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Toetungs- und KVdelikte_Lsg

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Strafrecht BT I<br />

Examensfälle zu den Tötungs- <strong>und</strong><br />

Körperverletzungsdelikten WS 2010/2011<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich<br />

A. Strafbarkeit der A<br />

I. §§ 212, 211, 22, 23 I, 25 I Alt. 2<br />

Fall 1 (2008/I)<br />

Anmerkung: Eine Prüfung der Mordmerkmale gleich hier bei A ist jedenfalls<br />

möglich bzw. sogar sinnvoll; anderenfalls (d.h. wenn man nur<br />

mit § 212 beginnt <strong>und</strong> dann wegen des Rücktritts nicht mehr zu § 211<br />

kommt) wäre eine Inzidentprüfung bei Teilnahme der B wegen § 28 erforderlich.<br />

VP: keine Vollendung, K lebt noch<br />

Strafbarkeit des Versuchs (+), §§ 23 I, 12 I, 212, 211<br />

TB: Tatentschluss<br />

• Vorsatz bzgl.<br />

∗ Tötung der K (+), dolus eventualis<br />

∗ Begehung in mittelbarer Täterschaft (§ 25 I 2. Alt.): K<br />

als Werkzeug gegen sich selbst<br />

∗ Heimtücke:<br />

Def.: Ausnutzung der Arg- <strong>und</strong> Wehrlosigkeit in<br />

feindlicher Willensrichtung<br />

in Situation des Giftmordes während Einladung typischerweise<br />

(+)<br />

weitere Beschränkung (verwerflicher Vertrauensbruch)<br />

wohl zu eng; im Übrigen selbst danach hier<br />

vertretbar<br />

• Habgier: rücksichtsloses Gewinnstreben hier (+), da nicht<br />

zuletzt auch auf 5.000 € gerichtet (wohl auch bewusstseinsdominant)<br />

• niedriger Beweggr<strong>und</strong>: rücksichtsloses Karrierestreben (+/-)<br />

unmittelbares Ansetzen:<br />

maßgebl. Zeitpunkt bei mittelbarer Täterschaft str. (vgl. zum<br />

Problem näher Kühl, AT, 6. Aufl., 2008, § 20 Rn. 679 ff.;<br />

Wessels/Beulke, 38. Aufl., 2008, Rn. 613 ff.)<br />

• schon mit Beginn des Einwirkens auf Tatmittler<br />

• erst mit Ansetzen des Tatmittlers<br />

• mit Aus-der-Hand-Geben des Geschehensablaufs (h.M.)<br />

RW/SCH: (+)<br />

Rücktritt<br />

hier nach allen Ansicht (+)<br />

Anwendbarkeit von § 24 I oder II (vgl. Kühl, § 20 Rn. 264;<br />

Wessels/Beulke, Rn. 649)<br />

• hier auch Beteiligung von B <strong>und</strong> C im Raume stehend<br />

• nach teilweise vertretener Auffassung dennoch § 24 I, soweit<br />

an der Ausführungshandlung selbst keine weitere Beteiligung<br />

• nach a.A. § 24 II (Arg.: Gesetzestext) aber ggf. in Abbruch<br />

des Handelns Verhinderung des Erfolges zu sehen [anders<br />

als bei § 24 I]<br />

kein Fehlschlag (+), Erfolg aus Sicht der A noch möglich<br />

Rücktrittshandlung:<br />

• bei Anwendung von § 24 II jedenfalls Erfolgsverhinderung(shandlung)<br />

erforderlich; aber auch bei Anwendung von<br />

§ 24 I beendeter Versuch<br />

• hier zurechenbare Verhinderung des Erfolgseintritts<br />

Freiwilligkeit (+), „Skrupel“ schließen autonome Entscheidung<br />

nicht aus<br />

Ausschluss des Rücktritts wegen außertatbestandlicher Zielerreichung<br />

(zum Problem Wessels/Beulke, Rn. 635)?<br />

• hier eigentliches Ziel der A erreicht (keine Teilnahme der K<br />

an Konzert)<br />

S. 2<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung Strafrecht BT I WS 2010/2011


• nach Teil der Lit. bei außertatbestandlicher Zielerreichung<br />

Rücktritt ausgeschlossen, da kein honorierungswürdiger<br />

Verzicht<br />

• nach h.M. allerdings mit Blick auf Art. 103 II GG keine<br />

„strafbarkeitserhaltende“ Berücksichtigung außertatbestandlicher<br />

Ziele, zumal durch Erhaltung des Rücktrittsprivilegs<br />

Rechtsgüterschutz verbessert wird<br />

II. §§ 223, 224 I Nr. 1 Alt. 1, Nrn. 3, 4, 5, 25 I 2.Alt.<br />

TB: Körperliche Misshandlung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschädigung (+),<br />

Koma<br />

Qualifikation nach § 224 I<br />

• Nr. 1: Beibringung von Gift (+)<br />

• Nr. 3: durch „Tarnung“ im Kaffee (+)<br />

• Nr. 4: (–), trotz eventueller Teilnahme durch B <strong>und</strong> C kein<br />

