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Lösung zum Übungsfall

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erlanger examenskurs<br />

Strafrecht SS 2007<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich<br />

Einheit 7: Raub, räuberische Erpressung, räuberischer Diebstahl I<br />

Strafbarkeit des F<br />

B. Lösungsskizze <strong>zum</strong> Klausurfall (Inpfandnahme-Fall) *<br />

Anmerkung: Die Prüfung einer Strafbarkeit nach § 123 ist nicht erforderlich,<br />

weil der Sachverhalt sie eigentlich nicht nahe legt. Würde der Tatbestand<br />

kurz angesprochen und zutreffend abgelehnt, wäre dies aber nicht verkehrt.<br />

1. §§ 249, 250 I Nr. 1b betr. PC<br />

TB: fremde bewegliche Sache (+)<br />

qualifizierte Nötigung:<br />

• nach Ansicht der Rspr. (vgl. etwa BGHSt 23, 126; 39, 133)<br />

durch Vorhalten einer entsicherten Pistole bereits Gewalt in<br />

Form der vis compulsiva, da der erzeugte Druck so stark ist,<br />

dass bereits eine gegenwärtige Übelszufügung vorliegt<br />

• dagegen (überzeugend) Teile der Lit., da mit der Ansicht der<br />

Rspr. Grenze zur Drohungsalternative verwischt wird (vorliegend<br />

auch Ungefährlichkeit der Pistole!); dann aber jedenfalls<br />

Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben<br />

Wegnahme: Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams<br />

• ursprünglicher Gewahrsam bei K (+)<br />

• Gewahrsamsbruch: Abgrenzung zu Weggabe ( dann allenfalls<br />

§§ 253, 255, 250):<br />

* Rspr.: Da § 253 keine Verfügung erfordert, Abgrenzung<br />

nur nach äußerem Erscheinungsbild möglich: Geben oder<br />

Nehmen?<br />

* §§ ohne Gesetzesangeben sind solche des StGB. Für eine ausformulierte Lösung vgl. Kudlich/Roy/Tyszkiewicz,<br />

