Klassenspezifischer Habitus und/oder exklusive ... - Studium generale
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Eine umfassende Allgemeinbildung hat für die Besetzung von Spitzenpositionen in Großkonzernen<br />
vor allem aus drei Gründen eine große Bedeutung: Zunächst haben die Inhaber solch hervorgehobener<br />
Managementpositionen vielfältige gesellschaftliche Verpflichtungen, bei denen ihre<br />
Allgemeinbildung immer wieder gefragt ist, weil man sich zwar die Reden von Ghostwritern<br />
schreiben lassen kann, bei den oft wichtigen Gespräche am Rande nützt einem dies jedoch nichts.<br />
Da muß man selbst in der Lage sein, mit seinen Gesprächspartnern aus Politik, Kultur <strong>und</strong> Wirtschaft<br />
in adäquater Weise kommunizieren zu können. Das bedeutet, daß man in wichtigen Bereichen<br />
der Welt- <strong>und</strong> Innenpolitik ebenso wie in Fragen der Musik <strong>und</strong> Literatur <strong>oder</strong> der Geschichte<br />
zumindest solide Basiskenntnisse besitzen sollte. „Man müßte schon“, so die Formulierung<br />
eines Personalberaters, „die Romantik von der Aufklärung unterscheiden können“, wenn es beispielsweise<br />
um Literatur geht, <strong>und</strong> sich nicht nur in der gängigen „Entspannungsliteratur“ auskennen.<br />
Ähnliches gilt auch für die Gespräche mit Geschäftspartnern, seien es K<strong>und</strong>en, Lieferanten <strong>oder</strong><br />
Kooperationspartner, <strong>und</strong> Konkurrenten – dies der zweite Gr<strong>und</strong>. Auch bei geschäftlichen Unterhaltungen<br />
kann man sich nicht ausschließlich auf das Geschäft konzentrieren. Die Atmosphäre,<br />
das gegenseitige Verständnis wird nämlich stark von den Gesprächselementen bestimmt, die sich<br />
nicht auf die unmittelbaren ökonomischen Fragen beziehen, sondern allgemeinen Entwicklungen<br />
<strong>und</strong> Erscheinungen auf allen möglichen Gebieten <strong>und</strong> auch den eigenen privaten Interessen gewidmet<br />
sind.<br />
Der dritte Gr<strong>und</strong> für die positive Bewertung einer guten Allgemeinbildung liegt in der Persönlichkeitsstruktur<br />
der zur Entscheidung befugten Führungskräfte. Sie verfügen in ihrer großen Mehrzahl<br />
über eine solche Bildung <strong>und</strong> sind zu einem nicht unerheblichen Teil nach Aussagen der Manager<br />
sogar „richtige Fachleute“ in einzelnen Bereichen etwa der Kunst <strong>oder</strong> der Zeitgeschichte.<br />
Das aber bedeutet zweierlei. Zum einen ist mit Sympathie für diejenigen Kandidaten zu rechnen,<br />
die ähnliche Neigungen zeigen. Wenn im Vorstand eines großen Chemiekonzerns ein Mitglied<br />
sitzt, das konzertreif Klavier spielen kann, <strong>und</strong> ein anderes, das eigene Bilder regelmäßig in Ausstellungen<br />
präsentiert, dann darf ein Bewerber mit ausgeprägten musischen Interessen sicherlich<br />
auf einen „Bonus“ hoffen, denn solche Interessen sind ein sicheres Indiz dafür, daß man auf der<br />
„gleichen Wellenlänge“ liegt, eine wesentliche Voraussetzung für das in derartigen Positionen<br />
wichtige gegenseitige Vertrauen.<br />
Dieser Effekt spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Bewertung der Kandidaten, noch<br />
wichtiger aber dürfte in der Regel der zweite Punkt sein. Viele Vorstands- <strong>und</strong> Aufsichtsratsmitglieder<br />
sehen aufgr<strong>und</strong> ihres eigenen Werdegangs die Vorzüge eines „breiten Horizonts“ als wesentlich<br />
für die Übernahme von Funktionen im Topmanagement an. Sie suchen unter den Kandidaten<br />
für eine Spitzenposition im Gr<strong>und</strong>e häufig so etwas wie ihr „alter ego“. In puncto Allgemeinbildung<br />
geht es ihnen dabei um die Fähigkeit, "über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen,<br />
sich nicht in den einzelnen Fall, in das Unternehmensgeschehen einpferchen zu lassen, sondern<br />
im Gr<strong>und</strong>e zu versuchen, die Dinge doch immer wieder als Ganzes zu sehen. Insoweit sind<br />
mir Leute sehr lieb, die auch eine - eben aufgr<strong>und</strong> der Erfahrung, aufgr<strong>und</strong> der Persönlichkeitsstruktur,<br />
der Bildung, des Intellekts - breite Sicht von Dingen haben, also im Gr<strong>und</strong>e gebildete<br />
Leute. Männer wie Percy Barnevik <strong>oder</strong> wie der Herr Merkle sind sicher sehr gebildet", so einer<br />
der erfolgreichsten <strong>und</strong> angesehensten Personalberater hierzulande. Das kann in Einzelfällen sogar<br />
soweit führen, daß Allgemeinbildung zum einzig ausschlaggebenden Auswahlkriterium wird, wie<br />
ein Manager eines Automobilkonzerns erzählte:<br />
„Es gab hier einen Vorgesetzten, der hat sich mit den Kandidaten über Musik <strong>und</strong> Opern unterhalten<br />
<strong>und</strong> über sonst nichts, einfach, um ganz überfachliche Persönlichkeitselemente abzugleichen.<br />
“