pro Tag, um sie<br />
im Internet zu<br />
vertrödeln...<br />
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– als Studierender muss<br />
man mit wenig Geld gut haushalten.<br />
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kurz &<br />
knapp<br />
Was macht eigentlich die Bildungselite<br />
in ihrer Studienfreizeit? Sie trinkt<br />
Bier und raucht Zigaretten. Zu diesen<br />
Ergebnissen kommen Marburger Forscher.<br />
Die Erstsemester sind Partyhasen<br />
und Sportmuffel.<br />
Nur zwei<br />
von fünf treiben<br />
knappe 20 Minuten<br />
Sport in der<br />
Woche. Lediglich<br />
zwei von hundert<br />
Studierenden<br />
leben insgesamt<br />
gesund.<br />
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Interview<br />
„Eine Hochschule<br />
muss übersetzen“<br />
Seit Oktober ist Dr. Hubertus von Amelunxen Präsident der Hochschule für Bildende Künste (HBK). studi38 sprach<br />
mit dem 51-Jährigen an seinem ersten Tag im neuen Büro über alte Schwächen und neue Herausforderungen.<br />
Von Holger Zelder<br />
Ihre Tätigkeit zog Sie an viele Orte in der<br />
Welt, von Kalifornien über Frankreich und<br />
über die Schweiz. Was führt Sie jetzt ausgerechnet<br />
nach Braunschweig an die HBK?<br />
Nichts anderes als das, was mich nach Amerika<br />
oder Frankreich geführt hat: Nämlich<br />
die Qualität dessen, was dort geschieht. Das<br />
war Kalifornien, dann lange Zeit Paris und<br />
in Braunschweig ist es eine Kunstuniversität,<br />
die herausragend ist in der europäischen<br />
Landschaft.<br />
Welchen ersten<br />
Eindruck hat die<br />
HBK bei ihnen<br />
hinterlassen?<br />
Was zeichnet die HBK denn aus?<br />
Die HBK zeichnet sich sowohl in der Wissenschaft<br />
und Kunst, als auch im Design durch<br />
eine herausragende Qualität der Lehrenden<br />
aus. Viele Absolventen machen der Hochschule<br />
später eine enorme Ehre. Durch deren<br />
Tätigkeit hat die HBK einen exzellenten<br />
Ruf. Mich fasziniert auch der universitäre<br />
Status. Meines Wissens nach ist die HBK in<br />
Braunschweig die erste Kunsthochschule in<br />
der Bundesrepublik, die den universitären<br />
Status bekam. Das ist ein wichtiges Zeichen<br />
für die Zusammenarbeit von Kunst und Wissenschaft,<br />
lange bevor dies dogmatisch in die<br />
Hochschulreform eingebracht wurde. Und es<br />
kommt ja nicht darauf an, an welchen Orten<br />
man ist, sondern welche Orte man schafft.<br />
Das ist das Wichtige.<br />
Ihre Reaktion<br />
auf die Ernennung<br />
zum HBK-<br />
Präsidenten?<br />
Sind Sie in der Vergangenheit mal mit einem<br />
Projekt gescheitert?<br />
Ich bedauere zutiefst, dass die International<br />
School of New Media in Lübeck nicht langlebig<br />
genug war, um wirklich existieren zu können.<br />
Da ist sehr viel Zeit und Herzblut hineingeflossen,<br />
aber das Projekt ist an der Ungeduld der<br />
Förderer gescheitert.<br />
Warum?<br />
Ich dachte, man kann eine private Hochschule<br />
in drei bis fünf Jahren aufbauen, um<br />
sich einen guten Ruf weltweit zu erarbeiten.<br />
Sie brauchen aber sehr viel Geld im Hintergrund<br />
und mindestens acht bis zehn Jahre,<br />
um in einem weltweiten Netzwerk die Qualität<br />
und das dort geführte, ungewöhnliche<br />
Studienmodell behaupten zu können. Aber<br />
das war im Jahr 2000, heute wäre es vielleicht<br />
einfacher.<br />
In die Amtszeit ihrer Vorgängerin fielen<br />
der Bolognaprozess und die Umstellung<br />
vom Diplom auf Bachelor und Master. Was<br />
kommt in den nächsten sechs Jahren auf<br />
die HBK zu?<br />
Sie wissen, dass die Reform im Begriff ist, reformiert<br />
zu werden. Ich denke, die HBK wird<br />
einen entscheidenden Anteil an dieser Reformierung<br />
haben, um den Studierenden kein zu<br />
eng gefasstes Raster vorzugeben. Die Freiheit<br />
der Wahl, die Arbeit zwischen den drei Bereichen<br />
Wissenschaft, Design und Kunst , die<br />
Mobilität der Studierenden sollten auch und<br />
gerade im Rahmen von Bologna erhalten bleiben.<br />
Das sehe ich als eine Aufgabe an.<br />
Gibt es weitere eigene Ziele?<br />
Ja, ich möchte versuchen, die interne Organisation<br />
zu verbessern und die Hochschule nach<br />
außen zu bringen. Meine Hoffnung ist, dass<br />
wir einen großen Teil der Bürokratie in den<br />
nächsten sechs Jahren abbauen und die Bürokratie<br />
im Gegenzug durch ein beidseitig verfügtes<br />
Vertrauen ersetzen werden. Ein damit<br />
einhergehendes Ziel ist die Platzierung der<br />
HBK in der Bundesrepublik, in der Europäischen<br />
Landschaft und darüber hinaus als eine<br />
künstlerisch und wissenschaftlich herausragende<br />
Universität.<br />
Sie möchten also mit der HBK möglichst international<br />
auftreten?<br />
Nicht nur möglichst, sondern gewiss!<br />
Gibt es Kunst,<br />
die sie nicht<br />
mögen?<br />
6
Interview<br />
Was können Sie<br />
nicht besonders<br />
gut?<br />
Fotos: Maria Boger<br />
Was bedeutet für Sie Internationalisierung?<br />
Der Austausch mit anderen Hochschulen<br />
oder eine Angleichung an diese?<br />
Nein, es gibt mehrere Formen, zum Beispiel<br />
Erasmus. Sie können direkte Kooperationen<br />
mit Hochschulen eingehen, zum Beispiel<br />
für gemeinsame Studiengänge oder gar gemeinsame<br />
Abschlüsse. Sie können Programme<br />
dieser Hochschule komplett auch an anderen<br />
Hochschulen führen, oder umgekehrt. Die<br />
HBK könnte beispielsweise irgendwo in der<br />
Welt einen Satelliten haben, wo bestimmte<br />
Aufgaben ganz anders wirken können. Überlegen<br />
Sie: Die HBK war engagiert in Burkina<br />
Faso mit Christoph Schlingensief und seinen<br />
Studierenden. Christoph Schlingensief ist gestorben,<br />
doch das heißt nicht, dass dieses Projekt<br />
gestorben ist. Es muss weiterleben.<br />
Wie soll das genau aussehen?<br />
Es geht um viele Fragen. Wie gestalten wir<br />
den Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden?<br />
Welche Veranstaltungen können<br />
hier vor Ort auch in anderen Sprachen gehalten<br />
werden? Wie können wir mehr Studierende<br />
aus dem Ausland hier nach Braunschweig<br />
holen? Und umgekehrt genauso: Wie können<br />
wir die Mobilität unserer Studierenden in die<br />
Welt hinein erleichtern? Das ist Internationalisierung.<br />
Was heißt es, wenn unsere Publikationen<br />
grundlegend zweisprachig erscheinen?<br />
Die Frage der Internationalisierung ist eine<br />
Frage, die genauso für den nationalen oder<br />
regionalen Kontext relevant ist: Wer ist unser<br />
Publikum? Wie wollen wir wen erreichen?<br />
In welcher Sprache? Da jede Sprache eine andere<br />
Kultur bedeutet, bedeutet dies auch, uns<br />
auf anderes Denken einzulassen. Wir wollen<br />
übersetzen. Eine Hochschule muss übersetzen.<br />
Welche Rolle spielt dabei das eigene<br />
Hochschulprofil?<br />
Es ist ja nicht so, dass wir das Rad neu erfinden.<br />
Das Internationale gehört bedingt bereits<br />
zum Profil der HBK. Basisprofilierung<br />
heißt dann Respekt und Offenheit. Das ist das<br />
Dr. Hubertus von Amelunxen studierte Romanistik, Germanistik<br />
und Kunstgeschichte und promovierte an der Universität Mannheim<br />
über französische Literatur. Der Experte für Fotografie ist Mitglied<br />
der Akademie der Künste in Berlin und hat den Walter Benjamin<br />
Chair der European Graduate School in Saas Fee inne. Neben seiner<br />
vielfältigen wissenschaftlichen Arbeit hat er zahlreiche internationale<br />
Ausstellungen kuratiert.<br />
Wichtigste überhaupt. Und damit einhergehend<br />
das Vertrauen. Ob das nun die Verwaltung<br />
ist, die Lehrenden oder die Studierenden.<br />
Sie müssen gleichermaßen dieser Hochschule<br />
ein Vertrauen entgegen bringen. Und Vertrauen,<br />
das wissen wir von Niklas Luhmann<br />
soll Komplexität reduzieren.<br />
Wenn Sie bei einem<br />
Feueralarm<br />
nur einen Gegenstand<br />
aus Ihrem<br />
Büro retten<br />
könnten, welcher<br />
wäre das?<br />
Würden Sie im<br />
Alter in Braunschweig<br />
sesshaft<br />
werden?<br />
Wie wichtig ist das Verhältnis zwischen<br />
Braunschweig und der HBK?<br />
Meine Vorgängerin hat absolut zu Recht sehr<br />
viel Wert auf die regionale Verankerung der<br />
Hochschule gelegt. Wenn Sie eine Hochschule<br />
einerseits in einem globalen Netzwerk begreifen<br />
wollen, andererseits ihre Singularität<br />
nicht Opfer der Globalisierung werden soll,<br />
dann ist die regionale Verwurzelung und konzertierte<br />
Arbeit mit Partnern elementar. Sie<br />
müssen tiefe Wurzeln haben, um in alle Richtungen<br />
wachsen zu können. Und diese wachsen<br />
zunächst in Braunschweig, Niedersachsen,<br />
und in Deutschland. Wenn Sie diese Verankerung<br />
nicht haben, ist es sehr schwierig, das<br />
Netzwerk zu halten. So wie die Region auf die<br />
Partnerschaft der Hochschule zählt, zähle ich<br />
auf die Zusammenarbeit mit der Stadt und<br />
den Institutionen vor Ort, um gesetzte Grenzen<br />
verlassen zu können. #<br />
7
Campus<br />
Von der Hand<br />
in den Mund?<br />
Wie Studierende heute leben<br />
zeigt die 19. Sozialerhebung des<br />
Studentenwerks<br />
Von Hannes Graubohm<br />
Tim geht 18,2 Stunden in die Uni.<br />
Für Vor- und Nachbereitung, Fachlektüre,<br />
Hausarbeiten und Sprechstunden<br />
braucht er nochmal 18,4 Stunden.<br />
Wöchentlich jobbt er 5,7 Stunden,<br />
wobei er netto 9,30 Euro verdient. Insgesamt<br />
hat er von Montag bis Sonntag also<br />
42,3 Stunden gearbeitet. Auf einer Skala<br />
von 1 bis 5, würde Tim seine zeitliche<br />
Belastung durch das Studium mit einer<br />
3,4 beurteilen, wenn 1 einer zu geringen<br />
und 5 einer zu hohen zeitlichen Belastung<br />
entspricht. Monatlich hat er insgesamt<br />
785,80 Euro zur Verfügung. Das<br />
reicht für seine Miete von 270,70 Euro,<br />
Lernmittel für 33,30 Euro, Kleidung für<br />
51,70 Euro und Lebensmittel für 155,70<br />
Euro. Für Freizeit, Kultur und Sport bleiben<br />
Tim monatlich 52,60 Euro.<br />
Tim gibt es nicht. Aber er ist nach der<br />
19. Sozialerhebung des Studentenwerks<br />
der Durchschnittsstudierende an der TU<br />
Braunschweig (Einzeln ausgewiesene<br />
Zahlen für die Ostfalia und die HBK liegen<br />
leider nicht vor).<br />
Auf immerhin 586 Seiten kann man<br />
dort nachlesen wie unterschiedlich Studierende<br />
heute leben. Das sieht dann<br />
so aus: Fast jeder zehnte Studierende<br />
an der TU investieren keinerlei Zeit in<br />
Lehrveranstaltungen. Dagegen geben<br />
18 Prozent der Befragten an, in der Woche<br />
einen Gesamtstudienaufwand von<br />
über 50 Stunden zu haben. David (20),<br />
Fotos: Hannes Graubohm, Holger Isermann<br />
8
Campus<br />
„Ich hab Informatik an der<br />
TU studiert und in dieser<br />
Zeit effektiv 5 Stunden<br />
in der Woche ins Studium<br />
investiert.“<br />
Peter, 3. Semester Informatik (FH)<br />
studiert im dritten Semester Architektur<br />
an der TU und kann über diese Zahlen<br />
nur lachen: „Die Zeitbelastung ist<br />
sehr hoch. Ich arbeite wöchentlich sicherlich<br />
70 Stunden für die Uni, wenn<br />
man alles einrechnet.“ Dies sei manchmal<br />
„echt nicht mehr feierlich, aber<br />
wenn man alles geschafft hat, ist es die<br />
Mühe wert gewesen.“ Zeit für einen Nebenjob<br />
hat David nicht.<br />
Ganz anders sieht es bei Peter aus.<br />
Der 22-Jährige Informatikstudent von<br />
Erwerbstätigenquoten<br />
nach Hochschulstandort<br />
Studierende im Erststudium<br />
Standort Erwerbstätigenquote<br />
Wuppertal 84 %<br />
Köln 79 %<br />
Berlin 73 %<br />
Hamburg 72 %<br />
München 71 %<br />
Kassel 70 %<br />
Hannover 69 %<br />
Braunschweig 59 %<br />
Magdeburg 58 %<br />
Göttingen 56 %<br />
Marburg 54 %<br />
Jena 50 %<br />
DSW/HIS 19. Sozialerhebung<br />
der Ostfalia betont: „Ich habe früher Informatik<br />
an der TU studiert und in dieser<br />
Zeit effektiv 5 Stunden in der Woche<br />
ins Studium investiert. Den Studienaufwand<br />
halte ich für angemessen, bei mir<br />
lief es zwar nicht so gut bisher, aber es<br />
lief. Bei einer 20 Stunden-Woche würde<br />
ich es locker durchziehen.“ Peter investierte<br />
stattdessen viel Zeit in „diverse<br />
Nebenjobs“. Nach dem Wechsel an<br />
die FH, an der es in seinem Studiengang<br />
eine Anwesenheitspflicht gibt, verschob<br />
er allerdings seine Prioritäten und konzentriert<br />
sich nun voll auf das Studium.<br />
Ein ganz anderes Beispiel ist Annemarie<br />
(21), aus Wolfsburg. Sie absolviert<br />
ein duales Studium bei Volkswagen. Im<br />
Semester sitzt sie mit ihren Kommilitonen<br />
in den Maschinenbauvorlesungen,<br />
in den Semesterferien arbeitet sie dann<br />
Vollzeit beim Wolfsburger Autobauer.<br />
Frei hat Annemarie lediglich einen Tag<br />
vor Prüfungen und den Tag der Prüfung<br />
selbst. „In der Prüfungsphase stehe ich<br />
dann wirklich stark unter Stress“, erzählt<br />
sie. Ihre Arbeitsbelastung ist zwar<br />
sehr hoch, doch nach drei Jahren hat<br />
sie ihren Bachelor in der Tasche und ein<br />
halbes Jahr später die Ausbildung zum<br />
Werkstoffprüfer Fachrichtung Metall<br />
abgeschlossen.<br />
Auch Annika (20), die im dritten Semester<br />
Geschichte und Germanistik auf<br />
gymnasiales Lehramt studiert, jobbt nebenbei.<br />
„Ohne Nebenjob, unter dem die<br />
Uni leidet, kommt man zwar über die<br />
Runden, aber ich will auf nichts verzichten<br />
müssen, nur weil ich studiere.“<br />
Damit steht sie exemplarisch für viele<br />
ihrer Kommilitonen. Grundsätzlich<br />
sagen rund 30 Prozent der befragten<br />
TU-Studierenden zu einem Nebenjob<br />
Hochschulstädte nach Höhe der<br />
durchschnittlichen <strong>Ausgabe</strong>n für<br />
Miete und Nebenkosten pro Monat<br />
Standort <strong>Ausgabe</strong>n für Miete<br />
München 348 €<br />
Hamburg 345 €<br />
Köln 333 €<br />
Berlin 298 €<br />
Wuppertal 297 €<br />
Hannover 285 €<br />
Marburg 279 €<br />
Braunschweig 273 €<br />
Göttingen 261 €<br />
Kassel 260 €<br />
Magdeburg 236 €<br />
Jena 233 €<br />
Dresden 223 €<br />
Chemnitz 210 €<br />
DSW/HIS 19. Sozialerhebung<br />
„Nein, wegen Studienbelastung nicht<br />
möglich“.<br />
Der gemeine Studierende lebt ja üblicherweise<br />
in einer WG oder im Wohnheim.<br />
Doch ist das heute wirklich so?<br />
Tatsächlich: Die WG bleibt mit 29,2<br />
Prozent die meistgenutzte Wohnform.<br />
Doch das Zusammenleben mit dem<br />
Partner ist auf dem Vormarsch: In trauter<br />
Zweisamkeit oder mit Kind leben immerhin<br />
23,4 Prozent der befragten Studierenden.<br />
22,5 Prozent dagegen lieben<br />
die Unabhängigkeit, wie Jasmin (20), die<br />
sagt: „Ich habs in einer WG versucht.<br />
Die Mitbewohnerin war auch sehr nett,<br />
aber ich hab einfach gemerkt, dass ich<br />
mehr Privatsphäre brauche.“ In einem<br />
„Ohne Nebenjob, unter dem<br />
die Uni leidet, kommt man<br />
zwar über die Runden, aber<br />
ich will auf nichts verzichten<br />
müssen, nur weil<br />
ich studiere.“<br />
Annika, 3. Semester Geschichte und Germanistik<br />
9
Campus<br />
2 % bis 400 €<br />
5 % 401 bis 500 €<br />
13 % 501 bis 600 €<br />
18 % 601 bis 700 €<br />
19 % 701 bis 800 €<br />
15 % 801 bis 900 €<br />
11 % 901 bis 1000 €<br />
7 % 1001 bis 1100 €<br />
4 % 1101 bis 1200 €<br />
2 % 1201 bis 1300 €<br />
4 % über 1300 €<br />
Wohnheim leben erstaunlicherweise lediglich<br />
10,2 Prozent der Befragten.<br />
Im Bundesdurchschnitt zahlen Studierende<br />
281 Euro Miete monatlich inklusive<br />
aller Nebenkosten. Doch die<br />
Bandbreite ist groß: In München muss<br />
man satte 348 Euro berappen, in Chemnitz<br />