JA 2006, 779 ff.<br />

unzweifelhaft Nehmen, da eigenmächtiger Zugriff des<br />

F<br />

* h.L.: Da § 253 Verfügung erfordert, Abgrenzung nach innerer<br />

Willensrichtung des Opfers (insb.: „Glaubt Opfer,<br />

an Gewahrsamswechsel mitwirken zu müssen?“)<br />

ebenfalls bloßes Dulden der Wegnahme durch F und<br />

keine (erzwungene) Weggabe<br />

nach allen Ansichten Wegnahme (+)<br />

Qualifikationsmerkmale nach § 250 I, II:<br />

• § 250 I Nr. 1a (-)<br />

* Waffe: ungeladene Pistole keine Waffe in diesem Sinne,<br />

da ersichtlich auf objektive Gefährlichkeit abgestellt wird<br />

(vgl. etwa BGH StV 1998, 485, 486)<br />

* gefährliches Werkzeug: auch für (geplanten) Einsatz als<br />

Schlagwerkzeug nichts ersichtlich<br />

Anmerkung: A.A. (Pistole als potentielles Schlagwerkzeug<br />

ausreichend) vertretbar, allerdings müsste dann die Problematik<br />

der Auslegung des Merkmals „gefährliches Werkezug“<br />

i.R.d. § 250 I Nr. 1a vertieft werden (vgl. aus der umfangreichen<br />

Literatur etwa Wessels/Hillenkamp, BT II Rn. 260 ff.;<br />

Küper, JZ 1999, 192 ff.; Schlothauer/Sättele, StV 1998,<br />

505 ff.).<br />

• § 250 I Nr. 1b: ungeladene Pistole: Subsumtion unter § 250 I<br />

Nr. 2 a.F. sehr str., aber nach § 250 I Nr. 1b nach ganz h.M.<br />

zu bejahen (Entstehungsgeschichte; systematischer Vergleich<br />

mit Nr. 1a: auch ungefährliche Gegenstände sollen erfasst<br />

werden, vgl. näher Kudlich, JR 1998, 357 ff. m.w.N.; a.A.<br />

etwa Lesch, JA 1999, 30, 36 ff.)<br />

• mangels Waffe/gefährlichen Werkzeugs auch § 250 II<br />

Nr. 1 (-)<br />

Vorsatz (+)<br />

Zueignungsabsicht:<br />

• dass PC der Durchsetzung einer Forderung des V dienen soll,<br />

steht jedenfalls nicht entgegen, da § 249 Drittzueignung umfasst<br />

– 2 –


• fraglich aber, ob überhaupt Zueignungsabsicht vorliegt:<br />

* Def.: dolus eventualis hinsichtlich dauernder Enteignung<br />

und dolus directus hinsichtlich <strong>zum</strong>indest vorübergehender<br />

Aneignung:<br />

* dauernde Enteignung in Kauf genommen für den Fall,<br />

dass K nicht zahlt<br />

* aber keine Aneignungsabsicht: Durch die „eigenmächtige<br />

Inpfandnahme“ wird weder die Sache noch der in ihr verkörperte<br />

Sachwert dem Vermögen einverleibt, wenn der<br />

Gegenstand - wie hier - nicht benutzt, sondern alleine als<br />

Druckmittel verwendet werden soll (vgl. etwa BGH<br />

NStZ-RR 1998, 235, LK-Ruß, § 242 Rn. 62; vgl. auch<br />

Sch/Sch-Eser, § 242 Rn. 47; a.A. evtl. vertretbar, aber<br />

wohl nur unter zu starker und damit letztlich unzutreffender<br />

Betonung des „se ut dominum gerere“-Gedankens,<br />

der Grenzen zur Gebrauchsanmaßung verwischt)<br />

Anmerkung: Wer hier eine a.A. vertritt, müsste noch die<br />

Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung diskutieren;<br />

diese wäre allerdings zu bejahen, da keinesfalls ein Anspruch<br />

auf den PC bestand; auch § 229 BGB greift jedenfalls deshalb<br />

nicht ein, da ein solches Vorgehen gegenüber einem<br />

dem V mit Name und Anschrift bekannten Schuldner nicht<br />

erforderlich ist und § 229 BGB außerdem keine Zueignung<br />

rechtfertigen kann.<br />

2. §§ 253, 255, 250 I Nr. 1b betr. PC<br />

TB: qualifizierte Nötigung durch Vorhalten der Waffe (+)<br />

Vermögensverfügung<br />

• Vermögensverfügung bei Wegnahme (vgl. o.) im vorliegendend<br />

Fall sowohl nach BGH als auch nach der Lit. (-)<br />

• Erfordernis einer Verfügung bzw. Anwendbarkeit der<br />

§§ 253, 255 bei Wegnahme aber str.:<br />

* Rspr.: keine Verfügung erforderlich<br />

Arg: vgl. Wortlaut des § 253; „Duldung“ kann auch Duldung<br />

der Wegnahme sein; räuberische Erpressung als<br />

„Grunddelikt“ und umfassender Auffangtatbestand; nur<br />

soweit § 249 eingreift, ist dieser lex specialis (vgl. etwa<br />

– 3 –<br />

BGHSt 14, 386, 390)<br />

hier (+), da K Wegnahme dulden musste<br />

* h.L.: Vermögensverfügung ist ungeschriebenes Merkmal<br />

der §§ 253, 255<br />

Arg.: §§ 253, 255 sollen zu § 249 in entsprechendem<br />

Verhältnis stehen wie § 263 zu § 249; es wäre unüblich,<br />

wenn im „Grunddelikt“ dem Strafrahmen nach auf die<br />

- vorangehende - lex specialis verwiesen würde; Privilegierungen<br />

der Gebrauchsanmaßung würden umgangen<br />

hier (-), da (weder nach äußerem Anschein noch nach<br />

Willensrichtung des Opfers) Verfügung vorliegt, vgl. o.<br />

Streit hier grds. entscheidungserheblich, da keine Zueignungsabsicht,<br />

vgl. o.; bessere Argumente sprechen wohl für<br />

Rspr.; aber endgültige Entscheidung nicht erforderlich, wenn<br />

aus anderen Gründen §§ 253, 255 ausscheiden:<br />

Vermögensschaden durch Verlust der Nutzungsmöglichkeit des<br />

PC (+), insb. auch nicht durch Erlöschen der Forderung des L<br />

ausgeglichen, da diese jedenfalls durch die „Inpfandnahme“<br />

nicht berührt wird<br />

§ 250 I Nr. 1b (+), vgl. o.<br />

Vorsatz (+)<br />

Absicht der rechtswidrigen Bereicherung:<br />

• angestrebte Bereicherung muss stoffgleich mit Vermögensschaden<br />

beim Opfer sein<br />

• hier nach BGH (NStZ-RR 1998, 235; vgl. auch NJW 1982,<br />

2265 m.w.N.) (-), da Vermögensschaden in fehlender Nutzungsmöglichkeit<br />

lag, P aber gerade keine Nutzungsmöglichkeit<br />

anstrebte, sondern den PC nur als Druckmittel verwenden<br />

wollte (a.A. evtl. mit dem Argument vertretbar, dass<br />

auch dies eine „Nutzung“ i.w.S. sei und die daraus resultierende<br />

Bereicherung daher mit Schaden stoffgleich sei, da die<br />

Intensität des ausgeübten Drucks unmittelbar vom Nutzungswert<br />

beim Opfer abhängt)<br />

Anmerkung: Wer hier die a.A. vertritt, müsste noch die Rechtswidrigkeit<br />

der beabsichtigten Bereicherung diskutieren; diese wäre allerdings<br />

hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeit des PC als Druckmittel<br />

zu bejahen (vgl. auch die Anm. oben zu § 249).<br />

– 4 –


3. § 240 betr. die Mitnahme des PC<br />

TB: Nötigungshandlung durch Bedrohung (+)<br />

Nötigungserfolg: Duldung der Wegnahme<br />

Vorsatz (+)<br />

RW: kein Rechtfertigungsgrund, insb. § 229 BGB (-), vgl. o.<br />

Verwerflichkeit, § 240 II (+)<br />

SCH: (+)<br />

4. §§ 253, 255, 250 I Nr. 1b, 22, 23 betr. Forderung aus dem Rauschgiftgeschäft<br />

