Lösung zum Ãbungsfall
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erlanger examenskurs<br />
Strafrecht SS 2006<br />
Prof. Dr. Hans Kudlich<br />
Einheit 14: Brandstiftungsdelikte<br />
B. Lösungsskizze <strong>zum</strong> Klausurfall (Sehnsucht-in-die-Stadt-Fall)<br />
1. Tatkomplex: Die „warme Sanierung“ – Strafbarkeit des B<br />
I. § 306 I Nr. 1 StGB durch das Entzünden des Benzins<br />
TB: Gebäude: Haus des A<br />
Fremdheit (+), dem A gehörend, der jedenfalls auch kein Mittäter<br />
ist: Zwar gesteigertes eigenes Interesse, aber Fehlen eines<br />
Tatbeitrags des A im Ausführungsstadium und Fehlen eines<br />
„Bandenchef-Fällen“ vergleichbaren Einflusses des A<br />
in Brand setzen: selbsttätiges, vom verwendeten Zündstoff unabhängige<br />
Brennen eines funktionswesentlichen Teils des Gesamtobjekts<br />
(+)<br />
RW: Einwilligung des Eigentümers und Rechtsgutsinhabers A (+);<br />
hier auch wirksam möglich, da § 306 StGB (<strong>zum</strong>indest vorrangig)<br />
Sachbeschädigungsdelikt ist.<br />
II. §§ 303, 305 StGB durch Aufbrechen des Hauses und Anzünden<br />
ebenfalls wegen Einwilligung (-)<br />
III. § 306a I Nr. 1, 3 StGB durch das Entzünden des Benzins<br />
TB: Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient (Nr. 1)?<br />
• grds. bei Wohnhaus (+)<br />
• auch keine teleologische Reduktion möglich, wenn abstrakte<br />
Gefährdung praktisch ausgeschlossen ist, da<br />
∗ bei zweigeschossigem Wohnhaus generell nicht möglich<br />
∗ hier ja sogar erkannt, dass P im Haus war<br />
• aber: dient Haus wegen „Entwidmung“ nicht mehr der<br />
Wohnung von Menschen?<br />
durch Auszug des einzigen Bewohners A und dessen Bitte<br />
um Brandstiftung Entwidmung (+)<br />
Räumlichkeit, die zeitweise Aufenthalt von Menschen dient, zu<br />
Zeit, zu der sich Menschen dort aufzuhalten pflegen (Nr. 3)?<br />
• wohl vertretbar, bei Wohnhaus hinsichtlich nur zeitweise<br />
anwesender Personen grds. auch Nr. 3 anzuwenden<br />
• Zeit, zu der sich Menschen dort aufzuhalten pflegen:<br />
∗ bei nur sporadisch anwesenden Personen wohl nicht pauschal<br />
auf ganzen Tag abzustellen<br />
∗ aber hier vertretbar, wenn Zeit, zu der Putzfrau üblicherweise<br />
kam<br />
letztlich zu wenig Hinweise im Sachverhalt, (+/-)<br />
IV. § 306a II i.V.m. § 306 I Nr. 1 StGB durch das Entzünden des Benzins<br />
TB: Tatobjekt des § 306 I Nr. 1StGB (+), vgl. o.<br />
in Brand gesetzt: (+)<br />
Gefahr der konkreten Gesundheitsschädigung für einen anderen<br />
Menschen?<br />
• Beinahe-Erleiden von Erstickungen und Brandwunden bei<br />
P; wären als Gesundheitsschädigung auch nicht zu geringfügig,<br />
da Schwelle des wortlautgleichen § 223 I StGB überschritten<br />
wäre (vgl. auch arg e contrario zu § 306b I StGB,<br />
der gesondert schwere Gesundheitsschädigungen erfasst)<br />
• Gefahr für alle Feuerwehrmänner?<br />
(-), konkrete Gefahr fordert „Beinahe-Erleiden“ von Gesundheitsschädigung<br />
• Gefahr für F:<br />
∗ in Tod des F liegt erst recht Gefahr einer Gesundheitsschädigung<br />
– 2 –
