Strafrecht BT I
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<strong>Strafrecht</strong> <strong>BT</strong> I<br />
Examensfälle zu Brandstiftungs-,<br />
Straßenverkehrs- und Urkundsdelikten WS 2010/2011<br />
Prof. Dr. Hans Kudlich<br />
Fall 1 (aus Klausur Termin 2004/I)<br />
1. Tatkomplex: Der Rückzug aus dem Haus – Strafbarkeit des A<br />
I. §§ 212, 211, 22, 23 I, 13 wegen des Liegenlassens des B<br />
VP: keine Vollendung: B lebt<br />
Strafbarkeit des Versuchs: §§ 23 I, 12 I<br />
TE: Vorsatz gerichtet auf:<br />
• Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges: laut SV dolus<br />
eventualis hinsichtlich Tod des B (+)<br />
• Unterlassen der gebotenen Rettungshandlung: z.B. Hilfe<br />
holen (+)<br />
• Quasikausalität:<br />
∗ Definition: Unterlassen kausal für Erfolgseintritt, wenn<br />
rechtlich gebotene Handlung nicht hinzugedacht werden<br />
kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg entfiele<br />
∗ hier: (+), da A billigend in Kauf nimmt, dass B durch das<br />
Liegenlassen sterben könnte<br />
• Objektive Zurechnung: (+)<br />
• Möglichkeit und Zumutbarkeit der Rettungshandlung: (+)<br />
• Garantenstellung:<br />
∗ hier: aus Ingerenz (+)<br />
∗ pflichtwidriges Vorverhalten durch das Niederschlagen<br />
des B mit der schweren Keramikvase<br />
• Gleichstellungsklausel, § 13 I HS 2: unproblematisch (+)<br />
Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht, § 211 II Gruppe 3:<br />
• Definition: „um eine andere Straftat zu verdecken“, d.h.<br />
Täter will sich einer drohenden Strafverfolgung entziehen<br />
• hier: (+), da A (u.a.) handelt, um den Einbruch zu<br />
verdecken; auf Frage, wann Verdeckungsabsicht bei<br />
vorangehender Gewalthandlung in Betracht kommt, kommt<br />
es hier daher nicht an (wobei auch kein Tötungs-, sondern<br />
ein Körperverletzungsdelikt voranging, so dass auch<br />
insoweit Verdeckungsabsicht denkbar wäre)<br />
UA: Problem beim unechten Unterlassungsdelikt<br />
e.A.: Verstreichenlassen der ersten Rettungsmöglichkeit<br />
a.A.: Versäumen der letzten Rettungschance<br />
h.M.: wenn nach der Vorstellung des Garanten das geschützte<br />
Objekt bereits unmittelbar in Gefahr geraten und der<br />
Erfolgseintritt nahe gerückt ist<br />
hier: (+), da A den B liegen ließ, obwohl er dessen<br />
lebensgefährliche Verletzung erkannte (a.A. vertretbar, wenn<br />
auf Verstreichen der letzten Rettungschance abgestellt wird)<br />
RW/SCH (+)<br />
Rücktritt, § 24 I<br />
kein fehlgeschlagener Versuch<br />
fraglich, ob Unterscheidung zwischen unbeendetem und<br />
beendetem Versuch beim Unterlassungsdelikt überhaupt<br />
erforderlich<br />
hier jedenfalls mit Heraustragen des B aus dem Haus aktiv<br />
Taterfolg verhindert<br />
Freiwilligkeit: (+), da A aus autonomen Motiven gehandelt hat<br />
(er wird von Reue erfasst)<br />
Strafbarkeit des A wegen §§ 212, 211, 22, 23 I, 13 (-)<br />
S. 2<br />
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II. § 221 I Nr. 2 wegen des Liegenlassens des B<br />
S. 3<br />
III. § 306 I durch das Anzünden des Hauses<br />
S. 4<br />
TB: ein anderer Mensch: B (+)<br />
Nr. 2: Im-Stich-Lassen<br />
• Definition: Unterlassen der möglichen Hilfeleistung<br />
gleichgültig in welcher Form, z.B. durch Sich-Entfernen<br />
vom Opfer, durch bloße Untätigkeit bei weiterer<br />
Anwesenheit, etc.<br />
• aufgrund der hohen Strafandrohung gewisse Dauerhaftigkeit<br />
der geschaffenen Gefahrenlage erforderlich<br />
∗ bloße kurzzeitige Verletzung der Beistandspflicht nicht<br />
ausreichend; vgl. auch allgemeiner Sprachgebrauch des<br />
Im-Stich-Lassens<br />
∗ hier: wohl (-), da A nach kurzer Zeit in das Haus<br />
zurückgekehrt ist und B herausgetragen hat (a.A.<br />
vertretbar)<br />
• falls insoweit a.A. vertreten: Garantenstellung?<br />
∗ nach BGH NStZ-RR 1996, 131 keine Rechtspflicht des<br />
Täters, der zuvor mit Tötungsvorsatz auf Opfer<br />
eingewirkt hat, gerade den Erfolg abzuwenden, welchen<br />
er durch vorsätzliches strafbares Handeln herbeizuführen<br />
versucht hat<br />
danach Garantenpflicht aus Ingerenz (-)<br />
∗ freilich inkonsequent mit Blick auf Annahme einer<br />
Garantenstellung beim unechten Unterlassungsdelikt<br />
oben; in der Sache wohl auch eher Konkurrenz- als<br />
Tatbestandsproblem<br />
konkrete Gefahr (+)<br />
Vorsatz (+)<br />
RW, SCH (+)<br />
Rücktritt erfasst nicht die vollendete Aussetzung<br />
TB: nach Nr. 1 Alt. 1 fremdes Gebäude: Haus im Eigentum des B<br />
(+)<br />
In-Brand-Setzen:<br />
• Definition: (+), wenn wesentliche Teile des Gebäudes auch<br />
nach Entfernen des Zündstoffs selbständig weiterbrennen<br />
können<br />
• hier: (+)<br />
∗ A goss Benzin im Treppenhaus und in der<br />
Privatwohnung des B aus und zündete es an<br />
∗ nicht nur hölzerne Türrahmen von den Flammen erfasst<br />
∗ laut SV brannte das ganze Haus lichterloh<br />
Vorsatz (+)<br />
RW/SCH (+)<br />
Strafbarkeit des A wegen § 306 I Nr. 1 Alt. 1 (+)<br />
Anmerkung: Für die Annahme von tätiger Reue ist hier bei den<br />
§§ 306-306b kein Raum, da die tätige Reue das Löschen des Brandes<br />
vor Entstehung eines erheblichen Schadens erfordert und nicht die<br />
Rettung eines potentiellen Opfers, vgl. Wortlaut des § 306e. Da das<br />
Haus lichterloh brennt, ist wohl auch ein erheblicher Schaden bereits<br />
eingetreten.<br />
IV. § 306a I durch das Anzünden des Hauses<br />
TB: Nr. 1: Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient (+), da<br />
Privatwohnung angezündet<br />
In-Brand-Setzen: (+), s.o.<br />
Vorsatz (+)<br />
RW/SCH (+)<br />
Strafbarkeit des A wegen § 306a I Nr. 1 (+)<br />
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V. § 306a II durch das Anzünden des Hauses<br />
TB: § 306 I Nr. 1: Gebäude (+)<br />
In-Brand-Setzen: (+), s.o.<br />
Gefahr einer Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen:<br />