gemeinschaftliches Zusammenwirken<br />

• Nr. 5: konkrete Lebensgefahr (+)<br />

Vorsatz (+)<br />

RW/SCH (+)<br />

III. §§ 226 I Nr. 2 Alt. 2, Nr. 3 Fall 3, 25 I Alt. 2<br />

TB, RW, Sch bzgl. § 223: (+)<br />

EQ: Erfolgseintritt<br />

• dauerhafte Unbrauchbarkeit eines wichtigen Gliedes (+)<br />

• wohl dadurch auch Lähmung (+)<br />

mindestens Fahrlässigkeit, § 18 (+)<br />

[kein direkter Vorsatz kein Fall des Abs. 2]<br />

gefahrspezifischer Zusammenhang (+), gerade typische Gefahr<br />

des Giftes realisiert<br />

S. 3<br />

IV. § 227 I, 22, 23, 25 I Alt. 2 StGB<br />

neben versuchtem Tötungsdelikt keine eigenständige Bedeutung,<br />

da auch insoweit Rücktritt vom Versuch des erfolgsqualifizierten<br />

Deliktes<br />

alter Streit, ob § 227 vorsätzlich begangen werden kann – heute<br />

h.M. –, kann daher dahinstehen<br />

V. § 221 I Nr. 1, 25 I Alt. 2 StGB<br />

(+/-), je nachdem, inwiefern man über Wirkung des Giftes hinausgehende<br />

zusätzliche Gefahr verlangt<br />

VI. §§ 240, 25 I Alt. 2:<br />

TB: Nötigungserfolg: Absage an Wettbewerbsteilnahme (+)<br />

Gewalt durch Verabreichen von Gift (str., da kaum körperliche<br />

Kraftentfaltung); auch bei vis absoluta (a.A. vertretbar, zumal<br />

vorher Tod beabsichtigt)<br />

ggf. entsprechender Vorsatz (+)<br />

RW: (+), insbesondere auch Verwerflichkeit<br />

SCH: (+)<br />

(+/-)<br />

VII. Konkurrenzen:<br />

§ 224 <strong>und</strong> § 226 in Idealkonkurrenz (gesteigertes Handlungsbzw.<br />

Erfolgsunrecht)<br />

ggf. auch Idealkonkurrenz zu § 240<br />

B. Strafbarkeit der B<br />

I. §§ 212, 211, 22, 23 25 II<br />

TB: mittäterschaftliche Begehung des Totschlagsversuchs?<br />

hier sowohl nach Tatherrschaft als auch nach Interesse an<br />

der Tat Teilnahme (Anstiftung), keine Täterschaft<br />

S. 4<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung Strafrecht BT I WS 2010/2011<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung Strafrecht BT I WS 2010/2011


II. §§ 212, 211, 22, 23, 25 I Alt. 2, 26<br />

S. 5<br />

IV. §§ 226 I, 25 I Alt. 2, 26<br />

S. 6<br />

TB: vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat (+)<br />

Bestimmen zur Tatausführung<br />

• hier zwar schon Plan der A, die K auszuschalten<br />

• aber kein konkreter Tötungsvorsatz ersichtlich<br />

doppelter Anstiftervorsatz<br />

• (+) hinsichtlich Tötung, auch Vorsatz bezüglich Heimtücke,<br />

da Giftattentat bekannt<br />

• hinsichtlich Bestimmens (+)<br />

Durchbrechungen der Akzessorietät im Übrigen (vgl. Kühl,<br />

§ 20 Rn. 147 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 555 ff.; vertiefend Engländer<br />

JA 2004, 410 ff.):<br />

• keine eigene Habgier<br />

• Habgier ist besonderes persönliches Merkmal nach § 28<br />

• Behandlung str.:<br />

∗ Rspr.: § 28 I (§ 211 eigenständig ggü. § 212); arg.:<br />

Stellung im Gesetz (§ 211 vor § 212)<br />

Wortlaut (§ 212: „ohne Mörder zu sein“)<br />

∗ Lit.: § 28 II; arg.:<br />

Argumente der Rspr. widerlegbar (Stellung im Gesetz<br />

wegen exponierter Bedeutung des Mordes im<br />

System der Tötungsdelikte; Formulierung in § 212<br />

als Überrest einer überw<strong>und</strong>enen „Tätertypenlehre“)<br />

plausiblere Ergebnisse; konsequenter durchzuhalten;<br />

keine drohenden Wertungswidersprüche<br />

RW/SCH (+)<br />

Rücktritt der A unerheblich, persönlicher Strafaufhebungsgr<strong>und</strong><br />

III. §§ 223, 224 I Nr. 1 Alt. 1 Nrn. 3, 5, 25 I Alt. 2, 26<br />

(+), zumindest bzgl. Ausführung mit Gift<br />

TB: Anstiftung zum Gr<strong>und</strong>delikt (+)<br />

RW/SCH (+)<br />

EQ: Eintritt der schweren Folge (+)<br />

Fahrlässigkeit hinsichtlich schwerer Folge durch Teilnahmehandlung<br />

(a.A. vertr.)<br />

gefahrspezifischer Zusammenhang (vertiefend zur Teilnahme<br />

am erfolgsqualifizierten Delikt Kudlich JA 2000, 511 ff.)<br />

Anstiftung zu § 226 II (-)<br />

V. §§ 227 I, 22, 23, 25 I Alt. 2, 26<br />

(+), tritt aber zurück<br />

VI. §§ 240 I, 25 I Alt. 2, 26<br />

VII. KK<br />

A bereits zu einer Nötigung entschlossen, B veranlasst aber<br />

konkrete Nötigung (a.A. vertretbar; Umstiftung).<br />

Klarstellende Idealkonkurrenz<br />

C. Strafbarkeit von C<br />

I. §§ 212, 211, 22, 23, 27<br />

TB: vorsätzliche rechtswidrige Haupttat (+)<br />

Gehilfenhandlung<br />

• Herausgabe der Telefonnummer unterstützt die Tat<br />

• keine generelle Privilegierung für „alltägliches Verhalten“<br />

(vgl. BGH NJW 2007, 384 m. Anm. Jahn JuS 2007, 382<br />

<strong>und</strong> Kudlich JA 2007, 309; zur Beihilfeprüfung auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage der neueren Rspr. auch zusammenfassend <strong>und</strong><br />

vertiefend Gaede JA 2007, 757 ff.)<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung Strafrecht BT I WS 2010/2011<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung Strafrecht BT I WS 2010/2011