∗ auch objektive Zurechnung der Gefährdung nicht wegen<br />
Gefahrtragungspflicht (§ 35 I S. 2 StGB) bzw. eigenverantwortlicher<br />
Selbstschädigung ausgeschlossen, da nicht<br />
ersichtlich ist, dass F unverhältnismäßiges Risiko einging;<br />
gerade wegen Gefahrtragungspflicht Schutz des<br />
Strafrechts erforderlich (vgl. auch näher Bernsmann/Zieschang,<br />
JuS 1995, 775 ff.)<br />
Vorsatz bezüglich:<br />
• Gebäude in Brand setzen (+)<br />
• Gefahrverursachung?<br />
∗ hinsichtlich F kein Vorsatz des B (der arg e contrario<br />
§ 306d I StGB erforderlich ist) bezüglich Feuerwehreinsatz<br />
oder gar Gefährdung ersichtlich<br />
∗ aber Vorsatz hinsichtlich Gefährdung der P<br />
RW: Gebäude muss trotz etwas unklaren Wortlauts nicht fremd sein,<br />
da explizit Verweis auf Nummern des § 306 I StGB<br />
Einwilligung daher hier unbeachtlich, RW (+)<br />
SCH (+)<br />
KK: möglicher § 306a II i.V.m. § 306d I StGB (hinsichtlich P) tritt<br />
hinter § 306a II StGB zurück<br />
V. § 306b I StGB durch das Entzünden des Benzins<br />
TB: Grunddelikt: § 306a°II StGB (+)<br />
RW, SCH<br />
EQ: § 306b I StGB (anders als § 306a II StGB, vgl. o.) erfolgsqualifiziertes<br />
Delikt<br />
Schwere Gesundheitsschädigung:<br />
• bei P: ohnehin kein Eintritt der Beeinträchtigungen, sondern<br />
nur Gefahr; darüber hinaus wären Atembeschwerden und<br />
mittelschweren Brandwunden wohl keine schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen<br />
(<strong>zum</strong>indest annährend gleiche<br />
Intensität wie bei Verletzungen i.S.d. § 226 StGB erforderlich)<br />
– 3 –<br />
• aber dem Tod des F logisch vorhergehend<br />
tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang:<br />
• kein Ausschluss durch eigenverantwortliches Handeln des<br />
F, da dieser sich als Feuerwehrmann zu Betreten des Hauses<br />
<strong>zum</strong> Löschen „herausgefordert“ fühlen darf, vgl. auch oben<br />
zur objektiven Zurechnung<br />
• keine „Identität der Gefährdungsobjekte“ erforderlich (und<br />
daher auch unschädlich, soweit oben nur Grunddelikt des<br />
§ 306a II StGB durch Gefährdung der P begründet wurde),<br />
da etwa auch bei §§ 306 und 306a I StGB als Grunddelikt<br />
kein durchgehender Gefährdungszusammenhang besteht,<br />
sondern abstrakte Gefahr für andere als qualifizierend verletzte<br />
Person genügt (vgl. näher Kudlich, NStZ 2003,<br />
458 ff.)<br />
„wenigstens Fahrlässigkeit“?<br />
• Sorgfaltspflichtverstoß durch Begehung des Grunddelikts<br />
(+)<br />
• Vorhersehbarkeit: bei Entzünden eines Wohnhauses mit<br />
Feuerwehreinsatz zu rechnen; insbesondere wenn erkannt<br />
wird, dass sich Person im Haus befindet (die Feuerwehr informieren<br />
würde); Gefahr erheblicher Verletzungen für<br />
Feuerwehrmann nahe liegend (a.A. vertretbar)<br />
RW, SCH: (+)<br />
VI. § 306b II Nr.1 StGB durch das Entzünden des Benzins<br />
TB: obj. TB des Grunddelikts: § 306a°II StGB;<br />
§ 306b II Nr. 1 StGB nach h.M. als „normale“ (keine Erfolgs-)<br />
Qualifikation dazu<br />
Todesgefahr für F (+)<br />
Vorsatz<br />
• hinsichtlich Grunddelikts (+)<br />