lediglich 210 Euro. In Braunschweig<br />
sind es 270,70 Euro. Damit geben die<br />
„In der Prüfungsphase<br />
stehe ich dann wirklich<br />
stark unter Stress.“<br />
Annemarie, Duales Studium Maschinenbau,<br />
Einnahmenverteilung 2009 –<br />
Studierende nach der Höhe der<br />
monatlichen Einnahmen<br />
DSW/HIS 19. Sozialerhebung<br />
TU-Studierenden etwa ein Drittel ihres<br />
monatlichen Einkommens für die Miete<br />
aus. Bedenkt man die weiteren <strong>Ausgabe</strong>n<br />
für Studiengebühren und das tägliche<br />
Leben, so ist es nur logisch, dass<br />
knapp zwei Drittel der Braunschweiger<br />
Studierenden jobbt. Zum Vergleich: In<br />
Wuppertal sind es sogar 84 Prozent.<br />
Mit seiner eigenen Hände Arbeit<br />
verdient der Braunschweiger Durchschnittsstudierende<br />
Tim etwa 212 Euro<br />
pro Monat. Das ist nicht viel, allein für<br />
die Durchschnittsmiete fehlen fast 60<br />
Euro. Deshalb stellt sich die Frage nach<br />
den anderen Geldquellen, die das chronisch<br />
klamme Portemonnaie der Studierenden<br />
füllen. Eine davon ist das BAföG.<br />
In den Genuss der staatlichen Ausbildungsförderung<br />
kommen allerdings<br />
lediglich rund 23 Prozent. Auch Geschichtsstudentin<br />
Annika bekommt<br />
kein Bafög. „Das find ich aber gut, da<br />
ich so keine Schulden mache.“ Auf<br />
durchschnittlich 369,80 Euro muss sie<br />
dadurch verzichten – und dieser Verzicht<br />
ist oft elementar. Immerhin 36<br />
Prozent der Bafög-Empfänger gaben an,<br />
dass sie ohne die Förderung nicht studieren<br />
könnten. Neben dem Staat sind<br />
die Eltern die wichtigste Finanzierungsquelle<br />
für Studierende. 87 Prozent von<br />
ihnen werden durch die Eltern finanziell<br />
unterstützt und dabei von ihren<br />
Schößlingen durchaus wohlwollend<br />
beachtet. Auf einer Skala von 1 bis 5<br />
(1 „trifft gar nicht zu“ und 5 „trifft völlig<br />
zu“), geben die TU-Studierenden durchschnittlich<br />
eine 4,4 zur Aussage „Meine<br />
Eltern unterstützen mich finanziell so<br />
gut sie können“. Gewollt ist diese finanzielle<br />
Abhängigkeit jedoch nicht. Für<br />
den Satz „Ich will finanziell nicht auf<br />
meine Eltern angewiesen sein“, gibt es<br />
eine satte 3,9. Es gibt ihn also doch, den<br />
Klischee-Studierenden, der bis mittags<br />
schläft, dann in die Mensa geht, ab und<br />
zu ein paar Vorlesungen besucht. Die<br />
meiste Zeit verbringt er aber mit Freunden<br />
in den Kneipen und auf den Partys<br />
seiner Stadt. Genauso gibt es die alleinerziehende<br />
Mutter, die sich tagtäglich<br />
abstrampelt Kind, Studium und Nebenjob<br />
unter einen Hut zu bekommen. Und<br />
zwischen diesen Polen verstecken sich<br />
all die anderen Studierenden mit ihrem<br />
ganz eigenen Einkommen, ihrer<br />
Lebensweise und ihrer Einstellung zum<br />
Studium.<br />
Den Durchschnittstudierenden Tim<br />
aber gibt es nicht. Wir sind über zwei<br />
Millionen Studierende und doch ist jeder<br />
für sich individuell. Auch eine schöne<br />
Erkenntnis, oder? #<br />
„Die Zeitbelastung ist<br />
sehr hoch. Ich arbeite<br />
wöchentlich sicherlich<br />
70 Stunden für die<br />
Uni, wenn man alles<br />
einrechnet.“<br />
David, 3. Semester Architektur<br />
10
Campus<br />
„Weniger Materie<br />
und mehr Geist“<br />
Rainer Langhans war Mitglied der legendären Kommune 1 und gilt als<br />
Ikone der 68er-Bewegung. Der Münchner Autor und Filmemacher lebt<br />
heute in einer experimentellen Wohngemeinschaft mit fünf Frauen.<br />
Mit studi38 sprach er über Geld, Sex und die Studierenden von heute.<br />
Von Benedikt Crone<br />
Wir führen das Gespräch abends um halb<br />
Neun. Hatten Sie heute viel zu tun?<br />
Ja, heute Morgen war ich in der Bibliothek.<br />
Bücher austauschen, Zeitschriften lesen. Dann<br />
habe ich mich mit meinen Freundinnen getroffen.<br />
Diesmal mit allen. Wir waren jeweils<br />
verreist und hatten viel zu bereden.<br />
Alles in Ihrer Wohnung ist weiß, sogar Ihre<br />
Baumwollkleidung. Warum?<br />
Vor vierzig Jahren lebten wir in einer Farbexplosion.<br />
Doch irgendwann hatten wir alle<br />
Farben genossen und sind auf diese eine Farbe<br />
gekommen, die alle Farben beinhaltet: Weiß.<br />
Das klingt nach einem Wandel zum einem<br />
neuen, ruhigen und geordneten Leben?<br />
Weniger geordnet als stabil, freundlich und<br />
liebevoll. Ohne ständiges Auf und Ab. Ein<br />
paar Schritte auf dem Weg dorthin sind mir<br />
gelungen. Das genieß ich. Die wilde Zeit früher<br />
hat mich nicht glücklich gemacht.<br />
Sehen Sie Ihr Leben noch als stillen Protest?<br />
Nein! Das ist heute nicht der Punkt. Und war<br />
es auch damals nicht. Wir lebten in einem<br />
großen Impuls, weltweit. Der Protest hat sich<br />
dadurch ergeben, dass die Alten es als Protest<br />
empfanden: Ihr seid anti! In Wirklichkeit ging<br />
es uns darum für etwas zu sein.<br />
Für was?<br />
Dafür, liebevoller miteinander umzugehen.<br />
Auf der ganzen Welt. Die Alten sind dann aufgewacht<br />
und wir haben uns leider in etwas<br />
hineinzwingen lassen. Wir wollten eigentlich<br />
zeigen: So sind wir, so ist das Leben,<br />
so ist die Welt. Liebe in allem!<br />
Das ist uns aus der Hand gerutscht,<br />
vom Protest, zum Krieg bis hin<br />
zur RAF. Wir haben den Fehler<br />
gemacht, uns in diese Gegnerschaft<br />
drängen zu lassen.<br />
Kriege kann man nur verlieren.<br />
Deshalb haben wir verloren.<br />
Und die Welt sieht heute<br />
nicht so aus, wie wir sie uns<br />
erträumten.<br />
Wovon haben Sie denn<br />
geträumt?<br />
Die Jungen haben damals eine<br />
Erleuchtung gehabt , etwas absolut<br />
Neues entdeckt. Dieses unglaubliche<br />
Gefühl hielt ein Jahr an. Ein<br />
Superdrogentrip.<br />
Ein beliebtes Stichwort, wenn es um Ihre<br />
Vergangenheit geht.<br />
Eigentlich ist erst nach dieser Zeit der Drogenkonsum<br />
explodiert. Die erste Superdroge<br />
war dieses Gefühl, das die echten weichen<br />
Drogen nach sich zog. Dieses Gefühl,<br />
von dem niemand wusste, woher es kam und<br />
wann es ging. Ich habe diese Frage oft an<br />
Historiker gestellt und nie eine klare Antwort<br />
bekommen.<br />
Und die Kommune 1 vorne mit dabei?<br />
Ja. Mehr als alle anderen. Weil die Kommune<br />
nicht nach draußen gegangen ist. Wir haben<br />
einen Marathon Encounter gemacht. Uns un-<br />
12
Campus<br />
Selbstportrait der Kommune:<br />
Christa, Jutta, Anna, Gisela<br />
und Rainer in den 90er Jahren<br />
Foto: Privat<br />
entwegt in einem kleinen Raum miteinander<br />
beschäftigt. Wir haben dadurch den Prozess<br />
stärker wahrnehmen können, gemeinsam diesen<br />
Impuls gelebt. Als wir dann herauskamen,<br />
waren wir die Schönsten, die Buntesten, die<br />
Stars. Echte Popstars. Die ersten des Landes.<br />
Und Sie einer davon. Hat Sie dieses Experiment<br />
verändert?<br />
Klar. Ich war meine Jugend hindurch verstört.<br />
Wusste nicht, was ich mit dieser Welt anfangen<br />
sollte. Ich dachte, ich sei verrückt. Man<br />
denkt, man ist krank, weil man nicht mit den<br />
Leuten kann. In der Zeit aber ist mir klar geworden,<br />
dass es andere Gründe gibt. Aha,<br />
wurde es mir bewusst: So sieht das Leben<br />
eigentlich aus! Das wollten wir immer<br />
leben, und nie mehr wollte ich wieder<br />
davon weg.<br />
Aber irgendwann war es weg,<br />
dieses Gefühl. Und was dann?<br />
Das ist die große Frage. Wie geht<br />
es nach sowas weiter? Man fällt<br />
zurück in seinen alten Körper, seine<br />
alten Gewohnheiten, in die Existenz,<br />
die man vorher geführt hat.<br />
Da griffen wir aus Verzweiflung zu<br />
den drei Klassikern<br />
aus der Antike: Drogen,<br />
Musik, heftiger<br />
Sex. So haben wir versucht,<br />
wieder an die<br />
alte Erfahrung heranzukommen.<br />
Aber wir schafften es<br />
nicht. Die Zeit war vorbei.<br />
Der Sex hat in der öffentlichen<br />
Wahrnehmung dominiert.<br />
Natürlich, Sex regiert die Welt. Genau<br />
wie Geld. Leute, die ein anderes,<br />
ein bewusstes Leben führen,<br />
sind meistens verdächtig – oder<br />
gescheitert.<br />
Braucht meine Generation Nachhilfe<br />
in Punkto Sex?<br />
Nein. Ich denke, diese Generation<br />
hat eine Menge aus unseren Erfahrungen<br />
gelernt. Ihr steht auf unseren<br />
Schultern, setzt es fort. Und<br />
das sehr gut. Nur nicht so, wie<br />
es die alten 68er sehen. Nach<br />
dem Motto: Jetzt legt doch<br />
mal los, jetzt dürft ihr doch richtig! Heute ist<br />
es verhaltener, eine andere Form von Intimität.<br />
Die wird nicht durch dieses Körpergerubbel<br />
oder dem Zeugen von Kindern erreicht.<br />
Sondern durch geistigen Kontakt.<br />
Geistiger Sex. Wie das?<br />
Vor allem im Netz. Das ist heute die große Ekstasetechnik.<br />
Es gibt nicht mehr nur Drogen,<br />
Musik, und Sex im engeren Sinne.<br />
Vom Sex zum Geld. Ein Student hat im<br />
Schnitt 800 Euro zum Leben.<br />
Ungefähr soviel wie ich.<br />
Leben wir dann asketisch?<br />
Die Frage ist, wie Sie nach dem Studium weitermachen.<br />
Weniger Materie und mehr Geist?<br />
Oder legen Sie dann materiell noch mal eine<br />
Schippe drauf? Ich denke, es setzt mehr eine<br />
Dematerialisierung bei Ihrer Generation ein.<br />
Proteste feiern heute ja fast wieder Urstände.<br />
Diese verlängerte Jugend, dieses Prekäre,<br />
diese Generation Praktikum und das Hotel<br />
Mama, all das weist darauf hin.<br />
Wie damals?<br />
Nicht genauso. Auch wenn die Art der Erfahrung<br />
gleich ist. Wir haben völlig außerhalb<br />
unserer Körper gelebt. Das war das größere,<br />
das interessantere Leben. Dieses jämmerliche<br />
Getue, dieses nochmal und nochmal und nochmal,<br />
den Körper durch irgendwelche Genüsse<br />
peitschen. Das bringt einfach nichts, wenn<br />
man mal mehr erfahren hat!<br />
Verbieten Sie Ihren Kindern Drogen zu<br />
nehmen?<br />
Ne, auf keinen Fall! Hier gibt es keine Verbote.<br />
Ich nehme selbst schon lange keine mehr.<br />
Habe viel ausprobiert und gemerkt, dass<br />
es nichts bringt. Eure Generation möchte ja<br />
auch zu sich selbst finden. Aber nicht kurz,<br />
sondern auf Dauer. Und das ist möglich. Aber<br />
auch durch gesündere Methoden, als durch<br />
Drogen.<br />
Braucht es für diese Erkenntnis erst einen<br />
Drogenabsturz?<br />
Ich glaube, gerade eure Generation kann solche<br />
Umwege verkürzen. Unsere Erfahrungen<br />
mit dem Sex und den Drogen müssen nicht<br />
sein. Ihr könnte sofort bei einem besseren Leben<br />
einsteigen. #<br />
13
Campus<br />
Ein alter<br />
Menschheitstopos?!<br />
Ein Wort so alt wie die Zeit und scheinbar Thema jeder Generation. Im Gespräch mit dem Autor Gerhard Henschel<br />
haben wir uns auf die Suche nach den kleinen und großen Generationskonflikten begeben.<br />
Von Fine Behrens & Franziska Ziemann<br />
Henschel untersucht in seinem<br />
aktuellen Roman „Menetekel“<br />
unter anderem den moralischen<br />
Verfall der Jugend und hinterfragt<br />
zu Beginn des Gesprächs zunächst<br />
den Generationenbegriff:<br />
„Dazu müsste man wahrscheinlich<br />
nochmal eine Spirale weiter nach unten<br />
gehen und schauen, was eigentlich<br />
eine Generation ist.“ Er selbst fühlt sich<br />
keiner Generation zugehörig: „Was da<br />
in den letzten Jahren oder Jahrzehnten<br />
an Generationen erfunden worden, ist<br />
geht ja auf keine Kuhhaut mehr.“<br />
Generation Golf , Generation Hippie,<br />
Generation Hitler, die 68er-Generation.<br />
Alle haben zumindest einen gemeinsamen<br />
politischen oder kulturellen Hintergrund.<br />
Und da fangen die Probleme<br />
doch schon an. Welche Generation sind<br />
wir? Die Nichtgeneration ohne klare<br />
zeitgeschichtliche<br />
Wiege, aus der<br />
wir emporgekommen<br />
sind? Oder<br />
womöglich doch<br />
die ignorante Einzelgänger-Generation,<br />
die nicht<br />
mehr für kollek-<br />
Gerhard Henschel<br />
hat sich in seinem neuesten<br />
Roman „Menetekel. 3000 Jahre<br />
Untergang des Abendlandes“<br />
mit dem Verfall der guten<br />
Sitten beschäftigt.<br />
tive Ziele auf die Straße geht? Eigentlich<br />
ist das auch gar nicht so wichtig, es<br />
geht letztendlich immer um „Konflikte<br />
zwischen Jüngeren und Älteren, das ist<br />
ganz offensichtlich“, meint Henschel.<br />
Konflikte sind eher eine Frage des Alters<br />
und der damit einhergehenden unterschiedlichen<br />
Interessen. Zwistigkeiten,<br />
wie zum Beispiel Musikgeschmack<br />
und natürlich -lautstärke oder der Klamottenstil<br />
sind altbekannt. Es ist klar,<br />
dass Kinder, Eltern und Großeltern ganze<br />
andere Vorstellungen davon haben,<br />
wie man sein Leben führen sollte. Wir<br />
sind alle Geschöpfe unserer ganz persönlichen<br />
Zeit. „Dieses Aufbegehren<br />
der Jugend gegen die Altvorderen hat es<br />
auch schon früher gegeben“, bestätigt<br />
Gerhard Henschel und nennt beispielhaft<br />
den Widerstand der Jugendlichen<br />
gegen ihre Hippie-Eltern. Andersherum<br />
werfen die Eltern ihren Kindern<br />
vor, dass sie faul sind und zu wenig<br />
für ihre Zukunft tun. Darauf entgegnet<br />
Henschel: „Ich habe bei meinen Recherchen<br />
herausgefunden, dass diese Klage<br />
seit jeher erhoben wurde. Schon im alten<br />
Rom wurde gesagt, dass die Jugend<br />
nichts mehr tauge.“<br />
Eins steht jedenfalls fest: Unsere heute<br />
so gediegenen Großeltern<br />
waren einmal wie<br />
wir. Sie haben die gleichen<br />
wilden Partys gefeiert<br />
und die gleichen<br />
gut gemeinten Ratschläge<br />
der Eltern mit der<br />
gleichen jugendlichen<br />
Sturheit abgetan. „Das<br />
ist ganz normal und kommt in den besten<br />
Familien vor“, sagt Henschel mit<br />
einem Augenzwinkern. Und weiter:<br />
„Sterben, Wiedergeburt und Fleischessen.<br />
Drei Dinge über die man stundenlang<br />
diskutieren kann. Und vielleicht<br />
könnte man auch Generationskonflikte<br />
dazunehmen.“<br />
Diese Differenzen hat es schon immer<br />
gegeben und es wird sie wohl auch<br />
immer geben. Auch wir werden irgendwann<br />
in den Schuhen unserer Eltern<br />
stecken und werden uns mit unseren<br />
Kindern herumplagen müssen. #<br />
Fotos: Katerina Papamichael, Privat<br />
14
Campus<br />
Diebische Zellen<br />
kurz &<br />
knapp<br />
DIE MÄNNER-DIÄT<br />
BLACKOUT – WAS DANN?<br />
ALLES NUR GEKLAUT<br />
Fotos: Sigrid Rossmann, berwis, Thomas Max Müller – pixelio.de<br />
Du bist Studentin und willst abnehmen?<br />
Dann geh mit vielen Männern in<br />
die Mensa! Kanadische Forscher haben<br />
herausgefunden, dass Studentinnen<br />
in männlicher Gesellschaft kalorienärmer<br />
essen als<br />
bei weiblicher<br />
Begleitung. Bei<br />
Männern funktioniert<br />
das übrigens<br />
nicht.<br />
Die essen was<br />
sie wollen –<br />
egal wer ihnen<br />
zuschaut.<br />
Prüfungsstart und alles dunkel im<br />
Kopf ? Wer einmal einen Blackout hatte,<br />
der kennt das Problem. Doch es gibt<br />
Abhilfe. Regel Nummer eins heißt Ruhe<br />
bewahren. Dann durch Augenrollen<br />
und leises Fluchen<br />
Wut abbauen.<br />
Verschaff<br />
dir Denkzeit, indem<br />
du einen<br />
Schluck trinkst.<br />
Dann versuch<br />
langsam wieder<br />
die grauen Zellen<br />
zu starten.<br />
Einen Satz hier geborgt, einen Absatz da<br />
kopiert. Wer denkt schon an Urheberrechte,<br />
wenn er vier Modulprüfungen<br />
abgeben muss – übermorgen. Plagiate<br />
an Hochschulen nehmen zu. Doch Studierende<br />
seid gewarnt,<br />
die Hochschulen<br />
arbeiten<br />
mittlerweile mit<br />
Software, die<br />
solche Betrugsversuche<br />
aufdeckt.<br />
Als Strafe<br />
droht dann der<br />
Rauswurf.
