Aktuelle Ausgabe komplett als PDF - Studi38
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Wissenschaft<br />
benslange Entscheidung für einen Menschen<br />
zu treffen. Die Hoffnung auf das<br />
noch Bessere führt zu ständigem Zweifeln<br />
und einer permanenten Suche. Der<br />
Suche wonach? Nach einer Fantasie, einer<br />
Art Vielwesen: Jeglichen Erfahrungen<br />
und Eindrücken von Verflossenen,<br />
Passanten, Filmen oder Fotos werden Details<br />
entnommen und zu einer Collage<br />
gesammelt. So entsteht ein schemenhaftes<br />
und nicht reales Wunschbild, quasi<br />
„Ich führe seit fast 3<br />
Jahren eine Fernbeziehung<br />
und ich bin immer<br />
wieder überrascht, wie<br />
gut das funktioniert.<br />
Aber vielleicht ist genau<br />
diese Distanz das, was ich<br />
brauche. Ich weiß, dass<br />
diese Beziehung nichts für<br />
immer ist, aber das suche<br />
ich auch nicht. Ich denke,<br />
es hält so lange, wie es<br />
hält. Ich richte mein Leben<br />
nicht nach ihm und er tut<br />
das auch nicht.<br />
Charlotte, 22<br />
ein Best-Of der unendlichen Möglichkeiten.<br />
„Sie suchen nach einem Objekt, das<br />
keinen Verzicht auf die Unendlichkeit<br />
bedeutet, nicht bloß Perfektion, sondern<br />
die Summe alles Perfekten“, schreibt Hillenkamp.<br />
Schauen wir der Wahrheit ins<br />
Gesicht: Kann eine einzige Person den<br />
Vergleich mit der Summe alles Perfekten<br />
„Man entwickelt sich über<br />
die Zeit immer weiter und<br />
verändert seine Wünsche<br />
und Vorstellungen von<br />
Beziehungen. Ich bin froh,<br />
schon einiges ausprobiert<br />
zu haben, da ich dadurch<br />
an Erfahrung und Urteilsvermögen<br />
gewonnen habe.<br />
Irgendwann würde ich<br />
gerne mit ‚der Richtigen’<br />
eine Familie gründen.“<br />
Niklas, 23<br />
gewinnen? Wer jetzt ja sagt, neigt zur<br />
Selbstüberschätzung. Früher oder später<br />
sind wir zwangsläufig von der Endlichkeit<br />
des potentiellen Lebenspartners<br />
enttäuscht und suchen weiter nach der<br />
Mensch gewordenen Unendlichkeit. Dabei<br />
werden wir laut Hillenkamp zu „Bulimikern<br />
der Liebe“. Auf unserer Suche<br />
stopfen wir alles in uns hinein, würgen<br />
es hinunter und bevor es ein Bestandteil<br />
unseres Körpers, <strong>als</strong>o Lebens wird,<br />
erbrechen wir es wieder. „So bleiben sie<br />
dünn, so können sie immer weiter essen,<br />
immer mehr, alle Möglichkeiten<br />
nutzen.“ Zugegebenermaßen ist das eine<br />
ziemlich pessimistische Sicht der Dinge.<br />
Oder einfach unglücklich formuliert. Ob<br />
bedauernswerte Rastlosigkeit und deprimierende<br />
Unvollkommenheit auf der Suche<br />
nach Mr. & Mrs. Right oder aufregende<br />
Abenteuer und zeitlich begrenztes<br />
Glück mit Mr. & Mrs. Right-Now – darüber<br />
bildet sich letztlich jeder seine eigene<br />
Meinung.<br />
Die Antwort darauf, was nach der<br />
Vernunft-Ehe kommt? Die Vernunft-<br />
Ehe. Das zumindest prophezeit Hillenkamp,<br />
seines Zeichens Realist, in seinem<br />
Buch. Das bedeutet, „dass sie einen wählen,<br />
der ihnen ‚gut tut’, dass sie <strong>als</strong>o einen<br />
Partner aus guten Gründen wählen,<br />
nicht aus Leidenschaft, sondern aus Vernunft.“<br />
Um den Pessimisten unter uns<br />
aus der Seele zu sprechen: Auch die<br />
Wahl des f<strong>als</strong>chen Partners oder ein Leben<br />
in Einsamkeit wären mögliche Optionen.<br />
Und was sagen die Optimisten?<br />
Die muss man wahrscheinlich in zwei<br />
Lager unterteilen: Team „Prinz auf dem<br />
weißen Ross findet seine Prinzessin“<br />
und Team „Hauptsache wir haben Spaß<br />
dabei“. Erstere haben mit Glück eine<br />
ausreichend rosa getönte Brille um tatsächlich<br />
den oder die Richtige zu finden.<br />
Letztere sind im besten Fall sowohl mit<br />
<strong>als</strong> auch ohne „Lebensabschnittsgefährten“<br />
oder auf welche Art auch immer<br />
glücklich. Vermutlich sind diese zudem<br />
die vielversprechendsten Kandidaten,<br />
um neue Beziehungsmodelle zu entwickeln.<br />
Nach einem Blick in die Vergangenheit<br />
– von einem Partner für das gesamte<br />
Leben, über wenige wechselnde<br />
Beziehungen vor der Ehe, bis heute, da<br />
beinahe alles möglich scheint – wäre es<br />
da zum Beispiel so abwegig, dass in 50<br />
Jahren Polyamorie der absoluten Normalität<br />
entspricht? Einen Partner für<br />
guten Sex, einen für gute Gespräche, einen<br />
mit demselben Lieblings-Verein. Alle<br />
Wünsche würden nach dem Baukasten-<br />
Prinzip erfüllt. Eine reduzierte Version<br />
der Fantasie-Collage <strong>als</strong>o? Es bleibt<br />
spannend. #<br />
„William Maugham hat<br />
einmal gesagt: „Liebe: nur<br />
ein schmutziger Trick der<br />
Natur, um das Fortbestehen<br />
der Menschheit zu<br />
garantieren.“ So unglücklich<br />
die Formulierung<br />
auch ist, hat er rational<br />
betrachtet Recht. Für mich<br />
besteht die Kunst darin,<br />
zu differenzieren, ob man<br />
wirklich liebt, oder nur<br />
verliebt darin ist, geliebt<br />
zu werden. “<br />
Jann, 24<br />
Fotos: Privat<br />
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