(+), da B bewusstlos im Haus liegt, während Haus bereits<br />
lichterloh brennt<br />
Gefahrerfolg muss aus der spezifischen Gefährlichkeit des In-<br />
Brand-Setzens resultieren (+)<br />
Vorsatz (+)<br />
RW/SCH (+)<br />
Strafbarkeit des A wegen § 306a II (+)<br />
VI. § 306b I Var. 1 durch das Anzünden des Hauses<br />
TB: Objektiv und subjektiv tatbestandsmäßige Brandstiftung nach<br />
§ 306 oder § 306a: (+), s.o.<br />
Eintritt und Verursachung der besonders schweren Folge:<br />
schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen (+),<br />
da laut SV schwere Brandverletzungen des B<br />
spezifischer Gefahrzusammenhang zwischen Brandstiftung<br />
und besonders schwerer Folge: (+)<br />
wenigstens Fahrlässigkeit bezüglich der schweren Folge, § 18:<br />
hier sogar Vorsatz (+)<br />
RW/SCH (+)<br />
Strafbarkeit des A wegen § 306b I Var. 1 (+)<br />
VII.§ 306b II durch das Anzünden des Hauses<br />
TB: Fälle des § 306a: (+), s.o.<br />
S. 5<br />
Nr. 1:<br />
• einen anderen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringen<br />
(+), da konkrete Lebensgefahr für B wohl gegeben; ebenso<br />
für C und D!<br />
• insoweit wohl auch Vorsatz (+)<br />
Nr. 2: in der Absicht handelt eine andere Straftat zu verdecken<br />
(+), da A den Brand zum Zwecke der Spurenverwischung<br />
legte<br />
RW/SCH (+)<br />
Strafbarkeit des A wegen § 306b II Nr. 1, Nr. 2 (+)<br />
Anmerkung: Die Prüfung der Strafbarkeit des A hinsichtlich etwaiger<br />
Brandstiftungsdelikte zum Nachteil von C und D wird hier<br />
vorgezogen, um die Prüfung der Brandstiftungsdelikte nicht<br />
auseinanderzureißen.<br />
VIII.§ 306c durch das Anzünden des Hauses hinsichtlich C und D<br />
TB: Objektiv und subjektiv tatbestandsmäßige Brandstiftung nach<br />
§§ 306- 306b: (+), s.o.<br />
Eintritt und Verursachung der besonders schweren Folge: Tod<br />
eines anderen Menschen (+), da C und D durch die Flammen<br />
ums Leben gekommen sind<br />
Anmerkung: Dass sich C und D zum Zeitpunkt der Brandlegung noch<br />
nicht im Haus befunden haben, ist unschädlich.<br />
spezifischer Gefahrzusammenhang zwischen Brandstiftung<br />
und besonders schwerer Folge:<br />
• hier hinsichtlich Feuerwehrmann D:<br />
∗ bei berufsmäßigen Helfern (z.B. Angehörige der<br />
Feuerwehr) gehört ihre Gefährdung zu den typischen<br />
Gefahren einer Brandstiftung, da sie aufgrund ihrer<br />
Pflichtenstellung auch tödliche Risiken eingehen müssen<br />
∗ daher spezifischer Gefahrzusammenhang zwischen<br />
Brandstiftung und besonders schwerer Folge (+)<br />
S. 6<br />
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• hier hinsichtlich Privatmann C:<br />
∗ C als privater Retter weder moralisch noch rechtlich<br />
verpflichtet das Gebäude zu betreten<br />
∗ eigenverantwortliche Selbstgefährdung des C daher (+)<br />
∗ spezifischer Gefahrzusammenhang zwischen<br />
Brandstiftung und besonders schwerer Folge (-)<br />
wenigstens Leichtfertigkeit bezüglich der schweren Folge,<br />
§§ 306c, 18:<br />
• spätere Behauptung, es befänden sich noch Personen im<br />
Gebäude, kein Ansatzpunkt, da bei § 306c Todesfall „durch<br />
die Brandstiftung“ erfolgen muss<br />
• daher bereits Brandlegung mittels Benzin in Privatwohnung<br />
und im Treppenhaus eines Wohngebäudes leichtfertig<br />
hinsichtlich später pflichtgemäß hinzukommende<br />
Feuerwehrleute<br />
RW/SCH (+)<br />
Anmerkung: Rechtfertigungsgründe kommen vorliegend nicht in<br />
Betracht, da D als Feuerwehrmann allenfalls in die Gefährdung seines<br />
Lebens, jedoch nicht in die Tötung eingewilligt hat, was wegen § 216<br />
ohnehin nicht möglich wäre.<br />
Strafbarkeit des A wegen § 306c (+) hinsichtlich des Todes von D<br />
IX. §§ 212, 211, 22, 23 I wegen des Anzündens des Hauses zum<br />
Nachteil des B<br />
VP: keine Vollendung: B lebt<br />
Strafbarkeit des Versuchs: §§ 23 I, 12 I<br />
TE: Vorsatz gerichtet auf:<br />
• Tathandlung: Töten durch In-Brand-Setzen des Hauses (+)<br />
• Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges: Tod des B (+)<br />
Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht, § 211 II Gruppe 3 (+),<br />
s.o.<br />
UA: vgl. § 22: hier mit dem In-Brand-Setzen des Hauses (+)<br />
S. 7<br />
RW/SCH (+)<br />
Rücktritt, § 24 I<br />
kein fehlgeschlagener Versuch<br />
Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem<br />
Versuch<br />
• beendeter Versuch: A hat hier nach seiner Sicht alles getan,<br />
um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen<br />
• A hat mit dem Heraustragen des B aus dem Haus aktiv den<br />
Taterfolg verhindert (hier sogar Voraussetzungen des § 24<br />
I 1 Var. 2 erfüllt!)<br />
Freiwilligkeit: (+), da A aus autonomen Motiven gehandelt hat<br />
(er wird von Reue erfasst)<br />
Strafbarkeit des A wegen §§ 212, 211, 22, 23 I (-)<br />
X. §§ 306c, 22, 23 I durch das Anzünden des Hauses zum Nachteil<br />
des B<br />
VP: keine Vollendung: (+)<br />
Strafbarkeit des Versuchs: §§ 23 I, 12 I<br />
TE: Vorsatz gerichtet auf:<br />
• Objektiv und subjektiv tatbestandsmäßige Brandstiftung<br />
nach §§ 306- 306b: (+)<br />
• Eintritt und Verursachung der besonderen Folge: Tod eines<br />
anderen Menschen (+)<br />
• spezifischer Gefahrzusammenhang zwischen Brandstiftung<br />
und besonders schwerer Folge (+)<br />
• wenigstens „Leichtfertigkeit“ bezüglich der schweren Folge,<br />
§§ 306c, 18: hier Vorsatz erforderlich wegen<br />
Versuchsprüfung: (+)<br />
UA: vgl. § 22 (+)<br />
RW/SCH (+)<br />
Rücktritt, § 24 I (+), vgl. oben<br />
S. 8<br />
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XI.<br />
Strafbarkeit des A wegen §§ 306c, 22, 23 I (-)<br />
§§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5 durch das Anzünden des Hauses<br />
TB: Verletzungserfolg:<br />
• körperliche Misshandlung:<br />
∗ Definition: jede üble, unangemessene Behandlung durch<br />
die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche<br />
