Klassenspezifischer Habitus und/oder exklusive ... - Studium generale
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3<br />
bitus einer Person kennt, der spürt <strong>oder</strong> weiß intuitiv, welches Verhalten dieser Person versperrt<br />
ist. Wer z.B. über einen kleinbürgerlichen <strong>Habitus</strong> verfügt, der hat eben auch, wie Marx einmal<br />
sagte, Grenzen seines Hirns, die er nicht überschreiten kann.“ (Bourdieu 1989a: 26f.). Soziale<br />
„Distinktion“ bedeute deshalb im Kern, daß die Unterscheidung zu den anderen nicht bewußt angestrebt<br />
werde, sondern sich aus dem normalen Verhalten quasi automatisch ergebe. Aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> könnten sich „Bürgerliche, <strong>und</strong> vor allem Intellektuelle, Formen sprachlicher Unterkorrektheit<br />
<strong>und</strong> Lässigkeit erlauben, die dem zu Überkorrektheit verdammten Kleinbürger nicht gestattet“<br />
(Bourdieu 1990: 91) seien, denn wer sich seiner „kulturellen Identität“ sicher sei, könne mit den<br />
allgemein gültigen Regeln spielerisch umgehen, also z.B. seine Vorliebe für außerhalb des Kanons<br />
anerkannter Kultur befindliche Dinge wie etwa B-Movies <strong>oder</strong> Interpreten gängiger Unterhaltungsmusik<br />
problemlos äußern.<br />
Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die Bourdieuschen Aussagen<br />
über die Bedeutung des klassenspezifischen <strong>Habitus</strong> <strong>und</strong> <strong>exklusive</strong>r Bildungstitel für die Reproduktion<br />
gesellschaftlicher Klassenstrukturen anhand der Rekrutierung der Spitzenmanager der 100<br />
größten deutschen, französischen <strong>und</strong> britischen Unternehmen 3 bestätigen lassen <strong>und</strong> ob es in dieser<br />
Hinsicht eventuell signifikante Unterschiede zwischen den drei Ländern gibt. Bei den hier untersuchten<br />
Spitzenmanagern handelt es sich im übrigen in allen drei Ländern ohne jede Ausnahme<br />
um Männer. Frauen sind in diesen Positionen bislang nicht anzutreffen.<br />
Forschungsfeld <strong>und</strong> -methode<br />
Die Basis der Ausführungen bilden die Ergebnisse eines von der DFG geförderten Forschungsprojekts<br />
über „Die soziale Rekrutierung deutscher Manager“ (Hartmann 1995b, 1996) sowie eines<br />
daran anschließenden Forschungsprojekts über europäische Topmanager (Hartmann 1997a,<br />
1997b). 4 Im ersten dieser beiden Forschungsprojekten sind teilstrukturierte Intensivinterviews<br />
über die Besetzung von Spitzenpositionen mit 24 Managern aus 18 führenden deutschen Großkonzernen<br />
(jeweils zwei der drei größten Firmen in den fünf für die deutsche Wirtschaft wichtigsten<br />
Sektoren Automobilbau, Chemie- <strong>und</strong> Elektroindustrie sowie Banken <strong>und</strong> Versicherungen <strong>und</strong><br />
jeweils eine der drei größten in den sechs Bereichen Bauwirtschaft, elektronische Datenverarbeitung,<br />
Energie <strong>und</strong> Rohstoffe, Konsumgüter, Maschinenbau <strong>und</strong> Metall sowie Medien <strong>und</strong> schließlich<br />
zwei der zehn größten Handelsunternehmen) <strong>und</strong> 27 (zumeist sehr erfahrenen) Personalberatern<br />
aus den 10 umsatzstärksten in Deutschland tätigen Personalberatungsfirmen durchgeführt<br />
worden. 5 Zusätzlich sind noch die Daten der Mannheimer Elitebefragung von 1981 einer Sonderauswertung<br />
für die Gruppe der Spitzenmanager unterzogen worden, so daß auch einige Anga-<br />
3 Die Spitzenmanager der 100 größten US-amerikanischen Konzerne können nur sehr beschränkt in den Vergleich<br />
einbezogen werden, weil kaum Angaben über ihre soziale Rekrutierung zu ermitteln waren, es daher bei Angaben über<br />
ihre Bildungsabschlüsse bleiben muß. Die Angaben über die Aufsichtsratsvorsitzenden der deutschen Konzerne konnten<br />
zwar weitgehend recherchiert werden, bleiben hier aber zumeist unberücksichtigt, weil es in den anderen Ländern<br />
keine richtige Vergleichsgruppe gibt bzw. die Angaben für sie fehlen.<br />
4 Beide Untersuchungen knüpfen an zwei professionssoziologisch ausgerichtete DFG-Projekte über Wirtschaftsjuristen<br />
<strong>und</strong> Informatiker (Hartmann 1988, 1989, 1990a, 1990b, 1993, 1995a, 1995c) an, die bezüglich des Zusammenhangs<br />
zwischen sozialer Herkunft <strong>und</strong> der Besetzung von Führungspositionen in Großunternehmen zu ähnlichen<br />
Schlußfolgerungen gelangt sind.<br />
5 Bei den interviewten Managern handelte es sich in den meisten Fällen um die Leiter kleiner, dem Vorstandsvorsitzenden<br />
direkt unterstellter Stabsabteilungen, deren Aufgabe in der Vorauswahl potentieller Kandidaten für die Topetagen<br />
<strong>und</strong> der Betreuung der oberen Führungskräfte besteht. Unter den Interviewten befanden sich aber auch Vorstandsmitglieder<br />
<strong>und</strong> Personalchefs. Unter den Personalberatern dominieren eindeutig diejenigen, die schon lange in<br />
dieser Branche tätig sind, z.T. sogar zu ihren Gründungsvätern in der B<strong>und</strong>esrepublik zählen. Von ihnen, die die große<br />
Masse der wirklichen Topbesetzungen unter sich aufteilen, ist ungefähr jeder zweite interviewt worden.