30.08.2014 Aufrufe

Aktuelle Ausgabe komplett als PDF - Studi38

Aktuelle Ausgabe komplett als PDF - Studi38

Aktuelle Ausgabe komplett als PDF - Studi38

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Braunschweig | Wolfenbüttel<br />

Wolfsburg | Salzgitter | Suderburg<br />

<strong>Ausgabe</strong> 12<br />

Sommersemester 2013<br />

Frühlingsluft<br />

& Frühjahrsduft<br />

Auf den Spuren von Hormonen & Flirthelfern<br />

Bumerang HOK<br />

Über Ursachen & Folgen<br />

der HBK-Sparmaßnahmen<br />

Tiefenströme erreichen<br />

Thomas Steg über Lobbyismus, seine<br />

Karriere und die Bundestagswahl<br />

So Lieben wir!<br />

Von Beziehungsmodellen<br />

im Wandel der Zeit


Frühlingsgefühle<br />

kommen kaum auf …<br />

Bei den aktuellen Temperaturen<br />

auf den Campussen der Region.<br />

Besonders frostig geht es an der<br />

HBK zu. Dort liegen nicht nur die studentischen<br />

Flirtversuche, sondern auch<br />

der Haushalt auf Eis. Es bleibt die Frage:<br />

Sind Studierende unerwünscht oder<br />

wären Selbstzweifel angebracht? Wir sagen „Schluss mit Suchen!“,<br />

„Color up your Campus!“ und warten derweil unterm<br />

Zeichentisch. Denn jetzt ist Geisterstunde in Braunschweig<br />

und die Postwachstumsgesellschaft kommt so oder so.<br />

Viel Spaß beim Lesen!<br />

Holger Isermann<br />

TU Braunschweig, Redaktionsleitung studi38<br />

6<br />

Campus<br />

Bumerang HOK<br />

Sparmaßnamen an der HBK: Die Suche nach Gründen, Folgen und Lösungen<br />

36<br />

Wissenschaft<br />

Mr. & Mrs. Not-Quite-Right<br />

Von Beziehungsmodellen im Wandel der Zeit<br />

42<br />

Karriere<br />

Tiefenströme erreichen<br />

Thomas Steg über Lobbyismus, seine Karriere und die Bundestagswahl<br />

Inhalt<br />

Campus<br />

4 „Selbstzweifel wären angebracht“<br />

Zeichner Lukas Jüliger über seine Generation und sein Buchdebüt<br />

6 Bumerang HOK<br />

Die Sparmaßnamen an der HBK: Eine Suche nach Gründen, Folgen und Lösungen<br />

8 „Wir müssen das jetzt ausbaden“<br />

Stefanie Ponndorf (STUPA) über Lehrqualität und die studentische Stimmungslage<br />

9 „Das Land ist in der Verantwortung“<br />

Asta-Sprecher Jan-Phillip Schrader über studentischen Einfluss und Protest<br />

10 „Die HBK ist unteralimentiert“<br />

Präsident Hubertus von Amelunxen über Leuchttürme und die Zukunft der HBK<br />

11 Geisterstunde in Braunschweig<br />

Campus Historie: 1774 spukte es am Collegium Carolinum<br />

12 Festivalguide<br />

Ein Überblick über die regionale Festivallandschaft<br />

14 Studierende unerwünscht?<br />

Vom bisweilen harten Kampf um das Dach überm Kopf<br />

18 Outdoor-Paradies Harz?<br />

Das bietet Norddeutschlands höchstes Gebirge...<br />

22 Taxigespräche<br />

Zwei Erlebnisse eines Taxisfahrers mit türkischen Eltern<br />

24 Boxen vor dem K.O.?<br />

Die geplante Gebührenreform der GEMA und mögliche Folgen für das Nachtleben<br />

26 „Eine Gebührenerhöhung ist wahrscheinlich“<br />

Medienrechtler Jens O. Brelle über den Rechtsstreit zwischen GEMA und DEHOGA<br />

27 Frühlingszeit Pärchenzeit<br />

Er sagt, sie sagt<br />

28 Color up your Campus!<br />

Über kahle Hörsäle und die Sehnsucht nach Farbe<br />

Wissenschaft<br />

31 Frühlingsluft und Frühjahrsduft<br />

Auf den Spuren von Hormonen & Flirthelfern<br />

32 Wo kommen sie eigentlich her – die Frühlingsgefühle?<br />

Hormon-Experte Professor Helmut Schatz verrät es uns<br />

34 Die Anonyme Anmache<br />

Flirten ohne das Risiko der Zurückweisung: Die neuen Spotted- und Bibflirt-Seiten<br />

36 Mr. & Mrs. Not-Quite-Right<br />

Über Beziehungsmodelle im Wandel der Zeit<br />

39 Schluss mit Suchen!<br />

DLR und TU arbeiten an einem selbstparkenden Auto<br />

Karriere<br />

40 Silicon Valley<br />

Die Kolumne von Professor Reza Asghari<br />

41 Warten unterm Zeichentisch<br />

Moritz Gramming gewinnt Designwettbewerb für eine Bushaltestelle<br />

42 Tiefenströme erreichen<br />

Thomas Steg über Lobbyismus, seine Karriere und die Bundestagswahl<br />

44 Pünktlicher <strong>als</strong> die Bahn<br />

Emanuel Chmielarski setzt TU-Präsident Jürgen Hesselbach in Bewegung<br />

46 Was heißt nachhaltig leben?<br />

Eine Spurensuche auf dem Berliner Heldenmarkt<br />

47 „Die Postwachstumsgesellschaft kommt so oder so“<br />

Dr. André Reichel sieht enormes Potenzial zum Wandel bei den Unternehmen<br />

Schlussakkord<br />

49 Lieblings ... Album? Film? Buch?<br />

50 Die Sache mit dem Konjunktiv<br />

Kolumne<br />

9 Impressum<br />

3


Campus<br />

„Selbstzweifel<br />

wären angebracht“<br />

Lukas Jüliger’s jüngst erschiene Graphic Novel „Vakuum“ wird von Medien<br />

und Kritikern bejubelt. studi38 hat ihm Ausschnitte davon vorgelegt<br />

und wollte wissen, warum Erwachsenwerden so schwierig ist.<br />

Von Holger Isermann<br />

Deine Protagonisten stecken voller Selbstzweifel. Wie sehr spürst du solche Gefühle<br />

in unserer Generation?<br />

Warum gibt ausgerechnet ein an ein<br />

„Arschloch“ erinnernder Nabel der<br />

Welt den verlorenen Heranwachsenden<br />

Wärme und Halt?<br />

Meine Hauptberührungspunkte mit meiner Generation in den letzten zwei Jahren haben<br />

eigentlich auf verrauchten Tanzflächen stattgefunden. Da wirken die meisten Leute sehr selbstsicher.<br />

Aber das ist etwas sehr Individuelles. Insgesamt empfinde ich diese Generation aber <strong>als</strong><br />

sehr konzeptlos und Selbstzweifel wären eigentlich angebracht. Wir schwimmen.<br />

Auch die sexuell verrohte „Generation Porno“ findet seinen Platz in Vakuum. Dass<br />

schließlich der ganz normale, schüchterne Ben Fimming die Schulschönheit „in<br />

den H<strong>als</strong> fickt und sich umbringt“ klingt wie die Erfüllung einer von Pädagogen immer<br />

wieder vorausgesagten, jugendlichen Apokalypse. Willst du in deren Klagelied<br />

einstimmen?<br />

Um Himmels Willen! Nein! Das soll nicht nach Gejammer klingen. Von dem Klagelied war<br />

mir außerdem nichts bekannt. Ich singe nicht mit. Lea Shavano in den H<strong>als</strong> zu ficken, ist<br />

der Welt ins Gesicht zu spucken und das Leben auszusaugen, sich zu nehmen was man will.<br />

Ein nicht unproblematischer Gedanke, aber ein aufregender.<br />

„Arschloch“ und „Nabel der Welt“ sind<br />

deine Interpretation. Da gibt es inzwischen<br />

verschiedene. Für mich ist das in<br />

der Geschichte ein sehr persönlicher Ort.<br />

Das war er auch beim Schreiben. Und<br />

was ich so höre, wird er auch beim Lesen<br />

zu einem sehr persönlichen Ort, den man<br />

subjektiv erleben und eben ausschmücken<br />

und mit Bedeutung füllen kann. Deswegen<br />

möchte ich das auch gar nicht weiter<br />

ausführen und potenziellen Lesern das<br />

eigene Erleben mit meinen Gedanken einfärben.<br />

Ted Bundy antwortete vor seiner<br />

Hinrichtung auf die Frage, warum er all<br />

diese armen Frauen umgebracht hat, mit<br />

ganz ruhiger Stimme: „Because I liked it“.<br />

Das vielleicht zur Form. Ist das unpassend?<br />

Bestimmt.<br />

4


Campus<br />

Halt von den Eltern gibt es nicht. Sie sind Hassfiguren, die beim<br />

Spieleabend „über Scheiße lachen, die nicht lustig ist“, der Tochter<br />

„auf Titten und Arsch glotzen“ und am Ende in ihrer eigenen<br />

Magensäure sitzen, die einen verdaut, wenn man nicht davon<br />

läuft. Warum so vorwurfsvoll?<br />

Du hast Vakuum <strong>als</strong> Meditation über dich<br />

selbst bezeichnet. Wäre die Stimmung in einem<br />

Buch über deine Studienzeit ähnlich düster?<br />

Das weiss ich nicht, meine Studienzeit ist ja noch<br />

lange nicht vorbei. Würde ich die Zeit bisher<br />

in einer Geschichte einfangen wollen, wäre die<br />

Stimmung insgesamt vermutlich betrunkener<br />

und verstrahlter.<br />

Das ergibt sich ja aus der Story. Diese Passage braucht es, um den<br />

Charakter des Mädchens schärfer zu zeichnen. Die Magensäure ist außerdem<br />

eher <strong>als</strong> eine Form der Existenzangst zu verstehen. Fun fact:<br />

Tatsächlich gibt es sehr schreckliche Menschen auf diesem Planeten.<br />

Selbst die Liebe zwischen deinen namenlosen Protagonisten zeugt von<br />

Unsicherheiten, fehlenden Beziehungsvorbildern und Sprachlosigkeit. Ist<br />

denn nichts mehr klar?<br />

Deine Figuren haben Probleme, aber keine<br />

Lösungen. Sie leben weniger in <strong>als</strong> neben einer<br />

Welt und werden erst durch einen Amoklauf<br />

aus dieser befreit. Hast du irgendwo im<br />

Vakuum ein Fünkchen Hoffnung versteckt,<br />

das ich übersehen habe?<br />

Illustrationen: Lukas Jüliger, Foto: Tillmann Engel<br />

Das weiss ich nicht. Ich weiss nicht, ob es mal einen Moment der Klarheit gab.<br />