Unversehrtheit des Opfers nicht nur unerheblich<br />
beeinträchtigt wird<br />
∗ hier: bei schweren Brandverletzungen (+)<br />
• Gesundheitsschädigung:<br />
∗ Definition: Hervorrufen oder Steigern eines<br />
pathologischen (=krankhaften) Zustandes körperlicher<br />
oder seelischer Art<br />
∗ hier: wohl ebenfalls (+)<br />
Qualifikationsmerkmale nach § 224 I:<br />
• Nr. 2: gefährliches Werkzeug<br />
∗ Definition: beweglicher Gegenstand, der nach seiner<br />
Beschaffenheit und in der konkreten Art der<br />
Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen<br />
herbeizuführen<br />
∗ Flammen kein beweglicher Gegenstand<br />
• Nr. 5: eine das Leben gefährdende Behandlung<br />
∗ Definition: nach Rspr. wenn Verletzungshandlung<br />
generell (abstrakt) geeignet, das Leben des Opfers in<br />
Gefahr zu bringen (a.A. Eintritt einer konkreten<br />
Lebensgefährdung durch die Behandlung erforderlich)<br />
∗ hier: sogar konkrete Lebensgefahr (+)<br />
Vorsatz (+)<br />
RW/SCH (+)<br />
Strafbarkeit des A wegen §§ 223 I, 224 I Nr. 5 (+)<br />
S. 9<br />
XII. § 123 I<br />
TB: Haus des B als Wohnung (+)<br />
Eindringen: Betreten gegen den Willen: (+)<br />
Vorsatz: (+)<br />
RW: Rechtfertigender Notstand nach § 34?<br />
• Notstandslage:<br />
∗ Notstandsfähiges Rechtsgut: Leben des B (+)<br />
∗ Gegenwärtige Gefahr für das Rechtsgut: (+), da B sich<br />
bewusstlos in einem lichterloh brennenden Haus befindet<br />
• Notstandshandlung:<br />
∗ Erforderlichkeit: (+)<br />
∗ Interessenabwägung: (+), da das geschützte Interesse<br />
(Leben des B) das beeinträchtigte Interesse (Hausrecht<br />
des B) wesentlich überwiegt<br />
∗ Angemessenheit: (+)<br />
• Subjektives Rechtfertigungselement: (+), A wird von Reue<br />
erfasst und will B retten<br />
Strafbarkeit des A wegen § 123 I (-)<br />
Konkurrenzen:<br />
A: §§ 306c; 223 I, 224 I Nr. 5; 52<br />
Anmerkung: § 306b II Nr. 1, 2 verdrängt § 306b I Var. 1 im Wege der<br />
Subsidiarität und den § 306a im Wege der Spezialität. Auch § 306 wird auf<br />
dem Wege der Subsidiarität verdrängt (a.A. Tateinheit). § 306c verdrängt<br />
wiederum die §§ 306-306b. Dass bei § 306b auch auf die Gefährdung von<br />
B, C und D abgestellt wurde, während bei § 306c an den Tod von D<br />
angeknüpft wird, steht dem nicht entgegen.<br />
S. 10<br />
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2. Tatkomplex: Das Geschehen vor dem Gebäude – Strafbarkeit des A<br />
I. §§ 212, 211 durch den Ruf des A<br />
TB: Tod eines Menschen: (+), da C und D beide tot sind<br />
Vorsatz (-)<br />
• dolus eventualis (-)<br />
• entsprechende Hemmschwelle bei A durch Rettung von B<br />
verdeutlicht (a.A. vertretbar)<br />
Strafbarkeit des A wegen §§ 212, 211 (-) (a.A. vertretbar)<br />
II. § 222 durch den Ruf des A<br />
TB: Erfolgseintritt: Tod des C und D (+)<br />
Kausalität zwischen Ruf des A, es befänden sich in dem<br />
Gebäude noch weitere zu rettende Personen, und Tod des C<br />
sowie D (+)<br />
S. 11<br />
Objektive Zurechnung:<br />
• Definition: Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr und<br />
Realisierung dieser Gefahr im tatbestandlichen Erfolg<br />
• hier aber: eigenverantwortliche Selbstgefährdung?<br />
∗ insbesondere erforderlich, dass der letzte, entscheidende<br />
Schritt vom Verletzten bzw. Getöteten selbst getan wird<br />
∗ hinsichtlich C: (+), da C freiwillig und in Kenntnis der<br />
Gefahr in das Haus gegangen ist; daher Tod des C nicht<br />
Werk des A (a.A. vertretbar)<br />
∗ hinsichtlich D: (-), da D als Feuerwehrmann verpflichtet<br />
das Haus zu betreten; daher Tod des D dem A<br />
zurechenbar<br />
Sorgfaltspflichtverletzung sowie objektive Vorhersehbarkeit<br />
des Todes (+)<br />
RW/SCH (+)<br />
Strafbarkeit des A wegen § 222 (+) hinsichtlich des Todes des D<br />
III. § 145 I Nr. 2 durch den Ruf des A<br />
TB: Vortäuschen, dass wegen eines Unglücksfalles oder wegen<br />
gemeiner Gefahr oder Not die Hilfe anderer erforderlich ist (+)<br />
Wissentlichkeit (+)<br />
RW/SCH (+)<br />
Strafbarkeit des A wegen § 145 I Nr. 2 (+)<br />
Konkurrenzen:<br />
A: §§ 222; 145 I Nr. 2; 52 (unterschiedliche Rechtsgüter)<br />
S. 12<br />
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1. § 306 Abs.I Nr.1<br />
Fall 2 (aus Klausur Termin 1996/II)<br />
TB: fremdes Gebäude (+), auch bei Eigentum seiner Frau<br />
RW:<br />
Inbrandsetzen (+)<br />
ganz oder teilweise zerstören (+)<br />
Vorsatz (+)<br />
SCH: (+)<br />
2. § 306a I Nr. 1, 3<br />
(+), insb. keine tatsächliche oder mutmaßliche Einwilligung<br />
der E (wäre beachtlich, da § 306 nur dem Eigentumsschutz<br />
dient)<br />
TB: Inbrandsetzen(+)<br />
Gebäude, das zur Wohnung von Menschen dient:<br />
• zwar keine teleolog. Reduktion durch vorheriges<br />
Durchsehen des Gebäudes, da (zumindest bei mehreren<br />
Räumen) eine abstrakte Gefahr nicht auszuschließen ist<br />
• aber hier Entwidmung des betreffenden Trakts<br />
∗ hinsichtlich in Brand gesetzten Trakts kein „Dienen“ zu<br />
Wohnzwecken<br />
∗ hinsichtlich. anderer Trakte kein Inbrandsetzen, da kein<br />
einheitliches Gebäude<br />
3. § 306b II Nr.2<br />
auch keine Räumlichkeit i.S.d. § 306a I Nr. 3, da zu dieser<br />
Zeit gerade kein gewöhnlicher Aufenthalt von Menschen<br />
TB: kein Fall des § 306a, vgl.oben<br />
daher keine Diskussion des Problems erforderlich, ob<br />
Tatbestand im Hinblick auf hohe Strafandrohung restriktiv<br />
ausgelegt werden muss (verbreitete, wenn nicht sogar<br />
S. 13<br />
4. §§ 303, 305<br />
S. 14<br />
herrschende Ansicht in der Lit. im Anschluss an frühere<br />
Rechtsprechung zu § 307 Nr. 2 a.F.) oder ob allein<br />
Betrugsabsicht gegenüber der Brandversicherung ausreicht (so<br />
BGHSt 45, 211)<br />
(+), aber jeweils subsidiär zu § 306<br />
5. § 265<br />
TB: gegen Feuersgefahr versicherte Sache (+)<br />
Inbrandsetzen (+)<br />