Campus<br />
Die Stunde null<br />
VORLESUNGEN ZWISCHEN BACKPAPIER UND AUSGESTOPFTEN TIEREN –<br />
BRAUNSCHWEIGER UNI-ALLTAG NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG<br />
Von Nico Bensch & Jonas Hartwig<br />
Herbst 1945. Der Zweite Weltkrieg<br />
hat gerade sein jähes Ende<br />
gefunden. Ganz Europa liegt in<br />
Schutt und Asche. Während die Nachrichten<br />
randvoll sind mit Berichten<br />
über die Nürnberger Prozesse, die Verbrechen<br />
der Nationalsozialisten und die<br />
katastrophale Wohn- und Ernährungssituation,<br />
arbeitet Justus Herrenberger<br />
noch im sowjetisch besetzten Blankenburg<br />
als Zimmermann. „Aber als ich<br />
gehört habe, dass in Braunschweig die<br />
Hochschule wieder aufgemacht hat,<br />
bin ich sofort über die Grenze geflohen<br />
und habe mich angemeldet.“ Wie viele<br />
andere auch. Die Technische Hochschule<br />
Braunschweig ist eine der ersten<br />
Bildungsstätten, die ihren Lehrbetrieb<br />
nach dem Krieg wieder aufnimmt.<br />
Auf dem zerstörten Campus werden<br />
von 2600 Bewerbern 1195 Studierende<br />
zum Wintersemester 1945/46 in Braunschweig<br />
zugelassen – unter den Erstsemestern<br />
sind viele ehemalige Soldaten<br />
und Kriegsversehrte.<br />
Um mit dem großen Andrang und<br />
den gleichzeitig fehlenden Lehrkräften<br />
und Räumlichkeiten fertig zu werden,<br />
führt die Hochschulleitung gemeinsam<br />
mit der Militärregierung ein Zulassungsverfahren<br />
ein. Zwar hat auch schon damals<br />
der vielgehasste Numerus Clausus<br />
entscheidenden Anteil am Auswahlverfahren.<br />
Wichtigste Voraussetzung ist<br />
jedoch die eigene Unbescholtenheit,<br />
die durch ein politisches Führungszeugnis<br />
nachgewiesen werden musste.<br />
Trotz dieser Anstrengungen können einige<br />
Leiter der nationalsozialistischen<br />
Braunschweiger Kameradschaften ihr<br />
Studium problemlos weiterführen. „Bis<br />
dato sind keine Fälle von Zulassungs-<br />
Das zerstörte Altgebäude der TU Braunschweig im Sommer 1946<br />
„Jeder Studierende hatte<br />
bei der Trümmerräumung<br />
und dem Wiederaufbau zu<br />
helfen.“<br />
Justus Herrenberger<br />
verweigerungen durch die Militärregierung<br />
oder die Hochschulleitung zu<br />
belegen, die allein aus politischen Gründen<br />
motiviert gewesen wären“, erklärt<br />
Professor Gerd Biegel vom Institut für<br />
Braunschweigische Regionalgeschichte.<br />
Alles also mehr Schein als Sein? Justus<br />
Herrenberger ist von den Beschuldigungen<br />
in jedem Fall ausgenommen<br />
– er gilt als Nichtnazi, da er 1936 aus<br />
der Hitlerjugend verbannt worden war.<br />
Grund? „Loses Mundwerk“, lacht der<br />
heute 90-Jährige. So wird er ohne Probleme<br />
zum Studium zugelassen und ist<br />
einer der ersten Studierenden der TH<br />
Braunschweig nach Ende des Dritten<br />
Reichs.<br />
An ein Studium wie wir es heute kennen,<br />
ist jedoch nicht zu denken. „Vor<br />
allem die Essensituation war fürchterlich“,<br />
erzählt der Wahlbraunschweiger.<br />
„Es gab nicht genug Lebensmittelmarken.<br />
Oft haben wir welche gefälscht –<br />
die waren damals noch mehr wert als<br />
Geld.“ Hunger ist das größte Problem<br />
der damaligen Studierenden. Und es<br />
gibt nicht viele Möglichkeiten diesen<br />
16
Campus<br />
Fotos: Erich Lüth & Paul Dorn (Beide im Universitätsarchiv der TU Braunschweig), Jonas Hartwig<br />
zu stillen. Eine sieht so aus: Man konnte<br />
sich beispielsweise zusätzliche Marken<br />
beim Ernährungsamt der Stadt nur<br />
dann besorgen, wenn man mehr als 20<br />
Prozent Untergewicht hatte. Paradoxerweise<br />
hungern sich die jungen Leute daher<br />
nicht selten auch noch die letzten<br />
Pfunde vom Körper, um dafür an ein<br />
wenig mehr Essen zu gelangen.<br />
Um die katastrophale Versorgungssituation<br />
zu verbessern ruft die Hochschulleitung<br />
das „Akademische Hilfswerk“<br />
ins Leben und richtet im Haus<br />
Pestalozzistraße 14 eine Mensa ein. So<br />
wird versucht, wenigstens eine einigermaßen<br />
regelmäßige Verpflegung der<br />
Studierenden zu gewährleisten. „Grünkohl<br />
und braune Gerstensuppe – auf<br />
Dauer nicht ganz so toll“, betont Herrenberger<br />
und zwinkert, „aber besser<br />
als gar nichts.“ Mehr oder weniger gut<br />
genährt machen sich die Studierenden<br />
dann auf in den Unialltag. Der sieht keineswegs<br />
aus wie heute: Statt Kaffeetrinken<br />
gibt es Trümmerarbeit. Zwischen<br />
den Vorlesungen wird gemeinsam mit<br />
den Kommilitonen Stück für Stück das<br />
Hauptgebäude, das wir heute als Altgebäude<br />
kennen, wieder aufgebaut. „Jeder<br />
Studierende hatte bei der Trümmerräumung<br />
und dem Wiederaufbau<br />
zu helfen. Für uns war das aber sowieso<br />
selbstverständlich“, erinnert sich Herrenberger.<br />
Um den Aufbau noch schneller<br />
voranzutreiben erlässt die Hochschulleitung<br />
im Sommersemester 1946<br />
eine weitere Zulassungsvoraussetzung.<br />
Jeder Bewerber muss mindestens drei<br />
Monate Wiederaufbau leisten.<br />
Wenn sie sich nach dem langen Tag<br />
an der Uni auf den Weg nach Hause<br />
machen, können sich nur die wenigsten<br />
auf wirkliche Entspannung freuen<br />
– vor allem im Winter: „Ich wohnte in<br />
einer kleinen Dachkammer. Lediglich<br />
ein paar Dachziegel trennten mich von<br />
der eisigen Kälte, die draußen herrschte“,<br />
berichtet Herrenberger. Von einem<br />
Badezimmer oder geschweige denn<br />
warmem Wasser können die Studierenden<br />
nur träumen: „Wenn es gar nicht<br />
mehr auszuhalten war, ging man für<br />
hart ersparte 50 Pfennig ins Stadtbad<br />
zum duschen.“ Dabei hat der Architekt<br />
sogar noch Glück. Als studentischer Assistent<br />
bekommt er einen eigenen Zeichenplatz<br />
in den wärmeren Räumlichkeiten<br />
der Hochschule und hat „gerade<br />
im Winter besonders oft zeichnend dort<br />
gesessen“. Jedenfalls solange er Zeichenutensilien<br />
hat. Nach dem Motto „Not<br />
macht erfinderisch“ lassen die Studierenden<br />
besonders bei der Beschaffung<br />
der für das Studium notwendigen Materialien<br />
ihrer Kreativität freien Lauf. „Architekten<br />
müssen natürlich zeichnen.<br />
Papier war jedoch Mangelware und leisten<br />
konnte ich mir das erst recht nicht.<br />
Also nahm ich einfach gebrauchtes<br />
Backpapier.“<br />
Das Zeichnen auf dem unüblichen<br />
Material lernt der angehende Akademiker<br />
damals in völlig überfüllten Hörsälen.<br />
Da sich die Hochschule größtenteils<br />
noch im Wiederaufbau befindet, wird<br />
jedes nicht zerstörte Gebäude in der<br />
Nähe dankend genutzt. „Daher saßen<br />
wir nicht selten in einer Vorlesung im<br />
Naturhistorischen Museum. Eingeengt<br />
zwischen den ausgestopften Tieren“, erklärt<br />
Justus Herrenberger weiter.<br />
Wenn man sich heute Herrenbergers<br />
Werdegang ansieht, scheinen all diese<br />
Schwierigkeiten seiner Ausbildung keinen<br />
Abbruch getan zu haben.<br />
Sein Architekturstudium hat er trotz<br />
aller Umstände, oder vielleicht sogar gerade<br />
ihretwegen, noch vor der Regelstudienzeit<br />
abgeschlossen. Als Architekt<br />
Der Asta verteilt 1947 irischen Speck an die Studierenden<br />
Justus Herrenberger, heute 90 Jahre alt<br />
baut er später unter anderem Braunschweigs<br />
„Alte Waage“ wieder auf und<br />
rettet die Villa Löbbecke im Inselgarten<br />
vor dem Abriss. 1959 kehrt der Weltenbummler<br />
sogar als Professor für Bautechnik<br />
an die TU Braunschweig zurück,<br />
an der er bis 1985 lehrt – diesmal<br />
unter besseren Umständen als zu seiner<br />
eigenen Studienzeit.<br />
An diese erinnert sich der Weinliebhaber<br />
heute dennoch sehr gerne zurück.<br />
Aus einem ganz speziellen Grund:<br />
in den überfüllten provisorischen Hörsälen<br />
hat er seine Frau kennengelernt.<br />
„Ich stand extra früh auf und hielt ihr<br />
eines Morgens einen Platz an meiner<br />
Seite frei“, strahlt Herrenberger, „und<br />
da blieb sie dann ihr Leben lang.“ #<br />
17
Campus<br />
Fotos: Privat<br />
Wir brauchen ein Motto!<br />
NICHT NUR AN KARNEVAL UND HALLOWEEN WIRD ZUR VERKLEIDUNG GEGRIFFEN<br />
Von Shirin Schönberg<br />
Du, die Sandra feiert am Samstag<br />
Geburtstag.“ Erste Frage:<br />
Welches Motto? Zweite Frage:<br />
Soll ich was mitbringen? Partys brauchen<br />
Mottos. Vor allem, wenn immer<br />
die gleichen Gestalten eingeladen sind,<br />
die gleichen Pärchen und Quotensingles.<br />
Die sich bei der dritten Party, Verzeihung<br />
Mottoparty, diesen Jahres<br />
bestimmt nicht groß was Neues zu erzählen<br />
haben. „Motto ist Ballermann.“<br />
Aha. Ballermann. Gut, ich hatte keinen<br />
Mettigel erwartet, aber Ballermann-Party?<br />
Mit riesigen Strohhalmen aus Sangria-Eimern<br />
trinken, ohne zu wissen wer<br />
da noch so seinen Rücklauf reinspuckt?<br />
Zu den musikalischen Ergüssen sämtlicher<br />
ehemaliger Bigbrother-Bewohner<br />
tanzen und dabei angezogen sein, als<br />
würde ich danach noch zum Popstars-<br />
Casting oder zum Fotoshooting für die<br />
Bild-Seite-Eins-Mädchen gehen? Großartig.<br />
Dabei war ich dieses Jahr doch schon<br />
auf einer Siebziger-Party, einer Fernsehserien-Party<br />
und einer Atzen-Party. Allen<br />
Mottopartys gemeinsam war, dass<br />
sich die Gastgeber angestrengt und in<br />
mühevoller Kleinstarbeit Prilblumen,<br />
Schlümpfe oder Palmen aus Tonpapier<br />
ausgeschnitten haben und die Gäste<br />
meist halbherzig verkleidet aufgetaucht<br />
sind („Guck mal, ich hab ein Stirnband<br />
um, voll Siebziger oder?“). Ich gebe zu,<br />
auch ich gebe mir mit meiner Kostümierung<br />
bei Mottopartys keine große<br />
Mühe mehr. Das liegt allerdings an der<br />
18
Campus<br />
schlechten Erfahrung, die ich während<br />
einer Sportarten-Party gemacht habe.<br />
Ich habe mir nämlich nicht einfach<br />
sexy Sportklamotten oder einen Bikini<br />
angezogen, wie die anderen weiblichen<br />
Partygäste. Stattdessen bin ich als Eishockeypuck<br />
gegangen und den gesamten<br />
Abend ständig in den Türen hängengeblieben.<br />
Doch zurück zum Ballermann.<br />
Die Gastgeberin tut mir leid. Denkt sie,<br />
einfach so mit ihr zu feiern wäre uns zu<br />
langweilig? Oder hält sie uns für zu blöd<br />
ein Gespräch aufzubauen ohne Mottovorlage<br />
(„Hey hast du grad in den Sangria<br />
gespuckt?“)? Klar ein Motto ist hilfreich,<br />
wenn die Party mal ins Stocken<br />
gerät und die Gäste nichts miteinander<br />
anfangen können, die Gespräche<br />
verstummen und alle betreten in ihre<br />
Gläser schauen („So und jetzt Flaschendrehen!“).<br />
Aber meistens sind es doch<br />
getarnte Kindergeburtstage. Ein Mittel,<br />
um nicht zugeben zu müssen, dass man<br />
es gar nicht so toll findet mit dem Studium<br />
fertig zu sein, immer älter zu werden<br />
oder umziehen zu müssen. Lieber<br />
denkt man auf der Neunziger-Party zurück<br />
an die Zeit, als man noch auf seine<br />
Augen auf, bis der<br />
Reißverschluss klemmt<br />
Prinzessinnen-, Piraten- oder Zirkusgeburtstagsfeier<br />
hingefiebert hat. Und das<br />
ist ja auch gut. Wer mag schon auf einer<br />
Party wehmütig sein. Da höre ich mir<br />
doch lieber die Spice Girls an und tanze<br />
Macarena. #<br />
IMPRESSUM<br />
Gesamtleitung: Andreas Günther<br />
Herausgeber: Braunschweiger Zeitungsverlag GmbH & Co KG<br />
Hamburger Straße 277, 38114 Braunschweig, Telefon: (0531) 39 00 0<br />
Geschäftsführung: Harald Wahls (Sprecher), Andreas Günther<br />
Die redaktionellen Inhalte dieser <strong>Ausgabe</strong> sind das Ergebnis<br />
eines Projektseminars des Lehrstuhls für Kommunikations- und<br />
Medienwissenschaften der Technischen Universität Braunschweig<br />
Redaktionsleitung: Holger Isermann (TU Braunschweig)<br />
Redaktion: Kenja Albrecht, Fine Behrens, Nico Bensch, Annekatrin Bock,<br />
Maria Boger, Svenja Böttger, Benedikt Crone, Maria Freystein, Chris Goldhorn,<br />
Hannes Graubohm, Nicole Griese, Jonas Hartwig, Holger Isermann, Sina Liers,<br />
Marius Köhler, Christian Matz, Katerina Papamichael, Kristina Rauschan, Shirin<br />
Schönberg, Arne Schrader, Daniela Viehmeier, Holger Zelder, Franziska Ziemann<br />
Adresse: Bienroder Weg 97, 38106 Braunschweig<br />
Telefon (0531) 391 8961 # Telefax (0531) 391 8963 # E-Mail redaktion@studi38.de<br />
www.tu-braunschweig.de/medienwissenschaften<br />
Titelfoto: Florian Koch Model: Lisa Dauke, im phæno (Wolfsburg)<br />
Objektleitung: Daniela Waltemathe<br />
Anzeigen: Raphael Feldmann (verantw.)<br />
Anzeigenverkauf: Katharina Heidmann (Koordination);<br />
Tel.: (0531) 39 00 408; katharina.heidmann@bzv.de<br />
Vertrieb: Braunschweiger Zeitungsverlag<br />
Druck: Druckhaus Gera GmbH, Jacob-A.-Morand-Straße 16, 07552 Gera<br />
Auflage: ca. 10.000 Exemplare<br />
Das Projekt <strong>Studi38</strong> wird freundlich unterstüzt durch
Campus<br />
Der Nazijäger<br />
Rotes Barett. Fingerlose Handschuhe.<br />
Die antifaschistischen Flugblätter<br />
stets griffbereit und die Bomberjacke<br />
voller Buttons mit Slogans wie: „Den<br />
sozial Benachteiligten eine Stimme<br />
geben“, „Genfood, Nein Danke!“<br />
oder „Kein Bock auf Nazis“. Klaus<br />
Hoenen macht keinen Hehl aus<br />
seiner politischen Einstellung.<br />
Von Fine Behrens & Hannes Graubohm<br />
Auf seinem „Kampfrad“, den Gepäckträger<br />
voller Bücher, die er<br />
für den Tag braucht, begibt er<br />
sich täglich auf die Jagd. Auf die Jagd<br />
nach Nazis. Doch wie wird man eigentlich<br />
„Nazijäger“? Oder: Wie wurde der<br />
selbsternannte „Nazijäger“ zu dem, was<br />
er ist?<br />
1944 in Bitterfeld bei Leipzig geboren<br />
und vom Vater, einem Lehrer und Wehrmachtsangehörigen,<br />
streng militärisch<br />
erzogen, weckt die Seefahrt bereits im<br />
Alter von 15 Jahren sein Interesse. Kurz<br />
vor dem Abitur in Essen konnte Hoenen<br />
dann bei einem sechswöchigen Praktikum<br />
auf See erste Erfahrungen machen.<br />
Nach dem Schulabschluss wollte er zur<br />
Bundesmarine gehen, aber sein hoher<br />
Blutdruck machte ihm bei der Musterung<br />
einen Strich durch die Rechnung.<br />
Und das obwohl er regelmäßig Sport<br />
trieb, wie Geräteturnen, Handball spielen<br />
und Rudern.<br />
Von der Ausmusterung noch schwer<br />
getroffen, entschied Klaus Hoenen sich<br />
für ein Meteorologiestudium in München.<br />
Wegen des hohen Physikanteils,<br />
der ihm nicht lag, brach er jedoch nach<br />
zwei Semestern ab. Nun führte ihn sein<br />
Weg an die TH Darmstadt, wo er bis<br />
zum Vordiplom Geowissenschaften studierte.<br />
Ganz im Sinne der 68er ging er<br />
zu dieser Zeit, „aus einem Bauchgefühl<br />
heraus“, obwohl er das „reine echte<br />
Verständnis für das Politische noch gar<br />
nicht hatte“ erstmalig auf eine Demo<br />
und skandierte „Ho-, Ho, Ho-Chi-Minh“<br />
gegen den Vietnamkrieg der US-Amerikaner,<br />
für den Vietcong. Als sein Dozent<br />
nach Braunschweig berufen wurde,<br />
ging Hoenen kurzerhand mit und<br />
beendete sein Studium der Geowissenschaften<br />
dann an der TU Braunschweig.<br />
„Eigentlich war mir die Steinwelt aber<br />
viel zu tot.“ Daher beschäftigte er sich<br />
parallel noch mit der Mikrobiologie und<br />
Fotos: Maria Boger<br />
20
Campus<br />
Aufgespürt: Wer morgens einen<br />
solchen Flyer im Briefkasten findet,<br />
hat ein Gesinnungsproblem.<br />
besuchte viele Vorlesungen in diesem<br />
Forschungsgebiet. Nach dem Studium<br />
arbeitete er vier Jahre lang als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt<br />
über Eisenbakterien.<br />
Doch als dieses dann eingestellt wurde,<br />
musste sich Klaus Hoenen mit wechselnden<br />
Tätigkeiten seinen Lebensunterhalt<br />
finanzieren. So führte er beispielsweise<br />
Bodenuntersuchungen für<br />
ein Bremer Ingenieurbüro durch und<br />
kam über einen Bekannten zu der Arbeit<br />
in einer Zuckerfabrik. Dort reinigte<br />
er in zwölf-Stunden-Schichten die Silos.<br />
Der Kontakt mit den anderen Arbeitern<br />
führte dazu, dass er sich erstmals wirkliche,<br />