S. 7<br />

doppelter Gehilfenvorsatz:<br />

• Vorsatz hinsichtlich des Todes der K: zumindest dolus eventualis<br />

• Vorsatz bzgl. Heimtücke fraglich (evtl. vertretbar, dass<br />

heimtückische Tötung nahe lag, aber wohl zu weit, hieraus<br />

Vorsatz abzuleiten)<br />

• Kenntnis der Habgier, aber Problem der Akzessorietätslockerung<br />

wie oben bei B<br />

RW/SCH (+)<br />

Kein Rücktritt als persönlicher Strafaufhebungsgr<strong>und</strong><br />

[Ergebnis z.B. §§ 212, 22, 23, 27]<br />

II. §§ 223, 224 I Nr. 1 Alt. 1, Nrn. 3, 5, 25 I Alt. 2, 27<br />

TB: Haupttat (+)<br />

Unterstützung (+), w.o.<br />

aber kein Vorsatz bzgl. Nrn. 1 <strong>und</strong> 3, nur bzgl. 5<br />

RW/SCH (+)<br />

III. §§ 226 I Nr. 2 Alt. 2, Nr. 3 Var. 3, 25 I Alt. 2, 27<br />

Zwar Beihilfe zum Gr<strong>und</strong>delikt, aber wohl keine Fahrlässigkeit<br />

bzgl. schwerer Folge (Lähmung), da C nichts von Tötung<br />

durch Gift wusste (a.A. vertretbar)<br />

V. §§ 227 I, 22, 23, 25 I Alt. 2, 27<br />

(+), aber tritt hinter Tötungsbeihilfe zurück<br />

VI. §§ 240 I, 25 I Alt. 2, 27 (+)<br />

VII. KK<br />

Klarstellende Idealkonkurrenz<br />

Strafbarkeit von L <strong>und</strong> Z<br />

A. Strafbarkeit des Z<br />

I. §§ 263 (, 22, 23)<br />

Fall 2 (1996/I)<br />

TB: Täuschung der W (+): Krankheit <strong>und</strong> Heiratsabsicht als gegenwärtige<br />

(innere) Tatsachen<br />

Irrtum der W (+)<br />

Vermögensverfügung: probl., da Testament grds. frei widerruflich<br />

<strong>und</strong> da noch keine gefestigte Stellung des Erben (a.A.:<br />

vertretbar: Chance des Erbanfalls)<br />

jedenfalls aber Vermögensschaden (-):<br />

• Vermögensminderung bei W selbst zu deren Lebzeiten (-),<br />

insbesondere noch keine Bindung ihrer erbrechtlichen Dispositionsfreiheit<br />

• zwar „schlechtere Vermögensstellung“ späterer Erben,<br />

gleichwohl aber kein relevanter Schaden, da Aussicht auf<br />

Erbschaft nicht zum geschützten Vermögen gehört <strong>und</strong> somit<br />

keine Verringerung eines schon einmal bestehenden<br />

Vermögens ist<br />

II. §§ 212, 211, 25 I Alt. 2, 22, 23 durch das Zureden<br />

VP: Nichtvollendung (+), W lebt noch<br />

Strafbarkeit des Versuchs (+), §§ 23 I, 12 I, 212, 211<br />

TB: Tatentschluss:<br />

• Entschluss zu Tötung in mittelbarer Täterschaft oder zu<br />

(strafloser) Teilnahme an Selbsttötung?<br />

Entscheidend ist Frage nach Selbstverantwortlichkeit des<br />

Selbsttötungsentschlusses:<br />

∗ Freiverantwortlichkeit jedenfalls (-), wenn Suizidenten<br />

Tragweite der Selbsttötung (als „endgültiges Ende der irdischen<br />

Existenz“) verborgen geblieben ist; dafür hier<br />

keine Anhaltspunkte<br />

S. 8<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung Strafrecht BT I WS 2010/2011<br />

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S. 9<br />

∗ in anderen Fällen zumindest keine Freiverantwortlichkeit,<br />

wenn sich Suizident sich in einem Zustand befindet,<br />

in dem (bei hypothetischer Fremdverletzung) seine<br />

Schuld ausgeschlossen wäre (etwa Wertung der §§ 20,<br />

35; § 3 JGG), sog. Schuldtheorie bzw. Exkulpationstheorie<br />

hier Selbstverantwortlichkeit (+); allenfalls Schuldausschluß<br />

wegen Hypochondrie vertretbar, aber insoweit<br />

kein Vorsatz des Z<br />

∗ nach Einwilligungstheorie darüber hinaus auch keine<br />

Freiverantwortlichkeit, wenn wesentlicher Willensmangel<br />

vorliegt (Wertung wie bei § 216 oder Einwilligung in<br />

Körperverletzung)<br />

danach hier Selbstverantwortlichkeit (-), da rechtsgutsbezogener<br />

Willensmangel (Dauer <strong>und</strong> Lebensqualität<br />

in existentiellem Bereich) auf Gr<strong>und</strong> einer Täuschung<br />

∗ bessere Gründe sprechen wohl für Einwilligungslösung,<br />

weil an Aufgabe des Rechtsguts Leben keine geringeren<br />

Anforderungen als an Einwilligung in Körperverletzung<br />

zu stellen sind (a.A. vertretbar)<br />

• Vorsatz hinsichtlich Mordmerkmal der Heimtücke (+)/(-)<br />

• subjektives Mordmerkmal der Habgier (+)<br />

unmittelbares Ansetzen (+)<br />

RW, SCH (+)<br />

Kein Rücktritt ersichtlich<br />

III. §§ 223, 224 I Nr. 5, 25 I Alt. 2<br />

nach Einheitstheorie verwirklicht, wenn Tötungsdelikt bejaht<br />

<strong>und</strong> Tatherrschaft hinsichtlich „Gang ins Wasser“ angenommen<br />

wird<br />

nach neuerer Rechtsprechung <strong>und</strong> h.M. in der Lit. Idealkonkurrenz<br />

