Aktuelle Ausgabe komplett als PDF - Studi38
Aktuelle Ausgabe komplett als PDF - Studi38
Aktuelle Ausgabe komplett als PDF - Studi38
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Karriere<br />
anschließend im Stadion die Erstsemester<br />
begrüßen. Der Verkehr ist an diesem<br />
Morgen ungewöhnlich dicht. „Zu<br />
spät zu sein geht gar nicht, Ziel ist es<br />
egal wohin pünktlich anzukommen“,<br />
erklärt Chmielarski gelassen <strong>als</strong> er bei<br />
180 Sachen auf der Autobahn die verlorene<br />
Zeit wieder reinfährt.<br />
Eine staatlich anerkannte Ausbildung<br />
hat er nicht absolviert. Die gibt es auch<br />
nicht. Chmielarski rutschte eher zufällig<br />
nach seiner Bundeswehrzeit auf den<br />
Fahrersitz.<br />
Das war 1979 und er war gerade 21<br />
Jahre alt. „Ich hatte die Wahl zwischen<br />
einer handwerklichen Ausbildung, der<br />
Wiederaufnahme<br />
meiner Arbeit bei<br />
der Bahn oder einem<br />
Neuanfang.“<br />
Er entschied<br />
sich fürs Fahren.<br />
„Der Beruf ist schön, wenn man jung<br />
ist. Man kommt viel herum, trifft interessante<br />
Leute.“<br />
Zehn Jahre später nimmt er die Stelle<br />
an der TU Braunschweig an. Seitdem<br />
fährt er Mitglieder des Präsidiums von A<br />
nach B und ist Mitglied im Personalrat.<br />
Meistens ist Chmielarski in Deutschland<br />
unterwegs, aber er war auch schon<br />
in Polen, den Niederlanden, Belgien,<br />
der Schweiz und in Österreich.<br />
„Dieser Beruf ist nichts für Leute,<br />
die um 16 Uhr Feierabend haben wollen.<br />
Oft ist man von halb acht bis spät<br />
abends unterwegs. Mitunter kommen<br />
die Aufträge auch sehr kurzfristig und<br />
ohne absehbaren Feierabend.“<br />
Das macht den Spagat zwischen Job<br />
und Privatleben schwierig.<br />
Er wohnt mit seiner Freundin und ihren<br />
zwei Kindern in einem Dorf in der<br />
Nähe von Braunschweig. In seiner Freizeit<br />
kocht er gerne, fährt Mountainbike<br />
und werkelt an Haus und Garten. Und<br />
er genießt es mal nicht fahren zu müssen.<br />
Meistens sitzt dann seine Freundin<br />
hinter dem Steuer. „Sie fährt sehr gut<br />
und ich kann entspannt danebensitzen“,<br />
sagt er mit einem Grinsen.<br />
Selbst hat er nach 33 Berufsjahren<br />
und vielen hunderttausend Kilometern<br />
nur zwei kleine Blechschäden gehabt.<br />
„Dieser Beruf ist nichts<br />
für Leute, die um 16 Uhr<br />
Feierabend haben wollen.“<br />
Mittlerweile sind wir in Wolfenbüttel<br />
angekommen und Herr Hesselbach<br />
steigt ins Auto – ein VW-Phaeton übrigens,<br />
laut Spiegel Online ein „luxuriöser<br />
Ladenhüter“. Aber er ist zumindest<br />
bequem und das zählt auf langen Fahrten<br />
mehr <strong>als</strong> das Image des Fahrzeuges.<br />
„Für Stadtfahrten könnte ich mir aber<br />
auch gut ein Elektroauto vorstellen“, so<br />
Chmielarski.<br />
Auf der Fahrt geht der Präsident noch<br />
einmal seine Rede durch. Er ist gut aufgelegt<br />
und erzählt, dass seine Sekretärin<br />
ihm gestern aus Versehen die Rede<br />
vom letzten Jahr geschickt hat. „Das<br />
hast du doch schon mal erzählt, habe<br />
ich gedacht.“ Er<br />
lacht. „Wenn ich<br />
sowas nicht mehr<br />
merke, ist es Zeit<br />
aufzuhören.“ Sie<br />
plaudern noch ein<br />
bisschen über Politik, die Räumung der<br />
Asse und den Zahnarzttermin um 11.30<br />
Uhr. Auf längeren Fahrten herrscht<br />
aber auch oft stille Betriebsamkeit. „Ich<br />
muss mich schließlich aufs Fahren konzentrieren“,<br />
so Chmielarski.<br />
Als wir im Stadion ankommen, sind<br />
die Reihen noch etwas gelichtet. Herr<br />
Hesselbach wird vom ZDF interviewt.<br />
Sein Chauffeur und ich stehen etwas<br />
abseits der Bühne. Warten, das heißt<br />
mit Kollegen plaudern, Kaffee trinken,<br />
lesen, rauchen – Zeit totschlagen eben.<br />
Dann wieder Rastlosigkeit und viel Sitzfleisch<br />
auf langen Fahrten. Dazu die<br />
schwankenden Arbeitszeiten und der<br />
ansteigende Verkehr. „Der Job hinterm<br />
Steuer wird mit zunehmendem Alter<br />
auch anstrengender.“<br />
Immerhin macht der technische Fortschritt<br />
in den Fahrzeugen die Arbeit<br />
deutlich einfacher. Navigation, verbesserte<br />
Staumeldungen im Radio und Autotelefon.<br />
„Früher habe ich beim Fahren<br />
mit 160 Sachen nebenbei auf die<br />
Karte geschielt.“<br />
Während wir neben der Tribüne warten,<br />
fragt Chmielarski mich, wie ich<br />
Herrn Hesselbach finde? Sympathisch<br />
und recht locker. „Ja, stimmt er mir<br />
zu. Und die Studenten liegen ihm wirklich<br />
am Herzen.“ Letzten Endes bleibt<br />
es aber bei einer Geschäftsbeziehung.<br />
Es gibt weder ein per Du, noch private<br />
Treffen, nur gemeinsame Fahrten.<br />
Nach dem Ende der Erstsemesterbegrüßung<br />
geht es zurück in die Universität,<br />
um 14 Uhr nach Osnabrück und<br />
am nächsten Tag nach Berlin. Das Auto<br />
ist nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern<br />
auch der Arbeitsplatz – Lebenspartner<br />
fast schon. Nicht der Weg ist das<br />
Ziel, das Ziel ist das Ziel. Darum dreht<br />
sich alles. Die Stelle bei der Bahn hat<br />
Chiemlarski dam<strong>als</strong> ausgeschlagen. Eine<br />
Verbindung gibt es trotzdem noch: „Ich<br />
bin meistens pünktlicher <strong>als</strong> meine ehemaligen<br />
Kollegen“, sagt er und lächelt. #<br />
Chef & Chauffeur bei der Erstsemesterbegrüßung<br />
im Stadion<br />
45