Aktuelle Ausgabe komplett als PDF - Studi38

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30.08.2014 Aufrufe

Karriere Fotos: Sophie Dannenfeld, Nibbler Tiefenströme erreichen Volkswagen-Cheflobbyist Thomas Steg über Karriereplanung, Interessensvertretung und die Bundestagwahl 2013. Von Lina Behling & Sophie dannenfeld Der Mann, der uns in einem Braunschweiger Café gegenüber sitzt, heißt Thomas Steg. Wie die meisten vielbeschäftigten Menschen, kommt auch er zu spät. Wie es vielbeschäftigte Menschen tun, ordert er einen Espresso. Doch dort stößt das Stereotyp des vielbeschäftigten Karrieristen an seine Grenzen. Denn ab diesem Moment nimmt er sich Zeit. Thomas Steg ist 52 Jahre alt, wächst in Braunschweig auf und studiert zunächst an der TU Psychologie, später Sozialwissenschaften in Hannover. Danach folgt die schnelle Karriere: Angefangen als Pressesprecher des niedersächsischen DGB und danach der SPD, arbeitet sich Steg in das politische Zentrum 11011, Berlin vor. Von 2002 bis Juli 2009 ist er Vizeregierungssprecher – zunächst für die rot-grüne Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD), dann für die Große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Mit dem Regierungswechsel 2009 verlässt Steg die Politik, um sich sein „Leben wieder neu anzueignen“. Er wird freier Politik- und Kommunikationsberater bis ihn 2012 einer der weltweit größten Automobilkonzerne wieder zurück in die Region holt. studi38 hat mit dem Generalbevollmächtigten für Außen- und Regierungsbeziehungen der Volkswagen AG einen Kaffee getrunken. Sie wechselten von der Politik zu einem Wirtschaftskonzern. Was hat Sie an Ihrer neuen Position als Cheflobbyist für VW besonders gereizt? Es war kein direkter Wechsel von der Politik in die Wirtschaft. In der Phase der Selbstständigkeit als Kommunikations- und Medienberater habe ich engere Kontakte zur Wirtschaft geknüpft und festgestellt, dass ich diesen Bereich der Gesellschaft noch nicht so gut ken- 42

Karriere ne. Ich habe gemerkt, dass in der Wirtschaft anders gedacht, anders gehandelt und anders entschieden wird. Es hat mich sehr gereizt, noch einmal etwas Neues zu machen. Von den Inhalten unterscheidet sich diese Arbeit sehr von ihrer vorherigen: Sie vertreten direkt die Interessen des Konzerns, nehmen also Einfluss auf politische Prozesse … Das sehe ich positiv, weil ich an der Schnittstelle arbeite: politische Prozesse und politischen Entscheidungen sind hier besonders wichtig und laufen zusammen. Fragen von der Steuerpolitik über die Klimapolitik über CO2, Europa, Berlin, Hannover betreffen die Automobilindustrie. Insofern bin ich jetzt in einem Wirtschaftsunternehmen, habe aber in dem Unternehmen mit den politischen Themen zu tun. Ich bleibe meinem früheren Bereich treu. Gibt es trotzdem eine klare Grenze bei der Interessenvertretung oder sind Sie moralisch flexibel? Wenn ich mich für einen Arbeitgeber entschieden habe, dann weiß ich, worauf ich mich einlasse. Dann tue ich alles. Das verlangt meine Loyalität. Das ist eine Frage meines Selbstverständnisses. Wenn ich für jemanden nur mit halber Kraft arbeite, muss ich da nicht anfangen. Ich hab mich vielleicht auch aus Gründen der Sentimentalität, der Nostalgie und der kindlichen Wurzeln für Volkswagen entschieden, aber es wäre für mich auch nie ein anderer Automobilkonzern in Frage gekommen. Nach dem Spionage-Skandal im Bundesgesundheitsministerium fordern Kritiker die Politik auf, die Aktivitäten von Lobbyisten einzuschränken … Grundsätzlich bin ich mir darüber im Klaren, dass der Begriff Lobbyismus negativ besetzt ist. Das werde ich nicht ändern können. Ich sage klipp und klar, dass alle Unternehmen und Konzerne legitime, spezielle Interessen haben und gerade große Konzerne können es sich leisten, dass diese professionell vertreten werden – gegenüber der Politik, gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber der Medien. Deswegen habe ich auch keine Probleme mit der Bezeichnung Cheflobbyist bei Volkswagen. Was nicht geht, sind Versuche, das, was man eigentlich mit guten Argumenten und Überzeugungsarbeit erreichen will, mit Geld zu erkaufen. Ist es ihre Aufgabe dem Vorurteil entgegenzuarbeiten, dass Lobbyisten ihre Kontakte aus der Politik für Lobbyarbeit missbrauchen? Es gab eine Diskussion darüber, ob man sofort aus der Politik in einen lobbyähnlichen Bereich wechseln darf. Ich habe dazu keine abschließende Meinung. Ich finde, dass der Wechsel an sich unproblematisch ist. Es kann aber sein, dass es bestimmte Funktionen in der Politik gibt, die mit bestimmten Kenntnissen, Wissen und Kontaktnetzen verbunden sind. Dort ist es angemessen eine Art Quarantänezeit einzuführen bevor man in demselben Bereich wieder arbeitet. Dabei ist der Fakt, dass jemand in derselben Branche weiterarbeitet nicht entscheidend, sondern dass er aus der Regierung, aus einem Ministerium Informationen mitnimmt, die einen enormen Wettbewerbsvorteil bedeuten. Haben Sie ihren Karriereweg aktiv geplant, gab es da Kriterien, eine Strategie? Ich hatte das große Glück in meinem Leben, dass ich die Dinge, die mir großen Spaß machen, mit meinen beruflichen Tätigkeiten in den verschiedenen Phasen meines Lebens verbinden konnte. Am Ende haben aber auch sehr viele Zufälle hineingespielt. Im Grunde fing mein Einstig in die Politik mit einer tiefen Enttäuschung an. Eigentlich wollte ich zu dem Zeitpunkt promovieren. Dann ist das Promotionsstipendium auf Grund von Kürzungen gestrichen worden und ich musste eine Job finden. So bin ich in die Politik gekommen. Was würden Sie sagen, ist langfristig wichtig, um im Arbeitsleben erfolgreich und auch glücklich erfolgreich zu sein? Das ist eine schwierige Frage. Man sollte die Planung während des Studiums und bei der Wahl des Studienfaches nicht davon abhängig machen, was man später und wo man später arbeiten könnte. Die Phasen im Leben muss man auch nutzen, um das Gefühl zu bekomme: Jetzt mache ich das, was ich aus inneren Antrieben heraus machen will und nicht aus irgendwelchen Nützlichkeitstrieben. Man bekommt nur einmal im Leben diese Phase geschenkt. Und trotzdem aus Ihrer Erfahrung heraus: worauf kommt es an? Eines erweist sich immer wieder als entscheidendes Kriterium: der Abschluss muss gut sein. Das zweite, worauf auch immer mehr Personalchefs Wert legen, ist die Entwicklung von Persönlichkeiten. Eigenständigkeit, Problemlösungsfähigkeit, soziale Kompetenz, das wird häufig im Studium vernachlässigt, ist aber auch sehr wichtig. Letzte Frage: 2013 ist Bundestagswahl. Was wird das wahlentscheidende Thema? Man muss die Tiefenströme, die mentale Verfassung eines Landes erreichen. Da geht es dann um Frieden, wie 2002 als der Irakkrieg diskutiert wurde oder um Solidarität und Gemeinsamkeit nach der Flut in Ostdeutschland. Das zeichnet sich im Moment noch nicht klar ab. Es wird sehr stark davon abhängen, ob die Deutschen das Gefühl haben, dass die Krise um den Euro und in Europa eher überwunden oder die Situation unverändert dramatisch ist. Und ob die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zunehmen, die Menschen mehr Angst um ihren Arbeitsplatz haben. In Amerika war das Thema Arbeitsplatzsicherheit und damit Einkommenssicherheit das wichtigste in diesem Jahr. #