bei Tötungsversuch wegen Klarstellungsfunktion<br />

(BGHSt 44, 196)<br />

IV. §§ 212, 211, 13, 22, 23 durch die Nichtrettung<br />

Anmerkung: Falls ein Tatentschluss hinsichtlich der Tötung durch<br />

Tun verneint wird, ist versuchte Tötung durch Unterlassen zu prüfen.<br />

Ansonsten ist eine kurze Erwähnung bei der Festlegung des Prüfungsgegenstandes<br />

ausreichend; dabei kann entweder die Bedeutung des Unterlassens<br />

gegenüber dem Tun nach der Schwerpunkttheorie gänzlich<br />

verneint oder das Unterlassen auf Konkurrenzebene ausgeschieden<br />

werden. Anders gewendet: eine ausführliche Prüfung wie im Folgenden<br />

ist nicht erforderlich, wenn man wie hier vorgeschagen oben der Einwilligungstheorie<br />

folgt <strong>und</strong> einen Fall der mittelbaren Tötungstäterschaft<br />

annimmt.<br />

VP Abgrenzung Tun/Unterlassen: wenn oben hinsichtlich des Redens<br />

nur straflose Teilnahme am Selbstmord angenommen<br />

wird, liegt Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit beim Unterlassen<br />

Nichtvollendung <strong>und</strong> Strafbarkeit des Versuchs (+), vgl. o.<br />

TB Tatentschluss<br />

• Vorsatz hinsichtlich Taterfolg <strong>und</strong> Unterlassen (vgl. o.) (+)<br />

• Vorsatz hinsichtlich Garantenstellung<br />

∗ aus Verlöbnis: bei Annahme einer freiverantwortlichen<br />

Selbsttötung wohl (-), da insbesondere keine Lebensgemeinschaft<br />

bestand (a.A. vertretbar)<br />

∗ aus Ingerenz wegen Beteiligung an Selbsttötung:<br />

nach h.L. (-)<br />

mit Rspr. Garantenstellung ab Verlust der Handlungsfähigkeit<br />

vertretbar (allerdings nicht wirklich<br />

konsequent, wenn oben Freiverantwortlichkeit bejaht<br />

wurde)<br />

• Vorsatz hinsichtlich Heimtücke <strong>und</strong> Habgier w.o.<br />

unmittelbares Ansetzen<br />

• bei unechtem Unterlassungsdelikt str., ob bei Verstreichenlassen<br />

der ersten oder letzten Rettungsmöglichkeit oder<br />

vermittelnde Lösung<br />

• hier aber jedenfalls nach allen Ansichten unmittelbares Ansetzen<br />

(+)<br />

S. 10<br />

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RW, SCH (+)<br />

S. 11<br />

7. § 323c<br />

S. 12<br />

V. §§ 223, 224 I Nr. 5, 13: (+), vgl. o.<br />

6. § 221 I<br />

TB: Tat nach Nr. 1<br />

• Hilflose Lage: wegen der Eigenschaft als Nichtschwimmerin<br />

<strong>und</strong> Bewusstlosigkeit kann sich W nicht ohne fremde<br />

Hilfe gegen Gefahren für Leib oder Leben schützen<br />

• Tathandlung: versetzen in diese Lage<br />

∗ durch Tun nur in mittelbarer Täterschaft konstruierbar,<br />

ähnliche Abgrenzung wie oben bei §§ 212, 22, 25 I<br />

Alt. 2<br />

möglich, wenn Eigenverantwortlichkeit abgelehnt<br />

wird<br />

∗ durch Unterlassen, (§ 13): auch bei Versetzen in hilflose<br />

Lage grds. vorstellbar, wenn Garant pflichtwidrig zulässt,<br />

dass sich sein Schützling in eine hilflose Lage begibt<br />

aber wohl (-), da jedenfalls bei Bejahung von Eigenverantwortlichkeit<br />

in diesem Zeitpunkt noch keine Garantenstellung<br />

vorliegt (a.A. vertretbar)<br />

Tat nach Nr. 2:<br />

• Hilflose Lage: im Wasser (+), w.o.<br />

• im Stich lassen (+), sofern (jedenfalls ab diesem Zeitpunkt)<br />

Garantenstellung bejaht wird (was aber bei Annahme einer<br />

Selbstverantwortung ebenfalls fraglich ist)<br />

Verhältnis von Abs. I Nr.1 <strong>und</strong> Nr.2 <strong>und</strong> Konkurrenzen:<br />

• soweit Verwirklichung beider Tatbestände angenommen<br />

würde, kommt Nr.2 keine eigenständige Bedeutung mehr<br />

zu, sofern das Imstichlassen von Anfang an beabsichtigt war<br />

(vgl. Joecks, StudKomm StGB, § 221 Rn.10; Jäger, JuS<br />

2000, 31, 34)<br />

• § 221 tritt aber hinter den Tötungsversuch zurück<br />

(a.A.vertretbar: Klarstellungsfunktion der Idealkonkurrenz)<br />

<br />

<br />

tatbestandlich (+), insbesondere Suizid auf Gr<strong>und</strong> einer Täuschung<br />

als Unglücksfall <strong>und</strong> Zumutbarkeit (+)<br />

tritt aber hinter Tötungsdelikt zurück (a.A. vertretbar; bei Ablehnung<br />

eines Tötungsdelikts § 323c [+])<br />

B. Strafbarkeit des L<br />

1.TK: Das Verhalten am Teich<br />

I. §§ 212, 211, 13, 22, 23<br />

VP Nichtvollendung <strong>und</strong> Strafbarkeit des Versuchs (+); jedenfalls<br />

Unterlassen <strong>und</strong> kein Tun<br />

TB: Tatentschluss<br />

• Vorsatz hinsichtlich Erfolg <strong>und</strong> kausalem Unterlassen (+)<br />

