Parkinson-Therapeutika: Was gibt es Neues? - Gebr. Storck Verlag
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PHARMAZEUTISCHE WISSENSCHAFT<br />
hingegen keine ZNS-stimulatorischen Metaboliten. Beide Verbindungen<br />
zeigen im Tierversuch neuroprotektive Effekte und könnten<br />
daher den Verlauf der Erkrankung verlangsamen.<br />
3.3. Catechol-O-Methyltransferase- (COMT-) Inhibitoren<br />
Ein weiterer Metabolisierungsweg d<strong>es</strong> Dopamins und anderer Catecholamine,<br />
auch d<strong>es</strong> L-DOPAs, stellt die Übertragung einer Methylgruppe<br />
auf die phenolische OH-Gruppe in meta-Position dar (Abb.<br />
1). Eine Therapie mit L-DOPA führt zu einer erhöhten Expr<strong>es</strong>sion d<strong>es</strong><br />
Enzyms Catechol-O-Methyltransferase (COMT). Dadurch werden L-<br />
DOPA und Dopamin schneller abgebaut. Zusätzlich führt eine Hemmung<br />
der DOPA-Decarboxylase zu einer Aktivierung d<strong>es</strong> COMT-Wegs.<br />
Inhibitoren d<strong>es</strong> Enzyms COMT verhindern die Methylierung von L-<br />
DOPA und Dopamin und erhöhen dadurch die Bioverfügbarkeit von<br />
L-DOPA. Es handelt sich um m-Nitro-substituierte Catechol-Derivate<br />
(Abb. 3). Aufgrund d<strong>es</strong> elektronenziehenden Effekts der Nitrogruppe<br />
ist die Acidität der benachbarten phenolischen OH-Gruppe stark<br />
erhöht: Der pKa-Wert liegt bei 4,5; daraus er<strong>gibt</strong> sich, dass unter<br />
physiologischen Bedingungen (pH 7,4) das Phenolat-Anion vorliegt,<br />
welch<strong>es</strong> eine b<strong>es</strong>onders hohe Affinität zur COMT aufweist. In der<br />
Regel werden COMT-Inhibitoren in Kombination mit L-DOPA und<br />
DOPA-Decarboxylase-Hemmern gegeben.<br />
Tolcapon (Tasmar ® ) wurde 1997 in Deutschland als erster COMT-<br />
Hemmer zugelassen. Das Auftreten schwerwiegender Leberschädigungen,<br />
die in mind<strong>es</strong>tens drei Fällen tödlich verliefen und die mit<br />
Tolcapon in Verbindung gebracht werden, veranlasste den Hersteller<br />
Ende 1998 dazu, Tolcapon in Deutschland und anderen europäischen<br />
Ländern vom Markt zu nehmen. In einigen Ländern ist Tolcapon<br />
weiterhin – unter strengen Auflagen – im Handel. Tolcapon ist<br />
sowohl peripher als auch zentral wirksam.<br />
Der jüngere Vertreter der COMT-Inhibitoren, Entacapon (Comt<strong>es</strong>s ® ),<br />
b<strong>es</strong>itzt eine kurze Halbwertszeit und ist im Gegensatz zu Tolcapon<br />
nur peripher wirksam, da <strong>es</strong> aufgrund höherer Polarität (siehe Struktur,<br />
Abb. 3) nicht in das ZNS penetrieren kann. Therapeutisch verwendet<br />
wird das E-konfigurierte Isomer. Da auch unter einer Therapie<br />
mit Entacapon, das wie Tolcapon ein Nitrocatechol-Derivat ist,<br />
Leberschädigungen nicht ausg<strong>es</strong>chlossen sind, müssen die Leberfunktionen<br />
regelmäßig kontrolliert werden. Eine Orangefärbung d<strong>es</strong><br />
Urins nach Einnahme von Entacapon ist als harmlos einzustufen.<br />
Eine f<strong>es</strong>te Dreifachkombination aus Levodopa, Carbidopa und Entacapon<br />
wird unter dem Handelsnamen Stalevo ® in den Handel<br />
gebracht.<br />
3.4. Dopamin-Rezeptor-Agonisten<br />
Neben dem physiologischen Dopaminrezeptor-Agonisten, Dopamin,<br />
<strong>gibt</strong> <strong>es</strong> eine Reihe von nicht-physiologischen Verbindungen, die<br />
ebenfalls Dopaminrezeptoren aktivieren können (Abb. 4b).<br />
3.4.1. Apomorphin – ein neuer „alter“ Arzneistoff für M. <strong>Parkinson</strong><br />
Apomorphin (Abb.4; APO-go ® Amp. Inj. Lösung/ -Pen; Ixense ® , Uprima<br />
® Sublinualtabletten) ist ein unselektiver Dopamin-Agonist und<br />
wirkt sowohl an Dopamin D1- als auch an D2- und D3-Rezeptoren.<br />
Daher kommt <strong>es</strong> dem Wirkprofil d<strong>es</strong> Dopamins sehr nahe. Den Pharmazeuten<br />
ist die Verbindung von der Apomorphin-Umlagerung her<br />