Wenn ja, war der wahrscheinlich vor meiner Geburt.<br />

Es kommt eine sehr niedliche Katze vor.<br />

Achja, und es ist eine Liebesgeschichte.<br />

Lukas Jüliger studiert Illustration an der Hochschule für Angewandte<br />

Wissenschaften in Hamburg. Nach einigen kürzeren Comics erschien<br />

mit „Vakuum“ vor kurzem sein Buchdebüt bei Reprodukt. Für die<br />

Arbeit an der düsteren Coming-of-Age-Geschichte hat der 25-Jährige<br />

sein Studium unterbrochen. Mehr Infos zu Lukas und seiner Arbeit<br />

gibt es unter: →www.laluq.de<br />

5


Campus<br />

Bumerang<br />

HOK<br />

(Hochschuloptimierungskonzept)<br />

Weil die HBK 2003 ein Sparprogramm des Landes mit Rücklagen<br />

gegenfinanzierte, anstatt es umzusetzen, steht sie jetzt vor<br />

einem strukturellen Defizit. Seit dem 21. April ist sie faktisch<br />

fremdverwaltet. Eine Suche nach Gründen, Folgen und Lösungen...<br />

Von Holger Isermann<br />

Lutz Stratmann ist ein Name, der<br />

den niedersächsischen Studierenden<br />

in nicht allzu guter Erinnerung<br />

bleiben wird. Der ehemalige<br />

Wissenschaftsminister hatte in seiner<br />

Amtszeit wenig (Geld) für die Wissenschaft<br />

übrig. Stattdessen beschloss Niedersachsen<br />

im Dezember 2005 unter<br />

seiner Federführung <strong>als</strong> erstes Bundesland<br />

die Einführung von Studiengebühren<br />

für das Erststudium. Gut zwei Jahre<br />

zuvor setzte er außerdem wie kaum<br />

einer seiner Vorgänger den Rotstift in<br />

der hiesigen Hochschullandschaft an.<br />

Als Hochschuloptimierungskonzept<br />

(HOK) verkauft, sollten Niedersachsens<br />

Hochschulen jährlich rund 50 Millionen<br />

Euro einsparen und gleichzeitig<br />

durch einen Zukunftspakt vor weiteren<br />

Kürzungen verschont bleiben. Ein<br />

vergiftetes Geschenk: Die Studierenden<br />

demonstrierten gegen Stratmanns<br />

„Hochschulvernichtungsprogramm“<br />

und die Hochschulen setzten es um –<br />

zumindest die meisten.<br />

Glaubt man einer der Redaktion vorliegenden<br />

Email von HBK-Präsident Hubertus<br />

von Amelunxen, hat die Hochschule<br />

die aktuell vom Ministerium für<br />

Wissenschaft und Kultur (MWK) geforderten<br />

Einsparungen selbst zu verantworten:<br />

„Ich bedauere diesen extremen<br />

Einschnitt außerordentlich. Er betrifft<br />

die gesamte Hochschule, gefährdet ihr<br />

jetziges Dasein, begründet sich gleichwohl<br />

in einer Personalpolitik, die seit<br />

2005 anstatt die gebotenen Einsparungen<br />

vorzunehmen, zusätzliches Personal<br />

eingestellt hat.“<br />

Insgesamt rund 450000 Euro jährlich<br />

sollte die HBK seit 2004 sparen und so<br />

schloss man zunächst, wie vom MWK<br />

vorgeschlagen, bis auf das Darstellende<br />

Spiel die Lehramtsstudiengänge. Doch<br />

schon ein Jahr später öffnete die Hochschule<br />

nach massiven Protesten wieder<br />

für werdende Lehrer ihre Pforten. Die<br />

angemahnte Zusammenlegung von Industrial-<br />

und Kommunikationsdesign<br />

ignorierte das damalige HBK-Präsidium<br />

unter Michael Schwarz ganz und konnte<br />

seinen hochschulpolitischen Alleingang<br />

bis zum Jahr 2008 aus Rücklagen<br />

finanzieren. Ab diesem Zeitpunkt mach-<br />

Foto: Matthias Langer<br />

6


Campus<br />

Mit dieser Traueranzeige haben<br />

die HBK-Studierenden in der<br />

Braunschweiger Zeitung auf ihre<br />

Situation aufmerksam gemacht<br />

te Niedersachsens einzige Kunsthochschule<br />

Schulden – nach Ministeriumsangaben<br />

insgesamt rund 2 Millionen<br />

Euro. Der für die damaligen Personalentscheidungen<br />

verantwortliche und<br />

mittlerweile pensionierte Hauptberufliche<br />

Vizepräsident (HVP) Gerhard Baller<br />

möchte sich heute nicht mehr zu den<br />

Vorgängen äußern. In seiner im letzten<br />

Sommer gehaltenen Abschiedsrede<br />

gibt er aber zu: „Heute stehen wir vor<br />

der schwierigen Situation, ein sich aufbauendes<br />

strukturelles Defizit abwenden<br />

zu müssen und das geht nur durch<br />

Strukturveränderungen, die wir zu einem<br />

viel früheren Zeitpunkt hätten entscheiden<br />

müssen.“<br />

Warum die Beamten am Leibnizufer<br />

der Braunschweiger Personalpolitik so<br />

lange tatenlos zusahen bevor sie jetzt<br />

die Reißleine zogen, bleibt wohl ihr Geheimnis.<br />

Erst am 18. Februar, einen Tag<br />

vor der offiziellen Amtsübergabe an Gabriele<br />

Heinen-Kljajic von den Grünen<br />

ging in Hannover schließlich das Schreiben<br />

in die Post, das die Kunsthochschule<br />

seitdem in Atem hält. Verantwortet<br />

hat es die damalige Wissenschaftsministerin<br />

Johanna Wanka, die mittlerweile<br />

im Kabinett von Angela Merkel<br />

für Bildung und Forschung zuständig<br />

ist. „Formal ist das richtig“, heißt es von<br />

einem Sprecher des MWK. Doch bereits<br />

seit August 2012 habe es mehrere Gespräche<br />

mit dem Präsidium der HBK gegeben.<br />

Dabei sei die HBK zu geeigneten<br />

Vorschlägen für die zukünftige finanzielle<br />

Planung aufgefordert worden.<br />

Es geht konkret um den zukünftigen<br />

Hochschulentwicklungsplan und jährliche<br />

Einsparungen von 900.000 Euro bei<br />

einem Gesamtbudget von etwas mehr<br />

<strong>als</strong> 14 Millionen Euro: 500000 Euro zur<br />

Beseitigung des strukturellen Defizites<br />

und temporär noch einmal 400000<br />

Euro zum Abbau der in den letzten Jahren<br />

entstandenen Schulden. „Bedauerlicherweise<br />

ist dies nur unzureichend<br />

erfolgt. Dem MWK blieb aufgrund des<br />

immer weiter steigenden Defizits nur<br />

übrig, in diesem Februar eine Wiederbesetzungssperre<br />

zu verhängen.“<br />

Faktisch kommt dies einer Fremdverwaltung<br />

gleich. Denn seit dem 18. Februar<br />

muss jede Entscheidung über<br />

Wieder- und Neubesetzungen einzeln<br />

vom MWK genehmigt werden. Das Ministerium<br />

versichert zwar, dass zumindest<br />

alle Lehraufträge und Vertretungen<br />

von Professuren für das Sommersemester<br />

"in vollem Umfang" genehmigt wurden.<br />

Doch Medienwissenschaftler Professor<br />

Rolf Nohr widerspricht: "Das<br />

kommt auf die Definition des vollen<br />

Umfangs an. Alle Verlängerungsangebote<br />

von denen ich weiß, hatten schlechtere<br />

Konditionen <strong>als</strong> die vorigen Verträge."<br />

Veränderte Konditionen bestätigt<br />

auch HBK-Sprecher Jesco Heyl. Laut<br />

Nohr werden Vertretungsprofessuren<br />

dadurch unheimlich unattraktiv, man<br />

schäme sich fast diese Kollegen anzubieten.<br />

"Solche Kürzungen funktionieren<br />

mit dem Kalkül, dass sich im Zweifelsfall<br />

natürlich irgendwo immer ein<br />

Wissenschaftler findet, der lieber für<br />

Dumpinglöhne, <strong>als</strong> gar nicht arbeitet.<br />

Das weiß auch das Ministerium."<br />

Bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern<br />

wird vom MWK "im Einzelfall entschieden,<br />

immer mit dem Ziel, die notwendige<br />

Lehre sicherzustellen.“ Was<br />

das bedeutet, bekommen gegenwärtig<br />

vor allem diejenigen zu spüren, bei denen<br />

eine Vertragsverlängerung ansteht.<br />

„Eigentlich hatte ich die Verlängerung<br />

schon seit Langem zugesichert bekommen<br />

– sogar per Präsidiumsbeschluss“,<br />

erzählt eine langjährige Mitarbeiterin.<br />

Auf mehrmalige Nachfrage hin hatte<br />

man ihr versichert, dass ihr neuer<br />

Vertrag in trockenen Tüchern sei. Erst<br />

durch die bereits zitierte Email des Präsidenten<br />

hat sie erfahren, dass sie wohl<br />

binnen einer Woche arbeitslos sein<br />

wird. Das Fazit: „Die Verträge sind verschleppt<br />

worden. Ich war da kein Einzelfall.“<br />

Der promovierten Wissenschaftlerin<br />

ist schließlich doch noch ein neuer<br />

Vertrag angeboten worden. Allerdings<br />

eine Teilzeitstelle, die von ihr selbst mit<br />

kostenlosen Lehraufträgen aufgefüllt<br />

werden sollte. Damit mixen sich an<br />

der HBK gerade die ohnehin prekären<br />

Arbeitsverhältnisse von wissenschaftlichen<br />

Mitarbeitern mit den Sparauflagen<br />

des Ministeriums zu einem für<br />

den Kunst- und Wissenschaftsstandort<br />

Braunschweig gefährlichen Cocktail.<br />

Wer der Planbarkeit beraubt ist, weil er<br />

nur Halbjahresverträge erhält, pendelt,<br />

anstatt umzuziehen. Das moderne Nomadenleben<br />

frisst aber große Teile des<br />

Gehalts und ist oft nur mit vollen Stellen<br />

zu finanzieren. Im konkreten Fall<br />

bedeutet dies die Arbeitslosigkeit – und<br />

für die Studierenden ein bekanntes Gesicht<br />

weniger. Wie viele Lehrende insgesamt<br />

noch um ihre Verträge bangen<br />

oder die HBK bereits verlassen haben,<br />

ist schwer zu durchschauen. Insgesamt<br />

hat nach Hochschulangaben mehr <strong>als</strong><br />

ein Drittel der in der Lehre Beschäftigten<br />

einen befristeten Vertrag.<br />

Neben den wissenschaftlichen Mitarbeitern<br />

sind zudem studentische Tutoren<br />

und Hiwis betroffen. Wie wichtig<br />

diese sonst wenig beachteten Helfer<br />

im Gefüge einer Hochschule sind, merken<br />

aktuell vor allem ihre Kommilitonen.<br />

Ein Beispiel: „In der Kunstwissenschaft<br />

werden alle Lehrveranstaltungen<br />

zwei Wochen nach hinten verschoben,<br />

weil noch kein einziger Tutorenvertrag<br />

unterzeichnet wurde. Das hat zur Folge,<br />

dass es keine Reader gibt und die<br />

Veranstaltungen nicht vorbereitet →<br />

7


Campus<br />

Demo-Videos<br />

→ is.gd/AStAHBK<br />

werden können“, betont Stefanie Ponndorf<br />

aus dem Studierendenparlament<br />

(Stupa). Auch Nohr spricht von chaotischen<br />

Wochen, weil Verträge zu spät<br />

und mit geringerer Stundenzahl unter-<br />

zeichnet wurden: "Das HBK-Gefüge ist<br />

Spitz auf Knopf genäht. Da hinterlässt<br />

jede noch so kleine Kürzung Spuren.<br />

Im Grunde ist uns ein Monat verloren<br />

gegangen." Die Studierenden jedenfalls<br />

sind verunsichert und wütend zugleich.<br />

Mit Protestmärschen und Todesanzeigen<br />

wollen sie auf ihre Situation<br />

aufmerksam und ihrem Ärger<br />

Luft machen. Asta-Sprecher<br />

Jan-Phillip Schrader fordert<br />

außerdem mehr Einfluss<br />

in der Debatte für seine Kommilitonen.<br />

(→Seite 9) Zusätzlich<br />

zu den unmittelbaren Folgen<br />

für das aktuelle Semester,<br />

stehen die entscheidenden Einschnitte<br />

sogar noch aus. HBK-Präsident von<br />

Amelunxen verrät im Interview (→Seite<br />

10): „Anstatt innerhalb der Studiengänge<br />

zu sparen und damit die Qualität<br />

in Lehre und Forschung anzurühren,<br />

werden wir Studiengänge auslaufen lassen<br />

oder zusammenlegen müssen.“ Wie<br />

ein Bumerang kehrt das HOK damit an<br />

den Johannes-Selenka-Platz zurück und<br />

trifft letztendlich einen Präsidenten,<br />

einige Professoren und Mitarbeiter sowie<br />

eine Gesamtheit von Studierenden,<br />

die sich erst Jahre später für die HBK<br />

entschieden haben. Dass niemand in<br />

Braunschweig und Hannover die Flugkurve<br />

beobachtet und gewusst hat, was<br />

sich da kreisförmig auf Niedersachsens<br />

einzige Kunsthochschule zubewegt,<br />

scheint wenig glaubhaft. Fest steht:<br />

Die Wissenden haben lange gewartet.<br />

Jetzt ist der finanzielle Bumerang zurück<br />

und trifft die gesamte HBK, die<br />

wie viele Hochschulen des Landes vor<br />

ihr wohl noch Jahre später unter dem<br />

HOK-Einschlag leiden wird. #<br />

„Wir müssen das jetzt ausbaden“<br />

Stefanie Ponndorf über Lehrqualität und die studentische Stimmungslage<br />

Von Eva Casper<br />

Die Braunschweiger Zeitung (BZ) hat vor<br />

kurzem geschrieben, es gehe nur noch um<br />

drei ungeklärte Lehrstellen. Klingt halb so<br />

schlimm...<br />

Es ging unter anderem um drei Professuren,<br />

das ist richtig. Aber es geht ja auch um die<br />

Mitarbeiter, die die Organisation und Lehre<br />

mitbetreuen. Insgesamt sind es 65 Stellen, die<br />

innerhalb des nächsten Jahres auslaufen. Das<br />

Ministerium verlangt von der HBK eine Rechtfertigung<br />

für jede von ihnen. Also jeder Hiwi,<br />

jeder Mitarbeiter muss dem Ministerium<br />

schreiben, warum er befähigt ist an der Hochschule<br />

zu arbeiten und was seine Aufgaben<br />

sind. Das ist ein riesiger Aufwand und hat<br />

dazu geführt, dass viele Lehrveranstaltungen<br />

zur Debatte stehen. Wir haben die Entscheidung,<br />

die dam<strong>als</strong> getroffen wurde nicht mitgetragen<br />

und müssen das jetzt ausbaden.<br />

Zeichnet sich denn in naher Zukunft eine<br />

endgültige Entscheidung ab oder läuft die<br />

Debatte noch bis ins Semester?<br />

Ich kann momentan nur von der Kunstwissenschaft<br />

sprechen. Dort werden alle Lehrveranstaltungen<br />

zwei Wochen nach hinten verschoben,<br />

weil noch kein einziger Tutorenvertrag<br />

unterzeichnet wurde. Das hat zur Folge, dass<br />

es keine Reader gibt und die Veranstaltungen<br />

nicht vorbereitet werden können.<br />

Lutz Röttger, der Leiter Studium und Lehre,<br />

forderte in der BZ die Einsparungen auch<br />

durch größere Seminare und mehr Vorlesungen<br />

zu erreichen. Wie steht ihr dazu?<br />

Dieser Punkt steht für uns nicht zur Debatte,<br />

weil er eine Minderung der Qualität der Lehre<br />

darstellt. Wir haben hier eben viele Studiengänge,<br />

die auf das Diskutieren von Texten, Bildern<br />

oder Filmen <strong>als</strong> Grundprinzip aufbauen<br />

oder – im Fall von Kunst und Design – einen<br />

sehr hohen praktischen Anteil besitzen. Weswegen<br />

eine Veranstaltung mit über 400 Leuten<br />

wie an der TU auch nicht gehen würde.<br />

Wie ist die Stimmung unter den Studierenden?<br />

Stefanie Ponndorf studiert<br />

Kunstvermittlung an der<br />

HBK und ist Vertreterin im<br />

Studierendenparlament (STUPA)<br />

Sie sind verängstigt, weil sie nicht wissen, was<br />

aus ihrem Studium wird. Viele befürchten,<br />

dass sie länger studieren müssen <strong>als</strong> geplant.<br />

Dann gibt es Studenten, die stark verunsichert<br />

sind und zum Teil sogar überlegen die<br />

Hochschule zu verlassen. Wir erfahren aber<br />

auch einen großen Zusammenhalt untereinander<br />

und bekommen viele Hilfsangebote. #<br />

Fotos: Ina Hengstler, privat<br />

8


Campus<br />

„Das Land ist in der Verantwortung“<br />

Jan-Phillip Schrader über wenig studentischen Einfluss und viel Protest<br />

Von Eva Casper<br />

Foto: Privat<br />

Jan-Phillip Schrader studiert<br />

Darstellendes Spiel und Kunstwissenschaft.<br />

Er ist Mitglied im<br />

HBK-Asta.<br />

Dass die HBK sparen muss, ist wohl unumgänglich.<br />

Wie sieht eurer Meinung nach<br />

eine vernünftige Strategie aus?<br />

Vor allem müssen Studierende deutlich mehr<br />

Einfluss in der Debatte haben. Sparpotenzial<br />

ist zwar insgesamt wenig vorhanden, doch<br />

gerade im Bereich der Mietobjekte muss man<br />

prüfen, was machbar ist. Eine schrittweise<br />

Kündigung aller auslaufenden Stellen, völlig<br />

unabhängig von ihrer tatsächlichen Funktion<br />

in der Hochschule, ist jedenfalls definitiv keine<br />

Möglichkeit!<br />

Hat sich durch die Finanzlage der HBK eure<br />

Meinung zu Studiengebühren geändert?<br />

Nein, das hat ja schließlich auch nichts mit-<br />

einander zu tun. Wir sehen nach wie vor das<br />

Land in der Hauptverantwortung qualitativ<br />

hochwertige Lehre und Ausbildung zu garantieren.<br />

Außerdem ist paradoxerweise einer<br />

der MWK-Zwänge, dass weder Drittmittel<br />

noch Studiengebühren zum Erhalt von Stellen<br />

verwendet werden dürfen.<br />

Wie sieht euer weiteres Vorgehen aus? Gibt<br />

es konkrete Pläne?<br />

Wir <strong>als</strong> Studierende werden weiter für den<br />

Erhalt der HBK kämpfen. Dabei versuchen<br />

wir uns gemeinsam mit dem Personal der<br />

Hochschule zu vernetzen. Unsere letzte größere<br />

Demo werten wir <strong>als</strong> Erfolg und werden<br />

versuchen, daran anzuknüpfen. #<br />

Impressum<br />

Herausgeber: BZV Medienhaus GmbH<br />

Hamburger Straße 277, 38114 Braunschweig<br />

Telefon: (0531) 39 00-0 # Telefax: (0531) 39 00-610 # E-Mail: info@bzv.de<br />

www.braunschweiger-zeitungsverlag.de # www.newsclick.de<br />

Persönlich haftender Gesellschafter:<br />

Verwaltungsgesellschaft Braunschweiger Zeitungsverlags GmbH<br />

Geschäftsführer: Harald Wahls<br />

Registergericht: Amtsgericht Braunschweig, HRA 6991<br />

Ust.-Ident.-Nr.: DE 114 88 11 13<br />

Die redaktionellen Inhalte dieser <strong>Ausgabe</strong> sind das Ergebnis<br />

eines Projektseminars der Abteilung Medienwissenschaften<br />

der Technischen Universität Braunschweig<br />

Redaktionsleitung: Holger Isermann (TU Braunschweig) V. i. S. d. P.<br />

Redaktion: Lina Beling, Raphael Berendes, Annekatrin Bock, Eva Casper, Sophie<br />

Dannenfeld, Manuel Dierkes, Lisa Habelt, Annika Heller, Holger Isermann, Ingo<br />

Kasseck, Stefanie Lipka, Claudia Malecka, Jessica Martensen, Elena Patzer, Simon<br />

Polatzek, Michaline Saxel, Elena Schade, Desiree Schober, Kristin Schulze, Muhtesin<br />

Sogukpinar, Agata Sulik<br />

Adresse: TU Braunschweig, Abteilung Medienwissenschaften<br />

Bienroder Weg 97, 38106 Braunschweig<br />

Telefon: (0531) 391-8961 # Telefax: (0531) 391-8963 # E-Mail: redaktion@studi38.de<br />

www.tu-braunschweig.de/medienwissenschaften<br />

Titelfoto: Florian Koch # Model: Julia Menze<br />

Objektleitung: Daniela Waltemathe<br />

Anzeigen: Michael Heuchert (verantwortlich)<br />

Koordination Vertrieb/Anzeigen: Katharina Heidmann<br />

Telefon: (0531) 3900-193 # Telefax: (0531) 3900-123<br />

Druck: braunschweig-druck GmbH, Ernst-Böhme-Str. 20, 38112 Braunschweig<br />

Auflage: ca. 10.000 Exemplare<br />

© BZV Medienhaus GmbH 2013<br />

Das Projekt studi38 wird freundlich unterstützt durch<br />

W A R U M N U R E I N E N B E R E I C H , W E N N S I E V I E L E<br />

FASZ I N I E R E N D<br />

F I N D E N .<br />

Bei Deutschlands Engineering-Dienstleister Nr. 1 erleben Sie anspruchsvolle<br />

Projekte in den unterschiedlichsten Branchen. Ob Anlagenbau,<br />

Fahrzeugtechnik, Maschinenbau oder IT – für welchen Bereich Sie sich<br />

auch entscheiden, bei FERCHAU steht Ihnen die ganze Welt des<br />

Engineerings offen. An über 60 Standorten bundesweit bieten wir Ihnen –<br />

genauso wie unseren mehr <strong>als</strong> 5.500 Mitarbeitern – die Chance, sich in<br />

jeder Branche und auf jedem Gebiet weiterzuentwickeln. Ganz nach Ihren<br />

Vorstellungen. Und auch darüber hinaus. Investieren Sie mit uns in Ihre<br />

eigene Zukunft und nutzen Sie Ihre individuellen Karrieremöglichkeiten<br />

bei FERCHAU.<br />

Bewerben Sie sich direkt unter der Kennziffer HP13-007-3300 bei<br />

Frau Alexandra Niemann. Denn was für unsere Kunden gilt, gilt für Sie<br />

schon lange: Wir entwickeln Sie weiter.<br />

FERCHAU Engineering GmbH<br />

Niederlassung Braunschweig<br />

Alte Salzdahlumer Straße 202–203<br />

38124 Braunschweig<br />

Fon +49 531 23635-0<br />

Fax +49 531 23635-33<br />

braunschweig@ferchau.de<br />

FERCHAU.DE<br />

WIR ENTWICKELN SIE WEITER


„Die HBK ist<br />

unteralimentiert“<br />

Präsident Prof. Dr. Hubertus von Amelunxen<br />

über Leuchttürme und die Zukunft der HBK<br />

Von Eva Casper & Holger Isermann<br />

Die Asta sagt bereits den Tod der HBK voraus,<br />

sollten die Sparmaßnahmen wirklich<br />

in voller Härte greifen. Ist es so schlimm?<br />

Das strukturelle Defizit der HBK beträgt seit<br />

2005 jährlich ca. 500000 Euro. Diese Summe<br />

ist einzusparen. Das nach Aufbrauchen der<br />

Rücklagen dann seit 2008 akkumulierte Defizit<br />

beträgt ca. 1.8 Millionen und muss ebenfalls<br />

sukzessive abgetragen werden. Das bedeutet<br />

aber keinesfalls den Tod der HBK.<br />

Die Missstände im Haushalt der HBK sind<br />

schon seit 2005 bekannt. Warum wurde so<br />

lange nichts unternommen?<br />

Das Defizit hat mehrere Ursachen. Die seinerzeit<br />

im Rahmen des Hochschuloptimierungskonzepts<br />

(HOK) des Landes Niedersachsen<br />

geforderten Einsparungen waren mit einer<br />

Summe von 450000 Euro für eine verhältnismäßig<br />

kleine Hochschule zu hoch und konnten<br />

nur zu kleinen Teilen erfolgen. Einige der „in<br />

Abgang“ zu setzenden Stellen sind zur Stärkung<br />

anderer Studiengänge benutzt worden.<br />

Die Kosten sind gestiegen, insbesondere die<br />

Gebäudeunterhaltungen. Die HBK wie auch<br />

die Musikhochschule in Hannover hatten im<br />

Verhältnis zu den anderen Hochschulen des<br />

Landes die geringste Progression seit 2005 in<br />

den jährlichen Landeszuweisungen. Die künstlerischen<br />

Hochschulen haben einen schweren<br />

Stand in Niedersachsen trotz ihres international<br />

hohen Ansehens. Die Versuche der HBK,<br />

zumindest die Hälfte der für das HOK einzusparenden<br />

Mittel erlassen zu bekommen,<br />

waren nicht erfolgreich. Die Hochschule für<br />

Musik, Theater und Medien hatte dam<strong>als</strong> offensichtlich<br />

überzeugendere Argumente.<br />

Wie steht es konkret um den momentanen<br />

Haushalt? Was sind die zentralen Ursachen<br />

für die schlechte finanzielle Lage?<br />

Nach dem Weggang des bis zum Sommer<br />

2012 amtierenden Hauptberuflichen Vizepräsidenten<br />

(HVP) hat es bis zum 2. April eine Vakanz<br />

gegeben. Die Vertretung der elementaren<br />

Position in der Leitung von Finanzen und<br />

Personal und die seitens des MWK gestellten<br />

Fragen zur Haushaltslage haben die o.g. Ursachen<br />

erst in ganzem Umfang zutage treten<br />

lassen, insbesondere im Personalbereich. Die<br />

HBK hat sich seit 1998 in den drei Bereichen<br />

der Kunst, des Designs und der Wissenschaften<br />

zu einer international sehr erfolgreichen<br />

künstlerischen und wissenschaftlichen Hochschule<br />

entwickelt, deren Grundlage, im Unterschied<br />

zu anderen Kunsthochschulen, die<br />

Gleichberechtigung aller Studienbereiche ist.<br />

Dafür waren Gelder erforderlich, welche die<br />

HBK objektiv nicht hatte und darin ist die<br />

maßgebliche Ursache zu finden. Umgekehrt<br />

gesagt, ist die Hochschule gemessen an ihren<br />

Ambitionen unteralimentiert. Das MWK hat<br />

im Februar 2013 eine Art Zwangsverwaltung<br />

und Wiederbesetzungssperre verordnet, wenige<br />

Wochen vor dem Eintreffen des neuen<br />

HVP, d.h. Verträge konnten nur mit Ausnahmegenehmigung<br />

verlängert werden.<br />

Welche Möglichkeiten hat die HBK noch,<br />

um die Sparmaßnahmen zu umgehen?<br />

Erhoffen Sie sich einen positiven Einfluss<br />

durch den kürzlichen Regierungswechsel?<br />

Wir werden nun geschlossen im Rahmen des<br />

seit 2005 überfälligen Hochschulentwicklungsplans<br />

einen entsprechenden Sparplan<br />

vorlegen. Die Sparmaßnahmen müssen aber<br />

strukturellen Entscheidungen folgen. Anstatt<br />

innerhalb der Studiengänge zu sparen und<br />

damit die Qualität in Lehre und Forschung<br />

anzurühren, werden wir Studiengänge auslaufen<br />

lassen oder zusammenlegen müssen.<br />

Eine Umgehung der Sparmaßnahmen halte<br />

ich für unrealistisch, ein Entgegenkommen<br />

allerdings für möglich. Die Wissenschaftsministerin<br />

Frau Dr. Heinen-Kljajic sprach kürzlich<br />

von Leuchttürmen in der Kultur. Als einen<br />

Leuchtturm hatte auch ich mit meinem Amtsantritt<br />

im Oktober 2010 die HBK bezeichnet;<br />

um derart zu leuchten, haben wir die künstlerischen<br />

und geistigen Entsprechungen, nicht<br />

jedoch den erforderlichen Haushalt.<br />

Im Rahmen des HOK wurde der HBK die<br />

Schließung der Lehramts- sowie die Zusammenlegung<br />

der Designstudiengänge nahe<br />

gelegt. Wird es dazu jetzt kommen?<br />

Der Lehramtsstudiengang ist seinerzeit geschlossen<br />

worden, später im Zuge der Bologna-Reform<br />

wieder eröffnet und nun seit dem<br />

WS 2012/13 nach erneuten Veränderungen in<br />

einem sehr guten Modell mit einer kleinen Fakultas<br />

ganz neu begonnen worden. Ebenfalls<br />

wird der Lehramtsstudiengang Darstellendes<br />

Spiel im Verbund mit vier anderen Hochschulen<br />

des Landes geführt. Gesellschaftspolitisch<br />

gehört die Ausbildung für das Lehramt zu<br />

den Kernaufgaben einer künstlerischen Hochschule.<br />

Die Ausbildung muss aus der künstlerischen<br />

Praxis heraus erwachsen, die nirgendwo<br />

im Land besser <strong>als</strong> in den künstlerischen<br />

Hochschulen gegeben ist. Wir werden nun sehen<br />

müssen, ob wir uns beide Studiengänge<br />

leisten können und auch die Design-Studiengänge<br />

werden geprüft. Neben den erforderlichen<br />

Einsparungen im Personalbereich wird<br />

es Einsparungen im Bereich der Liegenschaften<br />

geben müssen. Grundsätzlich werden<br />

sämtliche, strukturell verankerten Einsparungen<br />

auf eine Zeitschiene bis zum Jahr 2020 gelegt.<br />

Die Summe von 900000 Euro ist jährlich<br />

nicht zu erwirtschaften. Bereits durch die für<br />

das Jahr 2013 vorgelegten Einsparungen von<br />

ca. 500000 Euro sind starke Einbrüche in der<br />

Qualität der Lehre und Forschung die Folge. #<br />

Foto: Maria Boger<br />

10


Campus<br />

Campus<br />

historie<br />

Geisterstunde<br />

in Braunschweig<br />

1747 spukte es im Collegium Carolinum<br />

Von Lisa Habelt<br />

Foto: Stadtarchiv Braunschweig<br />

Man möchte meinen, Gespenster<br />

gibt es nur in Filmen und<br />

Büchern. Doch auch in der Geschichte<br />

unserer Stadt finden sich einige<br />

seltsame Begebenheiten. So spukte<br />

es in Braunschweig angeblich im<br />

Collegium Carolinum, der Vorgängerinstitution<br />

der heutigen Technischen<br />

Universität.<br />

Wissenschaftlich untersucht und auf<br />

109 Seiten unter dem Pseudonym Adeifidaimone<br />

veröffentlicht, wurde die mysteriöse<br />

Geschichte von Theologie- und<br />

Geschichtsprofessor Johann Christoph<br />

Harenberg, der die Vorgänge dam<strong>als</strong><br />

selbst beobachtet hatte. Er schreibt in<br />

seinen Aufzeichnungen: „Diese sonderbare<br />

Erfahrung kann in der Lehre von<br />

den Geistern von großem Nutzen sein “.<br />

Folgendermaßen soll sich die Geschichte<br />

zugetragen haben: Es war im<br />

Jahre 1747, <strong>als</strong> die Schattengestalt des<br />

verstorbenen Hofmeisters Melchior<br />

Dörrien die Schule heimsuchte. Mehrere<br />

Male wurde der Geist erst von Studenten<br />

und schließlich auch von Professoren<br />

und Mitarbeitern gesichtet.<br />

Da Dörrien einige Schulden zu seinen<br />

Lebzeiten nicht mehr beglichen hatte,<br />

konnte seine Seele nach dem Tod<br />

Im alten<br />

Collegium<br />

Carolinum trieb<br />

ein Gespenst sein<br />

Unwesen<br />

scheinbar keine Ruhe finden und versuchte<br />

durch das immer wiederkehrende<br />

Auftauchen auf dieses Versäumnis<br />

hinzuweisen. Es dauerte einige Zeit, bis<br />

schließlich herausgefunden wurde, dass<br />

sich noch Bilder in Dörriens Besitz befanden,<br />

die er vor seinem Tod bei einem<br />

Bilderhändler geliehen hatte. Erst <strong>als</strong><br />

seine Familie letztendlich die Schulden<br />

beglich und die Bilder dem Eigentümer<br />

zurückgab, konnte der Geist seine verdiente<br />

Ruhe finden und ließ sich nicht<br />

mehr im Collegium Carolinum blicken.<br />

Bis heute konnte das Auftauchen dieser<br />

rätselhaften Gestalt nicht logisch erklärt<br />

werden. Harenbergs Vorliebe für<br />

das Überirdische zeigt auch sein frühes<br />

Werk „Vernünftige und Christliche<br />

Gedancken Uber die VAMPIRS Oder<br />

Bluhtsaugende Todten“.<br />

Nachzulesen ist der Bericht heute<br />

noch im Braunschweiger Universitätsarchiv.<br />

Wer <strong>als</strong>o mehr über den Braunschweiger<br />

Geist erfahren möchte, kann<br />

unter →is.gd/unigeist selbst einen Blick<br />

in die inzwischen digitalisierten Aufzeichnungen<br />

werfen. #<br />

11


Campus<br />

Festivalguide<br />

Der Sommer kommt und mit ihm die Zeit der Festiv<strong>als</strong> – Musik, Sonne und <br />

gute Laune. Doch für gute Festiv<strong>als</strong> muss man nicht in die Ferne schweifen.<br />

studi38 verschafft euch einen kleinen regionalen Überblick:<br />

Von Michaline Saxel<br />

Deichbrand Festival<br />

Wo: Seeflughaven Cuxhaven<br />

Wann: 18.-21. Juli<br />

Preis: 99 €<br />

Infos: deichbrand.de<br />

Genre: Rock, Hip-Hop, Pop, Alternative,<br />

Independent<br />

Headliner: Casper, Kraftklub, Sportfreunde<br />

Stiller, Die toten Hosen<br />

North Coast Festival<br />

Wo: Norddeich<br />

Wann: 30. August<br />

Preis: Kostenlos<br />

Infos: facebook.com/<br />

northcoastfestival<br />

Genre: Hip Hop, Rock,<br />

Indie, Elektro<br />

Headliner: Razz, Adam Tensta<br />

Reload Festival<br />

Wo: Sulingen<br />

Wann: 5.-7. Juli<br />

Preis: 75 €<br />

Infos: reload-festival.de<br />

Genre: Metal, Hardcore,<br />

Punk<br />

Headliner: Motörhead,<br />

Hatebreed, Papa Roach<br />

Buchtipp<br />

Autorin Christine Neder hat 40 Festiv<strong>als</strong> in 40<br />

Wochen besucht: Zum Beispiel den Partystaat<br />

KaZantip, die spanische Gemüseschlacht La<br />

Tomatina und das Penis-Festival in Japan.<br />

Ihr Fazit: „Feiern ist fühlen. Sich selbst fühlen.“<br />

Serengeti Festival<br />

Wo: Schloss Holte Stukenbrock<br />

Wann: 19.-21. Juli<br />

Preis: 83,39 € mit Zelten,<br />

77,89 € ohne Zelten.<br />

Infos: www.serengeti-festival.de<br />

Genre: Rock, Pop, Alternative, Metal<br />

Headliner: Seeed, Broilers<br />

Fuchsbau Festival<br />

Wo: Hannover<br />

Wann: 16.-18. August<br />

Preis: 18 €<br />

Infos: fuchsbau-festival.de<br />

Genre: House, Electronica, Independent,<br />

Electroswing<br />

12


Campus<br />

Hurricane<br />

Wo: Scheeßel<br />

Wann: 21.-23. Juni<br />

Preis: 149 €<br />

Infos: hurricane.de<br />

Genre: Rock, Alternative, Independent, Electro<br />

Headliner: Arctic Monkeys, Rammstein, Queens<br />

Of The Stone Age<br />

Fusion Festival<br />

Wo: Lärz<br />

Wann: 27.-30. Juli<br />

Preis: 70 € zzgl. 10 €<br />

Müllpfand<br />

Infos: fusion-festival.de<br />

Genre: Elektro, Hip Hop, Jazz,<br />

Rock, Punk, Metal, Ska, Reggae …<br />

Was: Festival für Musik, Theater, Performance-<br />

Kunst und vieles mehr.<br />

Sommerloch Festival<br />

Wo: Braunschweig<br />

Wann: 13.-25. Juli<br />

Preis: Kostenlos<br />

Infos: www.sommerloch-bs.de<br />

Was: Bunte Kultur, Politik,<br />

Party, Sport, Freizeit, Medien und<br />

Kulinarisches<br />

Fährmannsfest<br />

Wo: Hannover<br />

Wann: 2.-4. August<br />

Preis: 15 €<br />

Infos: faehrmannsfest.de<br />

Genre: Rock, Alternative, Independent<br />

Headliner: Fiddlers Green, Monsters of Liedermaching<br />

Rock unter den Eichen<br />

Wo: Bertingen<br />

Wann: 26.-27. Juli<br />

Preis 34 €<br />

Infos: rockunterdeneichen.de<br />

Genre: Rock, Metal<br />

Headliner: Grave, Asphyx<br />

Holi Festival Braunschweig<br />

Wo: Braunschweig, Bürgerpark<br />

Wann: 15. Juni<br />

Preis: 15 €<br />

Infos: holi-braunschweig.de<br />

Was: In Anlehnung an das indische<br />

Frühlingsfest, das <strong>als</strong> eines<br />

der ältesten Feste überhaupt gilt. Mit<br />

Live Acts aus der elektronischen Musikszene.<br />

Kurzfilmfest Durchgedreht 24<br />

Wo: Braunschweig<br />

Wann: 28.–30. Juni<br />

Preis: 10 €<br />

Infos: durchgedreht24.de<br />

Was: Kurzfilmfestival zum selber<br />

mitmachen, Kamera eingepackt<br />

und los geht’s!<br />

Zytanien Open Air Festival<br />

Wo: Zytanien<br />

Wann 23.-25. August<br />

Preis: 29,00 €<br />

Infos: www.zytanien.de<br />

Genre: Independent, Alternative, Rock,<br />

Akustik<br />

Fotos: Schwarzkopf & Schwarzkopf, Nina Hüpen-Bestendonk, Jochen Melchior, Andreas Hebestriet, Zeitfixierer, jeweilige Veranstalter<br />