• Vorsatz hinsichtlich Garantenstellung:<br />

∗ als Heimleiter: grds. vertretbar, aber fraglich, ob Schutzbereich<br />

der Garantenpflicht auch dieses Verhalten außerhalb<br />

des Heimes erfaßt<br />

∗ als Betreuer, §§ 1896, 1901, 1904, 1906 BGB: im Rahmen<br />

des Aufgabenbereichs (+); hier fällt Selbstmord aus<br />

Angst vor Krankheit in Aufgabenbereich des wegen Hypochondrie<br />

bestellten Betreuers<br />

• Vorsatz hinsichtlich objektiver Mordmerkmale (-)<br />

• Habgier (+)<br />

unmittelbares Ansetzen: ebenfalls wohl nach allen Ansichten<br />

(vgl. dazu bereits oben) (+)<br />

RW, SCH: (+)<br />

Rücktritt, § 24:<br />

Fehlgeschlagener Versuch (-), da tatbestandliches Ziel noch<br />

erreicht werden konnte<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung Strafrecht BT I WS 2010/2011<br />

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eendeter/unbeendeter Versuch: z.T. str., ob Unterscheidung<br />

bei Unterlassungsdelikt notwendig ist; hier aber Erfolgsverhinderung,<br />

was als Rücktrittshandlung jedenfalls genügt<br />

Freiwilligkeit: (+), autonomes Motiv (Beweggr<strong>und</strong> muß nicht<br />

„sittlich hochstehend sein“)<br />

S. 13<br />

Problem, dass außertatbestandliches Handlungsziel (Erbschaft)<br />

nicht erreicht werden konnte<br />

• spiegelbildliches Problem zu Fällen, in denen außertatbestandliches<br />

Handlungsziel bereits erreicht wurde (z.B.<br />

„Denkzettelfälle“)<br />

nach umstrittener, aber wohl herrschender <strong>und</strong> vorzugswürdiger<br />

Ansicht dennoch Rücktritt möglich<br />

• hier überdies: nicht Rücktritt vom unbeendeten Versuch<br />

durch bloße Untätigkeit, sondern Rücktritt durch Abwendung<br />

des Erfolges steht in Rede<br />

erst Recht Rücktritt anzunehmen (a.A. bei entsprechender<br />

Begründung vertretbar)<br />

II. §§ 223, 224 I Nr. 5, 225 I Nr. 1, 13<br />

Körperverletzung (+)<br />

das Leben gefährdende Behandlung (+)<br />

dagegen wohl keine Wehrlosigkeit auf Gr<strong>und</strong> von Gebrechlichkeit<br />

(aber Bewußtlosigkeit als Krankheit vertretbar)<br />

falls oben Rücktritt vom Tötungsversuch abgelehnt wird, stehen<br />

die §§ 223, 224 I Nr.5 nach neuerer Rspr.<strong>und</strong> h.M. in der<br />

Lit. in Tateinheit zur versuchten Tötung<br />

III. §§ 221 I Nr.2, II Nr.1<br />

TB: hilflose Lage: (+), vgl. o.<br />

Obhut (+), vgl. o.<br />

Im Stich lassen durch anfängliches Zusehen beim Ertrinken:<br />

fraglich, ob bereits Vollendung vorliegt<br />

• Vollendung gegeben, sobald konkrete Gefahr eintritt<br />

S. 14<br />

• hier längeres Zusehen, bereits Bewusstlosigkeit der W<br />

Steigerung der konkreten Todesgefahr (a.A. vertretbar,<br />

aber wegen langer Zeitspanne bis zur Rettung nur schwer zu<br />

begründen)<br />

Qualifikation des Abs.II Nr.1:<br />

• „Kind oder zur Erziehung anvertraute Person“: meint nach<br />

h.M. nur Minderjährige (-)<br />

• „zur Betreuung in der Lebensführung anvertraute Person“:<br />

enthält keine Altersbegrenzung (+)<br />

Vorsatz (+)<br />

RW, SCH (+)<br />

Anmerkung: Wenn der Rücktritt vom Tötungsversuch abgelehnt<br />

wurde, tritt § 221 zurück. Wer hier die Vollendung ablehnt muss daran<br />

denken, dass zwar der Versuch des Abs.1 nicht strafbar ist, sehr wohl<br />

aber die Qualifikation des Abs. II Nr.1. Auch hier ist an Rücktritt zu<br />

denken.<br />

IV. §§ 221 I, III, 22, 23<br />

VP: jedenfalls kein Erfolgseintritt hinsichtlich qualifizierenden<br />

Todeserfolgs<br />

Strafbarkeit des Versuchs<br />

• generelle Möglichkeit des „Versuchs der Erfolgsqualifikation“<br />

anerkannt<br />

• fraglich, wenn (wie bei § 221 StGB) nur Versuch der Erfolgsqualifikation,<br />

nicht des Gr<strong>und</strong>delikts mit Strafe bedroht<br />

ist, da Erfolgsqualifikation dann nicht strafschärfend, sondern<br />

strafbegründend wirken würde<br />

• hier allerdings auch Versuch des Gr<strong>und</strong>delikts nach Abs. II<br />

als Verbrechen strafbedroht<br />

TB: Tatentschluss (+), vgl. o. sowie Vorsatz hinsichtlich Todes<br />

unmittelbares Ansetzen (+), vgl. o., Tathandlung schon ausgeführt<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung Strafrecht BT I WS 2010/2011<br />

Prof. Dr. Hans Kudlich Vorlesung Strafrecht BT I WS 2010/2011


RW, SCH (+)<br />

Rücktritt: Konsequenterweise in Fällen wie vorliegendem aber Rücktritt<br />

von Versuch der Erfolgsqualifikation zuzulassen, dessen<br />

Voraussetzungen hier wie bei §§ 212, 211, 22 vorliegen<br />

V. § 323c<br />

(+), Hilfe war nicht „rechtzeitig“ (a.A. vertretbar), § 323c tritt aber hinter<br />