subj. TB:<br />
• Vorsatz (+)<br />
• Absicht sich oder einem Dritten Leistungen aus der<br />
Versicherung zu verschaffen (+)<br />
RW, SCH: (+)<br />
6. §§ 263 I, II, III Nr. 5, 22, 23<br />
VP: keine Vollendung, da noch keine Zahlung<br />
Strafbarkeit des Versuchs (+), §§ 23 I, 263 II; wohl auch als<br />
besonders schwerer Fall eines Versuchs, da bei<br />
Verwirklichung des Regelbeispiels (Brandstiftung)<br />
Regelwirkung begründet wird<br />
TB: Tatentschluss (+)<br />
• Vorsatz hinsichtlich:<br />
∗ Täuschung über Anspruch: (+/-), in Abhängigkeit davon,<br />
ob Anspruch auf Zahlung bestanden hätte oder ob<br />
Ausschluss der Haftung analog § 61 VVG nach den<br />
Grundsätzen über „Repräsentantenhaftung“ anzunehmen<br />
ist<br />
∗ soweit Täuschung bejaht: Irrtum der Versicherung (+),<br />
über Anspruch<br />
∗ Verfügung: (+), Zahlung<br />
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∗ Schaden: (+), Zahlung auf nicht bestehenden Anspruch<br />
(falls oben „Repräsentantenhaftung“ bejaht und damit<br />
Anspruch verneint)<br />
∗ Tatbegehung nach Brandstiftung an Gebäude<br />
• Absicht der rechtswidrigen Bereicherung<br />
unmittelbares Ansetzen (-), noch kein Absenden einer<br />
Schadensanzeige; Inbrandsetzen in Betrugsabsicht ist nur<br />
straflose Vorbereitungshandlung<br />
S. 15<br />
A. Strafbarkeit der S<br />
I. § 315c I Nr. 1a, III Nr. 1 StGB<br />
Fall 3 (aus Klausur Termin 2006/I)<br />
TB: Führen eines Fahrzeuges (+)<br />
Fahruntüchtigkeit: hier deutlich über Grenze von 1,1‰: (+)<br />
Konkrete Gefährdung der im Gesetz genannten Tatobjekte<br />
(vgl. zu den folgenden Problemen zusammenfassend Eisele,<br />
JA 2007, 168 ff.)?<br />
• Auto des T:<br />
zwar für S fremde Sache von bedeutendem Wert und hier<br />
auch vorliegend auch Beinaheunfall<br />
aber nach h.M. Tatmittel nicht zugleich Tatobjekt<br />
• Konkrete Gefährdung der Beifahrerin F:<br />
Nach h.M. auch insoweit konkret gefährliche Situation<br />
erforderlich (und nicht längere Mitfahrt per se<br />
ausreichend)<br />
hier keine Anhaltspunkte für konkrete Gefährdung von<br />
Leib oder Leben der F zu irgend einem Zeitpunkt<br />
außerdem F Teilnehmerin (vgl. u.)<br />
• Konkrete Gefährdung des K: (-), da keine konkrete<br />
Gefährdung, vgl. o.<br />
Anmerkung: Da bereits die Tatbestandsmäßigkeit ausscheidet, kommt<br />
es auf die Frage, ob jedenfalls F (für sich) in eine Tat nach<br />
§ 315c StGB rechtfertigend einwilligen konnte oder ob dies wegen des<br />
vorrangigen Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs nicht möglich<br />
ist (insoweit kein disponibles Rechtgut) nicht an.<br />
S. 16<br />
II. § 316 I StGB<br />
TB: Tatbestandlich (+), vgl. o.<br />
RW<br />
SCH: § 20 StGB<br />
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S. 17<br />
zwar für Schuldunfähigkeit keine festen BAK-Grenzen wie für<br />
Fahruntüchtigkeit<br />
aber ab ca. 3,0‰ (bzw. bei Kapitaldelikten ca. ab 3,3‰)<br />
gewichtiger Hinweis für Schuldunfähigkeit<br />
hier mangels klarer anderweitiger Anzeichen und wegen nicht<br />
unwesentlichen Überschreitens der Grenze von<br />
Schuldunfähigkeit auszugehen<br />
auch keine Anhaltspunkte für a.l.i.c., da Fahrentschluss erst im<br />
betrunkenen Zustand gefasst wurde; darüber hinaus bei<br />
§ 316 StGB als schlichtem Tätigkeitsdelikt ohnehin<br />
unanwendbar (vgl. BGHSt 42, 235)<br />
III. § 323a StGB<br />
TB: durch alkoholische Getränke (+)<br />
sich in Rausch versetzen (+)<br />
Vorsatz (+)<br />
Objektive Bedingung der Strafbarkeit<br />
• Rauschtat: § 316 StGB (+)<br />
• Rechtswidrigkeit (+)<br />
• Straflosigkeit wegen § 20 StGB (+), vgl. o.<br />
RW, SCH hinsichtlich Tathandlung „sich berauschen“ (+)]<br />
B. Strafbarkeit der F<br />
II. §§ 323a I, 26 StGB<br />
TB: zwar Haupttat der S (+)<br />
aber Bestimmen: Tathandlung (Sich-Betrinken) bereits<br />
abgeschlossen, als F mit S in Kontakt tritt, damit kein<br />
Hervorrufen des Tatentschlusses möglich<br />
S. 18<br />
I. §§ 316 I, 26 StGB<br />
TB: Haupttat der S (+), Schuldunfähigkeit insoweit unbeachtlich<br />
(limitierte Akzessorietät!)<br />
Bestimmen: Hervorrufen des Tatentschlusses (+)<br />
doppelter Anstiftervorsatz (+)<br />
RW, SCH: (+)<br />
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Fall 4 (aus Klausur Termin 2010/I)<br />
1. Tatkomplex: Das Geschehen bis zum Unfall – Strafbarkeit des S<br />
I. § 315c I Nr. 1a, Nr. 2d durch die alkoholisierte Fahrt samt Unfall<br />
S. 19<br />
TB: Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr<br />
• Definition: Fahrzeugführer ist derjenige, der sich selbst aller<br />
oder wenigstens eines Teils der wesentlichen technischen<br />
Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, welche für seine<br />
Fortbewegung bestimmt sind, und das Fahrzeug in<br />
Bewegung setzt oder während der Fahrtbewegung lenkt<br />
• hier: unproblematisch (+)<br />
∗ S hat nicht nur den Motor gestartet, sondern ist bereits<br />
losgefahren<br />
∗ S fährt auf einer Bundesstraße, so dass öffentlicher<br />
Straßenverkehr (+)<br />
Fahruntüchtigkeit nach § 315c I Nr. 1a<br />
• absolute Fahruntüchtigkeit: ab BAK von 1,1 Promille;<br />
Fahruntüchtigkeit dann unwiderleglich vermutet<br />
• relative Fahruntüchtigkeit: BAK ab 0,3 Promille und<br />
Ausfallerscheinungen (Gesamtwürdigung)<br />
• hier: S hat eine BAK von 0,9 Promille und unterlag<br />
alkoholtypischen Fahrfehlern (jedenfalls Verringerung der<br />
Reaktionszeit; evtl. auch deutlich überhöhte<br />
Geschwindigkeit), daher relative Fahruntüchtigkeit (+)<br />
zu schnelles Fahren an unübersichtlicher Stelle, § 315c I<br />
Nr. 2d (-), da gerade und übersichtliche Strecke einer<br />
Bundesstraße befahren<br />
infolge Fahruntüchtigkeit konkrete Gefährdung von Leib oder<br />
Leben eines anderen oder einer fremden Sache von<br />
bedeutendem Wert<br />
• hinsichtlich T: (+), da T sogar getötet (Realisierung der<br />