politische Gedanken machte. Seinen<br />
„ersten großen Feldeinsatz“ hatte<br />
er dann bei einer Demo gegen das Atomkraftwerk<br />
Brockdorf im Herbst 1981.<br />
Mit steigendem Interesse an der Politik<br />
kam er auch mit Marx und Engels<br />
in Berührung und wurde zu einem großen<br />
Lenin-Anhänger. Diese zunehmend<br />
linke Ausrichtung führte letztendlich<br />
auch zu einem Bruch mit seinen Eltern,<br />
„Jagd heißt für<br />
mich, ich knall<br />
sie natürlich<br />
nicht ab – ich<br />
ermittle.“<br />
die ihn als „rote Socke“<br />
sahen, sowie zu seiner<br />
Enterbung.<br />
Seit zehn Jahren ist<br />
Klaus Hoenen nun Mitglied<br />
der Linken und<br />
der Kommunistischen<br />
Plattform (KPF), dem<br />
linken Flügel innerhalb<br />
der Partei. Sein Ziel<br />
ist „eine neue DDR zu<br />
gründen“.<br />
Parteipolitisches Engagement<br />
allein ist ihm<br />
aber nicht genug: „Es<br />
reicht nicht aus, Demonstrationen<br />
zu machen<br />
oder Flugblätter<br />
zu verteilen oder mal<br />
`nen Artikel zu schreiben<br />
oder `ne Podiumsdiskussion<br />
– nein!“ Wenn er in der Öffentlichkeit<br />
auf vermeintliche „Nazis“<br />
trifft, so wird es „kompliziert und gefährlich“:<br />
Hoenen macht regelrecht<br />
„Jagd“ auf Faschisten, indem er Verdächtige<br />
sehr genau beobachtet und alles,<br />
was ihm auffällt oder was er hört,<br />
festhält, um es später gegen sie verwenden<br />
zu können.<br />
„Angenommen der Nazi<br />
kommt an und versucht<br />
mir in die Eier zu treten,<br />
dann hab ich auch das<br />
Recht ihm in die Eier zu<br />
treten“<br />
Gewalt geht hierbei laut Hoenen aber<br />
nie zuerst von ihm aus: „Nähere ich<br />
mich einem Nazi-Typen oder einer Gruppe<br />
oder die sich mir, fange ich nicht sofort<br />
an mit physischen Maßnahmen, ich<br />
sag auch nicht ‚Du alte Nazisau‘, ne, ich<br />
warte einfach ab was jetzt passiert. Bisher<br />
wars immer so: Ich bin angegriffen<br />
worden. Ich greife aber nicht an, weder<br />
verbal noch hau ich dem ersten eins<br />
in die Fresse oder tret ihm in die Eier,<br />
wenn lasse ich den ersten Angriff von<br />
denen machen – und dann hau ich zurück!<br />
So läuft das bei mir und ich find<br />
das völlig normal, denn dann bin ich<br />
rechtlich in der Notwehrsituation.“<br />
Mit seiner Tätigkeit als „Nazijäger“<br />
ist Klaus Hoenen in der rechten Szene<br />
mittlerweile bekannt und wurde daher<br />
bereits wiederholt von Rechtsextremisten<br />
angegriffen. So hatte er im letzten<br />
Jahr eine „tierische Schlägerei“ am Ufer<br />
des Südsees:<br />
„Ich versteh mich auch<br />
als Bulle, aber als<br />
Anti-Nazi-Bulle.“<br />
„Ich saß an Himmelfahrt auf einer<br />
Bank, hatte eine Pulle Bier, habe etwas<br />
gelesen und Musik gehört und auf einmal<br />
kommen drei Nazis an, das hab ich<br />
schon an ihrem Gegröle erkannt. Dann<br />
haben die mich wiederum gesehen und<br />
den roten Stern an meinem Barret. Sie<br />
haben mich angegriffen und ich musste<br />
mich verteidigen: Den Ersten hab ich<br />
zusammengeschlagen, der Zweite war<br />
ein Skinhead, auch körperlich etwas<br />
größer, das war der härteste Kampf meines<br />
Lebens. 30, 40 Jahre jünger die Bur-<br />
21
Campus<br />
schen, aber ich bin physisch noch gut<br />
drauf, das haben die auch gemerkt.[…]<br />
Ich war das Opfer und auch der einzige<br />
Zeuge und ich habe diese Burschen nie<br />
wieder gefunden.“ Doch auch bei Parteigenossen<br />
und Normalbürgern eckt<br />
er mit seinem militärischen Auftreten<br />
und seinen teils sehr extremen Ansichten<br />
an.<br />
„Um drei Uhr steh ich auf<br />
und mache Nazijagd – in<br />
der Dunkelheit. Alleine.“<br />
So gilt er in der Braunschweiger<br />
Bahnhofsmission, in der er mittlerweile<br />
Hausverbot hat, als „hochintelligent,<br />
aber schwierig“. Hoenen sucht<br />
oft den Kontakt zu Studierenden und<br />
die Gespräche mit ihnen. „Das tut mir<br />
auch gut“. Außerdem<br />
besucht er regelmäßig<br />
Vorlesungen, um<br />
sich fortzubilden,<br />
etwa Veranstaltungen<br />
in Soziologie und<br />
Architektur. Wenn<br />
Hoenen nicht gerade<br />
an der Uni oder seine<br />
umfangreiche Büchersammlung<br />
studiert,<br />
ermittelt er in<br />
sämtlichen Stadtteilen,<br />
um „neofaschistische<br />
Strukturen“<br />
aufzudecken. Hierfür<br />
steht er oft schon<br />
um drei Uhr nachts<br />
auf. Mit geschärftem<br />
Blick entdeckt er faschistische<br />
Aufkleber<br />
und „erkennt anhand<br />
der mimischen Reaktionen<br />
auf seine Anti-Nazi-Buttons“,<br />
wer<br />
ihm wohl gesonnen<br />
ist. Die anderen sind<br />
Nazis und kommen in<br />
sein „Ermittlungsbuch“. Bisher ist Klaus<br />
Hoenen als Einzelkämpfer in unserer<br />
Region unterwegs.<br />
Seiner Meinung nach wird zu wenig<br />
gegen die „faschistischen Umtriebe“ unternommen,<br />
insbesondere von jungen<br />
Leuten. Und auch an seiner Parteigruppe<br />
übt er scharfe Kritik: „Sie arbeiten<br />
zwar geistig, aber auf der Straße leisten<br />
sie nichts. Hier findet aber der Kampf<br />
zwischen Rechten und Linken statt.“<br />
Er dagegen ist für diesen physischen<br />
Kampf gerüstet, schafft trotz seiner 66<br />
Jahre noch 40 Liegestütze.<br />
„Mein Hauptanliegen ist<br />
die Bekämpfung aller<br />
braunen Umtriebe“<br />
Zwischen Bitterfeld und Atomausstieg: Hoenens<br />
„Stützpunkt“ ist zugleich Spiegelbild seiner Gesinnung<br />
Für Klaus Hoenen gilt der Schwur der<br />
befreiten Häftlinge des Konzentrationslagers<br />
Buchenwald. Er will den Faschismus<br />
radikal angreifen, zerstören und<br />
nie wieder hochkommen lassen. „Militärisch<br />
ist dieser zwar zerschlagen, aber<br />
noch nicht in den Köpfen.“<br />
Hoenens nächste große Aufgabe wartet<br />
schon: Er gehört zum engsten Kreis<br />
der Leute, die jetzt schon Gegenmaßnahmen<br />
für die geplante NPD-Demo<br />
am 4. Juni 2011 in Braunschweig vorbereiten.<br />
#<br />
22
Wie Braunschweig bist du?<br />
DAS GEOCACHING-EVENT VON<br />
Geocaching ist die moderne Form der Schatzsuche bzw. Schnitzeljagd.<br />
Entdeckt mit uns wichtige Orte und nette Locations rund um die TU<br />
und das Leben in Braunschweig.<br />
Die Entdeckungstour führt euch zu sieben verschiedenen Stationen –<br />
neben bekannten Sehenswürdigkeiten lernt ihr auch die ein oder<br />
andere Kneipe kennen. Alle Stationen sind zu Fuß erreichbar.<br />
Die Braunschweigische Landessparkasse lädt zwei teilnehmende<br />
Teams zu einer Heißluftballonfahrt über Braunschweig ein.<br />
GPS Gerät<br />
(Handy, Navi, etc.)<br />
Das braucht ihr:<br />
Ein Team bestehend<br />
aus 2 Personen<br />
Lust Braunschweig<br />
zu entdecken<br />
SO FUNKTIONIERT ES:<br />
1. Ihr meldet euer Team unter Nennung des<br />
Teamnamens bei studi38@bzv.de an.<br />
2. Die Startkoordinate erfahrt ihr ab dem<br />
8. November unter newsclick.de/studi38<br />
3. Von der Startkoordinate aus sucht ihr die erste Station.<br />
4. An der ersten Station angekommen tragt ihr euch in das<br />
dort hinterlegte Logbuch ein. In diesem findet ihr auch<br />
die Koordinaten der nächsten Station.<br />
5. Mit Eintrag in dem Logbuch der letzten Station nimmt<br />
euer Team an der Verlosung der Heißluftballonfahrt teil<br />
6. Ab dem Eintrag in das erste Logbuch habt ihr 3 Tage Zeit<br />
die Stationen zu finden.<br />
7. Die Aktion findet vom 8.11. bis zum 6.12.2010 statt.<br />
Alle Infos erhaltet ihr auch unter newsclick.de/studi38
Campus<br />
Work<br />
it out<br />
Seit September diesen Jahres ist das Braunschweiger<br />
Unisportgelände um eine Attraktion reicher. Der<br />
deutschlandweit erste hochschuleigene Outdoor-<br />
Fitness-Gerätepark hat seine Tore geöffnet und bietet<br />
vielfältige Trainingsmöglichkeiten für Freunde der<br />
frischen Luft. studi38 war bei der Eröffnung und hat<br />
für euch schon mal ein Probetraining absolviert.<br />
Von Jonas Hartwig<br />
Die Idee hinter dem Konzept<br />
ist genau so simpel wie effektiv.<br />
„Der Outdoorbereich liegt<br />
zur Zeit voll im Trend, und Fitness ist<br />
nach wie vor die Sportart Nummer 1<br />
in Deutschland“, erklärt der Pressesprecher<br />
des Sportzentrums, Michael<br />
Steiln. Die Kombination liegt also denkbar<br />
nahe und die Vorteile auf der Hand.<br />
Gerade in den Sommermonaten bietet<br />
die Möglichkeit an der frischen Luft zu<br />
trainieren<br />
eine willkommene<br />
„Der Outdoorbereich<br />
liegt<br />
Alternative<br />
zur Zeit voll im<br />
zu den überfüllten<br />
und<br />
Trend.“<br />
Michael Steiln, Pressesprecher<br />
stickigen Sportzentrum<br />
Fitnessstudios.<br />
Großer<br />
Wert wird auch auf die einfache Bedienung<br />
der verschiedenen Geräte gelegt.<br />
„Die Geräte sind größtenteils selbsterklärend<br />
und können auch ohne große<br />
Vorkenntnisse in kurzer Zeit sicher<br />
bedient werden“, so Steiln. Die Bandbreite<br />
der 17 verschiedenen Stationen<br />
reicht dabei vom Oberkörpertraining<br />
bis hin zu verschiedenen Übungen für<br />
die Beinmuskulatur. Neben dem klassischen<br />
Krafttraining besteht auch die<br />
Möglichkeit durch gezielte Übungen<br />
Körperbalance, Ausdauer und Koordination<br />
zu verbessern. Ergänzt wird der Gerätepark<br />
durch eine Aktionsfläche, die<br />
aus weichem Gummimaterial gegossen<br />
wurde. Hier werden im Sommer Kurse<br />
wie Yoga, Aerobic oder Aroha unter freiem<br />
Himmel angeboten. Damit auch die<br />
Ausdauersportler nicht zu kurz kommen,<br />
wird der Park durch eine 250m<br />
lange Finnbahn eingerahmt, die mit<br />
der alten 800m- Laufstrecke verbunden<br />
ist und mit einem neuen Trockenholzbelag<br />
optimale Bedingungen zum Joggen<br />
bietet.<br />
Geöffnet hat der Park täglich von<br />
7.00 bis 22.00 Uhr, genug Zeit also für<br />
eine kleine Trainingseinheit im stressigen<br />
Unialltag. Besonders die wetterfesten<br />
Sportler dürfte freuen, dass der<br />
Outdoor-Fitness-Gerätepark sogar ganzjährig<br />
die Möglichkeit bietet die Muskeln<br />
in Form zu halten. Ein extra angefertigtes<br />
Beleuchtungssystem sorgt<br />
auch in der dunklen Jahreszeit dafür,<br />
dass zu jeder Zeit unter optimalen Bedingungen<br />
trainiert werden kann. Das<br />
Ganze, und das ist die beste Nachricht,<br />
ist sowohl für Studierende als auch für<br />
Mitarbeiter der TU Braunschweig kostenlos.<br />
Wer also Interesse hat, kann<br />
sich einfach unter www.unisport.tu-bs.<br />
de anmelden und los trainieren.<br />
Ihren Ursprung haben die Outdoor-<br />
Fitness-Geräteparks übrigens in China.<br />
Dort gehören sie bereits zum bekannten<br />
Stadtbild und erfreuen sich generationsübergreifend<br />
großer Beliebtheit.<br />
An der TU Braunschweig scheint die<br />
Idee jedenfalls bereits jetzt positiv aufgenommen<br />
zu werden. "Das ist ein Riesenspaß,<br />
und diese alten Tennisplätze<br />
konnte auch keiner mehr sehen", waren<br />
sich die ersten Benutzer einig. #<br />
Fotos: Jonas Hartwig, Sportzentrum<br />
24
Wissenschaft<br />
Unterirdisch<br />
Der Fall Asse zeigt eindrucksvoll, dass sich das Atommüllproblem nicht unter den Grasteppich kehren lässt.<br />
Von Katerina Papamichael<br />
Die Asse. Der malerische Höhenzug<br />
im Osten Wolfenbüttels<br />
lässt Wandererherzen höher<br />
schlagen. Im Sommer erstrahlt die Asse<br />
in vollem Grün, im Winter zeigt sie sich<br />
in glitzerndem Weiß. Umso trauriger ist<br />
es, dass sie überwiegend in aller Munde<br />
ist, wenn es um atomaren Müll geht.<br />
Umgeben von herrlichster Natur befindet<br />
sich die Schachtanlage des 1964<br />
stillgelegten Salzbergwerkes. In dem<br />
Bergwerk liegen rund 126.000 Fässer<br />
Atommüll, ganze 45.000 Kubikmeter radioaktiver<br />
Abfall. Und das Bergwerk gilt<br />
als nicht sicher.<br />
Die ersten Schaufellader mit gelbschwarzen<br />
Fässern rollten im April 1967<br />
in die Schachtanlage – angeblich zu Forschungszwecken.<br />
Bereits vier Jahre später<br />
wurde die Asse als reines Endlager<br />
für den gesamten in Deutschland anfallenden<br />
schwach- und mittelradioaktiven<br />
Atommüll genutzt. Erst eine Änderung<br />
des Atomgesetzes beendete 1978<br />
die Einlagerung der gelbschwarzen Fässer.<br />
„Bis zur letzten Minute wurden sie<br />
in den Stollen transportiert“, erklärt<br />
der Pressesprecher des Bundesamts für<br />
Strahlenschutz, Werner Nording. Noch<br />
fataler ist: Während der gesamten Einlagerungszeit<br />
war dem früheren Betreiber<br />
bekannt, dass der Schacht instabil<br />
und dem Grundwasserdruck auf Dauer<br />
nicht gewachsen war.<br />
So heißt es bereits in einer internen<br />
Notiz aus dem Jahr 1964, also ein<br />
Jahr vor dem Kauf des ehemaligen<br />
Bergwerks durch den Bund: „Auf der<br />
750-Meter-Sohle befinden sich ein Sammelbecken<br />
für magnesiumhaltige Lauge,<br />
die in 700 Litern pro Tag aus alten<br />
Carnallit-Abbauen zufließt, und ein Behälter<br />
zum Auffangen des Tropfwassers<br />
aus dem Schacht. Dieses Wasser kommt<br />
aus drei Rissen [...] Der Wasserzulauf beträgt<br />
etwa 2 l/min“, also immerhin fast<br />
3000 Liter pro Tag.<br />
Trotzdem beteuerte Hamburgs ehemaliger<br />
Bürgermeister Klaus von Dohnanyi<br />
noch 1972, dass das Eindringen<br />
von Wasser mit an Sicherheit grenzender<br />
Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen<br />
Auf dem Weg hinab: Der Atommüll lagert<br />
mehr als 700 Meter tief unter der Erde.<br />
werden kann. Von Dohnanyi war Staatssekretär<br />
im damaligen Bundeswissenschaftsministerium<br />
(heute Bundesforschungsministerium).<br />
Dem Ministerium<br />
untersteht der frühere Asse-Betreiber,<br />
das Helmholtz-Zentrum München.<br />
Als im Sommer 2008 die Berichterstattung<br />
der Braunschweiger Zeitung über<br />
einen kontaminierten Laugensumpf die<br />
breite Öffentlichkeit und bundesweiten<br />
Medien aufschreckte, wurde die Betreiberschaft<br />
des Helmholtz Zentrums beendet.<br />
Das dem Bundesumweltministerium<br />
unterliegende Bundesamt für<br />
Strahlenschutz (BfS) übernahm 2009<br />
Fotos: Holger Isermann<br />
26
Bereits in diesem internen<br />
Bericht der Projektgruppe<br />
Endlagerung radioaktiver<br />
Abfälle aus dem Jahr 1964<br />
sind Wassereinbrüche und<br />
Spaltenbildung im Gestein<br />
vermerkt.<br />
den Schacht. Von nun an hieß es, neben<br />
der Sicherung des Bergwerks, das verlorene<br />
Vertrauen der Menschen zurück zu<br />
gewinnen. Ein schweres Erbe.<br />
Soweit die Informationen aus zweiter<br />
Hand: studi38 wollte ganz genau wissen,<br />
was sich viele hundert Meter unter<br />
uns abspielt. Ausgerüstet mit Sicherheitskleidung,<br />
Beatmungsgerät und einem<br />
Dosimeter geht es hinab in die Tiefe<br />
des Stollens. Das kleine Gerät misst,<br />
welche Strahlung wir bei unserer Erkundungstour<br />
ausgesetzt sind. „Normalerweise<br />
steht da immer eine Null“, beruhigt<br />
uns Nording.<br />
Nicht nur die massiven Salzsteinwände<br />
drücken auf das Gemüt, wie einst den<br />
Bergleuten. Heute hinterlässt auch das<br />
Wissen über die Risiken des mit Atommüll<br />
gefüllten Schachts ein beklemmendes<br />
Gefühl. Spätestens wenn man<br />
die über 20 Zentimeter tiefen und bis zu<br />
3 Zentimeter breiten Risse im Gestein<br />
sieht, ist klar, hier muss etwas passieren.<br />
Der Berg ist unverkennbar in Bewegung<br />
und das ahnte man bereits vor der<br />
Einlagerung. Und die Standfestigkeit,<br />
über die immer noch nicht zuverlässig<br />
vorausgesagt werden kann, wie lang sie<br />
noch besteht, ist heute akut bedroht.<br />
Aktuell dringen jeden Tag 12.000 Liter<br />
in die Asse ein und werden abgepumpt.<br />
„Aber jeder Tag könnte der sein,<br />
an dem mehr Wasser eintritt, als wir<br />
wieder aus dem Schacht heraus bekommen“,<br />
betont Nording. Im schlimmsten<br />
Fall flutet das Grundwasser den Schacht<br />
1960<br />
1970<br />
1980<br />
1990<br />
2000<br />
2010<br />
2020<br />
bis 1964: Abbau von Kali- und Steinsalz<br />
1964: Stilllegung des Salzbergwerks<br />
