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Parkinson-Therapeutika: Was gibt es Neues? - Gebr. Storck Verlag

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Abbildung 5: NMDA- (Glutamat-) Rezeptor-Antagonisten.<br />

gem Alkoholkonsum und Hypersexualität. Ropinirol und Pramipexol<br />

sollen den Verlauf der Neurodegeneration im Vergleich zu L-DOPA<br />

verlangsamen.<br />

Der jüngste Dopamin-Agonist ist das Rotigotin (Neupro ® , Abb. 4a),<br />

welch<strong>es</strong> als Pflaster (transdermal<strong>es</strong> therapeutisch<strong>es</strong> System) appliziert<br />

wird. Der lipophile Wirkstoff wird kontinuierlich freigeben und<br />

penetriert gut durch die Haut. Dadurch werden über 24 h sehr konstante<br />

Wirkstoffspiegel erreicht, was sich u.a. positiv auf Schlafstörungen<br />

auswirkt.<br />

Langzeiterfahrungen liegen mit di<strong>es</strong>en neuen Dopamin-Agonisten<br />

allerdings noch nicht vor.<br />

3.5. Anticholinergika / Muskarinrezeptor-Antagonisten<br />

Anticholinergika sind die ält<strong>es</strong>te Gruppe von <strong>Parkinson</strong>-<strong>Therapeutika</strong>.<br />

Ursprünglich wurden Belladonna-Extrakte oder die isolierten<br />

Tropa-Alkaloide verwendet. Inzwischen sind überwiegend partialsynthetische<br />

Derivate (z. B. Benzatropin, Congenitol ® ) und synthetische<br />

Analoge mit vereinfachter Struktur im Handel (z.B. Biperiden,<br />

Akineton ® , D<strong>es</strong>iperiden ® , Norakin ® ). Die Verbindungen müssen ZNSgängig<br />

sein, da sie über eine Blockade zentraler muskarinischer Acetylcholin-Rezeptoren<br />

wirken. D<strong>es</strong>halb werden lipophile Derivate mit<br />

tertiärer Amin-Struktur eing<strong>es</strong>etzt. Quartäre Ammonium-Derivate<br />

sind zu polar, um die Blut-Hirn-Schranke passieren zu können.<br />

Muskarinrezeptor-Antagonisten wirken hauptsächlich auf die Symptome<br />

Rigor und Tremor; die Akin<strong>es</strong>ie wird kaum beeinflusst. Aufgrund<br />

d<strong>es</strong> sehr ungünstigen Nebenwirkungsprofils ist di<strong>es</strong>e Verbindungsklasse<br />

in der <strong>Parkinson</strong>therapie inzwischen als weitgehend<br />

obsolet zu betrachten. Sie sollte allenfalls noch bei sehr jungen<br />

Patienten mit ausgeprägtem Ruhetremor und anderen Acetylcholin-<br />

Symptomen, wie Hypersalivation und Hyperhidrosis, eing<strong>es</strong>etzt werden.<br />

Als Nebenwirkungen sind Verwirrtheit und Halluzinationen (vgl.<br />

Tollkirsche) sowie periphere anticholinerge Effekte (Mundtrockenheit,<br />

Miktionsstörungen u. v. a.) zu nennen. Am gravierendsten ist<br />

allerdings die Beobachtung, dass durch Anticholinergika Demenzen<br />

verstärkt werden können. Hier ist insb<strong>es</strong>ondere bei älteren Patienten<br />

(also der Mehrzahl der Betroffenen!) Vorsicht geboten. Nicht<br />

ohne Grund werden Acetylcholin<strong>es</strong>terase-Inhibitoren, die genau den<br />

entgegeng<strong>es</strong>etzten Effekt haben, nämlich die Acetylcholin-Konzentration<br />

im ZNS zu erhöhen, als Alzheimer-<strong>Therapeutika</strong> eing<strong>es</strong>etzt.<br />

Ein großer Vorteil der Anticholinergika ist allerdings ihr geringer<br />

Preis, w<strong>es</strong>halb di<strong>es</strong>e Verbindungsklasse immer noch ein wichtige<br />

Rolle in der <strong>Parkinson</strong>-Therapie – insb<strong>es</strong>ondere in ärmeren Ländern<br />

– spielt. Da man glaubt, dass der Muskarinrezeptor-Subtyp M4 eine<br />

entscheidende Rolle bei M. <strong>Parkinson</strong> spielt, wird zur Zeit untersucht,<br />

ob selektive M4-Antagonisten ein b<strong>es</strong>ser<strong>es</strong> Wirkprofil zeigen.<br />