konkreten Gefahr!)<br />
• hinsichtlich V:<br />
S. 20<br />
∗ Mitinsasse des Täters als Tatobjekt des § 315c?<br />
• zwar nicht schon allein durch längere Fahrt mit<br />
Betrunkenem; aber bei Beinahe-Unfall grds. (+)<br />
• allerdings V als Teilnehmerin (Psychische Beihilfe<br />
nach § 27 durch das Anspornen des S zum schnellen<br />
Fahren)?<br />
− e.A.: auch tatbeteiligter Mitinsasse als<br />
Tatobjekt des § 315c möglich, da sonst schon<br />
bei Zweifeln, ob Mitinsasse Gehilfe ist,<br />
Bestrafung des Fahrers ausgeschlossen, sofern<br />
keine weiteren Personen oder Sachen<br />
gefährdet wurden<br />
− wohl h.M.: keine Strafbarkeit bei Gefährdung<br />
eines Teilnehmers, da Schutzzweck des<br />
§ 315c keine zweiten Personen erfasst, die<br />
ihrerseits aus derselben Norm zu bestrafen<br />
seien<br />
− daher V nicht geschützt, soweit (hier geprüfte)<br />
vorsätzliche (oder auch vorsatzfahrlässigkombinierende)<br />
Begehung geprüft<br />
wird<br />
• hinsichtlich fremder Sache von bedeutendem Wert:<br />
∗ laut SV Fahrzeug zwar unbeschädigt, aber gefährdet<br />
∗ zwar muss auch konkret drohender Schaden ein<br />
bedeutender sein (Grenzangaben zwischen 750 und<br />
1.300 €), aber hier wohl (+), da Wagen nur um wenige<br />
Zentimeter an einem Baum vorbeischleudert, so dass<br />
erhebliche Schäden drohten<br />
∗ aber: gefährdetes Fahrzeug vom Täter S gesteuert: nach<br />
h.M. Tatmittel als notwendiges Werkzeug zur<br />
Tatbestandsverwirklichung nicht zugleich geschütztes<br />
Rechtsgut (da anderenfalls Strafbarkeit nach § 315c von<br />
zufälligen Eigentumsverhältnissen am Tatfahrzeug<br />
abhängig wäre)<br />
Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung <strong>Strafrecht</strong> <strong>BT</strong> I WS 2010/2011<br />
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S. 21<br />
Vorsatz<br />
• hinsichtlich Tathandlung: (-), da S sich noch fahrfähig fühlte<br />
• hinsichtlich etwaiger konkreter Gefährdung:<br />
∗ bzgl. T (-)<br />
∗ bzgl. V (-)<br />
Strafbarkeit des S nach § 315c I Nr. 1a, Nr. 2d (-)<br />
II. § 315c III Nr. 2 iVm I Nr. 1a) durch die alkoholisierte Fahrt samt<br />
Unfall<br />
TB: Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr: (+), s.o.<br />
relative Fahruntüchtigkeit, § 315c I Nr. 1a): (+), s.o.<br />
infolge Fahruntüchtigkeit konkrete Gefährdung von Leib oder<br />
Leben eines anderen oder einer fremden Sache von<br />
bedeutendem Wert: vgl. o.; ferner bei „Farhlässigkeits-<br />
Fahrlässigkeitskombination“ auch V keine Teilnehmerin<br />
(§ 11 II StGB greift nicht ein!), so dass sie ebenfalls in den<br />
Schutzbereich fällt<br />
Fahrlässigkeit, § 315c III Nr. 2:<br />
• bei kritischer Selbstprüfung hätte S seine Fahruntüchtigkeit<br />
nach dem Konsum einiger Biere erkennen können und<br />
müssen<br />
• Objektive Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit der<br />
konkreten Gefährdung von T und V (+), wenn S nicht vor<br />
der Fahrt Alkohol konsumiert hätte<br />
RW/SCH (+)<br />
Strafbarkeit des S wegen § 315c III Nr. 2 iVm I Nr. 1a (+)<br />
III. § 222 zum Nachteil des T durch die Fahrt unter Alkoholeinfluss<br />
TB: Eintritt und Verursachung des tatbestandlichen Erfolgs: Tod<br />
des T (+)<br />
Objektive Zurechnung des Erfolges: (+)<br />
Sorgfaltspflichtverletzung: (+), da Fahrt unter Alkoholeinfluss<br />
Objektive Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit des Erfolges:<br />
(+)<br />
RW/SCH (+)<br />
Strafbarkeit des S wegen § 222 (+) zum Nachteil des T<br />
IV. § 229 zum Nachteil der V durch die Fahrt unter Alkoholeinfluss<br />
TB: Eintritt und Verursachung des tatbestandlichen Erfolgs: (+), da<br />
V verletzt (leichte Gehirnerschütterung, Bluterguss)<br />
S. 22<br />
Objektive Zurechnung des Erfolges: (+), als Beifahrerin keine<br />
eigenverantwortliche Selbstgefährdung, da keine Tatherrschaft<br />
Sorgfaltspflichtverletzung: (+), da Fahrt unter Alkoholeinfluss<br />
Objektive Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit des Erfolges:<br />
(+)<br />
RW: (+/-), da Einwilligung in Fahrt und sogar Anfeuern des T;<br />
vertretbar allerdings: Einwilligung unwirksam, da V den T für<br />
fahrtüchtig gehalten hat<br />
ggf. SCH (+)<br />
ggf. Strafbarkeit des S wegen § 229 (+) zum Nachteil der V;<br />
Strafantrag nach § 230 I 1 gestellt<br />
V. § 316 II iVm I durch die Fahrt unter Alkoholeinfluss<br />
TB: Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr:<br />
unproblematisch (+)<br />
relative Fahruntüchtigkeit: (+), vgl. oben<br />
zwar Vorsatz (-), da S der Meinung war das Fahrzeug trotz des<br />
vorangegangenen Alkoholkonsums noch sicher steuern zu<br />
können, aber fahrlässige Unkenntnis der eigenen<br />
Fahruntüchtigkeit nach § 316 II (+)<br />
RW/SCH (+)<br />
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Strafbarkeit des S wegen § 316 II iVm I (+), aber subsidiär<br />
Konkurrenzen:<br />
S: §§ 315c III Nr. 2 iVm I Nr. 1a), 222, 229; 52<br />
Anmerkung: Obwohl mehrere Personen gefährdet wurden, liegt nur<br />
eine Tat nach § 315c vor. Ferner wird durch § 315c III Nr. 2 iVm I Nr.<br />
1a) der ebenfalls verwirklichte § 316 II iVm I verdrängt (ausdrückliche<br />
Subsidiarität; vertretbar ist auch die Annahme von Spezialität).<br />
2. Tatkomplex: Die Weiterfahrt nach dem Unfall – Strafbarkeit des S<br />
I. § 316 I durch die Weiterfahrt<br />
TB: Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr: (+), s.o.<br />
relative Fahruntüchtigkeit: (+), vgl. oben<br />
Vorsatz (+), da S aufgrund des vorangegangenen Unfalls<br />
nunmehr seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kannte<br />
RW/SCH (+)<br />
Strafbarkeit des S nach § 316 I (+)<br />
II. §§ 212 I, 211, 13 I zum Nachteil von T durch die Weiterfahrt<br />
TB: Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges: Tod des T (+)<br />
Unterlassen der gebotenen Rettungshandlung: (+), da S<br />