1965: Der Bund kauft das Bergwerk für 800.000 DM<br />
ab 1967: Die Einlagerung des Atommülls zu Forschungszwecken beginnt<br />
ab 1971: Nutzung der Asse als offizielles Endlager<br />
1976: Änderung des Atomgesetzes.<br />
1978: Einlagerungsstopp – insgesamt wurden 125.787 Fässer eingelagert<br />
Seit 1988: Es dringt salzgesättigtes Wasser in das Bergwerk ein.<br />
Vor Kammer 12 auf der 750-m-Ebene wird ein Laugensumpf angelegt,<br />
in dem wenig später radioaktive Kontamination festgestellt wird.<br />
Dass diese die Freigrenzen nach Strahlenschutzverordnung überschreitet,<br />
ist seit 1994 dokumentiert.<br />
Juni 2008: Das Wissen über die Situation und die Risiken des Atommülls im<br />
Bergwerk kommt an die breite Öffentlichkeit<br />
Ab 2009: Das Bundesamt für Strahlenschutz wird Betreiber des Bergwerks.<br />
Bis 2020: Die vollständige Rückholung des Atommülls soll bis dahin<br />
abgeschlossen sein<br />
27
Wissenschaft<br />
Gegenwehr: Der Berg zerquetscht selbst tonnenschwere Stahlträger mühelos<br />
und wird damit zur Gefahr für den Atommüll.<br />
und kommt mit dem radioaktiven Müll<br />
in Kontakt. Um dieses Horrorszenario<br />
und ein Einstürzen des Bergwerks zu<br />
verhindern, werden gegenwärtig Hohlräume<br />
in der Asse nach und nach mit<br />
Spezialbeton gefüllt.<br />
Parallel zu dieser Stabilisierung des<br />
Schachtes laufen bereits die Planungen<br />
für die Rückholung des Atommülls.<br />
Tiefe Risse im Gestein zeigen die<br />
Anfälligkeit des Grubengebäudes.<br />
Testbohrungen und andere Operationen<br />
werden durchgeführt, um diese so<br />
sicher wie möglich zu gestalten. Denn<br />
mittlerweile ist allen Beteiligten klar,<br />
dass der Atommüll in der Asse nicht sicher<br />
ist. Wo die schwarzgelben Fässer<br />
aber hin sollen, wenn sie wieder an die<br />
Oberfläche geholt werden, ist immer<br />
noch unklar. Der bisherige Plan sieht<br />
„jeder Tag könnte der<br />
sein, an dem mehr Wasser<br />
eintritt, als wir wieder<br />
aus dem Schacht heraus<br />
bekommen.“<br />
Werner Nording, Pressesprecher Bundesamt für<br />
Strahlenschutz<br />
eine Verschnaufpause vor, bis die Fässer<br />
genauer untersucht sind: Zunächst soll<br />
deshalb ein Zwischenlager in der Nähe<br />
der Asse gebaut werden.<br />
Der Grund, warum in letzter Zeit so<br />
viel in der Asse geschieht, ist neben den<br />
drohenden Naturgewalten auch der öffentliche<br />
Druck. Die Anti-Atomkraftbewegung<br />
hat durch die Geschehnisse<br />
merklich neuen Schwung erhalten.<br />
Denn mittlerweile sind alle Alters- und<br />
Bevölkerungsschichten für das Problem<br />
des atomaren Erbes sensibilisiert.<br />
Längst steht der Rentner neben dem<br />
Studierenden und scheinen sich politische<br />
Zugehörigkeiten im gemeinsamen<br />
„Nein“ zur Atomenergie aufzulösen.<br />
Der Fall Asse ist damit nicht nur ein<br />
trauriges Beispiel für das Totalversagen<br />
demokratischer Entscheidungsträger –<br />
er macht auch Hoffnung. Weil er zeigt,<br />
dass die Menschen sich trotz aller Passivitätsvorwürfe<br />
einmischen, wenn sie<br />
unzufrieden sind und bürgerliches Engagement<br />
sich am Ende auszahlt.<br />
Das BfS hat für die vollständige Rückholung<br />
des Atommülls eine Zeit von<br />
zehn Jahren angesetzt. Danach soll die<br />
Asse wieder ein einfaches Stück Landschaft<br />
sein. Von ihrem schwarzgelben<br />
Schatten, den der eingelagerte radioaktive<br />
Müll bisher drohend warf, wäre<br />
sie dann befreit. Verschwunden ist der<br />
Schatten damit aber nicht, er ist nur<br />
weiter gezogen … #<br />
Fotos: Holger Isermann<br />
28
Wissenschaft<br />
„Gorleben ist ein<br />
Schwarzbau“<br />
Ein Gespräch mit Jürgen Trittin über die Asse und den Atomausstieg<br />
Von Katerina Papamichael<br />
Die Politik hat im Fall Asse viel Vertrauen<br />
verspielt. Reicht ein Betreiberwechsel zum<br />
Bundesamt für Strahlenschutz, um dieses<br />
Vertrauen zurück zu gewinnen?<br />
Nein, natürlich nicht. Aber die Maßnahme,<br />
dass das BfS in einem sehr transparenten<br />
Prozess unter Einbeziehung aller die Alternativen<br />
zur Sicherung der Asse erarbeitete und<br />
das am Ende zu der Empfehlung geführt hat,<br />
den Atommüll aus der Asse rauszunehmen,<br />
das hat sicherlich das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit<br />
des BfS erhöht.<br />
Laut Bundesumweltminister Norbert Röttgen<br />
muss die sichere Lagerung von radioaktivem<br />
Müll für eine Million Jahre gewährleistet<br />
sein. Kann es überhaupt eine<br />
sichere Lagerung geben oder geht es immer<br />
nur um Risikominimierung?<br />
In der Frage der Rückholbarkeit von atomarem<br />
Abfall steckt immer ein Risiko. Insofern<br />
gibt es für die Asse nur schlechte Lösungen<br />
und das Bundesamt für Strahlenschutz hat<br />
die am wenigsten schlechte Lösung zwischen<br />
schlechten Alternativen gesucht.<br />
Herr Röttgen lässt Gorleben weiter nach<br />
Bergrecht und nicht nach Atomrecht erkunden.<br />
Kann man davon ausgehen, dass<br />
er die Bevölkerung vielleicht erneut nicht<br />
informieren will?<br />
Es ist Augenwischerei in Gorleben überhaupt<br />
von Erkundung zu sprechen. Dort ist alles erkundet,<br />
was man erkunden kann. Es wird,<br />
unter der Behauptung, zu erkunden, das<br />
Endlager zu Ende gebaut. Gorleben ist ein<br />
Schwarzbau. Und wenn man gleichzeitig keine<br />
Alternativen sucht, dann weiß ich, wie das<br />
Spiel endet, nämlich, dass man versucht, dort<br />
einzulagern.<br />
Wieso wird der gesamte Atommüll in Niedersachsen<br />
gelagert?<br />
Weil man den Schacht in Gorleben hat, will<br />
man nicht weitersuchen. Man möchte kein<br />
Standortauswahlverfahren, weil es passieren<br />
könnte, dass sich andere Standorte als geeigneter<br />
erweisen.<br />
Sie werfen den Atomkraftbefürwortern<br />
Realitätsverweigerung vor. Was meinen Sie<br />
genau damit?<br />
Die Atomenergie liefert nur knapp zwei Prozent<br />
der weltweit benötigten Energie. Außerdem<br />
haben wir ja keinen Mangel an Strom<br />
in Deutschland. Es laufen hier 17 Atomkraftwerke<br />
und den Strom von ganzen sieben davon<br />
braucht Deutschland für seine Stromversorgung<br />
nicht. Er wird exportiert.<br />
Was halten Sie davon, dass die Laufzeit der<br />
Atomkraftwerke laut Regierung um bis zu<br />
14 Jahre verlängert werden soll?<br />
Die Regierung möchte diese 14 Jahre nicht in<br />
allen Kraftwerken abarbeiten, sondern von<br />
den alten Kraftwerken auf neuere Anlagen,<br />
wie zum Beispiel Lingen, übertragen. In ein<br />
paar Jahren entsprechen diese Anlagen aber<br />
auch nicht mehr dem neuesten Stand der<br />
Technik. Insofern ist das ein Vorschlag, der einem<br />
nur Sand in die Augen streuen soll.<br />
Jürgen Trittin war von 1998 bis<br />
2005 Bundesumweltminister<br />
und damit federführend bei<br />
den Umweltreformen von Rot-<br />
Grün, zum Beispiel Dosenpfand,<br />
Ökosteuer und Atomausstieg.<br />
Der Vorsitzende der<br />
Bundestagsfraktion von Bündnis<br />
90/Die Grünen hat eine Tochter<br />
und lebt in Berlin-Pankow.<br />
Worum geht es dann?<br />
Es geht der aktuellen Regierung in der Tat darum,<br />
die Profitmöglichkeiten für die großen<br />
Energiekonzerne zu erhalten. Wir haben heute<br />
schon die Situation, dass Windparks abgeschaltet<br />
werden müssen, weil das Netz überlastet<br />
ist. Wir schalten also CO2-freie Energie<br />
ab, damit Atommüll produziert werden kann,<br />
von dem wir nicht wissen, wohin.<br />
Könnten wir mit den regenerativen Energien<br />
ab sofort komplett auf die Atomenergie<br />
verzichten?<br />
Ab sofort nicht, das war auch nie die Idee.<br />
Die Idee war, wir steigen schrittweise aus und<br />
steigen schrittweise ein. Ich muss gestehen, ich<br />
habe mich geirrt. Ich habe gedacht, bis zu diesem<br />
Jahr 2010 hätten wir den Anteil erneuerbarer<br />
Energien auf 12,5 Prozent gesteigert, es<br />
werden aber ganze 17 Prozent sein. Mein Irrtum<br />
müsste eigentlich dazu führen, die Laufzeiten<br />
zu verkürzen anstatt sie zu verlängern,<br />
aber das Gegenteil wird zur Zeit diskutiert. #<br />
Fotos: Chris Goldhorn<br />
29
Wissenschaft<br />
Top-Engineering@Ostfalia<br />
Bereits beim CHE-Ranking des ZEIT Studienführers<br />
2010/11 konnte die Ostfalia bei den ingenieurwissenschaftlichen<br />
Fächern Elektrotechnik und Informationstechnik<br />
sowie Maschinenbau als dualer Studiengang<br />
punkten. Die Studiensituation insgesamt sowie<br />
die Betreuung durch Lehrende am Campus Wolfenbüttel<br />
erreichten Spitzenplatzierungen.<br />
In der aktuellen Engineering Edition des „trendence<br />
Absolventenbarometers 2010“ gibt es nun wieder<br />
Höchstbewertungen für die Ostfalia Hochschule für<br />
angewandte Wissenschaften. Die IT-Infrastruktur<br />
schafft es bundesweit sogar auf den ersten Platz.<br />
kurz &<br />
knapp<br />
PURer<br />
kunststoff<br />
Weltweit<br />
einzigartig<br />
Foto: TU Braunschweig<br />
Die neue Polyurethan(PUR)-Anlage der Ostfalia bietet<br />
den Studierenden am Campus Wolfsburg neue<br />
Möglichkeiten in Forschung und Ausbildung im Bereich<br />
der Kunststofftechnik. Die PURe Vielseitigkeit<br />
– gesprüht, gegossen oder geschmolzen – kann in<br />
der Zukunft eine wichtige Rolle für die Entwicklung<br />
von Produkten im Automobil-Leichtbau spielen.<br />
Foto: Roland Enz / pixelio.de<br />
Ab Anfang Oktober kann man auf dem Braunschweiger<br />
Ring dem Forschungsfahrzeug ‚Leonie‘ begegnen. Ganz<br />
von alleine fährt es eine vorgegebene Strecke im regulären<br />
Verkehr ab – kann Spur und Abstand halten, Kreuzungen<br />
und Hindernisse berücksichtigen sowie Geschwindigkeiten<br />
dem fließenden Verkehr anpassen. Das Forschungsprojekt<br />
‚Stadtpilot‘ der TU Braunschweig und ihres Niedersächsischen<br />
Forschungszentrums Fahrzeugtechnik setzt dabei<br />
als einziges Forschungsprojekt der Welt automatisches<br />
Fahren im realen Stadtverkehr um. Und keine Sorge –<br />
für den Notfall sitzt ein Sicherheitsfahrer am Steuer!<br />
30
Vorverkauf:<br />
2x in Braunschweig: Schild 1a und Schloss-Arkaden (EG)<br />
sowie in den Service-Centern des Braunschweiger Zeitungsverlags:<br />
GF, Steinweg 62; HE, Neumärker Str. 1a – 3; PE, Am Markt 7; WF, Krambuden 9;<br />
WOB, Porschestraße 22 – 24; SZ-Lebenstedt, In den Blumentriften; SZ-Bad, Vorsalzer Straße 2<br />
Im Internet: www.konzert-kasse.de<br />
* aus dem Festnetz der T-Com: 14 Cent/Min.; Mobilfunk max. 42 Cent/Min.
Wissenschaft<br />
Seelenstrip<br />
im Netz<br />
ME, MYSELF AND I IN HÖCHSTFORM<br />
Von Shirin Schönberg<br />
Alex ist gerade auf Wohnungssuche<br />
in München. Stephanie<br />
liegt noch im Bett. „Zu viele Jellyshots,<br />
aber geiler Abend Mädels!“ Sebastian<br />
findet das gut und kommentiert:<br />
„Darf ich mich zu dir legen?“ Lisa<br />
hat sich die App Frohe Ernte geholt und<br />
Kathrin testet gerade welcher drogensüchtige<br />
Hollywoodstar mit Geheimratsecken<br />
zu ihr passt. Micha müsste<br />
eigentlich lernen, aber die Wohnung<br />
ist offensichtlich zu unordentlich und<br />
Caro ist gerade in Los Angeles gelandet<br />
und fragt sich, ob Liebe mit wachsender<br />
Entfernung stärker wird.<br />
Wenn man einen Tag lang die Statusmeldungen<br />
auf StudiVz und Facebook<br />
verfolgt, kann man sich schon mal die<br />
Frage stellen, ob unsere Generation nur<br />
lebt, um im Internet davon zu erzählen.<br />
Wir plaudern auf unseren Profilseiten<br />
freimütig Informationen über uns und<br />
unser Leben aus, die noch vor zwanzig<br />
Jahren nur der Geheimdienst herausfinden<br />
konnte. Wir erzählen, was wir<br />
lesen, hören, essen, wohin wir in den<br />
Urlaub fahren und wie wir uns gerade<br />
fühlen, und treten in Gruppen ein, bei<br />
denen es uns peinlich wäre, wenn unsere<br />
Oma davon wüsste. Darauf angesprochen<br />
erklären wir, dass wir unsere<br />
dreihundert engsten Freunde eben an<br />
unserem Leben teilhaben lassen möchten<br />
und deswegen täglich Porträtfotos<br />
in das Album Me, Myself and I hochladen.<br />
Aber warum geben wir im Inter-<br />
net so viel von uns preis? Warum machen<br />
wir uns selbst so durchschaubar?<br />
Simone Kauffeld, Professorin für Arbeits-,<br />
Organisations- und Sozialpsychologie<br />
an der TU, meint, dass wir nach<br />
einer einfachen Kommunikationsregel<br />
handeln. „Man muss, um zu kommunizieren,<br />
etwas von sich selbst offenbaren<br />
auf das Andere reagieren können.“<br />
Allerdings läuft es im Internet etwas<br />
anders. Wir offenbaren nur Dinge, bei<br />
denen wir eine positive Reaktion vorhersehen<br />
können. Immer auf der Suche<br />
nach Anerkennung, der ultimativen sozialen<br />
Währung.<br />
Auf StudiVz und Facebook stellen<br />
wir nicht wirklich uns dar, sondern<br />
das bestmögliche Bild von uns. Sozusagen<br />
optimierte Ichs, ohne<br />
Schwächen und Ängste. Dabei<br />
vergessen wir, dass echte Freundschaften<br />
nicht dadurch bestehen<br />
bleiben, dass wir dem Anderen<br />
ständig vorhalten wie toll wir sind,<br />
sondern dadurch, dass wir auch mal unsere<br />
widersprüchliche, nicht aufpolierte<br />
Seite zeigen. Die Seite, die wir im Internet<br />
verbergen, aus Angst dann nicht<br />
mehr als die Abgeklärte, der Abenteurer<br />
oder der total Durchgeknallte zu<br />
gelten. So wird aus einer lahmen Party,<br />
bei der man sich geärgert hat, dass<br />
man dafür überhaupt vom Sofa aufgestanden<br />
ist schnell das beste Event des<br />
Jahres und aus einem unterbezahlten,<br />
aber überfordernden Job die Statusmel-<br />
32
Wissenschaft<br />
Fotos: Chris Goldhorn, Shirin Schönberg<br />
„Man muss,<br />
um zu kommunizieren,<br />
etwas von<br />
sich selbst<br />
offenbaren,<br />
auf<br />
das Andere<br />
reagieren<br />
können.“<br />
Prof. Simone Kauffeld, Lehrstuhl für Arbeits-,<br />
Organisations- und Sozialpsychologie<br />
dung: „Wieder bis um elf im Büro,<br />
einer muss ja dafür sorgen, dass der<br />
Laden läuft.“ Die vermeintlichen<br />
Freunde danken es mit dem Klick<br />
auf den Gefällt-mir-Button.<br />
Doch wir sind nicht nur Schauspieler,<br />
sondern auch Zuschauer.<br />
Manchmal sogar Voyeure. Es gibt Menschen<br />
mit denen wir seit Jahren nicht<br />
gesprochen haben und deren Leben<br />
wir trotzdem verfolgen. Mal sehen ob<br />
der Exfreund schon eine Neue hat und<br />
wenn ja, ob die besser aussieht als man<br />
selbst. Schadenfreude, wenn der Karriereschnösel,<br />
der bei jedem Treffen zehn<br />
Weltstädte aufgezählt hat, in denen er<br />
demnächst arbeiten wird, wieder in der<br />
Heimatstadt landet. Außerdem halten<br />
wir uns mit unseren Internetfreunden<br />
einen Pool an Kontakten, die wir zwar<br />
gerade nicht pflegen, aber irgendwann<br />
vielleicht nutzen wollen. „Durch dieses<br />
Verfolgen aus dem Augenwinkel ergeben<br />
sich neue Kontaktpunkte. Wenn<br />
man zum Beispiel in eine andere Stadt<br />
zieht, kann man nachschauen, ob man<br />
dort schon jemanden kennt“, meint<br />
auch Professorin Kauffeld.<br />
Es ist also durchaus praktisch und<br />
nicht ausschließlich narzisstisch Freunde<br />
bei Facebook und Co. zu sammeln.<br />
Trotzdem sollten wir uns gut überlegen,<br />
was wir alles von uns preisgeben.<br />
„Das Internet vergisst nicht“, sagt Simone<br />
Kauffeld, „das ist vielen noch nicht<br />
bewusst.“ #<br />
Eine schmutzige Version<br />
vom Kinderkarussell<br />
Von Shirin Schönberg<br />
Ich bin etwas aufgeregt. So ähnlich<br />
stelle ich mir ein Blind Date<br />
vor. Nur dass ich nicht mit einer<br />
Person verabredet bin und als Erkennungszeichen<br />
eine rote Rose mit mir<br />
herumtrage, sondern mit 20.000. So<br />
viele sind beim Chatroulette online,<br />
als ich mich am Freitagabend vor<br />
die Webcam setze. Alle wollen per<br />
Zufallsprinzip mit völlig Fremden aus<br />
der ganzen Welt verbunden werden<br />
und ich bin jetzt eine von ihnen. Ich<br />
habe gelesen, dass Chatroulette lustig<br />