13


Campus<br />

Studierende<br />

unerwünscht?<br />

Vom bisweilen harten Kampf um das Dach überm Kopf<br />

Von Annika Heller & Agata Sulik<br />

Illustrationen: Annika Heller, Foto: Privat<br />

14


Campus<br />

„Es gibt eine gewisse Anspannung:<br />

Wohnraum in Braunschweig ist stark<br />

nachgefragt.“<br />

Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer<br />

Antonio ist Erasmusstudent aus<br />

Spanien und kam im Winter<br />

nach Braunschweig. Er wollte<br />

für zwei Semester hier studieren und<br />

sich vor Ort um eine Wohnung kümmern.<br />

Die erste Nacht verbrachte Antonio<br />

mit einer Freundin im Hotel. „Am<br />

nächsten Tag erfuhr ich, dass es schwer<br />

werden würde hier ein Zimmer zu finden“,<br />

erklärt er. „Das Studentenwerk<br />

half mir nicht, weil ich mich zu spät<br />

meldete und auch die Universität konnte<br />

mir nicht weiterhelfen.“<br />

Nach einigen weiteren Nächten im<br />

Hotel konnte Antonio für ein paar Tage<br />

bei einem Bekannten, der im Urlaub<br />

war, unterkommen. Mittlerweile suchte<br />

er gemeinsam mit zwei anderen Erasmusstudierenden<br />

nach einer Wohnung.<br />

„Doch die Vermieter suchten alle Familien,<br />

keine Studenten-WGs und bei<br />

jeder Besichtigung gab es mindestens<br />

Hochschulstädte nach Höhe der<br />

durchschnittlichen <strong>Ausgabe</strong>n für<br />

Miete und Nebenkosten pro Monat<br />

Standort <strong>Ausgabe</strong>n für Miete<br />

München 348 €<br />

Hamburg 345 €<br />

Köln 333 €<br />

Berlin 298 €<br />

Wuppertal 297 €<br />

Hannover 285 €<br />

Marburg 279 €<br />

Braunschweig 273 €<br />

Göttingen 261 €<br />

Kassel 260 €<br />

Magdeburg 236 €<br />

Jena 233 €<br />

Dresden 223 €<br />

Chemnitz 210 €<br />

DSW/HIS 19. Sozialerhebung<br />

20 andere Bewerber.“ Nach einer Woche<br />

saßen die drei quasi auf der Straße.<br />

Wieder retteten sie persönliche Kontakte.<br />

Ein befreundetes Pärchen zog vorrübergehend<br />

zusammen, damit sie in ihrer<br />

Wohnung leben konnten – zu dritt<br />

in einem Zimmer. Nach vielen weiteren<br />

Besichtigungen gab die erste von ihnen<br />

auf und ging zurück nach Spanien.<br />

Erst zwei Monate später hat Antonio<br />

schließlich ein Zimmer im Studentenwohnheim<br />

bekommen und zieht ein<br />

ernüchterndes Resümee: „Wie mit mir<br />

umgegangen wurde, ist nicht gerecht<br />

für einen Ausländer, der die Sprache<br />

nicht kann und der nicht weiß, wie hier<br />

alles funktioniert.“ Antonios Geschichte<br />

ist womöglich ein extremes Beispiel<br />

für die Wohnungssuche in Braunschweig.<br />

Doch der Markt für günstige<br />

Wohnungen ist angespannt. Nicht nur<br />

in der Region, sondern deutschlandweit.<br />

Mittlerweile hat selbst die Politik<br />

den umkämpften Wohnungsmarkt<br />

<strong>als</strong> Wahlkampfthema für die kommende<br />

Bundestagswahl erkannt. Geplant<br />

sind unter anderem massive Bauprogramme<br />

und eine Beschränkung<br />

von Mieterhöhungen. Ob<br />

diese Maßnahmen tatsächlich<br />

umgesetzt werden und wann<br />

sie für Entspannung sorgen,<br />

bleibt offen. Klar<br />

ist: Wenn bezahlbarer<br />

Wohnraum eng<br />

wird, betrifft das<br />

auch Studierende.<br />

Zu Beginn des<br />

Wintersemesters<br />

lief beim AStA der<br />

TU Braunschweig<br />

deshalb die Aktion<br />

„Sofa-Frei“, bei der<br />

Studierende einen<br />

Schlafplatz für Erstsemester<br />

anbieten<br />

konnten, bis diese eine eigene Unterkunft<br />

gefunden haben.<br />

„Insgesamt konnten wir 40 Studierenden<br />

einen vorübergehenden Schlafplatz<br />

anbieten. Die Zahl der Bedürftigen<br />

dürfte aber weitaus höher liegen. Gerade<br />

ausländische Studierende haben oft<br />

Probleme auf dem Wohnungsmarkt, da<br />

viele Vermieter eine Bürgschaft fordern,<br />

die ausländische Studierende schwer erbringen<br />

können“, erklärt Anne Schicke<br />

vom AStA der TU. In der Verantwortung<br />

für die Wohnungsnot sieht Schicke<br />

auch die Niedersächsische Landesregierung.<br />

„Die Studentenwerke sind<br />

seit Jahren dramatisch<br />

unterfinanziert.<br />

Sie benötigen aber finanzielle<br />

Mittel, um<br />

neue Studenten- →<br />

15


Campus<br />

„Es gibt keine negativen Erfahrungen<br />

mit Studenten in unserem Wohnbesitz,<br />

nur Gründe, die dafür sprechen Studenten<br />

nach Salzgitter zu holen.“<br />

SZitty-Pressesprecher Günter Ott<br />

wohnheime bauen zu können. Das würde<br />

den gesamten Wohnungsmarkt entlasten<br />

und davon würden nicht nur die<br />

Studierenden profitieren.“<br />

Und tatsächlich: Auch das Studentenwerk<br />

Braunschweig bewertet die<br />

Wohnsituation in Braunschweig <strong>als</strong> angespannt.<br />

„Vor allem günstiger Wohnraum<br />

ist nur schwer zu finden. Beim<br />

Studentenwerk sind derzeit alle Wohnheime<br />

belegt. Auf der Warteliste stehen<br />

aktuell 400 Bewerber, wobei die Zahlen<br />

in ein paar Tagen schon wieder ganz anders<br />

aussehen können“, sagt Pressesprecherin<br />

Petra Syring.<br />

Was verwundert: Wirft man einen<br />

Blick in Zeitung oder Internet, findet<br />

man Wohnungsangebote zuhauf. „Insgesamt<br />

ist der Wohnungsmarkt im<br />

Gleichgewicht, wir haben im Mietspiegel<br />

keine sprunghaften Bewegungen“,<br />

betont auch Stadtbaurat Heinz-Georg<br />

Leuer. Das zeigt auch die Mietpreissteigerung<br />

der letzten Jahre. Im Vergleich<br />

zu anderen Großstädten ist sie eher moderat<br />

geblieben. Braunschweig taucht<br />

in der jährlich erstellten „F+B“-Studie<br />

Diese Zuschrift<br />

von Lisa Krusche<br />

war der Startschuss<br />

für unsere<br />

Recherche.<br />

→is.gd/LisaK<br />

(Forschung und Beratung für Wohnen,<br />

Immobilien und Umwelt GmbH) regelmäßig<br />

nicht unter den ersten 100 Städten<br />

auf, in denen die höchsten Mieten<br />

zu zahlen sind.<br />

Aber auch Leuer bestätigt, „dass<br />

es eine gewisse Anspannung gibt:<br />

Wohnraum in Braunschweig ist stark<br />

nachgefragt.“<br />

Und wenn ein Vermieter die Wahl<br />

hat, entscheidet er sich womöglich eher<br />

für das im Berufsleben stehende Paar<br />

<strong>als</strong> für die studentische Wohngemeinschaft.<br />

Doch woran liegt das?<br />

studi38 hat sich umgehört und von<br />

abenteuerlichen Zuständen und Fällen<br />

erfahren. Zwei Studenten rufen bei einem<br />

Vermieter an. Als dieser erfährt,<br />

dass sie eine Zweier-WG gründen wollen,<br />

wird ohne weitere Nachfragen<br />

aufgelegt. Wohnungen<br />

in schlechtem Zustand<br />

werden zu unangemessenen<br />

Preisen angeboten,<br />

weil Vermieter<br />

sich der schwierigen<br />

Lage der Studenten<br />

bewusst sind und das<br />

ausnutzen wollen.<br />

Ähnliche Erfahrungen<br />

hat auch<br />

Lisa Krusche gemacht:<br />

„Dreckig,<br />

laut, unzuverlässig.<br />

dauerpleite und mit einer latenten<br />

Zerstörungswut behaftet“, waren die<br />

Vorurteile, derer sie sich bei der Wohnungssuche<br />

ausgesetzt sah.<br />

Andere Studierende erzählten<br />

von einer Wohnungsbaugenossenschaft,<br />

die flächendeckend keine<br />

neuen Hauptmieter in ihre Mietverträge<br />

aufnimmt und damit vorhandene<br />

Wohngemeinschaften nach und<br />

nach aus ihren Immobilien drängt. Ein<br />

gesamter Wohnblock wird so angeblich<br />

für Studierende unzugänglich gemacht.<br />

Und in der Tat hat der damalige<br />

Eigentümer der Immobilie aufgrund<br />

schlechter Erfahrungen versucht die<br />

Bildung von WGs zu minimieren. Gründe<br />

seien „erhebliche Probleme mit den<br />

Vertragsbegebenheiten bei mehreren<br />

Mietern, ständiger Wechsel in der Bewohnerschaft<br />

und kaum Rückmeldung<br />

an den Vermieter.“ Dies hätte zu einem<br />

erhöhten Verwaltungsaufwand geführt,<br />

heißt es schriftlich auf Nachfrage. „Von<br />

dem Zustand der Mietsache nach Beendigung<br />

des Vertrages, der Mieternebenpflichten<br />

wie Treppenhausreinigung,<br />

etc. sowie Lärmbelästigung mal ganz<br />

abzusehen.“ Vor Kurzem hat die ‚Deutsche<br />

Wohnen‘ sämtliche Wohneinheiten<br />

übernommen und steht für einen<br />

Strategiewechsel. „Wir begegnen<br />

potenziellen Mietern diskriminierungsfrei.<br />

Solange<br />

die Miete regelmäßig gezahlt<br />

und das Mietrecht<br />

eingehalten wird, freuen<br />

wir uns auch über<br />

WGs in unseren Wohnungen“,<br />

erklärt die<br />

Leiterin der Unternehmenskommunikation<br />

Manuela<br />

Damianakis.<br />

Natürlich gibt es auch andere<br />

Privatvermieter sowie Genossenschaften,<br />

die kein rotes Tuch sehen,<br />

sobald Studierende bei ihnen<br />

eine WG gründen wollen.<br />

Zum Beispiel die Nibelungen<br />

Wohnbau<br />

GmbH. Sie bietet<br />

seit 2004<br />

sogar einen<br />

besonderen<br />

Studententarif an,<br />

bei dem Studenten<br />

Illustrationen: Annika Heller, Fotos: Privat<br />

16


Campus<br />

„Studierende haben sich <strong>als</strong> eine<br />

sehr zahlungssichere Zielgruppe<br />

herausgestellt. Die Ausfallquote<br />

liegt praktisch bei 0 Prozent.“<br />

Detlef Dürrast, Geschäftsführer Wohnbau Salzgitter<br />

25 Prozent Ermäßigung auf die Grundmiete<br />

bekommen. „Bei der derzeitigen<br />

Lage auf dem Braunschweiger Wohnungsmarkt<br />

mit wenigen Angeboten an<br />

kleineren, bezahlbaren Wohnungen ist<br />

eine Wohngemeinschaft eine Alternative,<br />

über die sich nachzudenken lohnt.<br />

Im Bereich der 2- bis 3-Zimmer-Wohnungen<br />

gibt es nach wie vor ein deutlich<br />

größeres Angebot. Hier hat man<br />

die Möglichkeit, bei der Miete zu sparen,<br />

ohne lange auf eine freie Wohnung<br />

warten zu müssen“, erklärt Uwe Jungherr,<br />

der Ansprechpartner für das Kundenmagazin<br />

der Nibelungen. Auch die<br />

Genossenschaft SZitty in Salzgitter bietet<br />

spezielle Tarife für Studierende an:<br />

„Wir begrüßen Studenten in unseren<br />

Wohnungen. Salzgitter braucht junge<br />

Leute. Fast ein Drittel der dort lebenden<br />

Menschen sind über 60 Jahre alt“,<br />

erklärt Pressesprecher<br />

Günter Ott. Und<br />

überhaupt: „Es gibt<br />

keine negativen Erfahrungen<br />

mit Studenten<br />

in unserem<br />

Wohnbesitz, nur<br />

Gründe, die dafür<br />

sprechen<br />

Studenten<br />

nach Salzgitter<br />

zu holen.<br />

Das belebt<br />

die Stadt und<br />

führt zu neuen<br />

sozialen Kontakten<br />

in jedem Lebensbereich.“<br />

Die<br />

Wohnbau Salzgitter<br />

hat die werdenden<br />

Akademiker <strong>als</strong> Mieter<br />

schon seit Jahren im<br />

Blick und „überwiegend<br />

positive“ Erfahrungen mit<br />

Studierenden gemacht: „Sie haben<br />

sich <strong>als</strong> eine sehr zahlungssichere<br />

Zielgruppe herausgestellt. Die Ausfallquote<br />

liegt praktisch bei 0 Prozent. Erfreulich<br />

ist auch das Auftreten und das<br />

Verhalten in den Hausgemeinschaften,<br />

das funktioniert sehr vorbildlich“, erklärt<br />

Wohnbau-Geschäftsführer Detlef<br />

Dürrast.<br />

Also doch alles palletti auf dem<br />

Braunschweiger Wohnungsmarkt? Fest<br />

steht: Die Aussagen von Vermietern<br />

und Studierenden auf Wohnungssuche<br />

lassen sich nicht immer synchronisieren.<br />

Denn, wenn tatsächlich alle Vermieter<br />

gerne Studierende <strong>als</strong> Mieter<br />

aufnehmen würden, dürften für diese<br />

Wohnungssuche wohl kaum zur Zerreißprobe<br />

werden. Es gibt sie wohl, die<br />

Vorurteile, wie sie Lisa Krusche und anderen<br />

entgegegen gegenschlagen sind.<br />

Natürlich gibt es auch Vermieter, die<br />

Interessenten auf der Suche nach<br />

einer Wohnung unvoreingenommen<br />

begegnen und sie<br />

nicht in Schubladen einsortieren.<br />

Und: Die Löwenstadt<br />

ist nicht München<br />

oder Hamburg. Deutschlands<br />

Metropolen üben<br />

eben doch noch einen<br />

anderen Reiz aus <strong>als</strong><br />

unsere beschauliche<br />

Provinzstadt. Deshalb sind<br />

die Mieten hier im Vergleich<br />

zu anderen Großstädten<br />

bezahlbar und Notlager<br />

in Sporthallen oder campierende<br />

Studierende wird man<br />

wohl auch in Zukunft nicht zu<br />

Gesicht bekommen. Das bleibt<br />

jedenfalls zu hoffen.<br />

Denn eine Studentenstadt wie<br />

Braunschweig sollte sich werdenden<br />

Akademikern gegenüber besser<br />

einladend präsentieren, wenn<br />

sie es tatsächlich ernst meint mit Superlativen<br />

wie der höchsten Forschungsdichte<br />

Europas. Der lausige Studierende<br />

von heute ist schließlich der Wissensarbeiter<br />

von morgen und wird spätestens<br />

nach dem Abschluss zum umworbenen<br />

Standortvorteil. Sonst geht es Braunschweig<br />

am Ende, wie von Lisa Krusche<br />

angedroht: „Ich will mich nicht jedes<br />

Mal nach einem weiteren Suchversuch<br />

klein, wertlos und schlecht fühlen.<br />

Wenn es so weitergeht, Braunschweig,<br />

muss ich mich trennen. Andere Städte<br />

haben schöne Wohnungen …“ #<br />

17


Campus<br />

Outdoor-<br />

Paradies Harz?<br />

Der Harz – geografisch so nah am Campus. Trotzdem kennen viele Studierende nicht die Möglichkeiten,<br />

die das Mittelgebirge bietet. Liegt im Harz <strong>als</strong>o ein ungenutztes Potential zur Freizeitgestaltung oder ist die<br />

Region doch eher für die ältere Generation interessant? studi38 hat sich für euch dort umgesehen und die<br />

Angebote unter die Lupe genommen.<br />

Von Stefanie Lipka<br />

18


Campus<br />

Megazipline<br />

Hochseilgarten<br />

Fotos: TourismusMarketing Niedersachsen GmbH (TMN) / Peter Hamel, Johan G, badkleinkirchheim, Harzer Tourismusverband, Francis Lesage, Veranstalter<br />

An der höchsten Staumauer Deutschlands, der Rappbodet<strong>als</strong>perre,<br />

bietet die Megazipline Adrenalin pur. An zwei Stahlseilen<br />

mit einer Länge von 1000 Meter können Wagh<strong>als</strong>ige<br />

mit dem Kopf voraus über’s Tal fliegen und Spitzengeschwindigkeiten<br />

von 70 km/h erreichen. Der Flug kostet 39 Euro.<br />

Survival<br />

Survialkurse im Harz: Das heißt, Feuer<br />

machen ohne Streichhölzer, Trinkwasser<br />

und Essbares finden oder den Umgang<br />

mit Kompass und Karte lernen.<br />

Mountainbiking<br />

Paragliding<br />

Für Biker gibt es im Harz viele ausgeschilderte Routen und<br />

Bikeparks, die darauf warten, erkundet zu werden. Entlang<br />

der vorgegebenen Strecken laden zahlreiche Unterkünfte<br />

und Einkehrmöglichkeiten zur Erholung ein.<br />

Den Harz mit dem Gleitschirm von<br />

oben zu entdecken, verspricht fantastische<br />

Panoramen. Ein Tandemflug kostet<br />

in Bad Harzburg 40 Euro.<br />

Für Kletterer jeder Altersklasse gibt es fünf verschiedene<br />

Hochseilgärten im Harz. Der Skyrope Hochseilpark in<br />

Bad Harzburg gehört zu den größten und vielfältigsten<br />

in Deutschland. Zwei Stunden klettern kosten dort<br />

20 Euro pro Person.<br />

Tauchen<br />

Schneeschuhwandern<br />

Mit Schneeschuhen kann man im Winter<br />

fast wie Legolas über den Schnee<br />

laufen. In geführten Tourern oder allein<br />

lässt sich so der Harz erkunden.<br />

Tauchen im Harz? Aber sicher! Zahlreiche Stau- und Bergseen<br />

sind interessante Tauchziele. Zum Beispiel der Sundhäuser<br />

See, wo Tauchgänge zu versenkten Kutterwracks<br />

oder Schatzsuchen im Angebot stehen.<br />

19


Campus<br />

Downhill<br />

In insgesamt 4 Downhill-Parks können<br />

Biker sich im Harz austoben. Der Bikepark<br />

Braunlage bietet beispielsweise<br />

auf 7 Strecken 18 Kilometer Fahrspaß.<br />

Studenten bekommen die 5-points-Karte<br />

dort für 13 Euro.<br />

Bergsteigen<br />

Norddeutschlands höchstes Mittelgebirge<br />

bietet Klettersportlern zahlreiche<br />

interessante Routen. Die unterschiedlichen<br />

Gesteinsarten und Schwierigkeitsgrade<br />

richten sich an Anfänger<br />

wie auch Fortgeschrittene.<br />

Abfahrt<br />

Das größte Skigebiet im Harz ist der<br />

Wurmberg in Braunlage. Neben einer<br />

Seilbahn gibt es zahlreiche Lifte für die<br />

insgesamt 7 Abfahren. Aktuell werden<br />

hier 8 Millionen Euro investiert. Der<br />

Skipass kostet Studierende 22 Euro.<br />

Monsterroller<br />

Als Alternative zum Mountainbike bieten sich die Monsterroller an. Vom Wurmberg<br />

geht es auf den überdimensionalen Tretrollern mit großen Profilreifen rund<br />

5 Kilometer und 411 Höhenmeter hinab ins Tal. Der Preis von 15 Euro beinhaltet<br />

neben Roller und Helm auch die Seilbahnfahrt auf den Wurmberg.<br />

Wallrunning<br />

Alle, die Höhe lieben, können die<br />

Rappbodet<strong>als</strong>perre auch herunterlaufen.<br />

Der James-Bond-mäßige Abstieg<br />

am Sicherungsseil kostet 49 Euro.<br />

Fotos: Harzer Tourismusverband, Stefanie Lipka, Veranstalter<br />

20


AUSSTRAHLUNG<br />

AM 29.04.<br />

UM 18 UHR<br />

AUF STUDIO38.TV<br />

UND TV38<br />

Deine Diskussionsrunde<br />

Campus Talk<br />

AUSLANDSSEMESTER – WELCHE KONSEQUENZEN<br />

HAT DIES AUF MEINE BEZIEHUNG?<br />

Diskutiere mit Experten live am 16.04. um 18 Uhr<br />

Richard-Wagner-Str. 1–2 in Braunschweig!<br />

Schick uns deine Fragen<br />

bitte vorab an<br />

→ studi38@bzv.de<br />

Weitere Infos unter<br />

Tel.: 0531/39 00 193<br />

→ www.studi38.de


Campus<br />

Taxigespräche<br />

Unser Redakteur Muhtesin studiert Lehramt an der TU und<br />

finanziert sein Studium <strong>als</strong> Taxifahrer. Weil seine Eltern aus<br />