zunächst keine Hilfe geholt und T liegengelassen hat<br />
Garantenstellung:<br />
• hier: aus Ingerenz (+)<br />
• pflichtwidriges Vorverhalten durch das Anfahren des T<br />
Quasikausalität:<br />
• Definition: Unterlassen kausal für Erfolgseintritt, wenn<br />
rechtlich gebotene Handlung nicht hinzugedacht werden<br />
kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg entfiele<br />
• hier: (-), da Tod von T nicht auf das Unterlassen von S<br />
beruht, das heißt hätte S sofort Hilfe geholt, wäre T immer<br />
noch tot<br />
S. 23<br />
Strafbarkeit des S nach §§ 212 I, 211, 13 I zum Nachteil von T (-)<br />
III. §§ 212 I, 211, 22, 23 I, 13 I durch die Weiterfahrt<br />
VP: keine Vollendung: (+), da Quasikausalität fehlt<br />
Strafbarkeit des Versuchs: §§ 23 I, 12 I<br />
TE: Vorsatz gerichtet auf:<br />
• Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges: S billigt den Tod<br />
des T durch das Liegenlassen (+)<br />
• Unterlassen der gebotenen Rettungshandlung: (+), s.o.<br />
• Quasikausalität: (+), da S hinsichtlich T davon ausgeht, dass<br />
dieser ohne ärztliche Hilfe alsbald versterben wird, dass also<br />
ein sofort herbeizurufender Notarzt das Leben von T sicher<br />
noch retten könnte<br />
• Objektive Zurechnung: (+)<br />
• Möglichkeit und Zumutbarkeit der Rettungshandlung: (+)<br />
• Garantenstellung: (+), s.o.<br />
• Gleichstellungsklausel, § 13 I HS 2: unproblematisch (+)<br />
Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht, § 211 II Gruppe 3:<br />
• Definition: „um eine andere Straftat zu verdecken“, d.h.<br />
Täter will sich einer drohenden Strafverfolgung entziehen<br />
• ältere Rspr.: Begriff des Verdeckens verlange aktives<br />
„Zudecken“, so dass „Nicht-Aufdecken“ nicht ausreiche<br />
• hier mit h.M.: (+), da S nichts zur Rettung des T<br />
unternommen hat, um die Entdeckung seiner<br />
vorangegangenen Verkehrsstraftaten zu vermeiden<br />
UA: beim unechten Unterlassungsdelikt str.:<br />
e.A.: Versäumen der ersten Handlungsmöglichkeit<br />
• Grund: wirksamer Rechtsgüterschutz<br />
• dagegen spricht: Ausdehnung der Versuchsstrafbarkeit<br />
a.A.: Verstreichenlassen der letzten Rettungschance<br />
• Grund: Rechtsordnung verlange nur die rechtzeitige<br />
Abwendung des Erfolges<br />
S. 24<br />
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• dagegen spricht: Unterlassungsversuch in diesem Fall<br />
praktisch nur in Form eines beendeten oder<br />
fehlgeschlagenen Versuchs denkbar<br />
h.M.: Eintritt einer nahe liegenden Gefahr für das Rechtsgut<br />
ausschlaggebend, da Garant nicht nur zur<br />
Schadensabwendung, sondern schon zur Verminderung der<br />
Gefahr für das bedrohte Rechtsgut verpflichtet sei<br />
nach allen Ansichten ist jedoch die Sicht des Täters<br />
maßgeblich; danach hier (+), da aus Sicht des S Leben des T<br />
durch das Liegenlassen stark gefährdet<br />
RW/SCH (+)<br />
Rücktritt, § 24 I<br />
kein fehlgeschlagener Versuch<br />
hier: § 24 I 2 einschlägig, da die Unterlassungstat aufgrund<br />
des sofortigen Ablebens von T nicht mehr vollendet werden<br />
kann<br />
• grds. zwar Unterscheidung zwischen unbeendetem und<br />
beendetem Versuch beim Unterlassungsdelikt oft schwierig<br />
• hier aber unerheblich, da Täter in jedem Fall in Richtung<br />
Erfolgsverhinderung durch sein freiwilliges und ernsthaftes<br />
Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, tätig<br />
werden muss<br />
• hier: Tätigwerden von S durch Notrufverständigung (+)<br />
Freiwilliges und ernsthaftes Bemühen:<br />
• M.M.: sofortiges Ergreifen von Maßnahmen zur Rettung<br />
nach Erkennen der gefährlichen Lage erforderlich<br />
∗ Grund: anderenfalls nur „halbherziger“ Rücktritt<br />
gegeben, der zur Erlangung von Straffreiheit nicht<br />
ausreiche<br />
∗ dagegen spricht: diese Ansicht fordert ein Tätigwerden<br />
bereits zu dem Zeitpunkt, der mit dem Beginn des<br />
unmittelbaren Ansetzens zusammenfällt<br />
∗ dadurch strafbefreiender Rücktritt vom Versuch<br />
praktisch unmöglich<br />
S. 25<br />
IV.<br />
• hier: daher ernsthaftes Bemühen (+), da seit dem Unfall nur<br />
etwa fünf Minuten verstrichen sind<br />
ferner handelte S auch aus autonomen Motiven, daher<br />
Freiwilligkeit (+)<br />
aber P: Rücktrittsmöglichkeit beim untauglichen<br />
Unterlassungsversuch überhaupt gegeben?<br />
• BGH (in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung):<br />
Rücktrittsmöglichkeit (-)<br />
∗ Grund: Erfolg könne nicht mehr verhindert werden<br />
∗ vergleichbar mit Rechtsfigur des Rücktritts vom<br />
beendeten Versuch des Begehungsdelikts und dem in<br />
beiden Fallgestaltungen übereinstimmenden<br />
Rücktrittshorizont<br />
• a.A.: § 24 I 2 erfasst gerade die Fälle des untauglichen<br />
Versuchs<br />
∗ nicht ersichtlich warum für untauglichen<br />
Unterlassungsversuch etwas anderes gelten soll<br />
∗ Grund: Strafgrund für den untauglichen Versuch eines<br />
Unterlassungsdelikts sei Betätigung eines<br />
rechtsfeindlichen Willens durch das ungenutzte<br />
Verstreichenlassen einer nach dem Vorstellungsbild des<br />
Täters bestehenden Rettungsmöglichkeit<br />
∗ daher Rücktrittsmöglichkeit (+), wenn Täter innerhalb<br />
seines Vorstellungsbildes doch noch zu einem<br />
rechtstreuen Handeln zurückkehrt<br />
Strafbarkeit des S wegen §§ 212 I, 211, 22, 23 I, 13 I (-)<br />
§§ 221 I Nr. 2, 22, 23 I durch das Wegfahren<br />
VP: keine Vollendung: (+), da T bereits tot war als S wegfuhr<br />
Strafbarkeit des Versuchs: (-), da Versuch der einfachen<br />
Aussetzung nicht unter Strafe gestellt, vgl. §§ 23 I, 12<br />
Strafbarkeit des S nach §§ 221 I Nr. 2, 22, 23 I (-)<br />
S. 26<br />
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V. §§ 221 I Nr. 2, III, 22, 23 I durch das Weiterfahren<br />
S. 27<br />
VP: P: Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Versuchs bei<br />