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Fotos: Sophie Dannenfeld, Nibbler<br />

Tiefenströme erreichen<br />

Volkswagen-Cheflobbyist Thomas Steg über Karriereplanung,<br />

Interessensvertretung und die Bundestagwahl 2013.<br />

Von Lina Behling & Sophie dannenfeld<br />

Der Mann, der uns in einem<br />

Braunschweiger Café gegenüber<br />

sitzt, heißt Thomas Steg.<br />

Wie die meisten vielbeschäftigten Menschen,<br />

kommt auch er zu spät. Wie es<br />

vielbeschäftigte Menschen tun, ordert<br />

er einen Espresso. Doch dort stößt das<br />

Stereotyp des vielbeschäftigten Karrieristen<br />

an seine Grenzen. Denn ab diesem<br />

Moment nimmt er sich Zeit.<br />

Thomas Steg ist 52 Jahre alt, wächst<br />

in Braunschweig auf und studiert zunächst<br />

an der TU Psychologie, später<br />

Sozialwissenschaften in Hannover. Danach<br />

folgt die schnelle Karriere: Angefangen<br />

<strong>als</strong> Pressesprecher des niedersächsischen<br />

DGB und danach der SPD,<br />

arbeitet sich Steg in das politische Zentrum<br />

11011, Berlin vor. Von 2002 bis Juli<br />

2009 ist er Vizeregierungssprecher – zunächst<br />

für die rot-grüne Koalition unter<br />

Kanzler Gerhard Schröder (SPD), dann<br />

für die Große Koalition unter Kanzlerin<br />

Angela Merkel (CDU). Mit dem Regierungswechsel<br />

2009 verlässt Steg die<br />

Politik, um sich sein „Leben wieder neu<br />

anzueignen“. Er wird freier Politik- und<br />

Kommunikationsberater bis ihn 2012<br />

einer der weltweit größten Automobilkonzerne<br />

wieder zurück in die Region<br />

holt. studi38 hat mit dem Generalbevollmächtigten<br />

für Außen- und Regierungsbeziehungen<br />

der Volkswagen AG<br />

einen Kaffee getrunken.<br />

Sie wechselten von der Politik zu einem<br />

Wirtschaftskonzern. Was hat Sie an Ihrer<br />

neuen Position <strong>als</strong> Cheflobbyist für VW besonders<br />

gereizt?<br />

Es war kein direkter Wechsel von der Politik<br />

in die Wirtschaft. In der Phase der Selbstständigkeit<br />

<strong>als</strong> Kommunikations- und Medienberater<br />

habe ich engere Kontakte zur Wirtschaft<br />

geknüpft und festgestellt, dass ich diesen Bereich<br />

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