Aktuelle Ausgabe komplett als PDF - Studi38
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Karriere<br />
ne. Ich habe gemerkt, dass in der Wirtschaft<br />
anders gedacht, anders gehandelt und anders<br />
entschieden wird. Es hat mich sehr gereizt,<br />
noch einmal etwas Neues zu machen.<br />
Von den Inhalten unterscheidet sich diese<br />
Arbeit sehr von ihrer vorherigen: Sie<br />
vertreten direkt die Interessen des Konzerns,<br />
nehmen <strong>als</strong>o Einfluss auf politische<br />
Prozesse …<br />
Das sehe ich positiv, weil ich an der Schnittstelle<br />
arbeite: politische Prozesse und politischen<br />
Entscheidungen sind hier besonders<br />
wichtig und laufen zusammen. Fragen von<br />
der Steuerpolitik über die Klimapolitik über<br />
CO2, Europa, Berlin, Hannover betreffen die<br />
Automobilindustrie. Insofern bin ich jetzt in<br />
einem Wirtschaftsunternehmen, habe aber in<br />
dem Unternehmen mit den politischen Themen<br />
zu tun. Ich bleibe meinem früheren Bereich<br />
treu.<br />
Gibt es trotzdem eine klare Grenze bei der<br />
Interessenvertretung oder sind Sie moralisch<br />
flexibel?<br />
Wenn ich mich für einen Arbeitgeber entschieden<br />
habe, dann weiß ich, worauf ich mich einlasse.<br />
Dann tue ich alles. Das verlangt meine<br />
Loyalität. Das ist eine Frage meines Selbstverständnisses.<br />
Wenn ich für jemanden nur mit<br />
halber Kraft arbeite, muss ich da nicht anfangen.<br />
Ich hab mich vielleicht auch aus Gründen<br />
der Sentimentalität, der Nostalgie und der<br />
kindlichen Wurzeln für Volkswagen entschieden,<br />
aber es wäre für mich auch nie ein anderer<br />
Automobilkonzern in Frage gekommen.<br />
Nach dem Spionage-Skandal im Bundesgesundheitsministerium<br />
fordern Kritiker die<br />
Politik auf, die Aktivitäten von Lobbyisten<br />
einzuschränken …<br />
Grundsätzlich bin ich mir darüber im Klaren,<br />
dass der Begriff Lobbyismus negativ besetzt<br />
ist. Das werde ich nicht ändern können.<br />
Ich sage klipp und klar, dass alle Unternehmen<br />
und Konzerne legitime, spezielle Interessen<br />
haben und gerade große Konzerne können<br />
es sich leisten, dass diese professionell vertreten<br />
werden – gegenüber der Politik, gegenüber<br />
der Öffentlichkeit, gegenüber der Medien.<br />
Deswegen habe ich auch keine Probleme<br />
mit der Bezeichnung Cheflobbyist bei Volkswagen.<br />
Was nicht geht, sind Versuche, das,<br />
was man eigentlich mit guten Argumenten<br />
und Überzeugungsarbeit erreichen will, mit<br />
Geld zu erkaufen.<br />
Ist es ihre Aufgabe dem Vorurteil entgegenzuarbeiten,<br />
dass Lobbyisten ihre Kontakte<br />
aus der Politik für Lobbyarbeit<br />
missbrauchen?<br />
Es gab eine Diskussion darüber, ob man sofort<br />
aus der Politik in einen lobbyähnlichen<br />
Bereich wechseln darf. Ich habe dazu keine<br />
abschließende Meinung. Ich finde, dass der<br />
Wechsel an sich unproblematisch ist. Es kann<br />
aber sein, dass es bestimmte Funktionen in<br />
der Politik gibt, die mit bestimmten Kenntnissen,<br />
Wissen und Kontaktnetzen verbunden<br />
sind. Dort ist es angemessen eine Art Quarantänezeit<br />
einzuführen bevor man in demselben<br />
Bereich wieder arbeitet. Dabei ist der<br />
Fakt, dass jemand in derselben Branche weiterarbeitet<br />
nicht entscheidend, sondern dass<br />
er aus der Regierung, aus einem Ministerium<br />
Informationen mitnimmt, die einen enormen<br />
Wettbewerbsvorteil bedeuten.<br />
Haben Sie ihren Karriereweg aktiv geplant,<br />
gab es da Kriterien, eine Strategie?<br />
Ich hatte das große Glück in meinem Leben,<br />
dass ich die Dinge, die mir großen Spaß machen,<br />
mit meinen beruflichen Tätigkeiten in<br />
den verschiedenen Phasen meines Lebens verbinden<br />
konnte. Am Ende haben aber auch<br />
sehr viele Zufälle hineingespielt. Im Grunde<br />
fing mein Einstig in die Politik mit einer tiefen<br />
Enttäuschung an. Eigentlich wollte ich zu dem<br />
Zeitpunkt promovieren. Dann ist das Promotionsstipendium<br />
auf Grund von Kürzungen<br />
gestrichen worden und ich musste eine Job finden.<br />
So bin ich in die Politik gekommen.<br />
Was würden Sie sagen, ist langfristig wichtig,<br />
um im Arbeitsleben erfolgreich und<br />
auch glücklich erfolgreich zu sein?<br />
Das ist eine schwierige Frage. Man sollte die<br />
Planung während des Studiums und bei der<br />
Wahl des Studienfaches nicht davon abhängig<br />
machen, was man später und wo man<br />
später arbeiten könnte. Die Phasen im Leben<br />
muss man auch nutzen, um das Gefühl zu bekomme:<br />
Jetzt mache ich das, was ich aus inneren<br />
Antrieben heraus machen will und nicht<br />
aus irgendwelchen Nützlichkeitstrieben. Man<br />
bekommt nur einmal im Leben diese Phase<br />
geschenkt.<br />
Und trotzdem aus Ihrer Erfahrung heraus:<br />
worauf kommt es an?<br />
Eines erweist sich immer wieder <strong>als</strong> entscheidendes<br />
Kriterium: der Abschluss muss gut<br />
sein. Das zweite, worauf auch immer mehr<br />
Personalchefs Wert legen, ist die Entwicklung<br />
von Persönlichkeiten. Eigenständigkeit, Problemlösungsfähigkeit,<br />
soziale Kompetenz, das<br />
wird häufig im Studium vernachlässigt, ist<br />
aber auch sehr wichtig.<br />
Letzte Frage: 2013 ist Bundestagswahl. Was<br />
wird das wahlentscheidende Thema?<br />
Man muss die Tiefenströme, die mentale Verfassung<br />
eines Landes erreichen. Da geht es<br />
dann um Frieden, wie 2002 <strong>als</strong> der Irakkrieg<br />
diskutiert wurde oder um Solidarität und Gemeinsamkeit<br />
nach der Flut in Ostdeutschland.<br />
Das zeichnet sich im Moment noch nicht klar<br />
ab. Es wird sehr stark davon abhängen, ob die<br />
Deutschen das Gefühl haben, dass die Krise<br />
um den Euro und in Europa eher überwunden<br />
oder die Situation unverändert dramatisch<br />
ist. Und ob die wirtschaftlichen Schwierigkeiten<br />
zunehmen, die Menschen mehr Angst um<br />
ihren Arbeitsplatz haben. In Amerika war das<br />
Thema Arbeitsplatzsicherheit und damit Einkommenssicherheit<br />
das wichtigste in diesem<br />
Jahr. #