der Türkei stammen wird der gebürtige Salzgitteraner kommt<br />

es dabei immer wieder zu Gesprächen über Herkunft, Heimat<br />

und Hautfarbe. Zwei erzählt er uns hier …<br />

Von Muhtesin Sogukpinar<br />

Integrationsgespräch 1<br />

Drei Jungs im besten Teenageralter steigen<br />

zu mir ins Auto und nennen eine<br />

Gegend <strong>als</strong> Bestimmungsort, die in meiner<br />

Branche einen eher zweifelhaften<br />

Ruf besitzt.<br />

Sie wechseln ein paar Worte in türkischer<br />

Sprache miteinander und nennen<br />

mir dann auf Deutsch das Fahrziel.<br />

Während ich das Fahrzeug durch<br />

den Verkehr lenke, werde ich eine Weile<br />

von meinem Beifahrer gemustert. Offensichtlich<br />

ist ihm meine Hautfarbe<br />

aufgefallen.<br />

„Entschuldigen Sie die Frage,“ richtet<br />

er das Wort an mich, „aber sind Sie<br />

Türke?“<br />

„Nein“, antworte ich wahrheitsgemäß<br />

und erwidere die Frage mit einem „Du?“<br />

„Ja“, nickt er, „und ich bin stolz darauf.“<br />

Er blickt mich herausfordernd an.<br />

Ich: „Du hast einen türkischen Pass?“<br />

Er: „Nein.“<br />

Ich: „Du bist in der Türkei geboren?“<br />

Er: „Nein.“<br />

Ich: „Aber ihr drei sprecht untereinander<br />

türkisch?“<br />

Er: „Nein. Wir sprechen deutsch. Zuhause<br />

mit unseren Eltern reden wir alle türkisch.<br />

Aus Gründen des Respekts.“<br />

Ich: „Na gut. Und in welcher Sprache<br />

denkst du?“<br />

Er (nach kurzem Grübeln): „Auf<br />

Deutsch.“<br />

Ich: „Okay. Wie ist das denn, wenn ihr<br />

in den Urlaub in die Türkei fahrt, hast<br />

du dann das Gefühl, dass die Menschen<br />

dich dort <strong>als</strong> Türke wahrnehmen?“<br />

Er: „Nein, für die bin ich Deutscher.“<br />

Ich: „Und wie oft warst du schon in der<br />

Türkei?“<br />

Er: „Fünf Mal. Wir fahren nicht so oft.“<br />

Ich: „Also halten wir mal fest: Du bist<br />

in Deutschland geboren. Du hast einen<br />

deutschen Pass. Du denkst in deutscher<br />

Sprache. Aber dennoch sagst du, du bist<br />

Türke, obwohl du dort <strong>als</strong> Fremder gesehen<br />

wirst. Hm. Irgendwie komisch,<br />

oder?“<br />

Er: „Das wurde mir so beigebracht zuhause.<br />

Und in der Schule sagten die<br />

Deutschen auch, dass ich Türke bin.“<br />

Ich würde ihm gerne sagen, dass er<br />

meiner Meinung nach nochmal in<br />

Ruhe darüber nachdenken sollte, was<br />

seine Heimat ist. Aber es ist schwierig<br />

auf unserer kurzen Wegstrecke ein<br />

solch komplexes Thema zu diskutieren.<br />

Stattdessen nenne ich den Fahrpreis,<br />

der anstandslos gezahlt wird und bleibe<br />

mit einem unbefriedigten Gefühl<br />

zurück.<br />

Illustrationen: Annika Heller<br />

22


Campus<br />

Integrationsgespräch 2<br />

Samstag. Es ist tief in der Nacht und ich<br />

fahre ein Ehepaar um die 60 heim. Sie<br />

haben beim Einsteigen keine Probleme<br />

gehabt, was auf gute körperliche Verfassung<br />

schließen lässt. Die für diese späte<br />

Stunde charakteristische Alkoholfahne<br />

bei einem Großteil meiner üblichen<br />

Fahrgäste kann ich bei ihnen nicht ausmachen.<br />

Entweder sie sind starke Alkoholiker,<br />

die gut darin sind ihre Sucht zu<br />

verstecken oder sie sind nüchtern. Ich<br />

tippe auf letzteres. Insgesamt machen<br />

sie einen gepflegten, ja geradezu akkuraten<br />

Eindruck, sodass ich keine Zahlungsschwierigkeiten<br />

erwarte. Alles in<br />

allem verspricht es <strong>als</strong>o eine entspannte<br />

Fahrt zu werden. Recht schnell kommt<br />

es zu dem üblichen Ping-Pong-Gespräch:<br />

- Machen sie das hauptberuflich?<br />

- Hat sich schon einmal jemand in ihrem<br />

Auto übergeben?<br />

- Was verdient man so <strong>als</strong> Taxifahrer?<br />

Ich antworte beinahe ausschließlich<br />

wahrheitsgemäß, nur meinen studentischen<br />

Background verschleiere ich.<br />

Meistens führt die Nennung meines bildungstechnischen<br />

Status dazu, dass die<br />

Fahrerzunft am Ende <strong>als</strong> Arbeit zweiter<br />

Klasse degradiert wird. Dazu bin ich im<br />

Augenblick nicht in Stimmung.<br />

Es entsteht eine<br />

Pause, die mir<br />

nicht unangenehm<br />

ist, denn die wesentlichen Floskeln<br />

haben Erwähnung gefunden und<br />

allzu lange dauert die Tour auch nicht<br />

mehr. Allerdings wird die Phase der<br />

Ruhe durch die Frau unterbrochen: „Sagen<br />

Sie, wo kommen Sie denn her?“<br />

„Ich bin aus Salzgitter.“<br />

Daraufhin entgegnet sie: „Ja, aber wo<br />

sind sie ursprünglich her? Sie sind<br />

ja viel zu braun um aus Salzgitter zu<br />

kommen.“<br />

Ihrer Stimme schwingt etwas Undefinierbares<br />

mit, das mich in Alarmbereitschaft<br />

versetzt. Da ich bereits bei<br />

meinem studentischen Dasein gelogen<br />

habe und keine Lust habe, die Geschichte<br />

aufzutischen, in der meine<br />

Eltern rechtschaffende Altdeutsche waren,<br />

deren einziges Vergehen war, einen<br />

indischen Milchmann zu beschäftigen,<br />

entschließe ich mich bei der Wahrheit<br />

zu bleiben: „Meine Eltern sind aus der<br />

Türkei, wenn Sie das meinen. Sie haben<br />

sich hier niedergelassen, wo ich auf die<br />

Welt kam. Ich bin <strong>als</strong>o aus Salzgitter.“<br />

„Und, wie finden Sie es in Deutschland?“<br />

„Es gefällt mir hier ganz gut.“<br />

Erfreut sagt sie: „Ja, das merkt man. Sie<br />

sprechen auch sehr gut Deutsch.“<br />

„Danke. Ihr Deutsch ist auch gar<br />

nicht so übel,“ erlaube ich mir<br />

zu antworten, doch meine<br />

wohldosierte Spitze<br />

zieht an ihr vorbei,<br />

denn sie hakt ohne Umschweife nach:<br />

„Und? Wollen Sie irgendwann zurück?“<br />

„Zurück? Ich?“ frage ich nach, unsicher,<br />

ob sie meine Eltern oder mich meint.<br />

„Ja, in die Türkei. Wollen Sie irgendwann<br />

wieder zurück in ihre Heimat?“<br />

wiederholt sie. Ich bin genervt, wahre<br />

aber die Höflichkeit und versuche zu erklären:<br />

„Wir sind in Salzgitter, meiner<br />

Heimat. Hier ist es nicht immer rosig,<br />

aber ich fühle mich dennoch zuhause.“<br />

„Aber da ist das Wetter bestimmt viel<br />

schöner, vielleicht sollten Sie es sich<br />

überlegen, wieder zurückzukehren.“<br />

Ich bin auf einer naiven Weise der Meinung,<br />

dass sie es irgendwie gut meint,<br />

deswegen unternehme ich einen allerletzten<br />

Versuch, während ich das Fahrzeug<br />

in die Straße lenke, zu der sie wollen:<br />

„Bestimmt ist das Wetter in der<br />

Türkei wesentlich besser. Aber ‚zurückkehren‘<br />

passt in dem Zusammenhang<br />

nicht, weil ich ja nicht aus dem Land<br />

meiner Eltern komme.“<br />

Es folgt kurzes Schweigen, ich bringe<br />

den Wagen zum Stehen und nenne den<br />

Fahrpreis. Während sie aussteigt, zahlt<br />

er. „Ich würde es mir überlegen, da sind<br />

die Menschen bestimmt viel netter,“<br />

sagt er zum Abschluss<br />

und folgt seiner<br />

Frau. #<br />

23


Campus<br />

Fotos: pixabay.com, Qiaochu Sun<br />

Boxen vor dem K.O.?<br />

DIE GEMA plant eine Gebührenreform, die Club- und Diskothekenbetreiber<br />

teuer zu stehen kommen könnte<br />

Von Raphael Berendes & Manuel Dierkes<br />

Jeder kennt es von uns – dieses Gefühl<br />

zu feiern. Die pure Ekstase bei<br />

beschallender lauter Musik bereitet<br />

ein Glücksgefühl. Dazu kommt der<br />

fließende Alkohol, der durch seine Wirkung<br />

jede Party noch einmal drastisch<br />

anheizt. Wenn man morgens aufwacht,<br />

wundert man sich, wie leer die eigene<br />

Geldbörse auf einmal ist. Doch bald<br />

könnte es uns noch viel schlimmer treffen,<br />

wenn die GEMA (Gesellschaft für<br />

musikalische Aufführungs- und mechanische<br />

Vervielfältigungsrechte) ihre Pläne<br />

zur Gebührenerhöhung tatsächlich<br />

umsetzt.<br />

Die GEMA verpflichtet jeden Veranstalter,<br />

Inhaber einer Discothek oder<br />

jeglichen Betreiber einer öffentlichen<br />

Veranstaltung mit verbreiteter Musik<br />

eine Abgabe zu zahlen, um diese an<br />

die Künstler und Produzenten weiterzuleiten.<br />

Kurz gesagt, bekommen Musikkünstler<br />

einen Verdienst für Ihre<br />

produzierten Werke. Dieser Kostenbeitrag<br />

richtet sich derzeit nach der Größe<br />

des Veranstaltungsraumes und der<br />

Höhe des Eintrittsgeldes. So errechnet<br />

sich beispielsweise der Kostenbeitrag<br />

einer Veranstaltung in einer Diskothek<br />

anhand der Größe des Raumes<br />

24


Campus<br />

je 100 Quadratmeter und des Eintrittsgeldes<br />

ab drei Euro in Ein-Euro-Schritten.<br />

Dazu kommen standardmäßig der<br />

GVL-Zuschlag (Gesellschaft zur Verwertung<br />

von Leistungsschutzrechten) sowie<br />

der Zeit- und Vervielfältigungszuschlag.<br />

Klingt kompliziert. Ist es auch. Deshalb<br />

forderten laut GEMA die Politik, die<br />

Öffentlichkeit und einzelne Verbände<br />

eine Lichtung des Tarifwaldes. Daraufhin<br />

wurden zehn zu zwei Tarifen<br />

zusammen gefasst. Einen<br />

Tarif für die Tonträgerwiedergabe,<br />

wie es in Diskotheken<br />

oder Clubs üblich ist und einen<br />

Tarif für Live-Konzerte,<br />

sofern Musikstücke von anderen<br />

Künstlern gespielt werden.<br />

Die Zusammenfassung<br />

der einzelnen Tarife bewirkt<br />

eine Vergünstigung für einzelne<br />

Veranstaltungen mit<br />

niedriger Raumgröße, aber<br />

gleichzeitig eine höhere Vergütung<br />

für viele andere, vor<br />

allem größere Veranstaltungen.<br />

Besonders drastisch sieht<br />

die Lage für Club- und Diskothekenbetreiber<br />

aus. Ihnen<br />

drohen Gebührenerhöhungen<br />

von bis zu 3500 Prozent,<br />

wenn man den Berechnungen<br />

des Deutschen Hotelund<br />

Gaststättenverbandes (DEHOGA)<br />

glaubt. Dieser wirft der GEMA vor, ihre<br />

„Monopolstellung für radikale Tarifreformen“<br />

zu missbrauchen. Die GEMA<br />

verteidigt sich und spricht weiter von<br />

Vergünstigungen für viele Veranstalter.<br />

Dieses Gebühren- und Argumentationsdickicht<br />

zu durchschauen ist schwer.<br />

Fest steht: Viele Veranstalter kritisieren<br />

die Reform und sind gegen eine Einführung<br />

der neuen Tarife. Tim Lemke,<br />

der Geschäftsführer der Strauss & Lemke<br />

GmbH, Discotier GmbH und Gastro<br />

GmbH in Braunschweig ist, sieht es<br />

noch gelassen. „Momentan gelten noch<br />

die alten Verträge. Im Juni 2013 wird es<br />

neue Auflagen der GEMA geben – wir<br />

wissen jedoch nicht was uns erwartet.<br />

Es gibt noch keine konkreten Forderungen.“<br />

Sollte es wirklich zur Reform<br />

kommen, könnte das zu finanziellen<br />

Schwierigkeiten bei den Clubs und Diskotheken<br />

in Deutschland führen. Um<br />

den neuen Tarifforderungen zu begegnen,<br />

müssten Veranstalter wohl neue<br />

Strategien entwickeln. Eine Option<br />

wäre die Erhöhung des Eintritts- oder<br />

Getränkepreises.<br />

„Wir warten erst einmal in Ruhe ab,<br />

wie sich die Großen der Branche verhalten.<br />

Wahrscheinlich ziehen erst die<br />

Konzertveranstalter vor Gericht. Ich<br />

hoffe, dass wir am Ende mit einem blauen<br />

Auge davonkommen. Deutlich höhere<br />

Kosten würden auf jeden Fall massive<br />

Einschnitte für uns bedeuten“, betont<br />

Lemke, der in Braunschweig neun Bars<br />

und Diskotheken betreibt. Unter anderem<br />

das 42° Fieber, das Schwanensee,<br />

den Lindbergh Palace, das Pantone und<br />

das Sonnendeck Süd.<br />

Das Reformvorhaben der GEMA wirkt<br />

sich auch auf DJs, wie J.N.S, aus. „Sicherlich<br />

werden Clubbetreiber auch anfangen,<br />

bei den Personalkosten und Gagen<br />

zu sparen. Nur sind gemeinhin unsere<br />

Gagen von den richtigen Stars mal abgesehen<br />

nicht so hoch, wie man vermuten<br />

mag. Von einer Kürzung wären <strong>als</strong>o viele<br />

DJs in ihrer Existenz bedroht.“ J.N.S.,<br />

der eigentlich Jens heißt und vor allem<br />

Electro auflegt sieht die größere Bedro-<br />

hung für die DJs im so genannten VR-Ö-<br />

Tarif, der am 1. April in Kraft getreten<br />

ist. „Wir müssen seitdem pro Track, den<br />

wir zum Auflegen mitnehmen 13 Cent<br />

zahlen. Aber nicht nur einmalig, sondern<br />

bei jedem Kopiervorgang. Da ist<br />

ein absolut hanebüchenes Regelwerk<br />

entworfen worden, nach dem wir für<br />

bereits gekaufte Tracks und Songs zahlen<br />

müssen.“.<br />

„Ein Clubsterben ist<br />

da leider kein<br />

unrealistisches<br />

Szenario.“<br />

DJ J.N.S.<br />

Auch Städte und Kommunen<br />

sind gegen das neue Vorhaben<br />

der GEMA. Es wird vor<br />

einer Katastrophe für die Veranstalter<br />

gewarnt. Insbesondere<br />

der DEHOGA protestiert<br />

und erwirkte, den Fall in einem<br />

Gerichtsverfahren vor<br />

der Schiedsstelle des deutschen<br />

Patent- und Markenamtes<br />

zu klären. Seit Dezember<br />

2012 läuft die Verhandlung<br />

und hat bereits ein erstes Ergebnis<br />

geliefert: Nach aktuellen<br />

Informationen wurde<br />

die geplante Gebührenerhöhung zunächst<br />

verhindert und zumindest für<br />

2013 eine Übergangsregelung zwischen<br />

der GEMA und der Bundesvereinigung<br />

der Musikveranstalter festgelegt. Diese<br />

sieht eine Gebührenerhöhung von<br />

5 Prozent für alle Veranstalter und von<br />

weiteren 10 Prozent für Club- und Diskothekenbetreiber<br />

ab dem 1. April<br />

vor. Der DEHOGA wertet dies <strong>als</strong> Erfolg<br />

und deren Präsident Ernst Fischer<br />

betont: „Mit dieser Lösung ist zumindest<br />

für 2013 die Zeit der existenziellen<br />

Ängste vieler Veranstalter beendet.“<br />

GEMA-Vorstandsmitglied Georg Oeller<br />

spricht von einer „Übergangsvereinbarung“<br />

und nennt <strong>als</strong> voraussichtlichen<br />

Einführungstermin von neuen Tarifstrukturen<br />

den 1. Januar 2014. Vom<br />

Tisch ist die geplante Reform damit<br />

noch lange nicht … #<br />

25


Campus<br />

„Eine Gebührenerhöhung<br />

ist wahrscheinlich“<br />

Anwalt Jens O. Brelle über den Rechtsstreit zwischen GEMA und DEHOGA<br />

Von Holger Isermann<br />

Die GEMA spricht von einer Vereinfachung<br />

des Gebührenmodels, bei der viele Veranstalter<br />

sparen würden. Der DEHOGA macht<br />

dagegen mit Beispielrechnungen Stimmung<br />

gegen die Reform, die astronomische<br />

Ratenerhöhungen voraussagen. Wer<br />

hat Recht?<br />

Grundsätzlich ist es natürlich einfacher, wenn<br />

es statt vielen einzelnen Tarifen nur noch zwei<br />

Tarife gibt. Der Tarifdschungel der GEMA<br />

war so undurchsichtig, dass auch Profis Probleme<br />

hatten, den richtigen Tarif zu finden. Die<br />

GEMA versucht, ihr neu geschaffenes Tarifmodell<br />

zu verteidigen und der DEHOGA versucht<br />

wiederum dagegen anzugehen und kritisiert<br />

vor allem auch, dass die GEMA ihre Monopolstellung<br />

ausnutzt. Wahrscheinlich liegt die<br />

Wahrheit irgendwo dazwischen. Eine Tarifreform<br />

war in jedem Fall notwendig, aber es<br />

war auch abzusehen, dass nicht jeder damit<br />

glücklich wird.<br />

Halten Sie eine Gebührenerhöhung für gerechtfertigt?<br />

Und: Kommen Mehreinnahmen<br />

überhaupt bei den Künstlern an?<br />

Eine Gebührenerhöhung halte ich im Allgemeinen<br />

und aus wirtschaftlicher Sicht für ge-<br />

rechtfertigt. Fraglich<br />

ist, ob das gewählte<br />

Modell das richtige<br />

ist und ob man nicht<br />

schon früher die Betroffenen<br />

mit in die<br />

Planungen hätte<br />

einbeziehen können.<br />

Dass die Mehreinnahmen<br />

tatsächlich<br />

bei den Künstlern ankommen, bleibt zu hoffen.<br />

Der DEHOGA musste zwar Zugeständnisse<br />

machen, aber sie hat die geplante Gebührenreform<br />

zunächst für 2013 abgewendet?<br />

Ist das nur ein Etappensieg oder ist die Reform<br />

damit vom Tisch?<br />

Vom Tisch wird die Reform nicht sein. Das<br />

Verschieben könnte aber ein Eingeständnis<br />

dafür sein, dass die Reform viel zu überstürzt<br />

umgesetzt werden sollte und sich die Betroffenen<br />

überrumpelt fühlten. Für beide Seiten<br />

herrscht durch das Aussetzen der Reform zumindest<br />

für 2013 Planungssicherheit und beide<br />

Seiten haben zudem Zeit gewonnen und<br />

können sich gemeinsam an einen Tisch setzen<br />

und ihre Interessen einbringen.<br />

Jens O. Brelle betreibt<br />

die Anwaltskanzler Art<br />

Lawyer in Hamburg. Der<br />

Fachanwalt für Urheber- und<br />

Medienrecht lehrt zudem<br />

an mehreren Hochschulen,<br />

unter anderem der TU<br />

Braunschweig.<br />

Für wie wahrscheinlich halten Sie, dass am<br />

Ende eine Gebührenreform in Kraft tritt,<br />

die die Eintritts- oder Getränkepreise in<br />

Diskotheken, Kneipen etc. spürbar erhöht?<br />

Um die Frage mit einem eindeutigen Ja oder<br />

Nein beantworten zu können, wäre ein Blick<br />

in die Glaskugel hilfreich. Wahrscheinlich ist,<br />

dass eine Gebührenerhöhung kommen wird,<br />

aber ob sie tatsächlich so hoch ausfallen wird,<br />

dass ein Clubsterben eintreten wird, weil sich<br />

niemand mehr die Getränke- oder Eintrittspreise<br />

leisten kann, ist eher unwahrscheinlich.<br />

Aber: der Widerstand gegen die Gebührenerhöhung<br />

ist nach wie vor groß und vielleicht<br />

lässt die GEMA ja doch noch mit sich reden.<br />

Diskotheken- und Clubbetreiber beschwören<br />

trotzdem munter das Ende des Nachtlebens.<br />

Ist das Panikmache oder taumeln<br />

die Veranstalter wirklich in eine existenzielle<br />

Krise, wenn die Reform wie geplant<br />

in Kraft tritt?<br />

Ein Nachtleben wird es auch weiterhin geben.<br />

Wen es am Schlimmsten treffen wird, ist<br />

so nicht absehbar. Wichtig ist aber, dass die<br />

Veranstalter deutlich auf ihre Situation aufmerksam<br />

machen und die GEMA auch nach<br />

in Kraft treten der Reform auf die Veranstalter<br />

zu geht und ein offenes Ohr für die Probleme<br />

ihrer Vertragspartner hat. Möglich wäre<br />

auch, die Änderungen nach einem Jahr zu<br />

überprüfen und die Ergebnisse mit den Veranstaltern<br />

zu diskutieren. Bislang fehlte es an<br />

einem Dialog mit allen Beteiligten. #<br />

Foto: Darius Ramazani, Raphael Berendes & Manuel Dierkes<br />

26


Campus<br />

Foto: LCYAero<br />

Mit den Frühlingsgefühlen kann ich mich nicht so<br />

recht anfreunden. Es würde doch beispielsweise<br />

viel MEHR Sinn ergeben, wenn sich die turtelnden<br />

Pärchen im Winter vergnügen würden. Da belästigen<br />

sie niemanden mit ihrem Brunftverhalten in den Parks. Das<br />

könnte man dann schön vor den Kamin verlegen. Und im<br />

Frühling könnte man die Depressionen draußen haben. In<br />

der Sonne. Mit Freunden. Fantastisch. Ein Park trauriger<br />

Frauen, die alleine in der Sonne sitzen. Leichtes Spiel Jungs.<br />

Moment. Eines der großen Rätsel liegt plötzlich gelöst<br />

vor uns! Daher kommen sie nämlich, die invasiven Parkpärchen!<br />

Alleinstehende, traurige Winterdepressionsfrauen<br />

in Verbindung mit den, durch die ersten Sonnenstrahlen<br />

hormonell wiedererwachten Datingzombiemännern<br />

aus der Vorjahreskollektion. Im Februar geht es los. Im<br />

März vorsichtige Treffen und tiefere Gespräche, im Mai die<br />

wachsende Überzeugung: „Der isses!?“ Um dann rechtzeitig<br />

zum April/Mai ein Paarungsgespann zu bilden. Eure Ichs<br />

werden zum Wir. Und diesmal ist alles<br />

anders <strong>als</strong> mit dem vom letzten Frühling.<br />

Ganz klar. Wenn ihr mich nach einer<br />

wirklich guten Geschäftsidee fragt,<br />

schlage ich folgendes vor. Man zäunt die<br />

Parks ein. Mit einem Gatter. Und einem<br />

Tor. Alle Pärchen lassen sich beim Pförtner<br />

registrieren und die Parkbesucher<br />

mit Restverstand können dann auf das<br />

Verfallsdatum wetten. Ähnlich wie beim<br />

Pferderennen. Da gäbe es dann Analysten, die das ganze Geschehen<br />

dem Laien verständlich kommentieren: „… und<br />

unter der Linde sind Sandra und Mark an den Start gegangen.<br />

Dieser tiefe Blick sieht vielversprechend aus. Ob sie zu<br />

alter Stärke zurückfinden kann?“ Oder so. Eine ebenfalls interessante<br />

Frage ist nicht nur, wo kommen die vielen Pärchen<br />

her, sondern auch die vielen Menschen, die sich an<br />

diesem Naturschauspiel so stören? Alles Enttäuschte? Deprimierte?<br />

Am Ende gar Neider? Ich kann an dieser Stelle<br />

nur für mich sprechen: Ich gönne all euch glücklichen Frühlingspärchen<br />

immer eine handbreit Schmetterlinge unter<br />

dem Kiel. Möget ihr so weit fliegen wie euch der Hormone<br />

Schwingen tragen! Mich persönlich stört nicht das einzelne,<br />

glückliche Pärchen im Park, sondern das Phänomen <strong>als</strong> solches.<br />

Denn zeigt nicht die frühlingsbedingte Anhäufung der<br />

süß verliebten Kuschelpärchen, was wirklich in uns steckt?<br />

Ist das ganze Phänomen nicht eher ein Beweis, dass hinter<br />

den meisten glücklichen Pärchen ein interessanter Cocktail<br />

an körpereigenen Drogen steht?<br />

Daher mein Rat: Hasst sie nicht, die Frühlingspärchen.<br />

Sie sind den Junkies nicht fern. Sie haben unser Mitleid verdient.<br />

Und wenn ihr ein Pärchen im Park trefft? Ruhe bewahren.<br />

Langsam nähern. Beide an die Schultern fassen.<br />

Augenkontakt aufbauen und dann sagt ihr mit fester, überzeugter<br />

Stimme und ernstem Blick: „Wird schon... Es kommen<br />

auch wieder bessere Tage …“#<br />

Frühlingszeit<br />

Pärchenzeit<br />

Er sagt, Sie sagt<br />

Von Ingo Kasseck & Agata Sulik<br />

Gestatten, Frühling ist sein Name. Seine Vorzüge –<br />

Sonne, Wärme und bunte Blumen. Lange haben wir<br />

auf ihn gewartet und endlich ist er da !!! Alles blüht<br />

auf. Die Tage werden länger, die Laune steigt und auch die<br />

Glückshormone schäumen über. Winterdepressionen und<br />

Zwiebel-Look adé. Aber … Uff, wie sieht's denn hier aus?!<br />

Die Fenster könnten auch mal wieder geputzt werden. Ein<br />

Frühjahrsputz käme wie gerufen. Aber nein, nicht jetzt. Her<br />

mit den leichten Klamotten. Das Dekolleté etwas tiefer setzen<br />

und endlich wieder Bein zeigen, damit auch die Männerherzen<br />

höher schlagen können. Hat das Top vom letzten<br />

Jahr nicht etwas lockerer gesessen? Sollte ich eine Schokiund<br />

Sekt Diät machen? Vielleicht mal wieder ins Fitnessstudio<br />

gehen und mich in die Bikini Figur schwitzen? Später.<br />

Radfahren ist schließlich auch Sport. Also erstmal raus-rausraus<br />

und ab mit den Mädels in den Park. Offenbar beginnt<br />

hier die Balzzeit. Pärchen schießen wie Pilze aus dem Boden.<br />

Versteckt haben sie sich im Winter und strahlen nun<br />

mit der Sonne um die Wette. Mal gut, dass es Sonnenbrillen<br />

gibt. Und wenn es jetzt mit dem Balzen nicht klappt, dann<br />

vielleicht im Sommer. Bis dahin kann man sich mit einer<br />

Kugel Eis und den Mädels die Zeit vertrösten. #<br />

27


Campus<br />

Fotos: Jessica Martensen, Privat<br />

Color up<br />

your Campus!<br />

Jeder Studierende hat es schon einmal erlebt: Beim Anblick kahler Hörsäle und betonartiger Gebäude auf dem<br />