§§ 223, 224 I Nr.5 zurück<br />

S. 15<br />

Fall 3 (1998/I)<br />

A. Strafbarkeit des R<br />

I. § 240 wegen des Vordrängelns<br />

TB: anderer Mensch (+)<br />

Nötigen (-), da keine Anhaltspunkte im SV<br />

Strafbarkeit des R wegen § 240 (-)<br />

II. § 185 durch die Bezeichnung als „ausgemolkene Ziege“<br />

S. 16<br />

TB: Angriff auf die Ehre der Betroffenen S durch K<strong>und</strong>gabe von<br />

Miss-, Gering- oder Nichtachtung<br />

• durch Zuschreiben negativer Qualitäten dem Betroffenen<br />

den sittlichen, personalen oder sozialen Geltungswert ganz<br />

oder teilweise absprechen<br />

• hier: durch Bezeichnung der S als „ausgemolkene Ziege“<br />

wird der personale <strong>und</strong> soziale Geltungsanspruch von S herabgewürdigt<br />

• keine bloße Unhöflichkeit oder Taktlosigkeit<br />

Vorsatz iFv dolus directus 1. Grades (+)<br />

RW/SCH (+)<br />

Strafbarkeit des R wegen § 185 (+), Strafantrag nach § 194 I 1 gestellt<br />

B. Strafbarkeit des F<br />

I. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2, Nr. 4, Nr. 5 durch die Faustschläge<br />

TB: Verletzungserfolg:<br />

• körperliche Misshandlung:<br />

∗ Definition: jede üble, unangemessene Behandlung durch<br />

die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche<br />

Unversehrtheit des Opfers nicht nur unerheblich beeinträchtigt<br />

wird<br />

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∗<br />

im konkreten Fall durch Faustschläge insbesondere in<br />

das Gesicht des A unproblematisch (+)<br />

S. 17<br />

• Ges<strong>und</strong>heitsschädigung:<br />

∗ Definition: Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen<br />

(=krankhaften) Zustandes körperlicher oder seelischer<br />

Art<br />

∗ zwar keine konkreten Angaben im SV<br />

∗ bei lebensnaher Auslegung jedoch durch mehrfache<br />

Faustschläge in das Gesicht regelmäßig Prellungen (+)<br />

Qualifikationsmerkmale nach § 224 I:<br />

• Nr. 2: gefährliches Werkzeug<br />

∗ Definition: beweglicher Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit<br />

<strong>und</strong> in der konkreten Art der Verwendung<br />

geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen<br />

∗ Faust als Körperteil kein Gegenstand, so dass gefährliches<br />

Werkzeug (-)<br />

• Nr. 4: gemeinschaftliche Begehung der Körperverletzung<br />

∗ entweder durch späteren Schlag des L oder durch Applaus<br />

<strong>und</strong> anfeuerndem Zuruf der S<br />

∗ Definition: Zusammenwirken von mindestens zwei Personen<br />

als Gegner am Tatort<br />

∗ fraglich, welche Anforderung hinsichtlich gemeinschaftlicher<br />

Tatbegehung an Beteiligungsart sowie an gemeinschaftliche<br />

Begehung selbst zu stellen sind<br />

unstreitig (+), wenn wenigstens zwei Personen am<br />

Tatort als Mittäter zusammenwirken, auch wenn<br />

nicht jeder von ihnen eigenhändig die Körperverletzung<br />

verwirklicht<br />

Gr<strong>und</strong> der Strafschärfung: erhöhte Gefährlichkeit<br />

des Angriffs durch (abstrakte) Schwächung der Abwehrbereitschaft<br />

∗ hier:<br />

zwischen F <strong>und</strong> L: kein mittäterschaftliches, einverständliches<br />

Zusammenwirken, da nacheinander <strong>und</strong><br />

völlig unabhängig voneinander auf A eingeschlagen<br />

zwischen F <strong>und</strong> S: ebenso kein mittäterschaftliches<br />

Zusammenwirken (auch keine sukzessive Mittäterschaft)<br />

∗ jedoch: Verhalten der S möglicherweise als Teilnahmehandlung<br />

zu qualifizieren<br />

nach früherer Gesetzesfassung umstritten, ob gemeinschaftliche<br />

Begehung durch Täter <strong>und</strong> Teilnehmer<br />

ausreichend<br />

nach heutiger Gesetzesformulierung „mit einem anderen<br />

Beteiligten“ gemeinschaftliche Begehung<br />

durch Täter <strong>und</strong> Teilnehmer unstreitig ausreichend,<br />

vgl. Definition des Beteiligtenbegriffs in § 28 II<br />

∗ zwar fraglich, ob Verhalten der S tatsächlich eine Teilnahmehandlung<br />

iSd §§ 26, 27<br />

∗ allerdings bereits Gemeinschaftlichkeit der Tatbegehung<br />

(-)<br />

zwar kein physisch wirkender Tatbeitrag des Beteiligten,<br />

z.B. Festhalten des Opfers, erforderlich<br />

aber einverständliches Miteinander der Beteiligten,<br />

d.h. zumindest gegenseitiges Einverständnis bei der<br />

Tat erforderlich<br />

hier: gegenseitiges Einverständnis bei der Tat nicht<br />

erkennbar<br />

ferner laut SV etwaiges Eingreifen der S in das Geschehen<br />

nicht ersichtlich<br />

daher auch keine erhöhte Gefährlichkeit der Tatbegehung<br />

• Nr. 5: eine das Leben gefährdende Behandlung<br />

∗ Definition: nach Rspr. wenn Verletzungshandlung generell<br />

(abstrakt) geeignet, das Leben des Opfers in Gefahr<br />

zu bringen (a.A. Eintritt einer konkreten Lebensgefährdung<br />

durch die Behandlung erforderlich)<br />

∗ hier nach beiden Ansichten (-)<br />

Vorsatz (+)<br />

RW/SCH (+)<br />

S. 18<br />

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S. 19<br />

Anmerkung: Der Ärger des F darüber, bei der Kartenvergabe leer ausgegangen<br />

zu sein, unterfällt keinem anerkannten Rechtfertigungsgr<strong>und</strong>.<br />