bekannt. Da <strong>es</strong> eine starke Übelkeit und Erbrechen auslöst, wurden<br />
klinische Studien zum Einsatz bei M. <strong>Parkinson</strong> in den 50er Jahren<br />
abgebrochen. Die Hauptindikationen für Apomorphin waren bisher<br />
die Verwendung als Emetikum sowie die lokale Behandlung einer<br />
erektilen Dysfunktion. Nach neueren umfangreichen klinischen Studien<br />
wurde Apomorphin-HCl als Injektionslösung zur subcutanen<br />
Applikation für M. <strong>Parkinson</strong> zugelassen (USA, 2004). Die Wirkung<br />
tritt innerhalb von 4–8 min ein und hält 45-60 min lang an. Wiederholte<br />
Applikationen sind möglich, und <strong>es</strong> kann auch eine konstante<br />
Infusion mit einer tragbaren Pumpe erfolgen. Apomorphin ist<br />
einer der wirksamsten Arzneistoffe gegen M. <strong>Parkinson</strong> überhaupt,<br />
<strong>es</strong> ist stärker wirksam als L-DOPA und, basierend auf Tierversuchen,<br />
wird eine neuroprotektive Wirkung postuliert. Der Arzneistoff wird<br />
v.a. zur R<strong>es</strong>cue-Therapie bei akinetischen Krisen („Freeze-Symptom“)<br />
eing<strong>es</strong>etzt. Gleichzeitig wird die Gabe von Domperidon (Motilium<br />
® , Domidon ® ...) als Antiemetikum empfohlen. Hingegen ist die<br />
gleichzeitige Gabe von 5-HT3-Antagonisten (wie Odansetron ® ) oder<br />
Metoclopramid kontraindiziert.<br />
3.4.2. Mutterkornalkaloid-Derivate<br />
Die größte Gruppe von Dopamin-Agonisten stellen die Mutterkornalkaloide<br />
bzw. partialsynthetisch abgewandelte Derivate der Naturstoffe<br />
dar (Abb. 4b). Sie unterscheiden sich v.a. in der Halbwertszeit.<br />
Lisurid (Dopergin ® ) und Bromocriptin (Pravidel ® , Kirim ® ) sind<br />
kurz wirksam, α-Dihydroergocryptin (Almirid ® , Cripar ® ) b<strong>es</strong>itzt eine<br />
mittlere Wirkungsdauer, während Cabergolin (CABASERIL ® ) eine<br />
b<strong>es</strong>onders lange Halbwertszeit aufweist. Di<strong>es</strong> kann von Vorteil zum<br />
einen bezüglich der Patienten-Compliance sein, da der Arzneistoff<br />
nur einmal täglich eingenommen werden muss, und zum anderen,<br />
da <strong>es</strong> zu konstanteren Wirkstoffspiegeln führt. Ein groß<strong>es</strong> Problem<br />
der Mutterkornalkaloid-Derivate ist ihre geringe Selektivität für<br />
D2/D3-Rezeptoren, die die primären Zielstrukturen der dopaminergen<br />
<strong>Parkinson</strong>therapie darstellen. Neben den anderen Dopamin-<br />
Rezeptor-Subtypen werden u. a. auch (Nor)adrenalin- und Serotonin-<br />
Rezeptoren aktiviert oder blockiert. Die Adrenalin- und die Serotonin-Struktur<br />
sind als Partialstruktur im Ergolin-Grundgerüst zu<br />
erkennen (Abb. 4b). Aufgrund der vielfältigen, nicht-selektiven Wirkungen<br />
der Mutterkornalkaloide werden sie auch als „Dirty Drugs“<br />
bezeichnet.<br />
3.4.3. Neue, selektivere Dopamin-Agonisten<br />
Inzwischen wurden synthetische Dopamin-Agonisten mit hoher<br />
Selektivität für D2/D3-Rezeptoren entwickelt und als neue <strong>Parkinson</strong>-<br />
<strong>Therapeutika</strong> eingeführt (Abb. 4b): Ropinirol (Requip ® ) und Pramipexol<br />
(Sifrol ® ) Durch die erhöhte Selektivität treten im Vergleich zu<br />
den Mutterkornalkaloid-Derivaten weniger periphere Nebenwirkungen<br />
auf. Wichtige unerwünschte Wirkungen sind – wie bei allen<br />
Dopamin-Agonisten – Tag<strong>es</strong>müdigkeit und das Auftreten von Schlafattacken,<br />
die insb<strong>es</strong>ondere bei der Teilnahme am Straßenverkehr<br />
problematisch sein können. Als seltene Nebenwirkungen, vor allem<br />
bei Pramipexol, wurde über Fälle von g<strong>es</strong>teigertem Suchtverhalten<br />
berichtet, wie plötzlich auftretende Spielsucht, Esssucht, übermäßi-<br />
10<br />
Abbildung 3: Die Catechol-O-Methyltransferase- (COMT-) Inhibitoren<br />
Tolcapon und Entacapon.<br />
Abbildung 4a: Dopaminrezeptor-Agonisten; Dopamin-Partialstrukturen<br />
sind rot markiert.