Campus fühlt man sich manchmal so merkwürdig fremd, so wenig zu Hause. Warum <strong>als</strong>o nicht ein wenig Farbe<br />

bekennen? Eine Spurensuche mit Professor Wolfgang Ellenrieder (HBK Braunschweig) und den Studentinnen Julia<br />

Dworetski (TU Braunschweig), Birte Opitz (HBK Braunschweig) und Felicitas Schönfeld (Ostfalia Wolfenbüttel).<br />

Von Jessica Martensen<br />

Wolfgang Ellenrieder zufolge<br />

„verbinden wir Rot mit<br />

Wärme und Feuer, Gelb mit<br />

Sonne bzw. Licht, Grün mit dem Leben<br />

und der Natur und Blau mit Kälte und<br />

Wasser.“ Im gegenwärtigen Denken verknüpfen<br />

wir Farben immer mit gewissen<br />

Assoziationen, die uns evolutionär<br />

in die Wiege gelegt zu sein scheinen.<br />

Sie sind ein wichtiger Teil unseres Lebens<br />

und manchmal ist uns nur mehr<br />

oder weniger bewusst wie sehr sie uns<br />

in der Hand haben und unser tägliches<br />

Handeln steuern. „In meinem WG-Zimmer<br />

habe ich eine Wand, die grün gestrichen<br />

ist – ich habe nach einer Farbe<br />

gesucht, die ich dauerhaft um mich<br />

haben kann und ich fühle mich tat-<br />

28


Campus<br />

sächlich sehr wohl damit“, erklärt Birte<br />

Opitz. „Es gab eine Zeit, da trug ich<br />

öfters eine gelbe Mütze und eine gelbe<br />

Strickjacke und mir kam es so vor, <strong>als</strong><br />

wurde ich von meinen Mitmenschen<br />

prompt freundlicher begrüßt!“. Felicitas<br />

Schönfeld ist der Meinung, dass man<br />

entweder „versucht sich durch Kleidung<br />

bewusst zu tarnen oder aber Aufmerksamkeit<br />

auf sich zu ziehen.“ Ob<br />

nun farbige Wände oder Kleidung – es<br />

gibt noch viele andere Beispiele dafür,<br />

dass Menschen durch Farbe nicht nur<br />

sich selbst, sondern auch ihre Mitmenschen<br />

verändern.<br />

TU, Ostfalia oder HBK – sie alle haben<br />

ihr individuell gestaltetes Campusleben<br />

mit guten sowie schlechten<br />

Seiten. Birte Opitz beschreibt beispielsweise<br />

die Atmosphäre am Nordcampus<br />

der TU wie folgt: „Ich komme zum Seminar<br />

und gehe gleich wieder, kaum<br />

Plaudern danach, keine Gespräche, es<br />

scheint, <strong>als</strong> gäbe es gar keine richtige<br />

Campuskultur, kein Leben.“ Der Frage<br />

nach Farbe auf dem Campus steht Professor<br />

Ellenrieder zunächst skeptisch<br />

gegenüber. „Die Universität <strong>als</strong> Arbeitsraum<br />

darf kein Ort der Überlagerung<br />

sein. Schließlich würde ein Pianist auch<br />

nicht in einem Raum spielen, wo gleichzeitig<br />

Radio und Plattenspieler laufen:<br />

Diese Atmosphäre würde vom Wesentlichen<br />

ablenken und somit einer konzentrierten<br />

Arbeit im Wege stehen. Andererseits<br />

könnte man bestimmte Wände<br />

innerhalb der universitären Räumlichkeiten<br />

für die Studenten zur Verfügung<br />

stellen, welche beispielsweise mit einer<br />

Art Holzgitter und Haken ausgestattet<br />

sind. Hieran könnten Studentinnen und<br />

Studenten etwas Persönliches befestigen,<br />

um selbst Anteil an der Gestaltung<br />

eines Raumelementes zu haben. Daraus<br />

könnten Gespräche entstehen und das<br />

persönliche Verhältnis zur Umgebung<br />

könnte sich ändern. Außerdem wären<br />

etwa drehbare Elemente in einer Wand<br />

denkbar, die man im Vorbeigehen verändern<br />

kann, sodass sich stets ein neues<br />

farbliches Gesamtbild ergibt: So könnte<br />

sich zudem Farbe dynamisch mit der<br />

Zeit verändern. Der Designer Otl Aigner<br />

beispielsweise hat im Zuge eines durchdachten<br />

Farbkonzepts eine ganze Stadt<br />

neu gestaltet, was ein Vorbild für solche<br />

Veränderungen sein könnte.“ Blau,<br />

Weiß, Silber und ergänzend Orange,<br />

Hellorange, Hellgrün, Blauviolett und<br />

Dunkelgrün – dies ist das Farbkonzept<br />

von Otl Aicher. Von 1967 bis 1972 war<br />

er Gestaltungsbeauftragter<br />

der<br />

Olympischen Spiele<br />

von München<br />

und bekannt für<br />

seine Konzepte im<br />

Bereich moderner<br />

visueller Gestaltung.<br />

Das Konzept<br />

stellt ein System<br />

variabler untereinander<br />

verwandter<br />

Elemente dar, welches<br />

das visuelle<br />

Klima Münchens<br />

und „die Farbwelt<br />

der bayerischen<br />

Landschaft“ gestalterisch<br />

verarbeitet.<br />

Nicht umsonst<br />

sind die Spiele <strong>als</strong><br />

„Regenbogenspiele“<br />

in den Köpfen<br />

der Menschen präsent<br />

geblieben.<br />

Ob im Alltag<br />

oder an der Uni –<br />

Farbe ist ein wichtiger<br />

Teil unseres<br />

Lebens und sollte<br />

im Zuge dessen<br />

nicht unterschätzt<br />

werden!<br />

Farbtupfer vor kahlem Beton:<br />

Birte Opitz am Campus Nord<br />

„Die Universität <strong>als</strong><br />

Arbeitsraum darf kein Ort<br />

der Überlagerung sein.<br />

Schließlich würde ein<br />

Pianist auch nicht in<br />

einem Raum spielen, wo<br />

gleichzeitig Radio und<br />

Plattenspieler laufen.“<br />

Professor Wolfgang Ellenrieder<br />

Sie ist in der Lage, Menschen auf emotionaler<br />

Ebene in den Bann zu ziehen<br />

und zu begeistern. Warum dies nicht<br />

nutzen für eine Campusgestaltung,<br />

die im wahrsten Sinne für die Studentinnen<br />

und Studenten gemacht ist und<br />

nicht nur reiner Zweckbau! #<br />

29


Wissenschaft<br />

30


Wissenschaft<br />

Titel-<br />

Thema<br />

Frühlingsluft<br />

& Frühjahrsduft<br />

Auf den Spuren von Hormonen, Flirthelfern und dem Geruch von Erde,<br />

die vom Schnee befreit wurde.<br />

Von Elena Schade & Desiree Schober<br />

Fotos: Florian Koch, Claudia malecka<br />

2013. Der Frühling<br />

hat begonnen. Verschneite<br />

20.März<br />

Straßen, eisige Winde und<br />

Temperaturen, die unsere Wintermäntel<br />

aus dem Dunkeln der Kleiderschränke<br />

auferstehen lassen. Auf den Flughäfen<br />

campieren die Passagiere, Verkehrschaos<br />

in ganz Deutschland und bis zu 20<br />

Zentimeter Neuschnee. Tief „Andreas“<br />

sorgt pünktlich zum Frühlingsanfang<br />

für arktische Kaltluft. Winterblues statt<br />

Frühlingsmarsch. Ein Traumstart sieht<br />

anders aus.<br />

„Frühlingsgefühl“, dazu bräuchte man<br />

doch wenigsten einen Hauch von wärmender<br />

Sonne, blühenden Blumen und<br />

luftige Kleidung, finden wir. Das hebt die<br />

Laune und weckt die Sinne. Das fördert<br />

die Lust, sich endlich im Fitnessstudio<br />

anzumelden und „in 30 Tagen Bikinifit“<br />

zu werden. Wir möchten uns in den<br />

Park setzen und zwar ohne Daunenjacke<br />

und die ersten Sonnenstrahlen genießen,<br />

die uns um die Nasen kitzeln.<br />

Wir würden gerne, wie laut Definition<br />

vom „Frühling“ erwartet, das alljährliche<br />

Erwachen der sprießenden Natur beobachten<br />

und endlich mit dem Fahrrad<br />

fahren, ohne dabei einen bevorstehenden<br />

Kältetod unserer kleinen Zehen zu<br />

befürchten. Lieber Andreas, das musst<br />

du doch verstehen. In unseren Köpfen<br />

tanzen bunte Bilder von warmen Tagen<br />

und lauen Nächten. Die Realität sieht anders<br />

aus. Der Lenz macht sich rar. In den<br />

Geschäften sieht man bunte Pastellfarben,<br />

auf der Straße glänzen die Grautöne.<br />

In Thüringen hat die Grillsaison begonnen,<br />

in Sachsen fallen Singvögel tot<br />

vom Baum. Deutschland mault und in<br />

den sozialen Netzwerken werden die<br />

ersten „Flüchtlingsfotos“ gut gelaunter<br />

Freunde jenseits unserer Klimazone veröffentlicht.<br />

Natürlich mit ganz viel Sonne,<br />

Strand und Meer. Neid? Niem<strong>als</strong>!<br />

Immerhin versprechen uns die Wetterexperten<br />

eine baldige Besserung, spätestens<br />

an Ostern. Wir sind gespannt und<br />

widmen uns solange wenigstens auf dem<br />

Papier ganz der warmen Jahreszeit.<br />

Der Frühling, der Lenz, die Phase des<br />

blühenden Lebens. Eigentlich Zeit der<br />

„Vom Eise befreit sind<br />

Strom und Bäche,<br />

schreit der Specht und<br />

prellt die Zeche.“<br />

Max (24) und Nina (22), TU Braunschweig,<br />

Psychologie, 2. Semester Master<br />

euphorischen Gefühle und der Vorfreude<br />

auf den Sommer. Die Natur erwacht,<br />

die Sonne strahlt. Die Straßencafés und<br />

Eisdielen füllen sich mit Leben und die<br />

Laune hebt sich. In den Parks sammeln<br />

sich Menschen, grillen und lachen. Die<br />

Tierwelt beginnt hemmungslos mit<br />

den merkwürdigsten Balzritualen. Vogelmännchen<br />

bieten spektakuläre Gesangseinlagen<br />

um ihre Weibchen zu betören,<br />

Schimpansendamen erwarten vor<br />

dem Akt mitgebrachte Früchte, ohne Geschenk<br />

läuft hier gar nichts und der Seeotter<br />

begrüßt seine Liebste mit einem<br />

blutigen „Nasenkuss“. Bei der Wespenspinne<br />

bricht der Penis des Männchens<br />

während des Geschlechtsakts ab und<br />

wenn es anschließend nicht schnell genug<br />

das Weite sucht, hat ihn das Weibchen<br />

zum Fressen gern. Der Hammerhai<br />

kann sich, wenn es mit der Paarung<br />

nicht klappen will, auch ganz ohne<br />

Männchen fortpflanzen und die Pilzlederkoralle<br />

wechselt einfach das Geschlecht,<br />

wenn es mit dem gegenüber<br />

grade mal nicht passt. Auch wenn einige<br />

dieser Praktiken <strong>als</strong> äußerst fragwürdig<br />

erscheinen, sprühen im Tierreich zu Beginn<br />

der warmen Jahreszeit unübersehbar<br />

die Funken. Doch wie ist es bei uns<br />

Menschen? Wie verhält sich die Sache<br />

mit der vermehrten Liebeslust im Frühjahr<br />

bei uns? Sind wir wirklich pünktlich<br />

zum Sommeranfang mehr in Flirtlaune<br />

oder ist das alles nur Einbildung?<br />

Gibt es sie eigentlich, die sogenannten<br />

„Frühlingsgefühle“? Wir haben nachgefragt<br />

und uns auf die Suche nach wissenschaftlichen<br />

Beweisen für die frühjährliche<br />

Lust auf Liebe gemacht. #<br />

31


Titel-<br />

Thema<br />

Wissenschaft<br />

Wo kommen sie eigentlich her<br />

die Frühlingsgefühle?<br />

Wir von der <strong>Studi38</strong>-Redaktion haben uns auf die Suche gemacht. Der Hormon-Experte Professor<br />

Helmut Schatz von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) verrät uns, dass dafür<br />