straflosem Versuch des Grunddelikts?<br />
• h.M.: grds. erfolgsqualifizierter Versuch strafbar, wenn<br />
Vorsatz bzgl. schwerer Folge gegeben, da dann kein<br />
Unterschied zu sonstigen Vorsatztaten besteht<br />
• allerdings: Versuch des Grunddelikts hier nicht strafbar<br />
∗ h.M.: Versuchsstrafbarkeit des Grunddelikts erforderlich<br />
∗ Grund: Anstreben der besonderen Folge allein kann nicht<br />
strafbegründend wirken<br />
∗ § 18 macht strafschärfende Wirkung der besonderen<br />
Folge gerade von einem strafbaren Grundverhalten<br />
abhängig<br />
∗ daher hier: beim straflosen Versuch des Grunddelikts<br />
(§ 221 I) kein erfolgsqualifizierter Versuch möglich<br />
Versuch im hiesigen Fall daher (-)<br />
Strafbarkeit des S wegen §§ 221 I Nr. 2, III, 22, 23 I (-)<br />
Anmerkung: Die amtliche Lösung nimmt hier eine<br />
Versuchsstrafbarkeit auch bei einem straflosen Versuch des<br />
Grunddelikts an und bejaht den Tatentschluss, da S denkt, dass er T in<br />
einer hilflosen Lage im Stich lässt, obwohl er ihm beizustehen<br />
verpflichtet ist und dass er hierdurch den Tod von T verursacht. Nach<br />
dieser Ansicht ist ferner das unmittelbare Ansetzen bereits im<br />
Wegfahren ohne Hilfestellung für T zu sehen. Der Rücktritt vom<br />
Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts ist grundsätzlich möglich.<br />
In der hiesigen Konstellation gelten die obigen Ausführungen zum<br />
Rücktritt entsprechend.<br />
VI. § 323c durch das Weiterfahren<br />
TB: Unglücksfall: (-)<br />
• Definition: plötzlich eintretendes Ereignis, das eine<br />
erhebliche Gefahr für ein Individualrechtsgut mit sich bringt<br />
• hier: T war sofort tot, so dass keine Gefahr mehr für sein<br />
Leben bestand<br />
Möglichkeit und Erforderlichkeit der Hilfeleistung: (-)<br />
[jeweils a.A. vertretbar, wenn man insoweit auf ex-ante-Sicht des<br />
Täters abstellt]<br />
Strafbarkeit des S wegen § 323c (-)<br />
VII.§ 142 I Nr. 1, Nr. 2 durch das Weiterfahren<br />
TB: Unfall im Straßenverkehr: (+)<br />
S als Unfallbeteiligter: (+), vgl. § 142 V<br />
vom Unfallort Sichentfernen:<br />
• Nr. 1: ohne bestimmte Feststellungen zu ermöglichen (-), da<br />
keine feststellungsbereiten Personen anwesend<br />
• Nr. 2: ohne eine angemessene Zeit zu warten (+)<br />
Vorsatz: (+), da S nach fünf Minuten Notarzt und Polizei von<br />
dem Unfall und seiner Beteiligung verständigt hat<br />
RW/SCH (+)<br />
Tätige Reue, § 142 IV (-), da sich der Unfall nicht außerhalb des<br />
fließenden Verkehrs ereignete und nicht ausschließlich unbedeutenden<br />
Sachschaden zur Folge hatte<br />
Strafbarkeit des S wegen § 142 I Nr. 2 (+)<br />
Konkurrenzen:<br />
S: §§ 142 I Nr. 2, 316 I; 52<br />
Gesamtkonkurrenzen:<br />
S: §§ 315c III Nr. 2 iVm I Nr. 1a), 222, 229; 52; §§ 142 I Nr. 2, 316 I;<br />
52; § 53 (aufgrund der durch den Unfall eingetretenen Zäsur)<br />
S. 28<br />
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3. Tatkomplex: Das Geblitztwerden – Strafbarkeit des R<br />
I. § 268 I Nr. 1 Alt. 1, III durch das Anbringen der Reflektorfolien<br />
TB: technische Aufzeichnung nach § 268 II:<br />
• Lichtbilder, die von einer automatisch mit einer<br />
Messvorrichtung gekoppelten Kamera einer<br />
Verkehrsüberwachungsanlage gefertigt werden (+)<br />
• hier also selbsttätig ausgelöst<br />
Begehungsvariante des § 268 III:<br />
• Einwirken auf den Aufzeichnungsvorgang: Einflussnahme<br />
auf den ungestörten selbsttätigen Ablauf des<br />
Gerätemechanismus<br />
∗ e.A.: Aufzeichnung (+), da „Lichtblitz“ aufgezeichnet;<br />
störende Einwirkung = Reflexion des Lichtblitzes auf<br />
das Aufzeichnungsgerät<br />
∗ aber fehlender Beweiswert beruht auf herbeigeführter<br />
Situation, nicht Manipulation der<br />
Aufzeichnungsmaschine, d.h. R manipulierte nicht den<br />
Aufzeichnungsvorgang, sondern beeinflusste lediglich<br />
die „Aufzeichnungssituation“<br />
R nutzte nur technische Grenze des eingesetzten<br />
Mittels<br />
∗ daher: Einwirken auf Aufzeichnungsvorgang (-):<br />
geschützt wird nur Vertrauen auf Herstellungsvorgang,<br />
nicht auf bloße<br />
Aufzeichnungsvoraussetzungen/Manipulationsfreiheit<br />
des Objekts der Aufzeichnung; nach a.A. (OLG<br />
München NZV 2006, 435 ff.) wird bereits Entstehung<br />
einer Aufzeichnung – Aufnahme des Fahrers –<br />
überhaupt verhindert; weniger überzeugend, da es ja<br />
Aufzeichnung gibt, aber i.Erg. ebenfalls § 268 III (-)<br />
Strafbarkeit des R wegen § 268 I Nr. 1 Alt. 1, III (-)<br />
Anmerkung: Eine Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß § 269 I<br />
kommt schon mangels (nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeicherten)<br />
Daten als kodierte Informationen nicht in Betracht.<br />
S. 29<br />
II. § 274 I Nr. 1 durch das Anbringen der Reflektorfolien<br />
TB: technische Aufzeichnung: Lichtbildaufnahme (+), s.o.<br />
die dem Täter überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört<br />
(kein Beweisführungsrecht des Täters) (+)<br />
Beschädigen: Beeinträchtigung des Beweiswertes (-), da<br />
Beweiswert fehlt<br />
Strafbarkeit des R nach § 274 I Nr. 1 (-)<br />
III. § 303 I durch das Anbringen der Reflektorfolien<br />
TB: fremde Sache für R: Aufzeichnungsgerät (+)<br />
Beschädigen:<br />
• Definition: Substanzverletzung nicht erforderlich;<br />
ausreichend, dass durch körperliche Einwirkung auf die<br />
Sache die bestimmungsgemäße (technische) Brauchbarkeit<br />
nachhaltig gemindert wird<br />
• OLG München a.a.O.: (+), da<br />
∗ durch Anbringen der Reflektoren erreicht, dass<br />
Bildausschnitt auf Lichtbild im Bereich des<br />
Fahrzeugführers überbelichtet und Fahreridentifizierung<br />
dadurch unmöglich wird, so dass Messanlage in ihrer<br />
bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit nicht unwesentlich<br />
gemindert wurde<br />
∗ Kurzzeitigkeit des Eingriffs unerheblich, da zeitweilige<br />