sein soll, dass es süchtig macht, dass<br />
es pervers ist. Ich will es ausprobieren<br />
und dabei einen möglichst guten Eindruck<br />
machen. Dafür habe ich sogar<br />
Lipgloss aufgelegt und meine Brille<br />
gegen Kontaktlinsen getauscht. Beim<br />
Chatroulette zählt der erste Eindruck.<br />
Sonst heißt es zack, F9 gedrückt,<br />
der Nächste bitte.<br />
Mein erster Chatpartner<br />
ist ein gelangweilter<br />
Schweizer, wahrscheinlich<br />
so um die achtzehn, in einem<br />
hellblauen T-Shirt, der<br />
mich sofort wegklickt. Das<br />
kränkt mich ja jetzt doch<br />
ein bisschen. Ich habe allerdings<br />
nicht viel Zeit<br />
darüber nachzudenken,<br />
denn schon sitzt mir voll<br />
frontal ein Penis gegenüber.<br />
Schnell drücke ich<br />
F9. Ich mache mir noch einen<br />
Kaffee und fange an zu<br />
glauben, dass hier hauptsächlich<br />
perverse Exhibitionisten<br />
rumhängen. In<br />
der nächsten Stunde sehe<br />
ich einen Griechen, der tolle<br />
Tricks mit seinen Brustmuskeln<br />
macht und von<br />
mir zehn Sekunden Aufmerksamkeit<br />
dafür bekommt, zwei Typen, die mit<br />
Scream-Masken auf den Bildschirm<br />
zuspringen und etwa zwanzig Penisse.<br />
Ich erinnere mich, wie ich früher,<br />
als ich klein war, auf dem Kinderkarussell<br />
immer in den Polizeihubschrauber<br />
wollte. Das hier ist wie eine<br />
schmutzige Version vom Kinderkarussell.<br />
Hier bin ich glücklich, wenn mir<br />
kein Penis zugeteilt wird.<br />
So richtig drin in der Chatroulette-<br />
Routine bin ich auch nach zwei Stunden<br />
noch nicht. Mir tut es immer noch<br />
leid, Leute einfach wegzuklicken, die<br />
sich nicht gerade einen runterholen<br />
oder meine Brüste sehen wollen. Sogar<br />
der popelnde Franzose den ich<br />
weiterdrücke, obwohl er bis auf das<br />
Popeln eigentlich ganz nett aussieht.<br />
Ich möchte eigentlich<br />
schon aufgeben, eine Aspirin<br />
nehmen und schlafen<br />
gehen, da winkt mir ein solariumgebräunter<br />
Typ und<br />
ich beschließe, dass ich<br />
auch chatten muss, wenn<br />
ich schon chatte. Toll, denke<br />
ich mir bald. Da sind angeblich<br />
über 20.000 Menschen<br />
aus aller Welt online<br />
und ich werde mit Bochum<br />
verbunden. Trotzdem unterhalten<br />
wir uns nett. Über<br />
das Spiel Bochum gegen<br />
Aue, das er gerade im Fernsehen<br />
sieht, über seine Arbeit<br />
und darüber, wie viele<br />
Penisse wir schon gesehen<br />
haben. Als er meine Emailadresse<br />
haben will klicke<br />
ich ihn weg. Die würde ich<br />
noch eher dem popelnden<br />
Franzosen geben. #<br />
33
Wissenschaft<br />
„Nicht irgendein<br />
Hirngespinnst“<br />
Das Abitur in der Tasche, ein Hochgefühl. Voller Tatendrang den neuen Lebensabschnitt beginnen und die Uni<br />
erobern. Dann der Absturz – Leere, Trägheit. Svenja hat das alles erlebt und erhielt die Diagnose Depression.<br />
Von Sina Liers<br />
Fotos: Marius Köhler<br />
Es ist 8 Uhr. So langsam wird es<br />
dunkel vor dem Café, in dem ich<br />
sitze. Das Licht ist gedimmt, überall<br />
hängen schwere Rauchschwaden in<br />
der Luft. Die Atmosphäre könnte so gelöst<br />
sein, wenn da nicht dieses ernste<br />
Thema wäre. Denn mir gegenüber sitzt<br />
eine junge Frau, die mit Anfang 20 eine<br />
Diagnose bekam, die ihr Leben verändern<br />
sollte: Depressionen, Volkskrankheit<br />
Nummer eins.<br />
Svenja (Name geändert) ist groß und<br />
schlank, trägt die braunen Haare zu einem<br />
Pferdeschwanz zusammengebunden.<br />
Nervös steckt sie sich eine Zigarette<br />
an. Ich nehme es ihr nicht übel, würde<br />
ich noch rauchen, würde ich es ihr<br />
gleich tun. Svenja hat im Winter 2005<br />
angefangen, an der TU Braunschweig<br />
Bioingenieurwesen zu studieren, ihren<br />
absoluten Wunschstudiengang. Alles<br />
lief wie geplant, Svenja hatte ein sehr<br />
gutes Abitur und freute sich auf das<br />
Studentenleben. Doch bereits zwei Jahre<br />
später musste sie aufgrund der immer<br />
stärker werdenden Symptome hinschmeißen.<br />
Damit steht sie allerdings<br />
längst nicht alleine da.<br />
121 Millionen Menschen leiden weltweit<br />
an Depressionen, allein rund sechs<br />
Millionen davon leben in Deutschland.<br />
Laut einer bundesweiten Studie des<br />
Deutschen Studentenwerks von 2009<br />
soll sogar fast jeder zehnte Studierende<br />
an Depressionen und starken Ängsten<br />
leiden. Die Zahl stieg besonders in<br />
den letzten Jahren gravierend an. Der<br />
Grund: Möglicherweise die immer größer<br />
werdenden Ansprüche an die Studierenden?<br />
Das damit einhergehende<br />
Problem des ständigen Leistungs- und<br />
Erwartungsdrucks, die immer unsicherer<br />
werdenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt<br />
und die Geldnöte? Zu wenig<br />
Zeit das Gelernte sacken zu lassen,<br />
weil immer mehr Input in noch kürzerer<br />
Zeit in den Kopf gepresst wird, bis<br />
einem irgendwann die Kraft fehlt, mit<br />
diesem Druck fertig zu werden?<br />
Bei Svenja war es genau so. Sie kam<br />
mit den Anforderungen des Studiums<br />
nicht mehr zurecht, war immer müde,<br />
abgekämpft. Vor Klausuren, hatte sie<br />
mittlerweile große Angst zu versagen.<br />
Dazu kamen nach und nach Schlafstörungen<br />
und Appetitlosigkeit. Anfangs<br />
glaubte Svenja noch an ein gewöhnliches<br />
Formtief, als sich die Antriebslosigkeit<br />
aber über Wochen und Monate<br />
ausdehnte und immer mehr nicht bestandene<br />
Klausuren ins Haus flatterten,<br />
merkte sie, dass etwas nicht stimmte.<br />
„Ich hätte dauernd nur heulen können.<br />
Es ist wie ein Teufelskreis. Du gehst<br />
abends tot müde ins Bett und kannst<br />
aber doch keinen Schlaf finden, weil die<br />
Gedanken in einer Tour um die nächste<br />
Klausur kreisen. Und am nächsten Tag<br />
hast du dann wieder keine Kraft, weil<br />
du nicht geschlafen hast.“<br />
Als Svenja Anfang des vierten Semesters<br />
merkte, dass sie den vielen Anforderungen<br />
im Studium nicht mehr<br />
gewachsen ist, fasste sie einen Entschluss.<br />
Die Studienberatung war ihre<br />
erste Anlaufstelle – zum Glück. Denn<br />
hier bekam sie die Unterstützung, die<br />
sie brauchte. „Viel zu viele Studierende<br />
versuchen immer noch, alleine Herr ihrer<br />
Depressionen zu werden. Man darf<br />
jedoch nicht vergessen, dass es sich<br />
um eine ernste Krankheit handelt, und<br />
nicht um irgendein Hirngespinnst.“<br />
Noch während des vierten Semesters<br />
brach Svenja das Studium ab. Die psychologische<br />
Betreuung half ihr zwar in<br />
den besonders schweren Zeiten, aber<br />
der Mut zum Weitermachen fehlte.<br />
„Ich denke nicht, dass ich im Studium<br />
noch einmal Fuß gefasst hätte.“<br />
Was Svenja jetzt brauchte, waren klare<br />
Strukturen und geregelte Tagesabläufe.<br />
Deshalb fing sie ein halbes Jahr später<br />
eine Ausbildung zur Biologielaborantin<br />
an, und bereut bis heute ihre Entscheidung<br />
nicht. #<br />
35
Wissenschaft<br />
Fotos: Marius Köhler, Privat<br />
„Viele kommen und<br />
wissen nicht, was los ist“<br />
PSYCHOLOGIN ANJA GROCHOLEWSKI ÜBER DEPRESSIONEN UND DEREN THERAPIE<br />
Von Christian Matz<br />
Die meisten Menschen erkranken zwischen<br />
18 und 25 Jahren an Depressionen. Das ist<br />
der Zeitraum, in dem man anfängt zu studieren<br />
oder auch aufhört. Sehen sie da Studierende<br />
besonders gefährdet?<br />
In dieser Lebensphase kommen schon mehrere<br />
Dinge zusammen. Man soll eine Familie<br />
gründen, einen Beruf erlernen, ein Studium<br />
absolvieren und noch vieles mehr. Bei vielen<br />
ist das der Anstoß, aber Stress alleine reicht<br />
nicht, sonst müsste jeder eine Depression<br />
bekommen.<br />
Hat die Umstellung auf Bachelor und Master<br />
denn die Situation verschärft?<br />
Ich denke der Druck ist gleich bleibend hoch,<br />
vor allem da Druck nicht nur von außen<br />
kommt, sondern auch in einem selber entsteht.<br />
Es gibt ja auch genug Leute, die die Fähigkeit<br />
haben mit Druck gut umzugehen. Das<br />
kann man deshalb so genau nicht sagen.<br />
Trotzdem, viele wünschen sich immer noch<br />
das Diplom und den Magister zurück...<br />
Sicherlich haben sich Zustände ergeben, die<br />
zusätzlich stressfördernd sind, aber inwiefern<br />
da ein direkter Zusammenhang zur Entstehung<br />
von Depression ableitbar ist, kann man<br />
nicht sagen. Entscheidend ist ja, wie groß der<br />
Druck persönlich empfunden wird.<br />
Was sind denn die Auslöser von einer<br />
Depression?<br />
Auslöser liegen in der Persönlichkeit. Leute,<br />
die sich selbst oft mit Schuldzuweisungen beladen<br />
oder generell eine negative Einstellung<br />
zur Welt haben neigen eher zu Depressionen.<br />
Auch Alkohol, meist als Vorwand zur Selbstmedikation,<br />
kann diese Ängste auslösen. Ansonsten<br />
werden Neigungen zur Depression<br />
auch vererbt. Risikoreich ist, wenn die ganze<br />
Familie voller Depressiver ist und einem<br />
depressives Verhalten vorgelebt wird. Dazu<br />
kommen körperliche Faktoren wie Hormonschwankungen,<br />
Diabetes oder Entzündungen<br />
im Nervensystem. Ansonsten wie auch<br />
36
Wissenschaft<br />
bekannt Verlusterlebnisse, Trennung, Tod,<br />
ein chronisch erhöhtes Arbeitsaufkommen,<br />
schlecht laufende Beziehungen oder auch Finanzen,<br />
vor allem im Studium. Problematisch<br />
sind auch ungewohnt neue Situationen<br />
zum Beispiel der Umzug in eine fremde Stadt.<br />
Aber es müssen immer mehrere Faktoren<br />
zusammenkommen.<br />
Kommen mehr Studentinnen oder Studenten<br />
zu Ihnen?<br />
Wir haben eindeutig mehr Frauen. Depressionen<br />
kommen bei Frauen häufiger als bei<br />
Männern vor. Bei der Ersterkrankung ist die<br />
Verteilung noch gleich, aber wegen der hohen<br />
Rückfallquote sind Frauen insgesamt stärker<br />
betroffen. Allerdings nehmen Frauen auch<br />
eher Hilfe in Anspruch. Männer versuchen<br />
vieles mit sich selber auszumachen.<br />
Woran merke ich denn, dass ich krank bin?<br />
Gibt es konkrete Anzeichen?<br />
Erste Anzeichen für eine Depression sind<br />
Schlafstörungen, Grübeleien, Interessenlosigkeit.<br />
Außerdem wird man in bestimmten Situationen,<br />
sei es positiv oder negativ, dünnhäutiger.<br />
Man reagiert emotionaler und gereizter.<br />
Zudem ist man schnell erschöpft, kann nicht<br />
viel leisten. Zu diesem Zeitpunkt befindet<br />
man sich aber noch in einer Grauzone. Eine<br />
Behandlung lässt sich jetzt noch abwenden.<br />
Inwiefern?<br />
Man sollte ein bisschen Selbstfürsorge betreiben,<br />
also Dinge machen, die einem gut tun.<br />
Man muss sich Zeit für sich nehmen und unnötige<br />
Pflichten vernachlässigen, regelmäßig<br />
essen, regelmäßig trinken, regelmäßig schlafen.<br />
Das hört sich einfach an, aber in Stresssituationen<br />
vernachlässigen wir uns. Es ist auf<br />
jeden Fall so: plötzlich befindet man sich in<br />
dieser Grauzone. Da muss ich dann Stopp sagen,<br />
von meinen Pflichten nur das tun, was<br />
wirklich notwendig ist. Rechte und Pflichten<br />
sollten sich die Waage halten. Wenn nach 14<br />
Tagen immer noch eine depressive Stimmung<br />
herrscht, dann sollte ich mir Hilfe suchen.<br />
Wie sieht eine Therapie bei Ihnen aus?<br />
Zuerst kommt die Diagnostik. Handelt es sich<br />
um eine Depression folgt die Schweregradeinschätzung:<br />
Leicht, mittel oder schwer. Bei<br />
schweren Depressionen wird auch mit Medikamenten<br />
behandelt. Das Medikament<br />
löst keine Probleme, gibt aber Kraft für den<br />
schweren Weg. Dann stellen wir einen Antrag<br />
an die Kassen zur Kostenübernahme. Erste<br />
Schritte sind, wie gesagt, den Patienten wieder<br />
aktiver zu machen, sozial anzugliedern.<br />
Viele haben alles um sich herum verloren.<br />
Dann werden Auslöser der Depression analysiert<br />
und wir beginnen mit der kognitiven Arbeit,<br />
klären welche Situationen welche Gedanken<br />
auslösen. Unabhängig vom Schweregrad<br />
dauert die Therapie ein Jahr.<br />
Hat man dann einen Therapeuten für sich?<br />
Ja, wir dürfen auch nicht vertreten, weil die<br />
Patienten uns vertrauen müssen. Die Leute<br />
erzählen uns intime Details. Wir unterliegen<br />
auch Datenschutz und Schweigepflicht.<br />
Läuft die Therapie parallel zum Studium?<br />
In der Regel können die Studierenden weiterstudieren.<br />
Die Versagensgedanken und den<br />
fehlenden Elan kann man nicht wegtherapieren,<br />
wenn die Leute aus ihrem sozialen Umfeld<br />
gerissen werden.<br />
Tragen die Krankenkassen alle Kosten?<br />
In der Regel wird bezahlt, wenn die Störung<br />
bekannt ist, die Behandlungsmaßnahme sinnvoll<br />
und die Prognose auf Besserung ausreichend<br />
gut ist. Man kann aber nichts versprechen,<br />
weil es eine Antragsleistung ist.<br />
Welche Rolle spielen Familie und Freunde<br />
bei der Therapie?<br />
Einige Depressive bürden sich 1000 Dinge<br />
auf, obwohl sie gar nicht mehr können. Diese<br />
Unruhigen werden deshalb oft nicht erkannt.<br />
Alle bewundern sie, weil sie so produktiv<br />
sind, aber sie haben nur eine scheiß Angst.<br />
Hilfe!<br />
Psychotherapeutische<br />
Beratungsstelle des<br />
Studentenwerks<br />
Fallersleber-Tor-Wall 10<br />
38100 Braunschweig<br />
E-Mail: pbs.bs@sw-bs.de<br />
Telefon: 0531/391-4932<br />
Die psychologische Psychotherapeutin<br />
Anja Grocholewski forscht und arbeitet<br />
an der TU Braunschweig<br />
Angehörige können da viel besser erkennen,<br />
wenn man abrutscht. Solche Hinweise sollte<br />
man auch annehmen. Außerdem ist ein funktionierendes<br />
soziales Umfeld immer eine gute<br />
Stütze, um wieder schnell aus den Depressionen<br />
zu kommen. Deswegen bemühen wir uns<br />
immer wieder Familienangehörige, Freunde,<br />
Partner mit einzubeziehen.<br />
Sind Depressionen heilbar?<br />
Bei 40 Prozent bleibt es bei einer Episode und<br />
bei dem Rest gibt es zwei bis drei Episoden<br />
oder einen phasenhaften Verlauf.<br />
Was ist der Unterschied zu anderen psychischen<br />
Krankheiten.<br />
Depressionen sind gut erforscht und können<br />
deshalb gut behandelt werden. Allerdings<br />
geht von allen Behandlungsbedürftigen nur<br />
ein Drittel zum Arzt. Die Hälfte davon wird<br />
erkannt und nur ein Bruchteil adäquat behandelt.<br />
Viele kommen zu uns und wissen<br />
nicht, was los ist.<br />
Was geschieht mit den Leuten, die nicht behandelt<br />
werden?<br />
Es gibt bei Menschen mit schweren Depressionen<br />
eine Suizidquote von 15 Prozent, sofern<br />
diese nicht behandelt werden. Grundsätzlich<br />
liegt die Wahrscheinlichkeit an einer Depression<br />
zu erkranken, bei Männern bei rund<br />
12 und Frauen rund 26 Prozent. Depressionen<br />
sind also alles andere als ein Randphänomen.<br />
#<br />
37
Informationsseiten des Braunschweigischen Hochschulbundes<br />
Förderer schaffen Freiräume,<br />
bahnen Wege und<br />
öffnen Türen.<br />
Der Braunschweigische Hochschulbund e.V. (BHB) unterstützt die Technische<br />
Universität in Lehre und Forschung, fördert die Zusammenarbeit<br />
mit anderen wissenschaftlichen Institutionen und ist bestrebt, das Ansehen<br />
der TU in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Region zu<br />
stärken.<br />
Der BHB verleiht jährlich den mit jeweils 5.000 Euro dotierten Heinrich-Büssing-Preis<br />
an hochkarätige Nachwuchswissenschaftlerinnen<br />
und Nachwuchswissenschaftler der TU Braunschweig.<br />
Wir unterstützen die Absolventenfeiern aller Fakultäten, fördern Exkursionen,<br />
studentische Initiativen und die vielfältigen kulturellen<br />
Vereinigungen an der TU Braunschweig.<br />
Darüber hinaus bilden wir mit unseren Veranstaltungen eine wichtige<br />
Schnittstelle zwischen der Universität, den Bürgern und Unternehmen<br />
unserer Region.<br />
Gern möchten wir Sie, liebe Studierende, zur diesjährigen Verleihung<br />
des Heinrich-Büssing-Preises einladen:<br />
Preisverleihung 2010<br />
Zeit: Dienstag, 26. Oktober 2010, 17.00 Uhr<br />
Ort: Aula (Haus der Wissenschaft)<br />
Für Braunschweig<br />