eine ganze Reihe von Faktoren verantwortlich sind.<br />

Von Elena Schade & Desiree Schober<br />

Professor Helmut Schatz<br />

Was ist eigentlich dran an dem Mythos<br />

„Frühlingsgefühle“ ?<br />

Das ist kein Mythos. Frühlingsgefühle sind immer<br />

echt. Es gibt kein f<strong>als</strong>ches Gefühl. Die Frage<br />

ist nur, was ist die Ursache für ein Gefühl.<br />

Frühlingsgefühle entstehen aus einem Mix von<br />

verschiedenen Faktoren. Ganz wichtig dabei ist<br />

das Gefühl des Neuaufbruchs in der Natur, von<br />

der der Mensch Teil ist.<br />

Um welche Faktoren handelt es sich genau?<br />

Betrachten wir einmal die Hormone. Für die<br />

Frühlingsgefühle sind besonders das Melatonin<br />

und das Serotonin wichtig. Melatonin ist<br />

das Schlafhormon. Bei Dunkelheit ist es hoch<br />

und bei Licht wird es unterdrückt. Bei jedem<br />

Menschen steigt im Schlaf das Melatonin und<br />

wenn es hell wird, sinkt es wieder. Wenn die<br />

Tage länger sind und es heller wird, dann ha-<br />

32


Wissenschaft<br />

Fotos: Claudia malecka, privat<br />

„Frühling ist immer ein<br />

Neuanfang. Die Sonne<br />

fängt an zu scheinen.<br />

Die Menschen blühen<br />

auf und tun die Dinge,<br />

die sie sich das letzte<br />

Jahr über vorgenommen<br />

haben.“<br />

Jessika (21), TU Braunschweig, Grundschullehramt<br />

Musik und Deutsch, 4. Semester<br />

ben wir weniger Schlafhormon in uns und sind<br />

somit frischer, zugleich steigt das Glückhormon<br />

Serotonin im Körper an.<br />

Hat der Frühling auch Auswirkungen auf<br />

unsere Sexualhormone?<br />

Das männliche Sexualhormon Testostero ist<br />

bei uns heute am Höchsten im Frühsommer<br />

und im Sommer und nicht im Frühling. Bei<br />

den Frauen gibt es in der Hinsicht im Frühling<br />

auch keine großen Veränderungen. Schon allein<br />

deshalb, weil ja gerade Studentinnen fast<br />

alle die Anti-Baby-Pille nehmen und sich somit<br />

in einen Zustand der „Scheinschwangerschaft“<br />

versetzen. Deswegen gibt es keinen Eisprung.<br />

Selbst wenn es früher einmal einen höheren<br />

Hormonspiegel gegeben haben könnte, so<br />

würde sich das jetzt nicht mehr auswirken.<br />

Es hat <strong>als</strong>o nichts mit den Geschlechtshormonen<br />

zu tun, sondern mit dem Melatonin, dem<br />

Serotonin und auch dem Dopamin. Das Dopamin<br />

wirkt ähnlich wie Adrenalin, es vermehrt<br />

zum Beispiel das Herzklopfen.<br />

Inwiefern spielen die Veränderungen der<br />

Natur eine Rolle<br />

Der Mensch erlebt, wie eingangs schon erwähnt,<br />

auf psychischer Ebene den Neubeginn<br />

der Natur mit. Wie schon Herman Hesse sagte:<br />

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“<br />

Außerdem tragen auch Düfte zu den Frühlingsgefühlen<br />

bei. Die Menschen sind duftgesteuerter<br />

<strong>als</strong> man glaubt. Man kennt ja<br />

z.B. das Frühlingsgedicht von Eduard Mörike,<br />

das beginnt: „Süße wohlbekannte Düfte<br />

streifen ahnungsvoll das Land.“ Diese Düfte<br />

sind aber in Wirklichkeit gar nicht süß.<br />

Ein Parfümeur würde so ein Parfüm kaum<br />

mixen. Es geht dabei hauptsächlich um den<br />

Geruch der vom Schnee befreiten Erde, und<br />

dieser Geruch ist ein frischer Geruch, der<br />

den Menschen signalisiert, dass jetzt bald<br />

die Blütenpracht mit den Blumendüften<br />

kommt. Dieser Geruch ist beim Menschen<br />

im Gehirn gespeichert, tief unten im Hippocampus,<br />

wo der Mensch die Erinnerung<br />

abspeichert. Wenn der Mensch dann diesen<br />

Duft riecht, erkennt er den Frühlingsduft.<br />

Wie kommt es dazu, dass die meisten Menschen<br />

besonders im Frühling in Flirtstimmung<br />

kommen?<br />

Da gibt es noch die optischen Reize. Man ist<br />

nicht mehr so verkleidet z.B. in Kapuzenjacken<br />

und langen Hosen. Die Männer schauen<br />

dann den jungen Frauen gerne auf die Beine<br />

und den Busen und die Frauen schauen Männern<br />

gerne auf die Hände, Arme oder den Po.<br />

Es gibt viele optische Reize, die im Frühling<br />

wieder mehr zur Geltung kommen. Auch die<br />

Farben spielen eine Rolle. Wenn man jetzt in<br />

ein Klamottengeschäft geht, sieht man wieder<br />

bunte, helle Farben.<br />

Sind bestimmte Personen besonders anfällig<br />

für das Phänomen Frühlingsgefühle?<br />

Empfänglich ist eigentlich jeder. Das liegt in<br />

der Natur des Menschen. Im Grunde ist jeder<br />

offen dafür. Es gibt aber natürlich immer<br />

auch Gefühlsmuffel . Die gibt es aber auf allen<br />

Ebenen, nicht nur bei den Frühlingsgefühlen.<br />

„SPASIS bereiten mir<br />

Frühlingsgefühle.“<br />

Felix (24), TU Braunschweig, Integrierte<br />

Sozialwissenschaften, 6. Semester<br />

„Nie wieder auswendig<br />

lernen, das bereitet mir<br />

Frühlingsgefühle.“<br />

Niels (23), TU Braunschweig Psychologie,<br />

2. Semester Master<br />

Schwierig wird es auch bei Menschen, die nicht<br />

mit dem Jahr leben. Menschen, die dauernd<br />

Last-Minute-Flüge buchen und z.B. schon vor<br />

dem Frühling auf den Malediven sind. Sie erleben<br />

den Frühling, wenn sie zurückkommen<br />

natürlich nicht so intensiv. #<br />

33


Titel-<br />

Thema<br />

Wissenschaft<br />

Die Anonyme Anmache<br />

Flirten ohne das Risiko der Zurückweisung:<br />

Die neuen Spotted- und Bibflirt-Seiten<br />

Von Elena Schade & Desiree Schober<br />

Er: "Dein Blick hat geknistert wie die Wunderkerzen<br />

vom Apfelkuchen. Ebenso süß<br />

wie dieser ist auch jetzt noch meine Erinnerung<br />

an diesen Abend. Du bist blond,<br />

trägst deine Haare immer zu einem geflochtenen<br />

Zopf und arbeitest <strong>als</strong> Kellnerin<br />

im Alex …" (Spotted TU Braunschweig)<br />

Anonyme Liebesbriefe findet man<br />

zum Bedauern vieler Romantiker<br />

leider schon lange nicht<br />

mehr im Briefkasten oder am Spint<br />

hängen. Für Leute, die ohne die kleinen<br />

Briefchen aber zu schüchtern sind, den<br />

Schwarm direkt anzusprechen, gibt es<br />

jetzt Internetseiten wie „Spotted“ oder<br />

„Bibflirt“. Dort kann man anonym Personen,<br />

die einem nicht mehr aus dem<br />

Kopf gehen, suchen, beschreiben und<br />

hoffen, dass sich jemand meldet. Dabei<br />

spielt es kaum eine Rolle, in welcher<br />

Stadt man lebt, ob man sich auf dem<br />

Campus, im Café oder auf der letzten<br />

Party verguckt hat. Die Flirtseiten vermehren<br />

sich schneller <strong>als</strong> Unkraut und<br />

so gibt es sie mittlerweile in sämtlichen<br />

Städten für die verschiedensten Orte<br />

und Situationen.<br />

Die „Spotted: TU Braunschweig“-Facebookseite<br />

hat mittlerweile über 2000<br />

„Gefällt mir“-Angaben, dabei gibt es<br />

„Suche dich, du irre hübsche Blondine! Bist<br />

heute, gerade <strong>als</strong> ich mein Auto mit leeren<br />

Getränkekästen beladen habe, mit deinem<br />

Gruber-Firmen-Wagen um die Ecke gebogen,<br />

und hast einen Rasenmäher ausgeliefert.<br />

Sag bescheid, wenn du das nochmal<br />

bei mir in der Nähe tust, ich glaube nämlich<br />

du hast mich nicht bemerkt!“ (Spotted.de)<br />

sie erst seit Januar. Und auch „Spotted:<br />

Nightlife Braunschweig“ richtet sich<br />

nun an fast 1000 „Follower“. Und Für<br />

Pendler gibt’s übrigens auch Seiten wie<br />

„Spotted: Deutsche Bahn“.<br />

Das Prinzip ist einfach und ähnelt einer<br />

Kontaktanzeige. Man schreibt einer<br />

passenden „Spotted“-Seite, zu finden<br />

sind diese zum Beispiel auf „Facebook“,<br />

einen Text, dieser richtet sich an den/<br />

die schönen Unbekannte(n). Die Betreiber<br />

der Seite posten den Text dann anonym.<br />

Wenn ein Leser daraufhin denkt in<br />

dem Text gemeint zu sein, kann er sich<br />

darauf melden oder Dritte, welche die<br />

gesuchte Person kennen, können Hinweise<br />

geben.<br />

Aber funktioniert das wirklich? Flirten<br />

2.0? Zugegeben ist es schon ganz<br />

amüsant, sich die Versuche der Spotted-<br />

Nutzer durchzulesen, die versuchen ihrem<br />

Liebesglück auf die Sprünge zu helfen.<br />

Die Erfolgschancen sind allerdings<br />

ungewiss.<br />

„An die dame mit den modelmaßen aus<br />

hogwards ;) mit deiner „avada kedavra“<br />

umhaengetasche bist du mir gerade im<br />

kaufland aufgefallen. Mit dir wuerde ich<br />

mich gerne durch das trimagische turnier<br />

kaempfen, zusammen was trinken gehen<br />

waere aber auch ein guter anfang ;)<br />

Dein Harry mit der blau-weißen bommelmuetze<br />

;)“ (Spotted.de)<br />

Nicht nur romantische oder schmachtende<br />

Einträge finden sich auf den Seiten.<br />

Auch der ein oder andere erotisch<br />

angehauchte Spruch zieht die Aufmerksamkeit<br />

auf sich:<br />

Er: „An die junge Göttin in blau, die an ihrem<br />

Kuli kaut und dabei lasziv in die Runde<br />

blickt: mehr Zunge bitte!“ (Spotted.de)<br />

34


Jetzt kostenlos<br />

anmelden!<br />

Nicht träumen, flirten!<br />

Jetzt kostenlose 4-wöchige<br />

Premium-Mitgliedschaft<br />

sichern! Einfach anmelden<br />

und Gutschein-Code<br />

„studi04“ einlösen.*<br />

*Code einlösbar bis 30.04.2013<br />

Singles aus unserer Region und ganz Deutschland<br />

individueller Persönlichkeitstest<br />

schnell und einfach losflirten


Wissenschaft<br />

Fotos: Robert Agthe, Privat<br />

Mr. & Mrs.<br />

Not-Quite-Right<br />

über Beziehungsmodelle im Wandel der Zeit<br />

Von Elena Patzer<br />

Lassen wir den Steinzeit-Gossip mal<br />

hinter uns. Ja, wir alle wissen, dass<br />

Partnerschaften biologisch dafür<br />

vorgesehen sind, Nachwuchs zu zeugen<br />

und dann zu enden, sobald dieser<br />

aus dem Gröbsten raus ist. Und wir wissen,<br />

dass die Ehe ursprünglich aus wirtschaftlichen<br />

Gründen geschlossen wurde.<br />

Selbstverständlich wissen wir auch,<br />

dass Partnerschaften vor der Emanzipation<br />

auf gegenseitigen Abhängigkeiten basierten<br />

– der eine verdient das Essen, der<br />

andere bereitet es zu. Wissen wir. Viel<br />

interessanter ist doch: Wie sehen unsere<br />

Beziehungen jetzt aus? Jetzt, da jeder<br />

jede Art von Beziehung mit jedem Menschen<br />

jederzeit führen kann, aber nicht<br />

muss? Jetzt, da es keine Vorgaben, Notwendigkeiten<br />

und Verbote mehr gibt?<br />

Was kommt nach der Vernunft-Ehe?<br />

Erstmal ein großes Chaos. Nachdem<br />

die vorherigen Generationen sich gegen<br />

gesellschaftliche Zwänge erhoben<br />

haben, stehen wir nun auf dem längst<br />

wieder aufgeräumten Schlachtfeld inmitten<br />

größtmöglicher Freiheit und<br />

unendlicher Möglichkeiten. Das gab es<br />

vorher noch nie. Und deshalb wundert<br />

es auch nicht, dass wir maßlos überfordert<br />

sind. Wer die Wahl hat, hat die<br />

Qual – nicht bloß in Beziehungsfragen,<br />

sondern auch bei dem richtigen Beruf,<br />

dem Wohnort, der Haarfarbe. Die Grenzen<br />

zwischen Freiheit und Zwang verwischen,<br />

denn wer die Freiheit genießt, alles<br />

tun zu dürfen, unterliegt gleichzeitig<br />

dem Zwang, alles tun zu müssen. Wenn<br />

du die Möglichkeit hast, im Ausland zu<br />

studieren, warum tust du es dann nicht?<br />

Neuer Job, andere Stadt, sexuelle Experimente,<br />

Stipendium – Warum nicht? Wer<br />

36


Wissenschaft<br />

seine unbegrenzten Möglichkeiten nicht<br />

nutzt, gilt <strong>als</strong> Versager. Hier deutet sich<br />

schon die Wurzel des Problems unserer<br />

Generation an: Es sind unbegrenzte,<br />

unendliche Möglichkeiten! Es gibt kein<br />

Ende und kein Ziel, alles geht immer höher,<br />

schneller, weiter. Niemand kann je<br />

ankommen in der angesagtesten Stadt<br />

mit den tollsten Freunden, dem interessantesten<br />

Hobby, makellosesten Körper<br />

und erfüllendsten Beruf. Permanent<br />

schwebt die Verheißung des vermeintlich<br />

besseren Anderen, das Könnte-Sein<br />

über dem Ist. In einer Zeit, in der ein<br />

gelungenes Leben definiert wird über<br />

Intensität, Genuss und Selbstverwirklichung<br />

– <strong>als</strong>o durch Kriterien, die kein<br />

Maß kennen – wie kann man da jem<strong>als</strong><br />

zufrieden sein mit dem, was ist? Im Vergleich<br />

mit der Unendlichkeit dessen, was<br />

sein könnte, erscheint ein einzelnes Leben<br />

zwangsläufig <strong>als</strong> unzureichend.<br />

Schlimmer noch: Da jeder Mensch frei<br />

von äußerem Zwang für sein Leben<br />

selbst verantwortlich scheint, trägt er<br />

auch die alleinige Schuld für sein unweigerliches<br />

Scheitern. Es liegt an mir,<br />

ich habe mich nicht genug bemüht. Und<br />

schon ist der Ursprung gelegt für chronische<br />

Selbstoptimierung und Selbsthass.<br />

Nirgends wird dieses unablässige Streben<br />

nach dem Besseren so deutlich wie<br />

bei der Partnerwahl. Den besonderen<br />

Menschen suchen wir uns heute selbst<br />

aus, hier haben wir die alleinige Entscheidungsmacht,<br />

hier sind wir absolut<br />

selbst verantwortlich. Klingt doch ganz<br />

gut? Sven Hillenkamp vertritt in seinem<br />

Buch „Das Ende der Liebe“ eine andere<br />

Meinung: „Zwei Feinde kennt die Liebe.<br />

Den Zwang und die Freiheit.“ Freiheit<br />

ist nicht zwanglos, Freiheit verlagert<br />

den Zwang von außen nach innen, von<br />

der Gesellschaft ins Selbst – unbewusst<br />

natürlich. Die Freiheit Sex vor der Ehe<br />

zu haben wird zum Zwang Sex vor der<br />

Ehe zu haben. Die Freiheit sich bei Unzufriedenheit<br />

scheiden zu lassen wird<br />

zum Zwang sich scheiden zu lassen.<br />

Die Freiheit sich einen Partner aus unendlich<br />

vielen auszusuchen wird zum<br />

Zwang, sich den Besten auszusuchen.<br />

Welcher der Beste ist, findet man nur<br />

heraus durch Versuch und Irrtum. Doch<br />

selbst wenn man in einer glücklichen<br />

Beziehung lebt, bleibt angesichts der<br />

scheinbar grenzenlosen Vielzahl potentieller<br />

Partner immer die Ahnung, dass<br />

es noch einen Besseren geben muss.<br />

Laut statistischem Bundesamt ist zwar<br />

die Anzahl der Scheidungen seit 1960<br />

nicht übermäßig angestiegen (von 1,9<br />

Scheidungen pro 1000 Einwohner auf<br />

2,3 in 2011), dafür hat sich jedoch im<br />

selben Zeitraum die Zahl der Eheschließungen<br />

mehr <strong>als</strong> halbiert (von 10,8 auf<br />

4,6 pro 1000 Einwohner). Immer weniger<br />

Menschen sind <strong>als</strong>o bereit, eine le- →<br />

Abnabelungsprozess und Partnerbindung<br />

(Median Jahrgang 1981-83 im Vergleich zu 1971-73)<br />

Auszug aus dem Elternhaus Frauen Männer<br />

Ostdeutschland ▲ ▲<br />

Westdeutschland ● ▲<br />

Erste Paarbeziehung Frauen Männer<br />

Ostdeutschland ● ▼<br />

Westdeutschland ● ▼<br />

Erste Lebensgemeinschaft Frauen Männer<br />

Ostdeutschland ▲ ▲<br />

Westdeutschland ● ●<br />

▲ mehr <strong>als</strong> 6 Monate älter ▼ mehr <strong>als</strong> 6 Monate jünger ● keine Veränderung<br />

Pairfam 2008/2009, DemoDiff 2009/2010<br />

André Tatjes ist wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Institut für<br />

Sozialwissenschaften der TU<br />

Braunschweig. Zusammen mit Prof. Dr.<br />

Dirk Konietzka untersuchte er kürzlich<br />

den Lebenslauf junger Erwachsener in<br />

Bezug auf ihre erste Paarbeziehung, den<br />

Auszug aus dem Elternhaus und der<br />

ersten Lebensgemeinschaft. Verglichen<br />

wurden hierbei zwei Generationen: Die<br />

Jahrgänge 1971-73 und 1981-83 in Ost- und<br />

Westdeutschland.<br />

Leiden jüngere Generationen zunehmend an<br />

Bindungsangst?<br />

Nein, die Bindungsbereitschaft junger Erwachsener<br />

ist nach wie vor hoch. Unsere empirischen<br />

Untersuchungen zeigen sogar, dass die erste<br />

Paarbeziehung tendenziell in jüngeren Jahren,<br />

d. h. früher eingegangen wird. Zudem findet der<br />

erste Zusammenzug mit einem Partner, nachdem<br />

man von Zuhause ausgezogen ist, nach kürzerer<br />

Zeit statt. Untersucht wurde jedoch nicht, wie<br />

lange diese Beziehungen Bestand haben. Zudem<br />

ist noch unklar, ob es sich dabei um einen stabilen<br />

Trend handelt.<br />

Suchen die Menschen <strong>als</strong>o unverändert nach<br />

der Sicherheit der Familie?<br />

Tatsächlich hat sich der Zeitpunkt der Familiengründung<br />

hinausgezögert. Man beginnt zwar früher<br />

mit seiner Beziehungsbiographie, eine Heirat<br />

findet wiederum erst später statt. Das Bildungsniveau<br />

hat hier einen entscheidenden Einfluss:<br />

Mit zunehmenden Bildungsgrad steigt auch die<br />

Neigung, später zu heiraten und eine Familie zu<br />

gründen.<br />

Die Zahl der Ein-Personen-Haushalte hat sich<br />

laut statistischem Bundesamt in den letzten<br />

50 Jahren mehr <strong>als</strong> verdoppelt. Wie passt das<br />

ins Bild?<br />

Nur weil ich alleine wohne, muss ich nicht alleine<br />

sein. Wir erleben eine Pluralisierung der Lebensformen<br />

und eine Haushaltsgröße sagt nichts<br />

mehr darüber aus, ob der Bewohner Single ist. So<br />

genannte ‚Living-Apart-Together-Beziehungen’,<br />

in denen man mit seinem festen Partner nicht zusammen<br />

wohnt, bilden in der Regel den Beginn<br />

der individuellen Beziehungsbiographie.<br />

37


Wissenschaft<br />

benslange Entscheidung für einen Menschen<br />

zu treffen. Die Hoffnung auf das<br />

noch Bessere führt zu ständigem Zweifeln<br />

und einer permanenten Suche. Der<br />

Suche wonach? Nach einer Fantasie, einer<br />

Art Vielwesen: Jeglichen Erfahrungen<br />

und Eindrücken von Verflossenen,<br />

Passanten, Filmen oder Fotos werden Details<br />

entnommen und zu einer Collage<br />

gesammelt. So entsteht ein schemenhaftes<br />

und nicht reales Wunschbild, quasi<br />

„Ich führe seit fast 3<br />

Jahren eine Fernbeziehung<br />

und ich bin immer<br />

wieder überrascht, wie<br />

gut das funktioniert.<br />

Aber vielleicht ist genau<br />

diese Distanz das, was ich<br />

brauche. Ich weiß, dass<br />

diese Beziehung nichts für<br />

immer ist, aber das suche<br />

ich auch nicht. Ich denke,<br />

es hält so lange, wie es<br />

hält. Ich richte mein Leben<br />

nicht nach ihm und er tut<br />

das auch nicht.<br />

Charlotte, 22<br />

ein Best-Of der unendlichen Möglichkeiten.<br />

„Sie suchen nach einem Objekt, das<br />

keinen Verzicht auf die Unendlichkeit<br />

bedeutet, nicht bloß Perfektion, sondern<br />

die Summe alles Perfekten“, schreibt Hillenkamp.<br />

Schauen wir der Wahrheit ins<br />

Gesicht: Kann eine einzige Person den<br />

Vergleich mit der Summe alles Perfekten<br />

„Man entwickelt sich über<br />

die Zeit immer weiter und<br />

verändert seine Wünsche<br />

und Vorstellungen von<br />

Beziehungen. Ich bin froh,<br />

schon einiges ausprobiert<br />

zu haben, da ich dadurch<br />

an Erfahrung und Urteilsvermögen<br />

gewonnen habe.<br />

Irgendwann würde ich<br />

gerne mit ‚der Richtigen’<br />

eine Familie gründen.“<br />

Niklas, 23<br />

gewinnen? Wer jetzt ja sagt, neigt zur<br />

Selbstüberschätzung. Früher oder später<br />

sind wir zwangsläufig von der Endlichkeit<br />

des potentiellen Lebenspartners<br />

enttäuscht und suchen weiter nach der<br />

Mensch gewordenen Unendlichkeit. Dabei<br />

werden wir laut Hillenkamp zu „Bulimikern<br />

der Liebe“. Auf unserer Suche<br />

stopfen wir alles in uns hinein, würgen<br />

es hinunter und bevor es ein Bestandteil<br />

unseres Körpers, <strong>als</strong>o Lebens wird,<br />

erbrechen wir es wieder. „So bleiben sie<br />

dünn, so können sie immer weiter essen,<br />

immer mehr, alle Möglichkeiten<br />

nutzen.“ Zugegebenermaßen ist das eine<br />

ziemlich pessimistische Sicht der Dinge.<br />

Oder einfach unglücklich formuliert. Ob<br />

bedauernswerte Rastlosigkeit und deprimierende<br />

Unvollkommenheit auf der Suche<br />

nach Mr. & Mrs. Right oder aufregende<br />

Abenteuer und zeitlich begrenztes<br />

Glück mit Mr. & Mrs. Right-Now – darüber<br />

bildet sich letztlich jeder seine eigene<br />

Meinung.<br />

Die Antwort darauf, was nach der<br />

Vernunft-Ehe kommt? Die Vernunft-<br />

Ehe. Das zumindest prophezeit Hillenkamp,<br />

seines Zeichens Realist, in seinem<br />

Buch. Das bedeutet, „dass sie einen wählen,<br />

der ihnen ‚gut tut’, dass sie <strong>als</strong>o einen<br />

Partner aus guten Gründen wählen,<br />

nicht aus Leidenschaft, sondern aus Vernunft.“<br />

Um den Pessimisten unter uns<br />

aus der Seele zu sprechen: Auch die<br />

Wahl des f<strong>als</strong>chen Partners oder ein Leben<br />

in Einsamkeit wären mögliche Optionen.<br />

Und was sagen die Optimisten?<br />

Die muss man wahrscheinlich in zwei<br />

Lager unterteilen: Team „Prinz auf dem<br />

weißen Ross findet seine Prinzessin“<br />

und Team „Hauptsache wir haben Spaß<br />

dabei“. Erstere haben mit Glück eine<br />

ausreichend rosa getönte Brille um tatsächlich<br />

den oder die Richtige zu finden.<br />

Letztere sind im besten Fall sowohl mit<br />

<strong>als</strong> auch ohne „Lebensabschnittsgefährten“<br />

oder auf welche Art auch immer<br />

glücklich. Vermutlich sind diese zudem<br />

die vielversprechendsten Kandidaten,<br />

um neue Beziehungsmodelle zu entwickeln.<br />

Nach einem Blick in die Vergangenheit<br />

– von einem Partner für das gesamte<br />

Leben, über wenige wechselnde<br />

Beziehungen vor der Ehe, bis heute, da<br />

beinahe alles möglich scheint – wäre es<br />

da zum Beispiel so abwegig, dass in 50<br />

Jahren Polyamorie der absoluten Normalität<br />

entspricht? Einen Partner für<br />

guten Sex, einen für gute Gespräche, einen<br />

mit demselben Lieblings-Verein. Alle<br />

Wünsche würden nach dem Baukasten-<br />

Prinzip erfüllt. Eine reduzierte Version<br />

der Fantasie-Collage <strong>als</strong>o? Es bleibt<br />

spannend. #<br />

„William Maugham hat<br />

einmal gesagt: „Liebe: nur<br />

ein schmutziger Trick der<br />

Natur, um das Fortbestehen<br />

der Menschheit zu<br />

garantieren.“ So unglücklich<br />

die Formulierung<br />

auch ist, hat er rational<br />

betrachtet Recht. Für mich<br />

besteht die Kunst darin,<br />

zu differenzieren, ob man<br />

wirklich liebt, oder nur<br />

verliebt darin ist, geliebt<br />

zu werden. “<br />

Jann, 24<br />

Fotos: Privat<br />

38


Wissenschaft<br />

Schluss mit Suchen!<br />

Das DLR forscht an Fahrerlosem Fahren und selbstparkenden Autos<br />

Von Annekatrin Bock<br />

Fotos: DLR<br />

Fotografieren, spielen und online<br />

surfen. Schon lange ist das Mobiltelefon<br />

nicht mehr ausschließlich<br />

zum Telefonieren da. Denn bald machen<br />

die tragbaren Geräte mobil. In Zukunft<br />

parkt unser Smartphone dann auch<br />

gleich noch das Auto. Ermöglicht wird<br />

das autonome Einparken, auch ‚valet<br />

parking‘ (wie der Parkservice im Nobelhotel)<br />

genannt, unter anderem<br />

durch die<br />

Kombination<br />

bereits<br />

erprobter Sensor- und Smartphone-Technik.<br />

Forscher der TU Braunschweig und<br />

des Deutschen Zentrums für Luft- und<br />

Raumfahrt (DLR) haben mit dem selbstgesteuerten<br />

Auto ‚Leonie‘ bereits einen<br />

wichtigen Meilenstein für das hochautomatisierte<br />

Fahren gesetzt.<br />

Nun testete das Institut für Verkehrssystemtechnik<br />

des DLR unter Leitung<br />

von Professor Karsten Lemmer<br />

am Braunschweiger<br />

Hauptbahnhof Szenarien,<br />

bei denen<br />

das Auto selbständig<br />

eine Parklücke<br />

sucht.<br />

Das Projekt zu Valet-Parking<br />

bildet dabei<br />

nur einen Baustein<br />

der Anwendungsplattform<br />

Intelligente<br />

Mobilität (AIM).<br />

Hierbei erprobt das<br />

DLR beispielsweise<br />

die Kommunikation<br />

zwischen Kreuzungen<br />

und Fahrzeugen und<br />

forscht am hochautomatisierten Fahren.<br />

Ziel ist es, langfristig Infrastruktur<br />

und Individualverkehr mit modernen<br />

Kommunikationstechnologien wie<br />

dem Smartphone zu verknüpfen. „Wir<br />

erhoffen uns dadurch zukünftig unter<br />

anderem mehr Sicherheit für den Straßenverkehr“,<br />

sagt Lemmer. „In ausgereiftem<br />

Zustand kann automatisiertes<br />

Fahren wesentlich zuverlässiger sein,<br />

<strong>als</strong> die menschlichen Fahrer.“ Kratzer<br />

und Parkbeulen gehören dann der Geschichte<br />

an.<br />

Daneben sparen die mobilen Parkassistenten<br />

auch Energie. Sie sind somit<br />

umweltfreundlich und bieten zusätzlichen<br />

Komfort, weil das Einparken dann<br />

weniger Sprit, Zeit und Nerven kostet.<br />

Denn wer kennt das nicht? Nerviges im<br />

Kreisfahren auf der Suche nach einem<br />

Parkplatz und die Vorlesung fängt dabei<br />

schon ohne uns an. Das könnte sich mit<br />

dem Handy gesteuerten Auto in nicht allzu<br />

ferner Zukunft ändern. Und während<br />

unser Flitzer selbständig einparkt, sitzen<br />

wir schon im Hörsaal oder treffen die<br />

Lerngruppe zum Kaffee. #<br />

39


Silicon<br />

Valley<br />

Silicon Valley, das heute <strong>als</strong> das<br />

Herz der technischen Innovation<br />

der Welt gilt, wurde in den 50er<br />

Jahren des letzten Jahrhunderts von<br />

Frederick Terman, dem Dekan der ingenieurwissenschaftlichen<br />

Fakultät und<br />

Vizepräsident der Stanford Universität<br />

<strong>als</strong> ein “kleiner” Technologiepark gegründet.<br />

In einem evolutorischen Prozess<br />

hat sich der ehemalige Technologiepark<br />

in der Nähe von San Francisco<br />

zu einer Region mit der höchsten Technologiedichte<br />

der Welt entwickelt. In<br />

den letzten 60 Jahren hat die Stanford<br />

Universität mehr <strong>als</strong> 38000 Unternehmen<br />

hervorgebracht, die zusammen<br />

2700 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr<br />

generieren. Diese Unternehmen haben<br />

5,4 Millionen Arbeitsplätze geschaffen.<br />

Unternehmen wie Google, ebay, Intel,<br />

Yahoo und Cisco zählen zu den erfolgreichsten<br />

Spin-offs. Neben der Stanford<br />

Universität tragen die anderen nordkalifornischen<br />

Universitäten wie Berkeley<br />

und San Jose dazu bei, dass sich immer<br />

mehr High-Potenti<strong>als</strong> für die Gründung<br />

von eigenen Unternehmen entscheiden.<br />

Zugleich stellen diese Universitäten<br />

die dringend benötigten hochqualifizierten<br />

Mitarbeiter für das Silicon<br />

Valley zur Verfügung. Aufgrund großer<br />

Nachfrage nach Hochschulabsolventen<br />

sind die Gehälter für Akademiker<br />

sehr hoch. In keiner anderen Region<br />

der Welt können die Wohlfahrtseffekte<br />

des Hochschul-Entrepreneurship<br />

so deutlich beobachtet werden. Nicht<br />

nur die exzellenten Universitäten, sondern<br />

auch ein leichter Zugang zum<br />

Venture Capital und eine verbreitete<br />

Kultur des Wagemuts haben aus der<br />

kalifornischen Wüste eine florierende<br />

Innovations- und Wachstumsregion<br />

gemacht. Mit der Gründung der „German<br />

Silicon Valley Accelerator“ (GSVA)<br />

im Jahr 2011 möchte das Bundeswirtschaftsministerium<br />

jungen deutschen<br />

Startups die Möglichkeit geben, den<br />

amerikanischen Markt über das Silicon<br />

Valley zu erschließen. Dort erhalten<br />

Kolumne<br />

Prof. Reza Asghari<br />

gibt an dieser Stelle<br />

Einblicke in die Welt des<br />

Entrepreneurships. Hier<br />

erklärt er, wie in der<br />

kalifornischen Wüste das<br />

Silicon Valley entstand.<br />

Startups aus Deutschland für ein halbes<br />

Jahr ein mietfreies Büro und Mentoren<br />

zur Unterstützung. Das „Venture<br />

Program“ der Universität Stanford ist<br />

ein Gründerzentrum, das die Aufgabe<br />

hat, die Gründungsaktivitäten der Universität<br />

zu fördern. Hier wurde die Webplattform<br />

„eCorner“ errichtet, bei der<br />

die renommierten Stanford Entrepreneuere<br />

ihre Erfahrungen teilen. Im Eingangsbereich<br />

des Centers ist ein Spruch<br />

zu lesen, der das Geheimnis der Stanford<br />

Universität lüftet: „Every problem<br />

is an opportunity. The bigger the problem<br />

the bigger the opportunity.“<br />

Mehr Informationen unter:<br />

→www.entrepreneurship-center.de<br />

Sie wissen, was es heißt, richtungsweisend zu arbeiten.<br />

Welche drei Hölzer müssen in eine neue Position gebracht<br />

werden, damit der Fisch nach rechts schwimmt? Das Auge<br />

dient nur der Verzierung.<br />

Steuern Sie in die richtige richtung?<br />

Richtungsweisend<br />

könnte ein Praktikum bei uns sein. Ob in der Produktion,<br />

der Forschung oder der Verwaltung – bei uns bekommen Sie einen<br />

tiefen Einblick in den Berufsalltag und lernen damit möglicherweise<br />

Ihren späteren Traumjob kennen.<br />

Wir bieten<br />

Ihnen neben Praktikumsplätzen auch die Möglichkeit,<br />

Semester- oder Abschlussarbeiten bei uns zu schreiben.<br />

Profitieren Sie von einer umfassenden Betreuung, dem Rahmenprogramm<br />

für unsere Studenten und von Ihrem ersten beruflichen<br />

Netzwerk. Berufseinsteiger unterstützen wir bei den ersten<br />

Schritten mit einem maßgeschneiderten Personalentwicklungsprogramm.<br />

Wir möchten mit Ihnen gemeinsam<br />

für neue Impulse sorgen.<br />

Die Salzgitter AG gehört zu den führenden<br />

Stahltechnologie-Konzernen Europas. Der<br />

Konzern beschäftigt weltweit rund 23.000<br />

Mitarbeiter und produziert im Durchschnitt<br />

über 8 Millionen Tonnen Rohstahl pro Jahr.<br />

Salzgitter AG<br />

Führungskräfte<br />

Herr Markus Rottwinkel<br />

Eisenhüttenstraße 99, 38239 Salzgitter<br />

karriere@salzgitter-ag.com<br />

www.salzgitter-ag.com<br />

Machen Sie sich selbst ein Bild<br />

und erfahren Sie mehr über uns auf unserer Homepage,<br />

im Blog oder persönlich im Rahmen eines Praktikums oder einer<br />

Abschlussarbeit.