Funktionsunfähigkeit „durchaus erheblich und<br />
nachhaltig“ war<br />
• wenig überzeugend und in Lit. durchgehend kritisiert, da<br />
∗ Überstrapazierung des Begriffs der<br />
Brauchbarkeitsbeeinträchtigung bei nur mittelbarer<br />
Einwirkung auf Sache<br />
∗ Funktionalität nur ganz vorübergehend beeinträchtigt<br />
bzw. einwandfreies Funktionieren des Gerätes, da es die<br />
tatsächliche Situation im Aufnahmezeitpunkt richtig<br />
wiedergegeben hat<br />
∗ Fehlen jeder körperlichen Einwirkung auf Kamera<br />
S. 30<br />
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∗<br />
wohl Wortlaut des § 303 I überschritten<br />
S. 31<br />
Fall 5 (aus Klausur Termin 2005/I)<br />
S. 32<br />
Strafbarkeit des R nach § 303 I (-)<br />
Anmerkung: Folgt man der Ansicht des OLG München, so ist weiter<br />
der Vorsatz des R zu bejahen. Auch Verbotsirrtum nach § 17 ist nicht<br />
gegeben, da es sich allenfalls um einen (ohnehin vermeidbaren)<br />
unbeachtlichen Irrtum über die Strafbarkeit handelt, so dass R nach<br />
§ 303 I strafbar ist. Der Strafantrag nach § 303c ist laut<br />
Bearbeitervermerk gestellt.<br />
IV. § 304 I durch Anbringen der Reflektorfolien<br />
TB: Gegenstand, das dem öffentlichen Nutzen dient: bei<br />
Geschwindigkeitsmessanlagen unmittelbarer<br />
Gemeinwohlnutzen (-)<br />
daher TB (-)<br />
Strafbarkeit des R wegen § 304 I (-)<br />
Konkurrenzen:<br />
R: straflos<br />
I. § 267 I Var. 2 und 3<br />
TB: Urkunde<br />
• Perpetuierungsfunktion:<br />
∗ Erklärung über Parkberechtigung wird auf dem<br />
Parkschein dauerhaft festgehalten<br />
∗ menschliche Gedankenerklärung, die perpetuiert wurde<br />
• zwar Inhalt letztlich durch Parkautomat festgelegt<br />
• aber dadurch nur der Erklärungsinhalt, der auf<br />
Grund des menschlichen Inputs („Programmierung“)<br />
vorbestimmt wurde (a.A. gut vertretbar, da dass<br />
praktisch bei jedem Gerät der Fall ist, das technische<br />
Aufzeichnungen erstellt!)<br />
• Beweisfunktion: Bestimmung der Erklärung zum Beweis im<br />
Rechtsverkehr (vgl. § 13 I 1 StVO)<br />
Anmerkung:<br />
Man wird diese Beweiswirkung wohl auch nach Ablauf der Parkzeit<br />
noch annehmen müssen, weil der Parkschein zumindest theoretisch<br />
auch danach bei einem Streit über die Parkberechtigung noch von<br />
Bedeutung sein kann. Sollte man (m.E. weniger überzeugend, aber<br />
nicht unvertretbar) argumentieren und begründen, dass nach Ablauf der<br />
Parkzeit kein Beweiswert mehr besteht, würden die Parkscheine ihren<br />
„neuen“ Beweiswert erst mit der Manipulation bekommen – man<br />
müsste dann im Folgenden statt eines Verfälschens einer Herstellen der<br />
Urkunde prüfen und bejahen.<br />
• Garantiefunktion<br />
∗ Garantierender Aussteller muss erkennbar sein<br />
∗ bei lebensnaher Auslegung entweder Stadt München<br />
oder jedenfalls Standort des Parkschein-Automaten (da<br />
davon Parkplätze, auf denen zum Parken berechtigt ist,<br />
abhängen) auf Parkschein vermerkt, was ebenfalls<br />
genügen würde<br />
Verfälschen, Abs. 1 Nr. 1 Var. 2<br />
• Verändern des beweiserheblichen Erklärungsgehalts<br />
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• durch Überkleben (+)<br />
Gebrauchen, Abs. Nr. 2 Var. 2 StGB (+)<br />
• dem zu Täuschenden so zugänglich machen, dass dieser sie<br />
wahrnehmen kann<br />
• durch Bereitlegen im Auto zur Wahrnehmung durch<br />
kommunale Verkehrsüberwacher (+), unabhängig davon,<br />
ob / wann tatsächlich Kenntnisnahme erfolgt ist<br />
Vorsatz<br />
Täuschungsabsicht (+), insbesondere unerheblich,<br />
• hinsichtlich eines der Scheine mangels Kontrolle<br />
möglicherweise keine Täuschung stattgefunden hat und<br />
• hinsichtlich eines Schein Täuschung tatsächlich nicht<br />
gelungen ist<br />
RW, SCH (+)<br />
KK: Verfälschen und Gebrauchen als eine Handlung, wohl<br />
Verfälschen als mitbestrafte Vortat<br />
Manipulation zweier Parkscheine als natürliche<br />
Handlungseinheit<br />
II. § 268 I Nr. 1 Var. 2, Nr. 2 Var. 2<br />
TB: Technischen Aufzeichnung: Legaldefinition in § 268 II StGB<br />
• Darstellung von Daten (+)<br />
• durch technisches Gerät selbständig bewirkt (+),<br />
insbesondere auch nicht ausgeschlossen, weil<br />
Herstellungsvorgang durch Kunden initiiert<br />
• für jedermann erkennbar (+)<br />
• Beweisbestimmung(+)<br />
Verfälschen und Gebrauchen (+), w.o.<br />
Vorsatz, Täuschungsabsicht (+)<br />
RW, SCH (+)<br />
KK: hinsichtlich Tathandlungen und mehrerer Parkscheine w.o.<br />
S. 33<br />
zu § 268 wohl Tateinheit, § 52<br />
III. § 274 I Nr. 1<br />
TB: Urkunde (+)<br />
Tatobjekt darf Täter nicht (ausschließlich) gehören<br />
• nicht dingliche Rechtslage, sondern Beweisführungsrecht<br />
entscheidend<br />
• hier steht Beweisführungsrecht an Parkschein S zu<br />
wohl schon kein taugliches Tatobjekt (a.A. vertretbar:<br />
auch KVÜ beweisberechtigt)<br />
S. 34<br />
falls objektiver Tatbestand bejaht: Nachteilszufügungsabsicht<br />
• einerseits fraglich, da es S nur um Vermeidung eines<br />
Bußgeldes ging<br />
• andererseits nach h.M. dolus directus II. Grades ausreichend<br />
und hier sichere Kenntnis von Beeinträchtigung der<br />
Beweisfunktion<br />
• dann aber jedenfalls von § 267 verdrängt, da insoweit nur<br />
notwendiger Zwischenschritt<br />
Anmerkung:<br />
Zu prüfen – im Ergebnis aber zu verneinen – wäre hier auch eine<br />
Strafbarkeit nach § 263 StGB (Betrug). Sie scheitert letztlich am<br />
„Vermögensschaden“ der Stadt, da die Einnahmen aus Verwarnungen<br />
den Zweck der Sanktion beim Bürger verfolgen, nicht der Bereicherung<br />
der Kommunen dienen (sollen ☺).<br />
Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung <strong>Strafrecht</strong> <strong>BT</strong> I WS 2010/2011<br />
Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung <strong>Strafrecht</strong> <strong>BT</strong> I WS 2010/2011