hoch hinaus<br />
DER BRAUNSCHWEIGISCHE<br />
HOCHSCHULBUND STELLT SICH VOR!<br />
38
20.000 Days in Space!<br />
Die Raumfahrt hat ihre Spuren hinterlassen. Heute umkreisen etwa 150 Millionen<br />
künstliche Objekte die Erde. Die Ästhetik dieses Weltraummülls zeigte das Institut<br />
für Luft- und Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig beim Lichtparcours 2010 in<br />
Braunschweig – gefördert durch den Braunschweigischer Hochschulbund.<br />
Den Film der Lichtinstallation vom Lichtparcours gibt es nun auch als „Space Debris<br />
Screensaver“ für Ihren Computer. Begeben Sie sich auf eine Zeitreise von den Anfängen<br />
der Raumfahrt bis heute!<br />
Genießen Sie die ästhetische Anmutung oder fragen Sie per Mausklick weitere Informationen<br />
zu den einzelnen Objekten ab: Sie sehen Satelliten (rot), ausgebrannte<br />
Raketenoberstufen (gelb) und missionsbedingte Objekte wie verlorenes Werkzeug<br />
(grün) in Echtzeit auf ihrem Weg um die Erde – das alles bei rund 20.000-facher<br />
Vergrößerung.<br />
WWW.DAYS-IN-SPACE.DE<br />
BRAUNSCHWEIGISCHER HOCHSCHULBUND E.V.<br />
WWW.BRAUNSCHWEIGISCHER-HOCHSCHULBUND.DE<br />
39<br />
BHB@TU-BRAUNSCHWEIG.DE
Karriere<br />
Foto: Universal Music<br />
„Dieses<br />
Konkurrenzdenken<br />
ist doch Schmarrn!“<br />
Als DJ die Nacht zum Tage machen ist nicht nur für Spätpubertierende ein Traumberuf. Jürgen von Knoblauch vom<br />
DJ-Projekt „Jazzanova“ hat ihn sich erfüllt und tourt mit seinem Nujazz durch die Clubs der Welt. Sein Studium hat<br />
er dafür geschmissen.<br />
Von Benedikt Crone<br />
Jazzanova legt inzwischen weltweit auf<br />
und arbeitet mit Musikgrößen wie Lenny<br />
Kravitz oder dem Rapper Common zusammen.<br />
Hat deine Mutter vor dieser Erfolgszeit<br />
nie zu dir gesagt: „Junge, mach was<br />
Anständiges!“?<br />
Klar, in meinem Elternhaus gab es schon Terz,<br />
als ich sagte, dass ich mein Studium nicht beenden<br />
und mich stattdessen ganz der Musik<br />
widmen möchte.<br />
Was hast du studiert?<br />
Wirtschaftsingenieurwesen. Mein Vordiplom<br />
hatte ich bereits in der Tasche, Studienarbeit<br />
auch. Deswegen konnten viele die Entscheidung<br />
nicht verstehen.<br />
Warum bist du nicht bis zum Schluss zweigleisig<br />
fahren?<br />
Das ist eine Charaktersache. Mein DJ-Partner<br />
Claas hat sein Jurastudium beendet. Ich hätte<br />
beides parallel nicht machen können. Meine<br />
Gedanken waren zu sehr bei der Musik. Wir<br />
haben damals versucht Fuß zu fassen, zu touren<br />
und ein Label aufzubauen.<br />
Hattest du niemals Zweifel?<br />
Nein. ich dachte mir, wenn ich von der Idee<br />
überzeugt bin, sollte ich es auch durchziehen.<br />
Das klingt wie diese Phrase, die oft aus<br />
der amerikanischen Popkultur zu hören<br />
ist: „Du musst nur an dich glauben, dann<br />
kannst du alles erreichen.“<br />
Der Satz erinnert doch stark an stumpfe Animation:<br />
Ja, wir schaffen‘s! Das hat einen<br />
wahren Kern, ist aber übertrieben. Entscheidend<br />
ist eine gesunde Selbsteinschätzung und<br />
ob man ganz hinter seiner Sache steht. Dafür<br />
sind auch gute Freunde wichtig, die ein<br />
ehrliches Feedback geben. Keine Ja- und keine<br />
Nein-Sager!<br />
40
Karriere<br />
Wann wusstest du: Das war der Durchbruch,<br />
jetzt wird die Musik vom Nebenjob<br />
zur Vollzeitstelle?<br />
Die Bestätigung kam immer von außen, vom<br />
Publikum. Seit `92 lege ich Platten auf. Zunächst<br />
mehr aus Spaß an der Freude und als<br />
nettes Zubrot für mein Studium in Berlin.<br />
Dann habe ich die späteren Mitglieder von<br />
Jazzanova nach und nach kennengelernt. Die<br />
Sache wurde also immer größer. Aber was sie<br />
heute ist, habe ich mir nie erträumen lassen.<br />
Wie bist du auf dem Weg dorthin mit Rückschlägen<br />
umgegangen?<br />
Als DJ bekommt man eine Wertung immer direkt<br />
beim Auflegen. Da hatte ich schon mal<br />
schlechte Abende, bei denen ich frustriert war,<br />
aus dem Club wollte und frische Luft brauchte.<br />
Aber am nächsten Tag kam die Zuversicht<br />
wieder. Ich denke, dieses Gefühl ist entscheidend.<br />
So kann man an sich selbst festmachen,<br />
ob der eigene Wille stabil ist.<br />
Jazzanova arbeitet in Berlin. Du pendelst<br />
für deine Familie nach Braunschweig. Die<br />
eine Stadt ist berühmt für Kreativität, die<br />
andere weniger...<br />
Braunschweig ist vergleichbar mit einem Kiez<br />
von Berlin. Ein überschaubarer Stadtteil. Nur<br />
etwas schnuckliger. Das hat mir durchaus einen<br />
anderen Blick ermöglicht, der mir gut<br />
getan hat. Dennoch möchte ich Berlin nicht<br />
missen.<br />
Die Hauptstadt ist überschwemmt von<br />
Musikern und Künstlern. Es gibt viel<br />
Konkurrenz...<br />
Das war vor 20 Jahren nicht so. Damals lebte<br />
Berlin stärker von der Industrie. Die Situation<br />
hat sich inzwischen gewandelt. Aber dieses<br />
Konkurrenzdenken ist doch Schmarrn! Einen<br />
anderen DJ zu hören kann beflügeln. Jede<br />
Konkurrenz ist besser, als im stillen Kämmerlein<br />
zu sitzen. Der Austausch mit anderen hilft<br />
auch zu erkennen, ob man aufs richtige Pferd<br />
setzt oder einen falschen Weg eingeschlagen<br />
hat.<br />
Kann man das auch aufs Unileben übertragen?<br />
Meiner Generation wird nachgesagt,<br />
wir würden nur auf Creditpoints schielen<br />
und um Masterplätze kämpfen.<br />
Ich habe mich im Studium zumindest nicht<br />
gefreut, wenn ein Kommilitone eine schlechte<br />
Note geschrieben hat. Aber wenn es in der<br />
Musik um Ausschreibungen geht, können<br />
auch nette Leute unfreundlich werden. Drüberstehen<br />
ist da für mich eine Charakterstärke!<br />
Auch in meiner Musikerlaufbahn kam<br />
trotz mancher Durststrecken auch immer wieder<br />
ein Hoch.<br />
Optimismus entspannt?<br />
Sicher, es gibt viele Wege. Ein Kumpel hat sein<br />
Unistudium auch nicht gepackt und ist zur<br />
Fachhochschule gewechselt. Heute verdient er<br />
sehr gut – womöglich mehr als ich (lacht). #<br />
Im Norden ist viel Platz.<br />
Für Menschen, die gestalten wollen<br />
Alle Stellenangebote aus<br />
und noch viele weitere interessante<br />
Stellen aus der Region unter<br />
newsclick.de /stellen
Karriere<br />
Internetzwerken<br />
SOZIALE NETZWERKE KÖNNEN BEI DER PFLEGE VON KONTAKTEN HELFEN<br />
Von Annekatrin Bock<br />
Info<br />
Der Career Service der TU<br />
Braunschweig bietet Workshops<br />
zum Thema Networking an,<br />
zum Beispiel am 14. Dezember.<br />
Infos unter<br />
www.tu-braunschweig.de/career<br />
„Ein Profil in einem sozialen<br />
Netzwerk wie Xing ist<br />
quasi eine Visitenkarte.“<br />
Frank Fauth, IT-Region 38<br />
Der Griff zum Telefonhörer war<br />
gestern. Wer heute Langeweile<br />
hat, checkt den gesamten<br />
Freundes- und Bekanntenkreis direkt<br />
bei Facebook und Co. Was hat Petra<br />
heute morgen getextet und wie dusselig<br />
guckt Jonas da eigentlich auf dem neuen<br />
Profilfoto? Früher musste man Profil<br />
zeigen. Jetzt gibt es dafür Profilbilder. In<br />
unserer digitalen Welt werden Kontakte<br />
aufgebaut und vor allem gepflegt –<br />
jenseits der Tageszeit, ohne die Hemmschwelle<br />
des persönlichen Gesprächs<br />
und selbst über viele tausend Kilometer<br />
hinweg. Niedrige Kontakthürden<br />
gepaart mit der Möglichkeit zur Selbstdarstellung<br />
machen soziale Netzwerke<br />
auch für die Berufswelt interessant.<br />
Ein Beispiel: Auf der 2003 von Lars<br />
Hinrichs gegründeten Internetplattform<br />
XING tummeln sich mittlerweile<br />
zehn Millionen Mitglieder weltweit.<br />
Netzwerke sind überall und kaum einer<br />
kommt daran vorbei. Also schnell<br />
bei Xing einloggen und dem Gegenüber<br />
vom letzten Geschäftsmeeting eine<br />
Kontakteinladung senden. Kontakteinladung?<br />
Was soll das eigentlich sein?<br />
Eine Einladung zum Kontakt? Den hatte<br />
man doch schon – beim Geschäftsmeeting.<br />
Und überhaupt, nach dieser Nachricht<br />
schreibe ich dem Mann<br />
doch nie wieder irgendetwas.<br />
Also wofür ist es überhaupt<br />
gut, das Online-Netzwerken?<br />
„Ein Profil in einem sozialen<br />
Netzwerk wie Xing ist<br />
quasi eine Visitenkarte“,<br />
sagt Frank Fauth, erfahrener<br />
Networker und Gründer<br />
der Projektinitiative<br />
IT-Region 38. „Studierende<br />
können sich so positionieren,<br />
dass sie das Interesse<br />
von potenziellen Arbeitgebern<br />
wecken.“ Dabei<br />
zahlt sich das Networking<br />
meist nicht unmittelbar<br />
aus. Es geht also<br />
nicht darum, kurzfristig<br />
jemanden zu kontaktieren,<br />
sondern dauerhaft Kontakte zu pflegen,<br />
die dann in Zukunft nützlich sein<br />
können.<br />
Als Neueinsteiger beim Netzwerken<br />
sollte man deshalb ein klares Ziel vor<br />
Augen haben „Man muss sich fragen,<br />
welches Image möchte ich mit meinem<br />
Profil verkörpern“, erklärt Fauth.<br />
Wer weiß, wie er von Geschäftspartnern<br />
oder zukünftigen Chefs wahrgenommen<br />
werden will, kann dann die<br />
richtigen Informationen online stellen<br />
und gleichzeitig andere auslassen. Ein<br />
gut gepflegtes Profil ist dabei für das berufliche<br />
Vorankommen entscheidend.<br />
Fauth: „Hier habe ich die Möglichkeit,<br />
meine Kompetenzen und Qualifikationen<br />
zu zeigen.“ Aber kann man gleichzeitig<br />
ein Netzwerk wie Xing rein geschäftlich<br />
nutzen und über Facebook<br />
Fotos von der letzten Kneipentour<br />
hochladen? Das ist mittlerweile durchaus<br />
akzeptiert. Ein Bild, auf dem man<br />
mit Freunden feiert und vielleicht auch<br />
ein Bier in der Hand hat, sei schon ok,<br />
sagt Fauth. „Das zeigt ja auch, dass<br />
ich soziale Kontakte pflege und ein<br />
Teamplayer bin.“<br />
Übertreiben sollte man es mit der privaten<br />
Offenherzigkeit dann aber doch<br />
nicht, denn im Internet ist alles nur einen<br />
einfachen Mausklick voneinander<br />
entfernt. #<br />
Foto: Privat<br />
42
Karriere<br />
Reiche Egotaktiker<br />
kurz &<br />
knapp<br />
550 MILLIONEN FREUNDE DEM INGENÖR …<br />
PERFEKT UNIFORMIERT<br />
Fotos: Michael Kopatz , Carsten Nadale, Rainer Sturm – pixelio.de<br />
Er ist der Boss von 1700 Angestellten,<br />
scheffelt 1,4 Milliarden US-Dollar im<br />
Jahr und kennt die Gesichter von 550<br />
Millionen Menschen. Der Facebook-Erfinder,<br />
Mark Zuckerberg, wurde gerade<br />
vom Forbes<br />
Magazin zum<br />
jüngsten Milliardär<br />
der Welt erklärt.<br />
Filmreif,<br />
dachte sich auch<br />
Regisseur David<br />
Fincher. Das Ergebnis<br />
gibt´s aktuell<br />
im Kino …<br />
… ist nix zu schwör. Außer vielleicht<br />
Nachwuchs zu mobilisieren. Bisher gibt<br />
es in Deutschland die zweithöchste Ingenieursdichte<br />
in Europa. Doch wenn<br />
weiterhin so wenige Abiturienten ein<br />
Ingenieursstudium<br />
abschließen,<br />
gehen der<br />
deutschen Wirtschaft<br />
die Fachkräfte<br />
aus. 2010<br />
blieben bereits<br />
36.800 Stellen<br />
für Ingenieure<br />
unbesetzt.<br />
Sie planen ihr Studium, optimieren ihren<br />
Lebenslauf und streben nach der<br />
perfekten Karriere – ‚Ego-Taktiker‘ wollen<br />
ihr Leben nicht verbummeln, sie<br />
wollen durchstarten. Doch wenn die<br />
Individualität<br />
beim Dauerlauf<br />
um die perfekte<br />
Vita auf der<br />
Strecke bleibt,<br />
ziehen sogar die<br />
Weltverbesserer<br />
und Freidenker<br />
auf der Karriereleiter<br />
vorbei.<br />
www.q-gmbh.com<br />
Im Norden ist viel Platz.<br />
Für Menschen, die gestalten wollen.<br />
Die norddeutsche Art.<br />
Neugier ist eine norddeutsche Tugend. Und<br />
die Antriebsfeder einer Bank, für die Norden<br />
nicht nur eine Richtung ist, sondern auch<br />
eine Haltung. In der NORD/LB ist man gespannt<br />
auf Chancen, neue Herausforderungen<br />
und auf Menschen, die zu Kollegen<br />
in starken Teams werden. Für Kunden, die<br />
mehr erwarten.<br />
Wir sind neugierig auf Sie. Bewerben Sie<br />
sich als Trainee bei der führenden Univer salbank<br />
im Norden Deutschlands und Landesbank<br />
für Niedersachsen und Sachsen- Anhalt.<br />
Denn Karriere beginnt hier oben auf die<br />
norddeutsche Art.<br />
Über Ihre vielfältigen Einstiegsmöglichkeiten<br />
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Besuchen Sie uns am 17.11.2010 zwischen<br />
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Rebenpark GmbH, Rebenring 31, 38106 Braunschweig.<br />
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Karriere<br />
„Jetzt macht er<br />
gleich einen Witz“<br />
Thorsten Havener ist „Der Gedankenleser“ bei SAT.1. Mit seinen<br />
Seminaren und Shows tourt der Vater von drei Kindern mittlerweile<br />
durch ganz Europa. Die Technik des Bestsellerautors („Ich weiß, was du<br />
denkst“ und „Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten“) basiert auf<br />
seiner Beobachtungs- und Kombinationsgabe. Havener kombiniert dazu<br />
Methoden der Hypnose, der Entspannung und der Körpersprache.<br />
Von Sina Liers & Daniela Viehmeier<br />
Während Ihres Studiums wussten Sie<br />
schon, was Ihre Professoren sagen wollten,<br />
bevor diese einen Satz ausgesprochen hatten.<br />
Klingt nach billigem Hokuspokus à la<br />
Uri Geller und Co.<br />
Ich habe Dolmetschen studiert. Und irgendwann<br />
habe ich gemerkt, dass neben der reinen<br />
Inhaltsebene, auch die Betonung, die Mimik<br />
und die Gestik sehr wichtig sind. Und wenn<br />
ich auf all diese Ebenen geachtet habe, war<br />
ich auf einmal in der Lage zu sagen, „Jetzt<br />
gleich macht er einen Witz.“ Und drei Sekunden<br />
später hat er dann wirklich einen Witz<br />
gemacht.<br />
Sie haben das „Gedankenlesen“ also trai-<br />
niert. Kann das also jeder lernen?<br />
Kann jeder Klavier spielen lernen? Bis zu einem<br />
gewissen Grad bestimmt. Es gibt ja<br />
ganz viele Managementtrainer, die sagen,<br />
man kann alles erlernen und wenn andere<br />
das schaffen, dann schaffst du das auch. Ich<br />
sehe das ein bisschen anders. Ich glaube, die<br />
Grundlagen sind in uns allen angelegt, sobald<br />
wir halt körperlich dazu in der Lage und nicht<br />
in irgendeiner Weise gehandicapt sind.<br />
Woran merken wir, wenn unser Gegenüber<br />
lügt?<br />
Ein Beispiel: Woran erkenne ich, ob sich jemand<br />
aufrichtig freut mich zu sehen oder nur<br />
so tut? Ganz wichtig dabei ist, dass echte Gesichtsausdrücke<br />
ineinander übergleiten. Das<br />
heißt, wenn das Lachen sofort aufhört, sobald<br />
Ihr Gegenüber in eine andere Richtung<br />
schaut, war es nicht echt. Auch die Reihenfolge<br />
ist sehr wichtig. Wenn sich jemand freut<br />
Sie zu sehen, dann sieht er Sie und lacht erstmal.<br />
Dann kommt er auf Sie zu und redet mit<br />
Ihnen. Wenn jemand nur so tut, als würde er<br />
sich freuen, dann gibt er Ihnen die Hand und<br />
fängt dann an zu lachen. Das ist dann die falsche<br />
Reihenfolge.<br />
Und wenn man doch zu einer kleinen Notlüge<br />
greifen muss, zum Beispiel im Bewerbungsgespräch?<br />
Was kann ich tun, damit<br />
ich nicht auffliege?<br />
Zunächst ist die Frage, ob Sie überhaupt Lügen<br />
müssen. Besser ist immer, etwas Wahres<br />
zu sagen, zum Beispiel: „Klar, die Regelstudienzeit<br />
beträgt sechs Semester, aber auch nur<br />
auf dem Papier. Keiner, der mit mir angefangen<br />
hat, hat das in diesen sechs Semestern geschafft.“<br />
Das heißt, ich würde nicht unbedingt<br />
lügen, denn eine Lüge zu verstecken ist sehr<br />
schwer. Vor allem, wenn wir unter Druck stehen.<br />
Etwas Weggelassenes dagegen ist praktisch<br />
nicht zu erkennen.<br />
Glauben Sie, dass die Personaler sich überhaupt<br />
so gut auskennen, dass sie Mimik<br />
und Gestik lesen können?<br />
Ich habe dazu mal Versuche gemacht und<br />
habe Leuten Filme vorgespielt, in denen einmal<br />
gelogen und einmal die Wahrheit gesagt<br />
wurde. Und die Verteilung war genau fünfzig,<br />
fünfzig. Das heißt, wir denken oft, wir wären<br />
gut darin, eine Lüge zu erkennen, aber das<br />
sind wir nicht. Es gibt allerdings Ausnahmen,<br />