3.6. NMDA-Antagonisten<br />

3.6.1. Aminoadamantan-Derivate<br />

Amantadin (Adekin ® , PK-Merz ® , u. a.) wurde ursprünglich als Virustatikum<br />

entwickelt. Durch Zufall wurden seine günstigen Einflüsse<br />

auf <strong>Parkinson</strong>-Symptome beobachtet. Um die ZNS-Gängigkeit zu<br />

erhöhen, wurde das lipophilere Dimethyl-Amantadin Memantin (Akatinol<br />

® ) darg<strong>es</strong>tellt (Abb. 5). Inzwischen ist der Wirkungsmechanismus<br />

der Aminoadamantan-Derivate<br />

aufgeklärt worden: Sie sind nicht-kompetitive<br />

Antagonisten an einer Untergruppe von ionotropen<br />

Glutamat-Rezeptoren, den sogenannten<br />

NMDA-Rezeptoren. Di<strong>es</strong>e Subklasse wird selektiv<br />

durch N-Methyl-D-Aspartat (NMDA) aktiviert. Die<br />

Verbindungen finden u. a. Anwendung bei akinetischen<br />

Krisen und sollen darüber hinaus neuroprotektiv<br />

wirksam sein.<br />

3.6.2. Budipin<br />

Ein weiter<strong>es</strong> <strong>Parkinson</strong>-Therapeutikum, das<br />

NMDA-Rezeptor-antagonistisch wirkt, ist das Budipin (Parkinsan ® )<br />

(Abb. 5). Neben der Blockade der Glutamat-Rezeptoren zeigt <strong>es</strong> noch<br />

weitere Wirkungen, wie anticholinerge Aktivität und bewirkt u. a.<br />

auch eine Erhöhung der Konzentration d<strong>es</strong> Dopamins sowie einiger<br />

anderer Neurotransmitter. Der Wirkungsmechanismus di<strong>es</strong>er Effekte<br />

ist nicht genau bekannt. Die Verbindung zeigt ein komplex<strong>es</strong> pharmakologisch<strong>es</strong><br />

Profil. Wegen d<strong>es</strong> – allerdings seltenen – Auftretens<br />

lebensbedrohlicher Nebenwirkungen (Kammertachykardien vom Typ<br />

Torsade de pointe) gelten strenge Auflagen für die Anwendung von<br />

Budipin.<br />

3.7. Antioxidantien<br />

Antioxidantien sollen als Neuroprotektiva das Fortschreiten d<strong>es</strong> Zelluntergangs<br />

bei M. <strong>Parkinson</strong> verhindern. Als Antioxidans werden u.<br />

a. Melatonin und Ubichinon (Coenzym Q10) diskutiert und zur Zeit<br />

klinisch geprüft.<br />

3.8. Adenosin-A2A-Rezeptor-Antagonisten –<br />

vielversprechende neue <strong>Parkinson</strong>-<strong>Therapeutika</strong>?<br />

Epidemiologische Untersuchungen zeigen: hoher Kaffeekonsum<br />

schützt vor <strong>Parkinson</strong>. Die Naturstoffe Coffein (eine zentral-stimulierende<br />

Substanz) und Theophyllin (als Antiasthmatikum verwendet)<br />

vermitteln ihre zahlreichen pharmakologischen Wirkungen über<br />

eine Blockade von Adenosinrezeptoren. Bei den beiden Verbindungen<br />

handelt <strong>es</strong> sich um unselektive Adenosinrezeptor-Antagonisten.<br />

Theophyllin wurde bereits klinisch an <strong>Parkinson</strong>-Patienten und<br />

Patienten mit <strong>es</strong>sentiellem Tremor untersucht und erwi<strong>es</strong> sich als<br />

wirksam, b<strong>es</strong>itzt jedoch eine geringe therapeutische Breite. In verschiedenen<br />

Studien, in denen bei Versuchstieren künstlich <strong>Parkinson</strong>symptome<br />

erzeugt wurden, konnten selektive A2A-Adenosinrezeptor-Antagonisten<br />

die durch einen Dopaminmangel ausgelösten<br />

Symptome abschwächen oder sogar aufheben. Zusätzlich zeigten<br />

A2A-Antagonisten neuroprotektive Effekte. Die Verbindungen wirkten<br />

synergistisch mit Dopamin-Rezeptor-Agonisten. Zur Zeit befinden<br />

sich mehrere potente, selektive A2A-Adenosinrezeptor-Antagonisten<br />

in der klinischen Entwicklung als neue <strong>Parkinson</strong>-<strong>Therapeutika</strong>.<br />

3.9. Neurochirurgische Methoden<br />

Bei vielen Patienten wird früher oder später der Punkt erreicht, an<br />

dem die zur Verfügung stehende Pharmakotherapie nicht mehr<br />

greift. Für di<strong>es</strong>e Pharmakotherapie-refraktären Patienten im fortg<strong>es</strong>chrittenen<br />

Stadium der Erkrankung kann die Methode der Tiefenhirnstimulation<br />

hilfreich sein. Hierbei werden Elektroden als „Hirnschrittmacher“<br />

in die entsprechenden subcorticalen Regionen<br />

implantiert, über die dann eine elektrische Neurostimulation erfolgen<br />

kann. Ein Problem sind die hohen Kosten, die mit einer solchen<br />

Operation verbunden sind.<br />

3.10. Stammzellen<br />

Zur Zeit werden große Hoffnungen in embryonale oder adulte<br />

Stammzellen g<strong>es</strong>etzt, die sich zu dopaminergem neuronalem Gewebe<br />

differenzieren lassen könnten. Auch wenn erste Versuche erfolgversprechend<br />

verlaufen sind, wird <strong>es</strong> noch viele Jahre dauern, bis<br />

di<strong>es</strong>e neuen Therapien zur Anwendungsreife entwickelt werden können.<br />

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