Karriere<br />

Foto: Privat<br />

Warten unterm Zeichentisch<br />

Moritz Gramming gewinnt Designwettbewerb für eine Bushaltestelle<br />

Von Holger Isermann<br />

Die Bedeutung von Bushaltestellen<br />

nimmt umgekehrt proportional<br />

zur Bevölkerungszahl eines Ortes zu.<br />

Die hölzernen oder stählernen Minizweckbauten<br />

können in Hintertupfingen<br />

leicht zum Treff- und Mittelpunkt<br />

der Dorfjugend werden. In Städten dagegen<br />

sind Bushaltestellen vor allem<br />

die Orte, an denen man darauf wartet,<br />

dass ein Bus hält. Ein Design-Wettbewerb<br />

an der HBK zeigt jetzt, wie kreativ<br />

sich solch ein Haltepunkt gestalten<br />

lässt. Weil die Bushaltestellen am<br />

Johannes-Selenka-Platz erneuert werden<br />

sollen, haben die Kunsthochschule<br />

und die Stadtverwaltung insgesamt<br />

Warten mit Stil: der Siegerentwurf<br />

3000 Euro Preisgeld ausgelobt. Gewonnen<br />

hat Moritz Gramming mit seinem<br />

Entwurf „AAAA – Alles auf Anfang Annette“,<br />

weil er nach Jurymitglied<br />

Heinz-Georg Leuer „in origineller<br />

Weise die Form der in<br />

den Ateliers und Werkstätten<br />

der HBK verwendeten Arbeitstische<br />

aufnimmt.“ Neben Braunschweigs<br />

Stadtbaurat zeigt sich<br />

auch HBK-Präsident Hubertus<br />

von Amelunxen begeistert: „Die<br />

Arbeit hat Ironie, überzeugt in<br />

ihrer Schlichtheit, verfügt über<br />

einen wunderbaren Wiedererkennungswert.“<br />

Davon können<br />

sich bald wohl alle Braunschweiger<br />

überzeugen, denn Grammings Entwurf<br />

soll tatsächlich realisiert werden. #<br />

Erfolgsfaktor IT. Wir ragen heraus. Sie auch?<br />

Wir sind der größte automobile Finanzdienstleister Europas –<br />

und dieser Erfolg fordert uns heraus. Jeden Tag aufs Neue.<br />

Haben Sie Interesse an nationalen und internationalen Projekten?<br />

Reizen Sie Verantwortung, ausgefeilte Konzepte, die Arbeit mit neuesten<br />

Technologien? Denken Sie heute schon an die Entwicklung von morgen –<br />

auch an Ihre eigene?<br />

Hongying Wang<br />

IT-Compliance Office<br />

IT im Kopf.<br />

Benzin im Blut.<br />

Wir suchen Sie, Informatiker oder Wirtschaftsinformatiker, <strong>als</strong><br />

IT-Projektleiter, Software-Entwickler oder für den Systembetrieb –<br />

Berufserfahrene, Absolventen und Ausgebildete.<br />

Gestalten Sie mit uns die Zukunft. Jetzt.<br />

Kennen Sie sich aus mit SAP CRM/BI, Oracle und .net, mit SAP-Basis oder<br />

Non-SAP-Applikationen? Stellenausschreibungen mit Aufgaben- und<br />

Anforderungsprofil finden Sie in unserem Online-Stellenmarkt unter<br />

www.vwfsag-karriere.de<br />

Ihre Ansprechpartner sind Jutta Kling, Nadine Politz<br />

und Daniel Aust, Personalreferenten<br />

für den Bereich IT.


Karriere<br />

Fotos: Sophie Dannenfeld, Nibbler<br />

Tiefenströme erreichen<br />

Volkswagen-Cheflobbyist Thomas Steg über Karriereplanung,<br />

Interessensvertretung und die Bundestagwahl 2013.<br />

Von Lina Behling & Sophie dannenfeld<br />

Der Mann, der uns in einem<br />

Braunschweiger Café gegenüber<br />

sitzt, heißt Thomas Steg.<br />

Wie die meisten vielbeschäftigten Menschen,<br />

kommt auch er zu spät. Wie es<br />

vielbeschäftigte Menschen tun, ordert<br />

er einen Espresso. Doch dort stößt das<br />

Stereotyp des vielbeschäftigten Karrieristen<br />

an seine Grenzen. Denn ab diesem<br />

Moment nimmt er sich Zeit.<br />

Thomas Steg ist 52 Jahre alt, wächst<br />

in Braunschweig auf und studiert zunächst<br />

an der TU Psychologie, später<br />

Sozialwissenschaften in Hannover. Danach<br />

folgt die schnelle Karriere: Angefangen<br />

<strong>als</strong> Pressesprecher des niedersächsischen<br />

DGB und danach der SPD,<br />

arbeitet sich Steg in das politische Zentrum<br />

11011, Berlin vor. Von 2002 bis Juli<br />

2009 ist er Vizeregierungssprecher – zunächst<br />

für die rot-grüne Koalition unter<br />

Kanzler Gerhard Schröder (SPD), dann<br />

für die Große Koalition unter Kanzlerin<br />

Angela Merkel (CDU). Mit dem Regierungswechsel<br />

2009 verlässt Steg die<br />

Politik, um sich sein „Leben wieder neu<br />

anzueignen“. Er wird freier Politik- und<br />

Kommunikationsberater bis ihn 2012<br />

einer der weltweit größten Automobilkonzerne<br />

wieder zurück in die Region<br />

holt. studi38 hat mit dem Generalbevollmächtigten<br />

für Außen- und Regierungsbeziehungen<br />

der Volkswagen AG<br />

einen Kaffee getrunken.<br />

Sie wechselten von der Politik zu einem<br />

Wirtschaftskonzern. Was hat Sie an Ihrer<br />

neuen Position <strong>als</strong> Cheflobbyist für VW besonders<br />

gereizt?<br />

Es war kein direkter Wechsel von der Politik<br />

in die Wirtschaft. In der Phase der Selbstständigkeit<br />

<strong>als</strong> Kommunikations- und Medienberater<br />

habe ich engere Kontakte zur Wirtschaft<br />

geknüpft und festgestellt, dass ich diesen Bereich<br />

der Gesellschaft noch nicht so gut ken-<br />

42


Karriere<br />

ne. Ich habe gemerkt, dass in der Wirtschaft<br />

anders gedacht, anders gehandelt und anders<br />

entschieden wird. Es hat mich sehr gereizt,<br />

noch einmal etwas Neues zu machen.<br />

Von den Inhalten unterscheidet sich diese<br />

Arbeit sehr von ihrer vorherigen: Sie<br />

vertreten direkt die Interessen des Konzerns,<br />

nehmen <strong>als</strong>o Einfluss auf politische<br />

Prozesse …<br />

Das sehe ich positiv, weil ich an der Schnittstelle<br />

arbeite: politische Prozesse und politischen<br />

Entscheidungen sind hier besonders<br />

wichtig und laufen zusammen. Fragen von<br />

der Steuerpolitik über die Klimapolitik über<br />

CO2, Europa, Berlin, Hannover betreffen die<br />

Automobilindustrie. Insofern bin ich jetzt in<br />

einem Wirtschaftsunternehmen, habe aber in<br />

dem Unternehmen mit den politischen Themen<br />

zu tun. Ich bleibe meinem früheren Bereich<br />

treu.<br />

Gibt es trotzdem eine klare Grenze bei der<br />

Interessenvertretung oder sind Sie moralisch<br />

flexibel?<br />

Wenn ich mich für einen Arbeitgeber entschieden<br />

habe, dann weiß ich, worauf ich mich einlasse.<br />

Dann tue ich alles. Das verlangt meine<br />

Loyalität. Das ist eine Frage meines Selbstverständnisses.<br />

Wenn ich für jemanden nur mit<br />

halber Kraft arbeite, muss ich da nicht anfangen.<br />

Ich hab mich vielleicht auch aus Gründen<br />

der Sentimentalität, der Nostalgie und der<br />

kindlichen Wurzeln für Volkswagen entschieden,<br />

aber es wäre für mich auch nie ein anderer<br />

Automobilkonzern in Frage gekommen.<br />

Nach dem Spionage-Skandal im Bundesgesundheitsministerium<br />

fordern Kritiker die<br />

Politik auf, die Aktivitäten von Lobbyisten<br />

einzuschränken …<br />

Grundsätzlich bin ich mir darüber im Klaren,<br />

dass der Begriff Lobbyismus negativ besetzt<br />

ist. Das werde ich nicht ändern können.<br />

Ich sage klipp und klar, dass alle Unternehmen<br />

und Konzerne legitime, spezielle Interessen<br />

haben und gerade große Konzerne können<br />

es sich leisten, dass diese professionell vertreten<br />

werden – gegenüber der Politik, gegenüber<br />

der Öffentlichkeit, gegenüber der Medien.<br />

Deswegen habe ich auch keine Probleme<br />

mit der Bezeichnung Cheflobbyist bei Volkswagen.<br />

Was nicht geht, sind Versuche, das,<br />

was man eigentlich mit guten Argumenten<br />

und Überzeugungsarbeit erreichen will, mit<br />

Geld zu erkaufen.<br />

Ist es ihre Aufgabe dem Vorurteil entgegenzuarbeiten,<br />

dass Lobbyisten ihre Kontakte<br />

aus der Politik für Lobbyarbeit<br />

missbrauchen?<br />

Es gab eine Diskussion darüber, ob man sofort<br />

aus der Politik in einen lobbyähnlichen<br />

Bereich wechseln darf. Ich habe dazu keine<br />

abschließende Meinung. Ich finde, dass der<br />

Wechsel an sich unproblematisch ist. Es kann<br />

aber sein, dass es bestimmte Funktionen in<br />

der Politik gibt, die mit bestimmten Kenntnissen,<br />

Wissen und Kontaktnetzen verbunden<br />

sind. Dort ist es angemessen eine Art Quarantänezeit<br />

einzuführen bevor man in demselben<br />

Bereich wieder arbeitet. Dabei ist der<br />

Fakt, dass jemand in derselben Branche weiterarbeitet<br />

nicht entscheidend, sondern dass<br />

er aus der Regierung, aus einem Ministerium<br />

Informationen mitnimmt, die einen enormen<br />

Wettbewerbsvorteil bedeuten.<br />

Haben Sie ihren Karriereweg aktiv geplant,<br />

gab es da Kriterien, eine Strategie?<br />

Ich hatte das große Glück in meinem Leben,<br />

dass ich die Dinge, die mir großen Spaß machen,<br />

mit meinen beruflichen Tätigkeiten in<br />

den verschiedenen Phasen meines Lebens verbinden<br />

konnte. Am Ende haben aber auch<br />

sehr viele Zufälle hineingespielt. Im Grunde<br />

fing mein Einstig in die Politik mit einer tiefen<br />

Enttäuschung an. Eigentlich wollte ich zu dem<br />

Zeitpunkt promovieren. Dann ist das Promotionsstipendium<br />

auf Grund von Kürzungen<br />

gestrichen worden und ich musste eine Job finden.<br />

So bin ich in die Politik gekommen.<br />

Was würden Sie sagen, ist langfristig wichtig,<br />

um im Arbeitsleben erfolgreich und<br />

auch glücklich erfolgreich zu sein?<br />

Das ist eine schwierige Frage. Man sollte die<br />

Planung während des Studiums und bei der<br />

Wahl des Studienfaches nicht davon abhängig<br />

machen, was man später und wo man<br />

später arbeiten könnte. Die Phasen im Leben<br />

muss man auch nutzen, um das Gefühl zu bekomme:<br />

Jetzt mache ich das, was ich aus inneren<br />

Antrieben heraus machen will und nicht<br />

aus irgendwelchen Nützlichkeitstrieben. Man<br />

bekommt nur einmal im Leben diese Phase<br />

geschenkt.<br />

Und trotzdem aus Ihrer Erfahrung heraus:<br />

worauf kommt es an?<br />

Eines erweist sich immer wieder <strong>als</strong> entscheidendes<br />

Kriterium: der Abschluss muss gut<br />

sein. Das zweite, worauf auch immer mehr<br />

Personalchefs Wert legen, ist die Entwicklung<br />

von Persönlichkeiten. Eigenständigkeit, Problemlösungsfähigkeit,<br />

soziale Kompetenz, das<br />

wird häufig im Studium vernachlässigt, ist<br />

aber auch sehr wichtig.<br />

Letzte Frage: 2013 ist Bundestagswahl. Was<br />

wird das wahlentscheidende Thema?<br />

Man muss die Tiefenströme, die mentale Verfassung<br />

eines Landes erreichen. Da geht es<br />

dann um Frieden, wie 2002 <strong>als</strong> der Irakkrieg<br />

diskutiert wurde oder um Solidarität und Gemeinsamkeit<br />

nach der Flut in Ostdeutschland.<br />

Das zeichnet sich im Moment noch nicht klar<br />

ab. Es wird sehr stark davon abhängen, ob die<br />

Deutschen das Gefühl haben, dass die Krise<br />

um den Euro und in Europa eher überwunden<br />

oder die Situation unverändert dramatisch<br />

ist. Und ob die wirtschaftlichen Schwierigkeiten<br />

zunehmen, die Menschen mehr Angst um<br />

ihren Arbeitsplatz haben. In Amerika war das<br />

Thema Arbeitsplatzsicherheit und damit Einkommenssicherheit<br />

das wichtigste in diesem<br />

Jahr. #


Karriere<br />

Fotos: Stefanie Lipka, Eva Casper<br />

Pünktlicher<br />

<strong>als</strong> die Bahn<br />

„Herr Hesselbach hat einen Chauffeur?“, lautet meistens die ungläubige Frage, wenn man von Emanuel Chmielarski<br />

erzählt. Ja! Und wir haben ihn einen Tag begleitet. Eine Story übers Fahren, Pünktlichkeit und viel Sitzfleisch.<br />

Von Eva Casper<br />

Wer an einen Chauffeur<br />

denkt, hat meistens das Bild<br />

eines tadellos geschniegelten,<br />

gnadenlos loyalen Herrn im Anzug<br />

im Kopf, der sich – sobald sein Arbeitgeber<br />

aus dem Auto steigt – in etwas unterwürfiger<br />

Manier auf die Tür stürzt<br />

und selbige mit kerzengerader Haltung<br />

wortlos aufhält.<br />

Überhaupt ist der gängige Chauffeur<br />

demnach ein wortkarger Mann, der nur<br />

antwortet, wenn er gefragt wird, der<br />

<strong>als</strong>o in gewisser Weise das Prinzip der<br />

Dienstleistung vollkommen verinnerlicht<br />

hat. Doch mit diesem Klischeebild<br />

hat Emanuel Chmielarski, der Chauffeur<br />

von TU-Präsident Professor Jürgen<br />

Hesselbach kaum Schnittmengen.<br />

Als er mich an einem Montagmorgen<br />

abholt, trägt er Jackett und Jeans und<br />

könnte wahrscheinlich auch <strong>als</strong> Lehrer<br />

oder Dozent durchgehen. Es ist Semesterbeginn<br />

und das bedeutet viel Arbeit<br />

für den Mann, der den Präsidenten<br />

mobil macht. Wir begaben uns auf den<br />

Weg nach Wolfenbüttel, um Herrn Hesselbach<br />

zu Hause abzuholen. Er muss<br />

44


Karriere<br />

anschließend im Stadion die Erstsemester<br />

begrüßen. Der Verkehr ist an diesem<br />

Morgen ungewöhnlich dicht. „Zu<br />

spät zu sein geht gar nicht, Ziel ist es<br />

egal wohin pünktlich anzukommen“,<br />

erklärt Chmielarski gelassen <strong>als</strong> er bei<br />

180 Sachen auf der Autobahn die verlorene<br />

Zeit wieder reinfährt.<br />

Eine staatlich anerkannte Ausbildung<br />

hat er nicht absolviert. Die gibt es auch<br />

nicht. Chmielarski rutschte eher zufällig<br />

nach seiner Bundeswehrzeit auf den<br />

Fahrersitz.<br />

Das war 1979 und er war gerade 21<br />

Jahre alt. „Ich hatte die Wahl zwischen<br />

einer handwerklichen Ausbildung, der<br />

Wiederaufnahme<br />

meiner Arbeit bei<br />

der Bahn oder einem<br />

Neuanfang.“<br />

Er entschied<br />

sich fürs Fahren.<br />

„Der Beruf ist schön, wenn man jung<br />

ist. Man kommt viel herum, trifft interessante<br />

Leute.“<br />

Zehn Jahre später nimmt er die Stelle<br />

an der TU Braunschweig an. Seitdem<br />

fährt er Mitglieder des Präsidiums von A<br />

nach B und ist Mitglied im Personalrat.<br />

Meistens ist Chmielarski in Deutschland<br />

unterwegs, aber er war auch schon<br />

in Polen, den Niederlanden, Belgien,<br />

der Schweiz und in Österreich.<br />

„Dieser Beruf ist nichts für Leute,<br />

die um 16 Uhr Feierabend haben wollen.<br />

Oft ist man von halb acht bis spät<br />

abends unterwegs. Mitunter kommen<br />

die Aufträge auch sehr kurzfristig und<br />

ohne absehbaren Feierabend.“<br />

Das macht den Spagat zwischen Job<br />

und Privatleben schwierig.<br />

Er wohnt mit seiner Freundin und ihren<br />

zwei Kindern in einem Dorf in der<br />

Nähe von Braunschweig. In seiner Freizeit<br />

kocht er gerne, fährt Mountainbike<br />

und werkelt an Haus und Garten. Und<br />

er genießt es mal nicht fahren zu müssen.<br />

Meistens sitzt dann seine Freundin<br />

hinter dem Steuer. „Sie fährt sehr gut<br />

und ich kann entspannt danebensitzen“,<br />

sagt er mit einem Grinsen.<br />

Selbst hat er nach 33 Berufsjahren<br />

und vielen hunderttausend Kilometern<br />

nur zwei kleine Blechschäden gehabt.<br />

„Dieser Beruf ist nichts<br />

für Leute, die um 16 Uhr<br />

Feierabend haben wollen.“<br />

Mittlerweile sind wir in Wolfenbüttel<br />

angekommen und Herr Hesselbach<br />

steigt ins Auto – ein VW-Phaeton übrigens,<br />

laut Spiegel Online ein „luxuriöser<br />

Ladenhüter“. Aber er ist zumindest<br />

bequem und das zählt auf langen Fahrten<br />

mehr <strong>als</strong> das Image des Fahrzeuges.<br />

„Für Stadtfahrten könnte ich mir aber<br />

auch gut ein Elektroauto vorstellen“, so<br />

Chmielarski.<br />

Auf der Fahrt geht der Präsident noch<br />

einmal seine Rede durch. Er ist gut aufgelegt<br />

und erzählt, dass seine Sekretärin<br />

ihm gestern aus Versehen die Rede<br />

vom letzten Jahr geschickt hat. „Das<br />

hast du doch schon mal erzählt, habe<br />

ich gedacht.“ Er<br />

lacht. „Wenn ich<br />

sowas nicht mehr<br />

merke, ist es Zeit<br />

aufzuhören.“ Sie<br />

plaudern noch ein<br />

bisschen über Politik, die Räumung der<br />

Asse und den Zahnarzttermin um 11.30<br />

Uhr. Auf längeren Fahrten herrscht<br />

aber auch oft stille Betriebsamkeit. „Ich<br />

muss mich schließlich aufs Fahren konzentrieren“,<br />

so Chmielarski.<br />

Als wir im Stadion ankommen, sind<br />

die Reihen noch etwas gelichtet. Herr<br />

Hesselbach wird vom ZDF interviewt.<br />

Sein Chauffeur und ich stehen etwas<br />

abseits der Bühne. Warten, das heißt<br />

mit Kollegen plaudern, Kaffee trinken,<br />

lesen, rauchen – Zeit totschlagen eben.<br />

Dann wieder Rastlosigkeit und viel Sitzfleisch<br />

auf langen Fahrten. Dazu die<br />

schwankenden Arbeitszeiten und der<br />

ansteigende Verkehr. „Der Job hinterm<br />

Steuer wird mit zunehmendem Alter<br />

auch anstrengender.“<br />

Immerhin macht der technische Fortschritt<br />

in den Fahrzeugen die Arbeit<br />

deutlich einfacher. Navigation, verbesserte<br />

Staumeldungen im Radio und Autotelefon.<br />

„Früher habe ich beim Fahren<br />

mit 160 Sachen nebenbei auf die<br />

Karte geschielt.“<br />

Während wir neben der Tribüne warten,<br />

fragt Chmielarski mich, wie ich<br />

Herrn Hesselbach finde? Sympathisch<br />

und recht locker. „Ja, stimmt er mir<br />

zu. Und die Studenten liegen ihm wirklich<br />

am Herzen.“ Letzten Endes bleibt<br />

es aber bei einer Geschäftsbeziehung.<br />

Es gibt weder ein per Du, noch private<br />

Treffen, nur gemeinsame Fahrten.<br />

Nach dem Ende der Erstsemesterbegrüßung<br />

geht es zurück in die Universität,<br />

um 14 Uhr nach Osnabrück und<br />

am nächsten Tag nach Berlin. Das Auto<br />

ist nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern<br />

auch der Arbeitsplatz – Lebenspartner<br />

fast schon. Nicht der Weg ist das<br />

Ziel, das Ziel ist das Ziel. Darum dreht<br />

sich alles. Die Stelle bei der Bahn hat<br />

Chiemlarski dam<strong>als</strong> ausgeschlagen. Eine<br />

Verbindung gibt es trotzdem noch: „Ich<br />

bin meistens pünktlicher <strong>als</strong> meine ehemaligen<br />

Kollegen“, sagt er und lächelt. #<br />

Chef & Chauffeur bei der Erstsemesterbegrüßung<br />

im Stadion<br />

45


Karriere<br />

Was heißt<br />

nachhaltig leben?<br />

Auf dem Heldenmarkt, der Messe für nachhaltigen Konsum, werden nur <strong>als</strong> umwelt- und sozialverträglich geltende<br />