zum Beispiel Lehrer oder Polizisten. Die haben<br />
Erfahrung und ein Bauchgefühl entwickelt.<br />
Ob Sie sich beim BND bewerben oder bei Aldi,<br />
macht da sicher einen Unterschied. (lacht)<br />
Worauf sollte ich grundsätzlich bei einem<br />
Bewerbungsgespräch achten?<br />
Ja, mit der richtigen mentalen Einstellung in<br />
ein solches Gespräch gehen. Das heißt, wenn<br />
Sie denken „Boah, hier sind noch 300 andere<br />
Fotos: Armin Zedler<br />
44
Karriere<br />
Lügen zwecklos:<br />
Thorsten Havener hat sein<br />
Gegenüber fest im Blick<br />
Bewerber und die sind alle viel besser als ich“,<br />
dann ist das nicht die richtige mentale Einstellung.<br />
Sie müssen sich klar machen, warum<br />
genau Sie der Richtige sind für genau diesen<br />
Job.<br />
Wieso ist das so wichtig?<br />
Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Das<br />
heißt, unsere Gedanken werden sichtbar in<br />
unserem Körper. Wenn ich mich niedergeschlagen<br />
fühle, dann renne ich niedergeschlagen<br />
rum, ziehe die Schultern nach unten und<br />
gucke auf den Boden. Das Ganze gilt aber<br />
auch umgekehrt und das wissen die meisten<br />
Menschen nicht. Das heißt, wenn Sie lächeln,<br />
sich im Spiegel anlächeln, nach oben schauen<br />
und sich gerade halten, fühlen Sie sich auch<br />
selbstsicherer.<br />
O.k., aber das ist nicht so leicht bei einem<br />
Bewerbungsgespräch…<br />
…ein ganz banaler Tipp: Ich würde etwas anziehen,<br />
worin ich einfach super aussehe. Sie<br />
fühlen sich einfach gut, wenn Sie wissen:<br />
„Ich sehe heute einfach super aus. Ich habe<br />
das Beste aus mir herausgeholt.“<br />
Und was ist, wenn ich auf eine Frage<br />
im Bewerbungsgespräch keine Antwort<br />
weiß?<br />
Ich würde mir Zeit verschaffen, indem ich<br />
nicht rumeiere und anfange eine Antwort zurecht<br />
zu stammeln, sondern sagen: „Das ist<br />
eine gute Frage, da muss ich jetzt offen gestanden<br />
erst einmal kurz drüber nachdenken.“<br />
Und wissen Sie, was dann passiert? Der<br />
Druck ist weg, das Adrenalin steigt nicht an,<br />
sie bleiben cool. #
Schlussakkord<br />
Fotos: Maria Boger<br />
Willkommen in<br />
Braunschweig!<br />
STUDI38 GIBT EUCH INFOS UND TIPPS FÜR EIN TOLLES ERSTES SEMESTER<br />
Von Maria Boger, Katerina Papamichael & Daniela Viehmeier<br />
Sobald ihr euch eingerichtet habt,<br />
könnt ihr mit Fragen aus dem Familien-<br />
und Freundeskreis in der<br />
Heimat rechnen. Wie es denn so ist in<br />
Braunschweig. Deshalb gibt es jetzt etwas<br />
Handwerkszeug zum Eindruck<br />
schinden: In der Physikalisch Technischen<br />
Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig<br />
wird zum Beispiel die Zeit gemacht.<br />
Richtig gelesen: Die Funkwecker<br />
auf euren Nachttischen und Bahnhofsuhren<br />
in ganz Deutschland bekommen<br />
ihr Signal aus eurer neuen Heimat.<br />
Auch mit der höchsten Forschungsdichte<br />
Europas kann sich die Löwenstadt nebenbei<br />
brüsten.<br />
Die Daheimgebliebenen sind keine<br />
Technikbegeisterten? Kein Problem,<br />
dann erzählt doch einfach von Heinrich<br />
dem Löwen und seinem Haustier – richtig,<br />
einem Löwen. Dieser folgte ihm der<br />
Sage nach, weil Heinrich ihn vor einer<br />
Schlange gerettet hatte, auf Schritt und<br />
tritt. Neben einer Tür des Braunschweiger<br />
Doms sind heute noch Kratzspuren<br />
zu sehen, welche der Löwe der Legende<br />
nach dort hinterlassen hat, weil er<br />
zu seinem toten Herrchen in den Dom<br />
wollte.<br />
Noch mehr Historisches? Gauß vermaß<br />
von hier aus die Welt und Leibniz<br />
und Lessing sortierten in der Herzog<br />
August Bibliothek in Wolfenbüttel Bücher.<br />
Die galt damals übrigens als achtes<br />
Weltwunder.<br />
Den Faschingfans zuhause könnt ihr<br />
erzählen, dass der Braunschweiger Karnevalsumzug<br />
der längste im Norden ist.<br />
Und die Menschen, die von Fußball nie<br />
genug bekommen, könnt ihr spätestens<br />
mit der Tatsache begeistern, dass in<br />
Braunschweig das erste Mal in Deutschland<br />
Fußball gespielt wurde. Der Lehrer<br />
Konrad Koch ließ im Jahr 1874 am Martino-Katharineum<br />
seine Schüler hinter<br />
das runde Leder treten und bereitete damit<br />
den Boden für der Deutschen liebsten<br />
Sport. Und damit nicht genug: als<br />
erste Trikotwerbung in der Bundesliga<br />
regte der Jägermeisterhirsch die Fans<br />
der Eintracht zum Alkoholgenuss an.<br />
Ihr habt nun die großartige Gelegenheit<br />
Eure Studienzeit zwischen<br />
Eintrachtfans, grünen Parkanlagen<br />
und zahlreichen Kirchen verbringen<br />
zu dürfen. Also, schnappt Euch ein<br />
Wolters am nächsten Kiosk, schwingt<br />
euch auf euren Drahtesel und erkundet<br />
eurer neues zu Hause – die Löwenstadt<br />
Braunschweig! #<br />
46
Schlussakkord<br />
„ALTE HASEN“ UND IHRE<br />
PERSÖNLICHEN TIPPS<br />
FÜR EUCH!<br />
„Im Sommer sollte man<br />
definitiv im Prinzenpark<br />
grillen. Bier, Würstchen<br />
und Einweggrill<br />
sollten immer startklar<br />
sein für eine spontane<br />
Grillsession.“<br />
Tobias, 5. Semester Maschinenbau<br />
„An kalten Wintertagen<br />
ist es nicht<br />
verkehrt sich eine<br />
Thermoskanne Glühwein<br />
in die Vorlesung<br />
mitzunehmen.<br />
Feucht fröhlich lässt<br />
sich der Stoff eh<br />
besser lernen. Und<br />
wenn es am Tag noch<br />
nicht gereicht hat,<br />
dann abends ab zum<br />
Weihnachtsmarkt.“<br />
Marius, 5. Semester Maschinenbau<br />
„Immer schön nett sein zu den Angestellten<br />
in den Mensen und Cafeterien. Irgendwann<br />
zahlt es sich dann mal aus!“<br />
Valentina, 3. Semester Wirtschafts-Ingenieurwesen(Bau)<br />
To-Do-Liste<br />
Während eurer Zeit in der Löwenstadt solltet ihr ein paar Dinge auf jeden<br />
Fall machen. Wenn ihr alle Punkte der Liste abgehakt habt, könnt ihr<br />
euch mit Stolz geschwellter Brust Braunschweiger nennen!<br />
„Am Samstag in den Zug<br />
steigen und ab nach Hamburg.<br />
Dort die Nacht auf<br />
dem Kiez durchfeiern und<br />
morgens noch schnell beim<br />
Fischmarkt vorbei und<br />
sich ein Fischbrötchen für<br />
die Rückfahrt besorgen.<br />
Wozu hat man denn ein<br />
Semesterticket bis nach<br />
Hamburg?“<br />
Robert, 7. Semester Architektur<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Boot fahren auf der Oker<br />
Donnerstags-Tour: Merz, Brain, D-Zug …<br />
Braunschweigs Kickerelite im Tegtmeyer bezwingen<br />
Sommerparty auf dem Karstadtparkhausdach<br />
HBK Rundgang und TU Sommerfest<br />
Auf der falschen Straßenseite mit dem Fahrrad fahren und angeschnauzt werden<br />
Finde den besten Döner (Salattasche) der Stadt<br />
Grillnachmittag auf dem Löwenwall<br />
Feuerzangenbowle auf dem Braunschweiger Weihnachtsmarkt genießen<br />
Die Löwenspuren am Dom berühren<br />
Der Klofrau im Merz Hallo sagen<br />
Im Audimax während der Vorlesung einen Papierflieger starten<br />
Im Sommer in der OkerCabana mit den Füßen im Sand die Seele baumeln lassen<br />
Den Weisheiten des Braunschweiger Predigers lauschen<br />
Zur Rettung von Wolters beitragen: Trinken, trinken, trinken<br />
Den Text auf den Höschen der Männer vom Ringerbrunnen lesen<br />
Am Strand des Heidbergsees einen Urlaubstag imitieren<br />
47
Schlussakkord<br />
Fifty/ Fifty<br />
Männerüberschuss kann deine<br />
Party schnell in ein primitives<br />
Saufgelage abrutschen lassen, zu<br />
viele Frauen erhöhen die Gefahr<br />
für einen gähnend langweiligen<br />
Serienabend. Sorge also stets dafür,<br />
dass Männlein und Weiblein<br />
im Mischverhältnis von 1:1<br />
auftreten.<br />
Get the Party<br />
started<br />
Studentenpartys genießen seit je her einen gewissen Ruf.<br />
Doch eine legendäre Feier kommt nicht von Ungefähr.<br />
studi38 präsentiert euch deshalb Tipps und Tricks für<br />
einen unvergesslichen Abend<br />
Von Kenja Albrecht & Jonas Hartwig<br />
Abendmahl<br />
Sie sind nicht nur für den Morgen danach,<br />
sondern auch den Abend selbst<br />
absolut entscheidend: Die Elektrolyte.<br />
Ein guter Gastgeber bereitet deshalb<br />
deftige Leckereien vor oder kompensiert<br />
mangelnde Küchenexpertise mit<br />
ausreichend Chips. Eins steht fest:<br />
Wer den Magen der Gäste vergisst, bekommt<br />
den Kühlschrank<br />
leer geräubert.<br />
1 2<br />
3<br />
Soundtrack<br />
Zu jeder guten Party gehört natürlich<br />
gute Musik. Doch Vorsicht:<br />
Geschmäcker sind bekanntlich<br />
verschieden. Es gilt die Formel:<br />
Je später der Abend desto einfacher<br />
wird der DJ-Job. Irgendwann<br />
weckt dann 90er Jahre-<br />
Trash Erinnerungen und die<br />
Backstreet Boys locken mit<br />
ihrem „Everybody“ auch noch<br />
den letzten Partymuffel auf die<br />
Tanzfläche!<br />
6<br />
Kreatives Saufen<br />
Besonders schön trinkt es sich ausgefallen!<br />
Zum Beispiel mit einer Wodkamelone<br />
oder einer Solero-Bowle! Eine<br />
Flasche Korn, eine bis zwei Flaschen<br />
Mango-Maracuja Saft, zehn Päckchen<br />
Vanillezucker – fertig!<br />
4<br />
Reise nach Jerusalem<br />
Sitzen ist der Todfeind jeder<br />
guten Party. Sorge für<br />
Bewegung in dem du die<br />
Möglichkeiten der Sitzgelegenheiten<br />
minimal hältst.<br />
Allgemeine Formel: Sitzgelegenheiten<br />
< Partygäste<br />
5<br />
Küchenparty<br />
Partygäste<br />
neigen dazu<br />
sich proportional<br />
zum<br />
verfügbaren<br />
Raum auszudehnen. Entweder du<br />
lädst also genug Leute ein, oder du beschränkst<br />
den Raum. Und im Morgengrauen<br />
sitzen eh alle in der Küche.<br />
Foto: Kenja Albrecht,, Jonas Hartwig, Ioan Sameli, hrlndspnks, Etwood<br />
48
Lieblings …<br />
… ALBUM? FILM? BUCH?<br />
Ein Blick hinter die Kulissen: Unsere Redakteure verraten euch exklusiv ihre Vorlieben!<br />
Jonas Hartwig<br />
Fine Behrens<br />
Sina Liers<br />
Lieblingsalbum:<br />
Name des Albums: Ben l‘Oncle Soul<br />
Interpret: Ben l‘Oncle Soul<br />
Weil: Authentisch, Kurzweilig,<br />
Markant<br />
In 14 teils französischen, teils englischen Nummern<br />
besticht der 26-jährige Franzose durch<br />
grandiose Stimme und einen Retro-Sound der<br />
an die Motown-Musik der 60er und 70er Jahre<br />
erinnern lässt. Der Mann hat Soul im Blut.<br />
Lieblingsfilm:<br />
Name des Films: Waltz with Bashir<br />
Regisseur: Ari Folman<br />
Weil: Originell, Ehrlich, Bewegend<br />
Der animierte Mix aus Spiel- und Dokumentarfilm<br />
verknüpft in einzigartiger Optik die<br />
Geschichte eines Krieges mit den Abgründen<br />
der menschlichen Psyche.<br />
Lieblingsbuch:<br />
Name des Buches: Limit<br />
Autor: Frank Schätzing<br />
Weil: Fesselnd, Geistreich, Informativ<br />
In seinem zweiten Wissenschaftsthriller gelingt<br />
es Schätzing scheinbar mühelos spannende<br />
zwischenmenschliche Geschichten in<br />
das wissenschaftliche Thema „Raumfahrt“ zu<br />
integrieren.<br />
Lieblingsalbum:<br />
Name des Albums: Urban Hymns<br />
Interpret: The Verve<br />
Weil : Kraftvoll, träumerisch, legendär<br />
Super zum Chillen am See und weil das Album<br />
noch so viel mehr Tolles bietet als „nur“<br />
The Bitter Sweet Symphony<br />
Lieblingsfilm:<br />
Name des Films: Still Crazy<br />
Regisseur: Brian Gibson<br />
Weil: Musikalisch, urkomisch,<br />
glaubhaft<br />
„Wahrscheinlich hatte Gott diese 70er-Jahre-<br />
Rock’n’Roll-Exzesse einfach satt. Deswegen<br />
hat er die Sex Pistols erfunden!“<br />
Lieblingsbuch:<br />
Name des Buches: Das Geheimnis der<br />
großen Schwerter<br />
Autor: Tad Williams<br />
Weil: Faszinierend, spannend, in eine<br />
andere Welt eintauchen<br />
Noch viel genialer als Der Herr der Ringe!<br />
Lieblingsalbum<br />
Name des Albums: MTV Unplugged<br />
Interpretin: Alanis Morissette<br />
Weil: Authentisch, phantastisch,<br />
verträumt<br />
Den wahren Künstler erkennt man dann,<br />
wenn ein rein akustisches Livealbum auch<br />
nach dem 100. Mal Anhören noch faszinieren<br />
kann und Gänsehaut erzeugt.<br />
Lieblingsfilm<br />
Name des Films: Natural Born Killers<br />
Regisseur: Oliver Stone<br />
Weil: Wild, rasant, böse<br />
Ein Killerpärchen reist quer durch die USA<br />
und hinterlässt dabei eine blutige Spur der<br />
Verwüstung, immer mit dem Ziel vor Augen,<br />
ein Leben lang zusammen zu sein.<br />
Lieblingsbuch<br />
Name des Buches: Das Buch ohne<br />
Namen<br />
Autor: Anonymus<br />
Weil: Zwielichtig, genreübergreifend,<br />
überraschend<br />
Das Zusammenbringen von Mönchen, Westernhelden,<br />
Detektiven und Gangsterbossen<br />
in einer einzigen Geschichte ist einfach skurril<br />
und doch passend.<br />
49
Schlussakkord<br />
Heute. Morgen. Gestern.<br />
WENN SNOOPY MIT DER TAGESDECKE DURCHS LEBEN WANDERT<br />
Von Arne Schrader<br />
Die Nacht legt sich langsam über<br />
die Schatten der Bäume. Es ist<br />
kälter geworden. Sie hat sich<br />
eine Decke aus dem Wohnzimmer geholt<br />
und um den frierenden Körper geschlungen.<br />
Der Gartenstuhl ist hart und<br />
unbequem. Sie zündet sich eine Zigarette<br />
an und lauscht dem leisen Knistern.<br />
Es beruhigt sie, lässt sie durchatmen.<br />
Sie blickt auf und schaut in die Gesichter<br />
ihrer Freunde. Der fahle Schein<br />
der Teelichter auf dem Tisch taucht sie<br />
in dunkelgelbe und rote Farben. Sie unterhalten<br />
sich. Reden über irgendwas,<br />
über Sachen, doch was genau will sie<br />
gar nicht wissen – wirklich zugehört hat<br />
sie das letzte Mal vor ein paar Stunden.<br />
Es ging um die Uni und was man später<br />
machen möchte. Es ging darum, wer<br />
jetzt schon mit wem wie lange genau<br />
zusammen ist. Wer frisch getrennt und<br />
wie traurig das doch sei. Es ging um alte<br />
Zeiten. Um den 13. Geburtstag von Sophie<br />
und wie betrunken Emma damals<br />
war.<br />
Hier Anekdoten und da kleine Geschichten.<br />
Immer garniert mit einer Prise<br />
Pathos und Wehmut. Bei den potentiellen<br />
Namen für die späteren Kinder<br />
stieg sie dann irgendwann aus. Die angeregte<br />
Diskussion wurde zum Hintergrundgeräusch.<br />
Und mit einem Schluck<br />
aus ihrem Weinglas verabschiedete sie<br />
sich in ihre Gedankenwelt.<br />
Früher mochte sie keinen Weißwein.<br />
Früher. Aber früher fand sie auch Nick<br />
von den Backstreet Boys gut. Früher<br />
wäre sie aufgestanden, zu Marc einfach<br />
rübergegangen und hätte ihm etwas<br />
ins Ohr geflüstert und dann hätten<br />
sie geknutscht. Einfach so, weil sie jung<br />
waren. Oder sie wären alle zusammen<br />
durch die Straßen gezogen, über Zäune<br />
und in Gartenpools von fremden Häusern<br />
gesprungen und hätten ihre Klamotten<br />
dann zum Trocknen in die Morgensonne<br />
gelegt, während sie auf dem<br />
kleinen Hügel gesessen und den Tag begrüßt<br />
hätten.<br />
Sie muss an das Schlafzimmer von<br />
Emma und ihrem Freund denken, aus<br />
dem sie sich vorhin die Decke holte. Das<br />
Abiballfoto eingerahmt über dem Doppelbett,<br />
die Tagesdecke akkurat zurecht<br />
gezupft und die Schlafanzüge sauber zusammen<br />
gelegt. Wääh. Bei ihr hängen<br />
Konzertkarten über der alten Matratze,<br />
überall Poster an den Wänden und<br />
Pipi Langstrumpf grüßt zerknittert von<br />
der Bettwäsche. Und<br />
wer braucht schon<br />
Schlafanzüge, ein altes<br />
Snoopy T-Shirt<br />
reicht vollkommen.<br />
Sie schaut auf ihr<br />
Handy mit dem kleinen<br />
grünen Kassettenaufklebern<br />
und<br />
stellt fest, dass es<br />
schon beinahe zwei Uhr ist. Höchste<br />
Zeit dem altbackenen Rentnerverein<br />
hier freundlich mitzuteilen, dass man<br />
müde sei und nach Hause fahren müsse.<br />
Jaja, das Pesto war super, aber für sie<br />
ist es jetzt wirklich Zeit. Es sind zwar<br />
ihre Freunde, aber so alt und verstaubt<br />
ist sie noch nicht.<br />
Sie steigt auf ihr Fahrrad und fährt<br />
los, hinein in die Nacht. Sie freut sich<br />
auf ihr kuscheliges Bett und das Bibi<br />
Blocksberg Hörspiel zum Einschlafen.<br />
Irgendwo rechts von ihr dringen aus der<br />
Ferne dumpfe Bässe und die tanzenden<br />
Lichter der Stadt. #<br />
Foto: Arne Schrader<br />
50
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