Strafbarkeit des F wegen § 223 I (+), Strafantrag nach § 230 I 2 durch<br />

Angehörige gestellt<br />

II. § 231 I durch die Faustschläge<br />

TB: Schlägerei: gegenseitige Körperverletzung von mindestens<br />

drei Personen (-)<br />

Angriff mehrerer: Zusammenwirken von mindestens zwei Personen<br />

(-), da F <strong>und</strong> L nacheinander <strong>und</strong> unabhängig voneinander<br />

gehandelt haben<br />

Strafbarkeit des F wegen § 231 I (-)<br />

C. Strafbarkeit der S<br />

I. §§ 223 I, 26 durch Applaus <strong>und</strong> anfeuerndem Zuruf<br />

TB: vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat des F (+), s.o.<br />

Bestimmen: Hervorrufen des Tatentschlusses bei F?<br />

• zum Zeitpunkt des Applauses <strong>und</strong> Zurufens F bereits fest<br />

zur Tat entschlossen, sog. omnimodo facturus (+)<br />

• hier durch Solidaritätsbek<strong>und</strong>ungen der S auch keine sog.<br />

Aufstiftung, d.h. auch kein Bestimmen zur Begehung der<br />

Körperverletzung in einer qualifizierten Form<br />

Strafbarkeit der S nach §§ 223 I, 26 (-)<br />

II. §§ 223 I, 27 durch Applaus <strong>und</strong> anfeuerndem Zuruf<br />

TB: vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat des F (+), s.o.<br />

Hilfeleisten: jeder Tatbeitrag, welcher die Haupttat ermöglicht,<br />

fördert oder erleichtert<br />

• hier: psychische Beihilfe durch Bestärkung des Tatentschlusses<br />

des F durch offene Solidarisierung mit Täter F?<br />

• Beihilfe durch Stärkung des (bereits gefassten) Tatentschlusses<br />

mögl.? Str.:<br />

∗<br />

∗<br />

∗<br />

S. 20<br />

e.A.: lehnt strafbare Beihilfe durch Stärkung des Tatentschlusses<br />

generell ab, da:<br />

Kausalität nicht feststellbar sei bzw.<br />

nur auf den Täter, nicht aber auf die Tat eingewirkt<br />

werde<br />

psychische Beihilfe nur (+), wenn omnimodo facturus<br />

vorliegt (anderenfalls Anstiftung gegeben) <strong>und</strong><br />

Gehilfe Untergang des Tatenschlusses verhindere<br />

hier: psychische Beihilfe (-), da nicht ersichtlich,<br />

dass F ohne Zurufe der S nicht weitergeschlagen<br />

hätte<br />

a.A.: psychische Beihilfe durch Stärkung des Tatentschlusses<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich möglich<br />

Stärkung des Tatentschlusses muss zu einer nachweisbaren<br />

– objektiven – Förderung der Tat führen<br />

bei bloßen Zustimmungs- <strong>und</strong> Solidarisierungsbek<strong>und</strong>ungen<br />

konkrete Umstände des Einzelfalles<br />

maßgeblich; Beeinflussung des bereits gefassten Tatentschlusses<br />

in seiner Festigkeit oder Intensität erforderlich<br />

hier: psychische Beihilfe (-), da keine Anhaltspunkte<br />

im SV, dass F wegen Beifall länger <strong>und</strong> heftiger auf<br />

A eingeschlagen oder S ihm weiteres Tatmotiv geliefert<br />

hat (a.A. vertretbar)<br />

kein Streitentscheid erforderlich, da nach beiden Ansichten<br />

(-)<br />

Strafbarkeit der S nach §§ 223 I, 27 (-) (a.A. vertretbar)<br />

D. Strafbarkeit des L<br />

I. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2, Nr. 4, Nr. 5 durch den Schlag gegen den<br />

Kopf<br />

TB: Verletzungserfolg:<br />

• körperliche Misshandlung:<br />

∗ Definition: s.o.<br />

∗ hier durch Schlag gegen Kopf (+)<br />

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S. 21<br />

• Ges<strong>und</strong>heitsschädigung:<br />

∗ Definition: s.o.<br />

∗ keine Angaben im SV inwieweit Schlag unmittelbar zu<br />

einem krankhaften Zustand geführt hat<br />

∗ aber infolge des Schlages Aufprall gegen Kante des Verkaufstresens,<br />

so dass stärkere Kopfschmerzen <strong>und</strong> Prellungen<br />

(hier sogar Schädelbruch) (+)<br />

Qualifikationsmerkmale nach § 224 I:<br />

• Nr. 2: gefährliches Werkzeug<br />

∗ Definition: vgl. oben<br />

∗ Faust bzw. Hand als Körperteil kein Gegenstand, so dass<br />

gefährliches Werkzeug (-)<br />

∗ Kante des Tresens auch nicht von L dazu eingesetzt, um<br />

A zu verletzen<br />

• Nr. 4: gemeinschaftliche Begehung der Körperverletzung<br />

∗ Definition: vgl. oben<br />

∗ hier: L <strong>und</strong> F haben unabhängig voneinander <strong>und</strong> nacheinander<br />