• hinsichtlich Lebensgefahr für andere Person (-), auch kein<br />
bedingter Vorsatz ersichtlich<br />
– 4 –
VII. § 306b II Nr. 2 StGB durch das Entzünden des Benzins<br />
TB: Grunddelikt: § 306a II StGB (+)<br />
Vorsatz (+)<br />
Ermöglichungsabsicht<br />
• hier Versicherungsbetrug durch A geplant: grds. Tat eines<br />
Dritten ausreichend<br />
• auch Absicht des B, da es ihm darum ging, A zu Geld zu<br />
verhelfen<br />
• aber fraglich, ob auch geplanter Versicherungsbetrug genügt:<br />
∗ wegen hoher Strafdrohung könnte ebenso restriktive<br />
Auslegung wie zur Vorläuferfassung geboten sein, wo<br />
von Rspr. Ausnutzen der gemeingefährlichen Situation<br />
verlangt wurde.<br />
∗ aber wegen gleicher Formulierung wie in § 211 StGB<br />
und ähnlicher Verknüpfung von Unrecht mit weiterem<br />
Unrecht nach BGHSt 45, 211 (m. Anm. Rönnau, JuS<br />
2001, 328 ff.) weite Auslegung vertretbar (<strong>zum</strong>al gegenüber<br />
Vorläufervorschrift Strafrahmen immerhin herabgesetzt<br />
wurde)<br />
VIII. § 306c StGB durch das Entzünden des Benzins<br />
TB: Grunddelikt: § 306a II und § 306b II Nr. 2 StGB obj. und subj.<br />
erfüllt<br />
RW, SCH (+)<br />
EQ: Tod des F tatbestandsspezifisch eingetreten; insbesondere nicht<br />
dadurch ausgeschlossen, dass F sich z.Z. der Tat noch nicht in<br />
Haus befand, da Auftauchen von Feuerwehrleuten dennoch typisch<br />
ist<br />
Leichtfertigkeit (= ca. grobe Fahrlässigkeit i.S.d. Zivilrechts):<br />
• grobe Sorgfaltspflichtverletzung bei unschwerer Erkennbarkeit<br />
des Erfolges<br />
• wohl (-), da Kombination aus Eintreffen der Feuerwehr, Betreten<br />
des Hauses durch F und tödlicher Unfall nicht so nahe<br />
– 5 –<br />
liegend, dass B gerade in konkreter Situation ohne weiteres<br />
von dieser Möglichkeit ausgehen musste (a.A. vertretbar)<br />
IX. §§ 212, 211 StGB: (-), kein Vorsatz, vgl .o.<br />
X. § 222 StGB (+)<br />
da zwar keine Leichtfertigkeit, wohl aber Fahrlässigkeit (a.A.<br />
vertretbar)<br />
XI. § 265 StGB<br />
TB: Haus offenbar gegen Beschädigung versicherte Sachen<br />
XII.<br />
Zerstören der Sache (+)<br />
Vorsatz (+)<br />
Absicht, einem Dritten – hier A – Versicherungsleistungen zu<br />
verschaffen: (+), erforderlicher dolus directus I. Grades liegt vor<br />
RW, SCH: (+)<br />
Konkurrenzen<br />
Entzünden des Benzins als eine Handlung im natürlichen Sinne<br />
Tateinheit zwischen allen verwirklichten Tatbeständen, sofern<br />
keine Gesetzeskonkurrenz besteht<br />
§ 306b StGB verdrängt als lex specialis § 306a StGB (a.A. für<br />
§ 306a II StGB vertretbar, da nur so <strong>zum</strong> Ausdruck kommt, dass<br />
vorsätzlich konkrete Gefahr für Menschen herbeigeführt wurde)<br />
zwischen § 306b I und II Nr. 2 StGB Tateinheit, da jeweils eigenständiger<br />
Unrechtsgehalt (schwere Gesundheitsbeschädigung;<br />
deliktische Absicht)<br />
§ 265 StGB tritt dazu ebenfalls in Idealkonkurrenz, da nur er<br />
spezifisches Ziel, Versicherungsleistung zu erlangen erfasst<br />
Ergebnis: §§ 306b I, II Nr. 2; 265; 52 StGB<br />
– 6 –