Produkte gehandelt. Über den Durst lässt es sich dort trotzdem konsumieren.<br />

von Kristin Schulze<br />

Zufriedene Menschen schlendern<br />

mit Einkaufsbeuteln, auf denen<br />

„Koofen – Verkoofen – Jutes<br />

tun“ steht, durch die Reihen des Heldenmarktes<br />

am Berliner Ostbahnhof.<br />

Man fühlt sich wohl, denn das Bedürfnis<br />

ethisch zu handeln und dabei gute<br />

Lebensmittel zu erwerben, bringt Besucher<br />

und Verkäufer ins Gespräch.<br />

Nun, die Verkäufer bewegt auch der<br />

Wunsch, ihre Ware zu vermarkten. Die<br />

Bandbreite der Produkte reicht von Biolebensmitteln,<br />

regionaler und überregionaler<br />

Herkunft, über europaweit<br />

vertriebene Textilien bis zu Waldanteilen<br />

in Südamerika. Letztere werden unter<br />

dem Deckmantel der Nachhaltigkeit<br />

auch mit hohen Renditekonditionen beworben.<br />

Es finden Werbevorträge von<br />

und über Firmen statt, darunter auch<br />

eine Bank, die bei einer Geldanlage<br />

ethischen Mehrwert verspricht.<br />

Den Heldenmarkt gibt es seit 2010. Er<br />

kann <strong>als</strong> Paradebeispiel für eine Bewegung<br />

gelten, die sich der Tragweite ihrer<br />

Kaufkraft bewusst ist und sie gezielt<br />

einsetzt. Die meisten Angebote bleiben<br />

konsumorientiert. Wenige Ausnahmen<br />

bilden Vorträge von Umweltorganisationen<br />

und ein Recycling-Workshop.<br />

Können einzelne Kaufentscheidungen<br />

in unserem auf Wohlstand und<br />

Wirtschaftswachstum gepolten System<br />

denn wirklich dazu beitragen, die Umwelt<br />

zu entlasten? Der ökologische Fußabdruck<br />

der Deutschen und anderer


Karriere<br />

Industrienationen liegt ein Vielfaches<br />

über dem dauerhaft beanspruchbaren<br />

Durchschnittswert von 1,9 Hektar pro<br />

Jahr und Kopf, das hat das Global Footprint<br />

Network errechnet. Der Fußabdruck<br />

gibt die Fläche der Erde an, die<br />

nötig ist, um die eigene Lebensweise<br />

dauerhaft zu ermöglichen. Würden wir<br />

so weiter machen, bräuchten wir zur<br />

Versorgung aller Menschen fast drei Erden.<br />

Unser Lebensstil baut auf der Summe<br />

aller unserer Handlungen auf. Wie<br />

viel ändern hierbei <strong>als</strong>o Bioobst und<br />

recycelte Handtaschen, wenn wir im<br />

Sommer in den Urlaub fliegen und dabei<br />

einen horrenden CO²-Ausstoß verursachen?<br />

Oder wenn die recycelte<br />

Handtasche meine dritte Handtasche<br />

im Schrank ist? Mit Hilfe des Heldenmarktes,<br />

der dieses Jahr in fünf Städten<br />

Deutschlands stattfindet, können Interessierte<br />

Wege zu einem nachhaltigeren<br />

Konsum- und Lebensstil einschlagen.<br />

Sie können aber auch einfach über<br />

den Durst konsumieren und die Wirtschaft<br />

ankurbeln. Schwieriger ist es<br />

mit dem kollektiven Fußabdruck. Gesellschaftliche<br />

Anforderungen, kollektive<br />

Wohlstandsansprüche und unsere<br />

Infrastruktur machen ein ökologisch<br />

verantwortbares Leben schwierig. Als<br />

Studierende sind wir zum Beispiel an<br />

Mobilität gewöhnt. So sind Heimat, Universitätsstadt<br />

und der Ort des zukünftigen<br />

Arbeitsplatzes selten dieselben.<br />

Auch die differenzierten Berufsfelder<br />

in unserer auf globaler Arbeitsteilung<br />

basierenden Gesellschaft veranlassen<br />

uns zu hohem Ressourcenverbrauch.<br />

Was <strong>als</strong>o tun? Zunächst mal weiterlesen.<br />

Denn der Nachhaltigkeitsforscher<br />

Dr. André Reichel hat studi38 im Interview<br />

verraten, was eine Postwachstumsgesellschaft<br />

ausmacht und wie der Weg<br />

dahin aussehen könnte. #<br />

„Die Postwachstumsgesellschaft<br />

kommt so oder so“<br />

André Reichel sieht enormes Potenzial zum<br />

Wandel bei den Unternehmen.<br />

Fotos: Architectuul, Privat<br />

Was halten Sie von grünem bzw. qualitativem<br />

Wachstum?<br />

Grundsätzlich ist damit ja gemeint, dass<br />

durch Investitionen in Umweltindustrien und<br />

Themen wie Energieeffizienz und erneuerbare<br />

Energien ein Wirtschaftswachstum ausgelöst<br />

wird, das gleichzeitig mit deutlich weniger<br />

Umweltverbrauch einhergeht. Grünes Wachstum<br />

hilft uns aber nicht wirklich zu einer Entkopplung<br />

von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch.<br />

Denn auch wenn es gelingt,<br />

Produkte mit weniger Ressourceneinsatz zu<br />

produzieren, gibt es das Problem des sogenannten<br />

Rebound-Effekts.<br />

Das müssen Sie uns jetzt etwas genauer<br />

erläutern!<br />

Ein effizienteres Produkt hilft beim Ressourcenschonen<br />

und setzt damit Einkommen<br />

frei. Das erlaubt es dem Verbraucher, mehr<br />

von diesem oder einem anderen Produkt zu<br />

kaufen – so dass er am Ende paradoxerweise<br />

ebenso viele Ressourcen, wenn nicht noch<br />

mehr <strong>als</strong> ursprünglich, verbraucht. Man<br />

müsste die Entkopplungsvorstellung vielleicht<br />

gänzlich aufgeben.<br />

Sie sprechen sich dafür aus, für eine Postwachstumswirtschaft<br />

bestehende kapitalistische<br />

Mechanismen zu überdenken. Andere<br />

lehnen kapitalistische Perspektiven<br />

grundsätzlich ab.<br />

In der Diskussion um eine Postwachstumsökonomie<br />

fällt der betriebswirtschaftliche Aspekt,<br />

die Sichtweise der Unternehmen, immer hinten<br />

runter, weil viele Vertreter sehr grundsätzlich<br />

in politökonomischen Entwürfen denken.<br />

Genau hier liegt mein Forschungsinteresse:<br />

Was für eine Rolle spielen eigentlich Unternehmen<br />

und was bedeutet Postwachstum aus<br />

unternehmerischer Sicht?<br />

Sie gehen davon aus, dass besonders von<br />

den Unternehmen eine Veränderung ausgehen<br />

kann?<br />

Ein Stück weit ordne ich mich der substanziellen<br />

Postwachstumsrichtung zu, die die Akteure<br />

in den Mittelpunkt rückt und sich von allzu<br />

planerischen und verordnenden Lösungen abgrenzt.<br />

Daher sehe ich auch Unternehmen <strong>als</strong><br />

Teil einer größeren Bewegung von unten, die<br />

ja letztlich in einer Postwachstumswirtschaft<br />

oder -gesellschaft auch agieren müssen. →<br />

Dr. André Reichel ist Research<br />

Fellow für nachhaltiges<br />

Wirtschaften am European<br />

Center for Sustainability<br />

Research an der Zeppelin<br />

Universität am Bodensee. In der<br />

Vergangenheit stand er dem<br />

Forschungscluster `Nachhaltigkeit<br />

in der Produktion` der<br />

durch die Deutsche<br />

Forschungsgemeinschaft (DFG)<br />

geförderten Graduiertenschule<br />

für advanced Manufactoring<br />

Engineering in Stuttgart<br />

vor. Sein Interesse gilt der<br />

Postwachstumsforschung.<br />

47


Karriere<br />

Die Jutetasche <strong>als</strong> Statement:<br />

So gesehen auf dem Berliner Heldenmarkt.<br />

Funktioniert dieser Wandel vom Wachstums-<br />

zum Postwachstumsparadigma denn<br />

auch ohne staatliche Regelungen?<br />

Grundsätzlich bin ich und sind auch andere<br />

der Meinung: Die Postwachstumsgesellschaft<br />

kommt so oder so. Die Aussichten auf mehr<br />

Wachstum sind einfach nicht mehr da. Wann<br />

genau das passiert, das wissen wir noch nicht<br />

und es gibt natürlich viele mögliche Postwachstumsgesellschaften.<br />

Insofern ist immer<br />

die Frage, welche Rahmenbedingungen gelten<br />

müssen und wie man so einen Übergang gestalten<br />

kann, damit wir immer noch eine, aus<br />

unserer Sicht freie, lebenswerte, menschenwürdige<br />

und demokratische Postwachstumsgesellschaft<br />

haben. Da ist zumindest eine Ergänzung<br />

des Bruttosozialproduktes um einen<br />

neuen Wohlstandsindikator sicherlich hilfreich,<br />

der neben ökonomischen Aspekten auch<br />

soziale und ökologische Faktoren mitberücksichtigt.<br />

Aber es wird nicht alles automatisch<br />

besser, wenn wir einen neuen Wohlstandsindikator<br />

haben.<br />

Was muss <strong>als</strong>o passieren,<br />

damit der<br />

Wandel befördert<br />

wird?<br />

Wenn wir<br />

eins wissen,<br />

dann ist es,<br />

dass sich die<br />

Dinge nie von<br />

oben durchsetzen.<br />

Sie werden immer<br />

schon vorgelebt.<br />

Und das meistens<br />

von einer Avantgarde.<br />

Manche Dinge<br />

setzen sich durch<br />

und andere nicht. Es<br />

muss viele soziale Experimente<br />

geben. Sei<br />

es jetzt, dass Menschen<br />

sich entschließen, einen<br />

Schritt aus der kapitalistischen<br />

Verwertungslogik<br />

heraus zu machen<br />

und wieder in Kommunen<br />

leben. Dass Leute auf<br />

einmal in Städten wieder<br />

anfangen ihre Viertel mit<br />

Urban Gardening zu beleben,<br />

was manchmal belächelt wird, aber auch einen<br />

anderen Lebensstil beinhaltet, oder dass<br />

Leute anfangen sehr bewusst über ihre Ernährung<br />

nachzudenken. Es ist im Moment alles<br />

noch im Fluss. Aber da ist so ein wachsendes<br />

Empfinden: so kann’s nicht weitergehen.<br />

Wie bekommen die Menschen, die dieses<br />

Empfinden in neuen Lebensweisen umsetzen,<br />

Einfluss auf die Gesellschaft?<br />

Deswegen plädiere ich dafür die Unternehmen<br />

zu beachten. Weil unser Leben zum großen<br />

Teil durch Unternehmen beeinflusst wird.<br />

Wir konsumieren das, was auch da ist. Unternehmen<br />

haben eine unglaubliche schöpferische<br />

Zerstörungskraft, Altes hinwegzufegen<br />

und Neues an diese Stelle zu setzen. Ohne<br />

Unternehmertum und Unternehmergeist, ob<br />

profitorientiert oder sozialorientiert, das sei<br />

mal ganz dahingestellt, wird es nicht gehen.<br />

Wir brauchen die Unternehmen und mehr<br />

noch – wir brauchen die Unternehmer, die in<br />

diese Richtung gehen.<br />

Kann ein Unternehmen in einer Postwachstumsgesellschaft<br />

noch wachsen oder sich<br />

verändern?<br />

Natürlich, meist aber auf Kosten anderer Unternehmen,<br />

indem es einen völlig neuen Markt<br />

aufmacht, der dann wieder dafür sorgt, dass<br />

andere Märkte schrumpfen und absterben.<br />

Denken Sie zum Beispiel daran, was Wikipedia<br />

mit dem Markt für Enzyklopädien gemacht<br />

hat. So etwas passiert laufend.<br />

Haben Sie einen Rat für Startups, die nachhaltig<br />

wirtschaften wollen?<br />

Sich ernsthaft mit dem Thema Nachhaltigkeit<br />

auseinander zu setzen und zu überlegen, inwiefern<br />

die eigene Geschäftsidee um das Thema<br />

herum aufgebaut werden kann. Was kann<br />

das Unternehmen tun, um eine Nichtnachhaltigkeit<br />

in der Gesellschaft zu beseitigen. Und<br />

das muss Kern des Geschäfts sein.<br />

Wie wird die Postwachstumsdebatte in anderen<br />

europäischen Ländern geführt?<br />

Also, sie wird überall geführt. In den romanischen<br />

Ländern vielleicht etwas schärfer. Sie<br />

kommt ja aus Frankreich und hat sehr schnell<br />

in Spanien und Italien Fuß gefasst, aber auch<br />

in Großbritannien. Inzwischen ist es eine gesamteuropäische<br />

Diskussion um die Frage,<br />

wie wir eigentlich leben wollen und wie wir<br />

angesichts der Begrenzungen im ökologischen<br />

Bereich, aber auch angesichts der großen<br />

Spannungen, die wir im sozialen Bereich haben,<br />

wirtschaften sollen.<br />

Sie haben an internationalen Tagungen<br />

zum Thema teilgenommen. Kennen<br />

Sie Ihren persönlichen ökologischen<br />

Fußabdruck?<br />

Ach Gott ja! Wenn ich meine beruflichen Reisen<br />

nicht mit anrechne, dann ist der ganz gut.<br />

Wenn ich dreimal im Jahr einen Interkontinentalflug<br />

hab, dann ist natürlich mit jedem<br />

Flug immer gleich das gesamte Jahresbudget<br />

von drei Tonnen CO² pro Jahr und Kopf weg.<br />

Selbst wenn man sehr bewusst lebt und konsumiert,<br />

ist die Einhaltung des Budgets fast<br />

unmöglich. Da breche ich eine Lanze für Technologien<br />

und Produkte, die uns dabei helfen<br />

können, aber es fehlen natürlich auch ganz<br />

andere Lebens- und Arbeitsentwürfe. #<br />

Foto: Kristin Schulze<br />

48


Schlussakkord<br />

Lieblings …<br />

… Album? Film? Buch?<br />

Ein Blick hinter die Kulissen: Unsere Redakteure verraten euch exklusiv ihre Vorlieben!<br />

Desiree Schober<br />

Ingo Kasseck<br />

Annika Heller<br />

Lieblingsalbum<br />

Das Meisterstück, Vol. I (Mach One)<br />

Das Meisterstück kombiniert ernsthafte Themen<br />

und Tiefgang mit Humor, Witz und Ironie.<br />

Die einzelnen Tracks bilden ein rundes<br />

Gesamtwerk, welches vom Künstler selbstproduziert<br />

wurde. Die durchdachten Texte des<br />

Albums lassen einen immer wieder neue Details<br />

entdecken. Wächst mit jedem mal hören.<br />

LIEBLINGSFILM<br />

Eternal Sunshine of the Spotless Mind<br />

(Michel Gondry)<br />

Der Film zeigt die verworrene Geschichte eines<br />

Paares und die Möglichkeit, Erlebnisse<br />

oder gar Personen aus den eigenen Erinnerungen<br />

löschen zu lassen. Beeindruckend ist<br />

die Art ein subjektives Gefühl wie eine Erinnerung<br />

skurril und doch so echt darzustellen.<br />

LIEBLINGSBUCH<br />

Die Einsamkeit der Krokodile<br />

(Dirk Kurbjuweit)<br />

Die locker geschriebene Geschichte verbindet<br />

die tiefgründige Frage nach Normalität und<br />

Wahnsinn mit einem eher trockenen Humor<br />

und beschreibt Charaktere, die gerade durch<br />

ihre Fehler und ihre seltsamen Eigenarten an<br />

Sympathie gewinnen.<br />

Lieblingsalbum<br />

Illmatic (Nas)<br />

Eines der Top 10 Rap Alben aller Zeiten, das<br />

im nächsten Jahr zwanzigsten Geburtstag feiert.<br />

Der New York Rap Sound der Neunziger<br />

Jahre, großartige Beats, großartige Texte und<br />

wegweisend für unzählige Künstler. Außerdem:<br />

Ein Album, das man seit 12 Jahren immer<br />

wieder gerne hört, gehört genau hier hin.<br />

Lieblingsfilm<br />

Cheyenne – This Must Be the Place<br />

(Paolo Sorrentino)<br />

Ein Roadmovie mit Sean Penn <strong>als</strong> gealterte<br />

Darkwave-Ikone im Ruhestand, der nach dem<br />

Tod seines Vaters beschließt, dessen Peiniger<br />

zu jagen. Der Film ist ruhig, spannend, witzig<br />

und begleitet den 50 jährigen Hauptdarsteller<br />

beim Erwachsen werden.<br />

Lieblingsbuch<br />

A Song of Fire and Ice<br />

(George R. R. Martin)<br />

Das Buch, das ich zum Einschlafen lese und<br />

regelmäßig genau deswegen zu lange wach<br />

bleibe ist eigentlich eine Buchreihe. Die Serie<br />

ist ja bekannter Maßen eine Erfolgsgeschichte,<br />

aber die Bücher sind einfach besser, voller,<br />

spannender.<br />

Lieblingsalbum<br />

Our Earthly Pleasures<br />

(Maximo Park)<br />

Vielseitig, britisch, großartig! Ein All-Time-<br />

Lieblingsalbum, das für jede Stimmung den<br />

richtigen Song bereithält, gute Laune mit<br />

„Books from Boxes“ und melancholisch-entspannt<br />

mit „Sandblasted And Set Free“. Und<br />

natürlich der britische Akzent.<br />

Lieblingsfilm<br />

500 Days of Summer<br />

(Marc Webb)<br />

Eine (gescheiterte) Liebesgeschichte mal aus<br />

der männlichen Sicht und so grandios dargestellt,<br />

mit all seinen Facetten. Ein gefühlvoller,<br />

verträumter, ehrlicher Trennungs- und Beziehungsfilm<br />

und eigentlich immer der perfekte<br />

Film. Auch beim 1000sten mal.<br />

Lieblingsbuch<br />

Eat, Pray, Love<br />

(Elizabeth Gilbert)<br />

Seit ich dieses Buch gelesen habe, habe ich<br />

grundlegende Dinge in meinem Leben geändert,<br />

so sehr hat es mich beeinflusst. Ein beeindruckendes,<br />

inspirierendes und motivierendes<br />

Buch. Wer <strong>als</strong>o neue Denkanstöße oder einen<br />

Leseurlaub braucht: Sehr geeignet.<br />

49


Schlussakkord<br />

Die Sache mit dem Konjunktiv<br />

Wie die Möglichkeitsform unser Denken beherrscht<br />

Von Elena Schade<br />

Wieder beginnt ein neues Semester.<br />

Wieder sitze ich in<br />

der Uni und hab mir Großes<br />

vorgenommen: Diesmal schreibe ich<br />

alles mit. Diesmal strenge ich mich so<br />

richtig an. Diesmal werde ich für meine<br />

Mühe mit einem grandiosen Durchschnitt<br />

belohnt. Diesmal mache ich alles<br />

anders. Auch wenn es letztes Jahr<br />

nicht so gut lief, wenn ich möchte,<br />

dann kann ich das auf jeden Fall. Und<br />

ich möchte wirklich.<br />

Schon in der dritten Woche höre ich<br />

in einem Seminar das erste grandiose<br />

Referat eines Kommilitonen. Diese gewählte<br />

Aussprache, dieses Auftreten,<br />

diese fein säuberlich beschriebenen<br />

Karteikarten und diese unglaubliche<br />

selbstsichere Ausstrahlung. Diese Gelassenheit<br />

während der anschließenden,<br />

bohrenden Fragen einiger besonders<br />

streitlustiger Mitstudenten und<br />

der kritische Blick des Dozenten. Der<br />

Referent bleibt unvorstellbar ruhig. Ich<br />

frage mich kurz wie er das macht und<br />

dann die Erkenntnis: Wenn ich jedes<br />

Mal so gut vorbereitet wäre, würde ich<br />

das genauso schaffen. Ich müsste mich<br />

nur einen Tag früher dran setzten, mich<br />

etwas besser auf die Vorbereitung konzentrieren<br />

und mich gegen hartnäckige<br />

Ablenkungsversuche durch meine Umwelt<br />

vehement wehren. Das kann doch<br />

nicht so schwer sein.<br />

Nachmittags sitze ich an meinem<br />

Schreibtisch und starre Löcher in die<br />

Luft. Vor mir ein Stapel Bücher und ein<br />

paar Dutzend kleine Klebezettel in allen<br />

erdenklichen Farben. Ich denke an meinen<br />

Vorsatz, diesmal fleißiger zu sein.<br />

Würde ich sofort anfangen, könnte ich<br />

es sogar noch relativ stressfrei bis zum<br />

Abgabetermin schaffen. Aber zählt der<br />

Vorsatz überhaupt, wenn die Hausarbeit<br />

noch aus dem letzten Semester ist?<br />

Während ich mir über die Gültigkeit<br />

meines Vorhabens in dieser speziellen<br />

und sehr schwierig zu bewertenden Situation<br />

den Kopf zerbreche, begrüße<br />

ich einen ungebetenen Gast in meinem<br />

Unterbewusstsein. Den inneren Schweinehund.<br />

Jeder kennt ihn, jeder hat ihn,<br />

keiner will ihn. Eng umschlungen trifft<br />

man ihn oft mit seinem guten Freund,<br />

dem Konjunktiv. Besser bekannt <strong>als</strong> die<br />

Möglichkeitsform oder in der zweiten<br />

Form sogar <strong>als</strong> Irrealis. K und S, nennen<br />

wir die beiden so, halten zueinander,<br />

in guten wie in schlechten Zeiten. Sie<br />

sind immer einer Meinung und verstehen<br />

sich auch sonst ausgesprochen gut.<br />

Sie bauen gemeinsam weiße Luftschlösser,<br />

einziehen tun sie allerdings selten.<br />

Viele von uns fühlen sich mit K und S<br />

verbunden. Manche weniger, manche<br />

mehr und manche viel zu oft. Bequeme<br />

Gesellschaft verschmähen wir eben<br />

selten. In Diskussionen verteidigt der K<br />

den S selbstredend, was sich sowohl für<br />

Beteiligte, <strong>als</strong> auch Unbeteiligte durchaus<br />

<strong>als</strong> schwierig gestalten kann. S argumentiert<br />

dann schlau und K hat auf<br />

jeden Fall Verständnis. Natürlich könnte<br />

ich die Hausarbeit mit 1 bestehen,<br />

wenn ich mich richtig anstrenge. Die<br />

Möglichkeit besteht, die Realität aber<br />

sieht anders aus. Da war noch die Bandprobe,<br />

das Gespräch mit dem Bankberater,<br />

der hübsche Junge in der S-Bahn,<br />

die Wäsche, der Abwasch, die gute Serie<br />

im Fernsehen, die spontane WG-Party,<br />

das Abendessen mit D., die neue CD von<br />

L., der Kopfschmerz, der Bauchschmerz,<br />

Alles Gute Gründe, alles nachvollziehbar,<br />

findet K. Er weiß ja, es wäre definitiv<br />

möglich und das beruhigt.<br />

Ich lasse die Bücher und die Hausarbeit<br />

noch eine Weile liegen. Das Wetter<br />

ist schön und die anderen grillen<br />

im Park. Auch an den beiden darauffolgenden<br />

Tagen wartet die Arbeit vergeblich<br />

auf mich, nur ein kleiner sehr<br />

roter Klebezettel hat sich langsam in<br />

mein Gewissen geschlichen. Einen Monat<br />

später stehe ich dann vor dem kleinen,<br />

schwarzen Briefkasten und stecke<br />

einen hektisch zusammengehefteten<br />

Stapel Blätter in den schmalen Schlitz.<br />

Ich habe kein gutes Gefühl und bin<br />

auch nicht erleichtert, obwohl es geschafft<br />

ist. Und während das Papier<br />

langsam ins Dunkel fällt, schwirrt mir<br />

ein wohl bekannter Satz durch meinen<br />

Kopf: Hätte ich nur ein paar Tage länger<br />

Zeit gehabt, wäre das alles gar kein Problem<br />

gewesen. #<br />

Foto: Holger Isermann<br />

50


dedicated to solutions.<br />

l e i d e n s c h a f t f ü r t e c h n i k l e b e n<br />

lassen sie sich verführen durch innovative entwicklungen und neueste technologien in der Welt der elektronik<br />

ein erfolgreicher karrierestart<br />

beginnt im studium.<br />

Sie können schon während Ihres<br />

Studiums wertvolle Erfahrungen<br />

in einem langjährig erfolgreichen<br />

Unternehmen sammeln,<br />

indem Sie frühzeitig an Projekten<br />

der ESG mitarbeiten. In klei-<br />

nen Teams werden Sie optimal<br />

betreut und lernen nicht nur,<br />

Ihr Wissen in die Praxis umzusetzen,<br />

sondern bekommen<br />

zusätzlich einen Einblick in die<br />

Prozesse eines hightech-Unternehmens.<br />

Wenn Sie studieren<br />

oder kurz vor Ihrem Abschluß<br />

stehen, eine Affinität zu Elektronik-<br />

und Software-Themen<br />

besitzen, dann sind Sie bei uns<br />

genau richtig.<br />

Wir bieten Ihnen die Chance, an<br />

unterschiedlichen Projekten mitzuwirken,<br />

gute Betreuung durch<br />

erfahrene Mitarbeiter, kleine<br />

Teams, in die man sich schnell<br />

integriert, Freiräume durch<br />

flexible Arbeitszeiten, attraktive<br />

Bezahlung und eine angenehme<br />

und kollegiale Arbeitsatmosphäre,<br />

in der Leistung Spaß macht,<br />

Anerkennung findet und der Einzelne<br />

wertgeschätzt wird.<br />

Praktikant / Werkstudent / diPlomand / absolvent (m/w)<br />

Automotive Systems – Fahrzeugtechnik – Technische Informatik – Softwaretechnik<br />

esG elektroniksYstem- und loGistik-Gmbh4Livry-Gargan-Straße 6482256 Fürstenfeldbruck4www@esg.de<br />

Offene Stellen in WolfsburG münchen fürstenfeldbruck inGolstadt rüsselsheim<br />

P-017032012


Lea Iburg<br />

Anlageberaterin<br />

Finanzen im Kopf. Benzin im Blut.<br />

Der Volkswagen Konzern baut das Auto. Damit es auf die Straße kommt, regeln wir die Finanzen. Mit mehr <strong>als</strong> 10.000 Mitarbeitern<br />

in 38 Ländern weltweit sind wir mehr <strong>als</strong> Europas größter automobiler Finanzdienstleister. Wir sind der Schlüssel zur<br />

Mobilität. Bei uns bewegen Sie etwas – vorausgesetzt, Sie haben den Drive in Finance, Banking, Versicherung, Leasing oder IT.<br />

Sie sind Student (m/w) der Wirtschaftswissenschaft, (Wirtschafts-) Informatik, (Finanz-) Mathematik oder Rechtswissenschaft?<br />

Sie suchen ein Praktikum, studentische Mitarbeit oder möchten Ihre Abschlussarbeit schreiben?<br />

Oder haben Sie Ihr Studium bereits erfolgreich abgeschlossen und möchten jetzt<br />

beruflich durchstarten?<br />

Dann kommen Sie zu uns! Offene Stellenanzeigen finden Sie in unserem Stellenmarkt unter<br />

www.vwfsag-karriere.de<br />

Pantone 446<br />

CMYK 20/0/21/90<br />

Pantone 415<br />

CMYK 1/0/16/50<br />

Pantone 1805

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!