VP: fehlende Vollendung: (+), da es zur Zahlung der geforderten<br />

1.500 € nicht kam<br />

Strafbarkeit des Versuchs (+), §§ 23 I, 12 I, 253, 255, 250<br />

TB: Tatentschluss:<br />

• Vorsatz gerichtet auf<br />

* qualifizierte Nötigung (+), wenn man davon ausgeht, dass<br />

nach Tatplan des F Forderung des Geldes auch während<br />

qualifizierter Nötigung mit Pistole noch nachwirken sollte;<br />

a.A. vertretbar, dann nur § 253<br />

* Vermögensverfügung - falls verlangt, vgl. o. - (+): Zahlung<br />

des „Kaufpreises“<br />

* Vermögensschaden: Entfallen des Vermögensschadens,<br />

wenn durch die abgenötigte Zahlung eine Forderung getilgt<br />

wird? Vermögensbegriff str.:<br />

- nach ökonomischem Vermögensbegriff Vermögensschaden<br />

(+), da Besitz des Geldes mehr wert ist als die<br />

Befreiung von einer Verbindlichkeit<br />

(a.A. vertretbar, insb. wenn von Erfüllungsbereitschaft<br />

des K auszugehen wäre)<br />

- nach juristisch-ökonomischem Vermögensbegriff dagegen<br />

grds. Berücksichtigung des Erlöschens einer<br />

Forderung (vgl. Rengier, BT I, § 11 Rn. 33);<br />

hier aber möglicherweise (-), da Forderung aus<br />

Rauschmittelgeschäft nach § 138 BGB (bzw.<br />

– 5 –<br />

§ 134 BGB i.V.m. BtmG) nichtig<br />

(a.A. aber vertretbar, wenn i.R.d. Tatentschlusses Irrtum<br />

des P über normatives Merkmal des Schadens berücksichtigt<br />

wird; andererseits genügt für Tatentschluss<br />

dolus eventualis hinsichtlich Schadens)<br />

Vermögensschaden (+/-)<br />

* § 250 I Nr. 1b während Zeit der Tatbegehung (+)<br />

• Absicht der rechtswidrigen Bereicherung<br />

* keine Rechtswidrigkeit, wenn Anspruch auf Zahlung besteht<br />

* objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung<br />

(+), da Vertrag nichtig, vgl. o.<br />

* Vorsatz bezügl. Rechtswidrigkeit (-), da F sich vorstellt,<br />

dass dem V das Geld zustehe (a.A. vertretbar: entweder<br />

Annahme von dolus eventualis hinsichtlich Rechtswidrigkeit<br />

oder aber Behandlung des außertatbestandlichen<br />

Rechtsirrtum als - dann wohl vermeidbaren - Verbotsirrtum)<br />

5. §§ 240, 22, 23 hinsichtlich der Zahlung des Geldes<br />

(+), vgl. o. Prüfung zu §§ 253, 255, 22, 23 (§§ 240, 22, 23 treten allerdings<br />

zurück, wenn §§ 253, 255, 22, 23 bejaht werden)<br />

6. § 241<br />

tatbestandlich (+), aber durch § 240 verdrängt<br />

7. §§ 257betr. Forderung aus dem Rauschgiftgeschäft<br />

TB: rechtswidrige Vortat (+), Btm-Geschäft (anders als bei § 259 ist<br />

nicht erforderlich, dass die Tat sich gegen fremdes Vermögen<br />

richtet)<br />

Hilfe Leisten: jedes Handeln, das geeignet ist, den Vortäter im<br />

Hinblick auf die Vorteilssicherung zu unterstützen: (+), hier auf<br />

„Realisierung“ der Forderung gerichtet<br />

– 6 –


Vorsatz und Absicht der Vorteilssicherung (+), insb. nicht erforderlich,<br />

dass Vorteil auch tatsächlich gesichert wird<br />

RW, SCH: (+)<br />

Ergebnis und Konkurrenzen:<br />

in<br />

}<br />

- § 257 und<br />

- § 240 und<br />

- §§ 240, 22, 23<br />

Tateinheit (§ 52), da durch eine Handlung<br />

zwei unterschiedliche Verhalten abgenötigt<br />

wurden/werden sollten (a.A.:<br />

§ 240 verdrängt §§ 240, 22, 23 vertretbar,<br />

da es wirtschaftlich jeweils um Begleichung<br />

der Forderung geht)<br />

– 7 –

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