auf A eingewirkt, so dass gemeinschaftliche<br />

Begehung (-), vgl. auch oben<br />

• Nr. 5: eine das Leben gefährdende Behandlung<br />

∗ Definition: vgl. oben<br />

∗ hier: Schlag mit anschließendem Aufprall gegen Tischkante<br />

sogar ursächlich für Tod des A<br />

∗ daher durch Schlag bereits konkrete Lebensgefahr für A<br />

eingetreten, so dass Nr. 5 (+)<br />

Vorsatz (+)<br />

• hinsichtlich körperlicher Misshandlung Absicht (+), da laut<br />

SV gezielter Schlag<br />

• hinsichtlich Ges<strong>und</strong>heitsschädigung infolge des Aufpralls<br />

gegen Kante des Verkaufstresens zwar hinsichtlich konkreter<br />

Verletzung fraglich, aber Abweichung insoweit als typische<br />

Folge des Schlages (Kopfschmerzen, Prellungen, etwaiger<br />

Sturz mit weiteren schweren Verletzungen, etc.) wohl<br />

unbeachtlich<br />

RW/SCH (+)<br />

S. 22<br />

• hinsichtlich einer das Leben gefährdenden Behandlung<br />

problematisch<br />

∗ laut SV hatte L nicht daran gedacht, dass A sterben<br />

könnte, d.h. er war sich nicht einmal einer abstrakten Lebensgefahr<br />

bewusst<br />

∗ nach Rspr. nicht erforderlich, dass Täter sein Opfer in<br />

Lebensgefahr bringen will, sondern Verletzungsvorsatz<br />

<strong>und</strong> Erkennen derjenigen Umstände, aus denen sich die<br />

Lebensgefährlichkeit ergibt, ausreichend<br />

hier aber selbst solch eine Annahme mangels Angaben<br />

im SV zweifelhaft (a.A. vertretbar)<br />

∗ nach Lit. Auffassung der Rspr. zu weit <strong>und</strong> damit einhergehender<br />

Verzicht auf Bewusstsein der objektiven Gefährlichkeit<br />

nicht tragbar, daher Vorsatz (-)<br />

Anmerkung: Der Ärger des L darüber, bei der Kartenvergabe leer<br />

ausgegangen zu sein, ist auch hier unbeachtlich.<br />

Strafbarkeit des L wegen § 223 I (+), Strafantrag nach § 230 I 2 gestellt<br />

(a.A. vertretbar)<br />

II. § 227 I durch den Schlag gegen den Kopf<br />

TB: Gr<strong>und</strong>tatbestand § 223 I (+), vgl. oben<br />

Eintritt der besonderen Folge: Tod des A (+)<br />

zwar Kausalität zwischen Körperverletzung des A <strong>und</strong> Erfolgseintritt<br />

(+)<br />

aber tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang erforderlich:<br />

• nur solche Körperverletzungen erfasst, denen die spezifische<br />

Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen<br />

• unmittelbares Niederschlagen dieser tatbestandsspezifischen<br />

Gefahr der Körperverletzung im Tod des Opfers erforderlich<br />

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S. 23<br />

• str., ob ausreichend, dass nur Köperverletzungshandlung<br />

<strong>und</strong> nicht gewollter Körperverletzungserfolg Tod des Opfers<br />

bewirkt<br />

∗ e.A.: gefahrspezifischer unmittelbarer Zusammenhang<br />

zwischen (gewolltem) Körperverletzungserfolg <strong>und</strong> Todeseintritt<br />

erforderlich<br />

im Todeseintritt muss sich gerade die Gefahr realisieren,<br />

die von der Art <strong>und</strong> Schwere der vorsätzlich<br />

zugefügten Verletzung herrührt<br />

hier: (+), da A an den Folgen des erlittenen Schädelbruchs<br />

verstorben ist<br />

ferner Aufprall des A gegen Verkaufstresen nur unwesentliche<br />

Abweichung vom Kausalverlauf<br />

Anmerkung: Zu einem anderen Ergebnis kommt man hier dann, wenn<br />

man oben eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf angenommen<br />

hat.<br />

∗<br />

∗<br />

a.A.: unter Körperverletzung iSd § 227 ist ganzer Körperverletzungsvorgang<br />

unter Einschluss der die Verletzung<br />

bewirkenden <strong>und</strong> begleitenden Ausführungshandlung<br />

zu verstehen<br />

daher tatbestandsspezifischer Unmittelbarkeitszusammenhang<br />

zwischen Verletzungshandlung <strong>und</strong><br />

Todesfolge ausreichend<br />

hier: Realisierung der einem wuchtigen Schlag gegen<br />

den Kopf des Opfers anhaftenden Gefahr (etwaiger<br />

Sturz mit tödlichen Verletzungen) (+)<br />

hier Streitentscheid nicht erforderlich, da beide Ansichten<br />

zum gleichen Ergebnis kommen<br />

Anmerkung: Streitentscheid jedoch dann erforderlich, wenn oben wesentliche<br />

Abweichung des Kausalverlaufs angenommen wurde.<br />

mindestens Fahrlässigkeit hinsichtlich der besonderen Folge,<br />

§ 18<br />

• hier: Vorsatz (-), da L nicht daran gedacht hat, dass A sterben<br />

könnte<br />

S. 24<br />

• jedoch: Fahrlässigkeit?<br />

∗ sorgfaltswidriges Verhalten durch kräftiges Zuschlagen<br />

(+) bzw. schon durch Verwirklichung des Gr<strong>und</strong>delikts<br />

indiziert<br />

∗ objektive Vorhersehbarkeit (+), da innerhalb der allgemeinen<br />

Lebenserfahrung, dass kräftiger Schlag gegen<br />

den Kopf des Opfers zum Sturz mit schweren oder tödlichen<br />

Verletzungen führen kann<br />

RW/SCH (+)<br />

Strafbarkeit des L wegen § 227 I (+)<br />

III. § 222 durch den Schlag gegen den Kopf<br />

(+), tritt aber hinter §§ 223, 227 zurück<br />

Konkurrenzen:<br />

R: § 185<br />

F: § 223 I<br />

S: straflos<br />

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