Matrix3000 The Presidents Club - Amerikas exklusivste Bruderschaft (Ausgabe 80) (Vorschau)
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M R<br />
ATRIX3000<br />
XMATRIX<br />
NEUES DENKEN<br />
X3000<br />
W I S S E N S C H A F T / P O L I T I K / K U L T U R<br />
Österreich / 7,20 EUR<br />
Schweiz / 12,<strong>80</strong> SFR<br />
Luxemburg / 7,60 EUR Italien / 8,50 EUR<br />
3000<br />
B a n d 8 0 M ä r z 2 0 1 4 /<br />
A p r i l 2 0 1 4 / 6 , 5 0 E U R<br />
Welt ohne<br />
Null<br />
Artgerechte<br />
Partnerhaltung<br />
<strong>The</strong><br />
Placebos und<br />
Nocebos<br />
Geschichte<br />
der Juwelen<br />
<strong>Presidents</strong><br />
<strong>Club</strong><br />
<strong>Amerikas</strong> <strong>exklusivste</strong> <strong>Bruderschaft</strong><br />
Archäologie fälscht<br />
Geschichte<br />
Mysteriöse Ereignisse<br />
auf dem Mars
Besuchen Sie unseren<br />
Onlineshop<br />
www.michaelsverlag.de<br />
Thomas Valone<br />
Unipolarhandbuch<br />
€ 29,90 (D) € 30,70 (A)<br />
ISBN: 978-3-89539-295-5<br />
Fragen zur Energieversorgung sind brennender denn je, und wirkliche Lösungsansätze<br />
hören dabei nicht bei Alternativen Energien auf. Wesentlich weitreichendere<br />
Antworten kommen dazu aus dem Bereich der Antigravitation und<br />
Freien Energie. Der US-amerikanische Wissenschaftler Thomas Valone - einer<br />
der führenden Forscher auf diesem Gebiet - stellt mit dem vorliegenden Buch<br />
seine revolutionären Forschungsergebnisse vor. Maschinen mit mehr als 100%<br />
Wirkungsgrad sind keine Utopie. Valone stellt dies - wissenschaftlich fundiert -<br />
im Detail auch für den Laien verständlich dar. Freie Energie – Nullpunktenergie<br />
– Antigravitation – Skalarwellen und ihre Möglichkeiten, aber auch "HAARP" und<br />
das "HAARP Projekt" sind Begriffe, die mit Nikola Tesla verbunden werden. Der<br />
Michaels Verlag hat neben den Original Schriften von Nikola Tesla einige Grundlagenwerke<br />
zu diesem <strong>The</strong>ma veröffentlicht. Das vorliegende Buch gehört dazu.<br />
Umgangssprachlich redet man statt Unipolar auch von Homopolar.<br />
David Hatcher-Childress<br />
Das Buch der Antigravitation<br />
€ 19,50 (D) € 20,00 (A)<br />
ISBN: 978-3-89539-267-2<br />
Antigravitation? Ist die vereinte Kraftfeldenergie die Antwort auf alle<br />
Energieprobleme? In dieser wohl einzigartigen Zusammenstellung<br />
wird erforscht wie Gravitation, Elektrizität und Magnetismus den<br />
Menschen beeinfl ussen. Weitere <strong>The</strong>men: Ist künstliche Gravitation<br />
möglich? Welche enormen Energien können wir dadurch nutzbar<br />
machen? Der "Anti-Masse-Generator", die Geheimnisse des Ufoantriebs,<br />
Freie Energie, Nicola Tesla und die Antikraft-Flugkörper der<br />
20er und 30er Jahre. Texte, Ideen und <strong>The</strong>orien von Albert Einstein.<br />
Nicola Tesla und T. Townsend werden leicht verständlich dargestellt.<br />
David Hatcher-Childress<br />
Handbuch der Freien Energie<br />
€ 39,90 (D) € 41,00 (A)<br />
ISBN: 978-3-89539-291-7<br />
Ein Kompendium von Patenten und Informationen In diesem bisher<br />
wohl einmaligen Werk fi ndet der Leser eine Fülle von Informationen<br />
und Patenten zu den <strong>The</strong>men: Freie Energie, Magnetmotoren, der<br />
Adams Motor, der Hans-Coler-Generator, Kalte Fusion, die Superconductors,<br />
N-Maschinen, Kosmische-Energie-Generatoren, Nikola<br />
Tesla, T. Townsend Brown, der Bendi-Motor und und und... Das<br />
Kompendium enthällt viele Fotos, technische Diagramme, Patente<br />
und eine Vielzahl von faszinierenden Informationen. Freie Energie –<br />
Nullpunktenergie – Antigravitation – Skalarwellen und ihre Möglichkeiten<br />
aber auch HAARP und das HAARP Projekt sind Begriffe, die mit<br />
Nikola Tesla verbunden werden.<br />
T. E. Bearden<br />
Skalartechnologie<br />
€ 34,90 (D) € 35,90 (A)<br />
ISBN: 978-3-89539-250-4<br />
Mit dem Wissen von T.E.Bearden zum <strong>The</strong>ma Skalartechnologie wird<br />
es in aller Deutlichkeit verständlich, dass die von Strahlenwaffen erzeugten<br />
Schwingungen verheerende Auswirkungen haben können. Die von<br />
Strahlenwaffen ausgehenden Skalarwellen können zum Beispiel Menschen<br />
lähmen - von kleineren Lähmungserscheinungen bis zu umfangreicheren<br />
Lähmungen - oder auch Adern und Gefäße zerstören, indem<br />
sie durch die Skalartechnologie zum Platzen gebracht werden können.<br />
Beardens Forschungen zeigen auf, dass auch Konzentrationschwächen<br />
herbeigeführt werden können. Es mutet schier unglaublich an,<br />
aber mit dieser Technologie können Menschen wie ein Steak in der Mikrowelle<br />
erhitzt werden, oder es können jedem lebenden Organismus<br />
jegliche Wärme entzogen werden. All dies ist längst Realität geworden.<br />
Bearden nennt in seiner Veröffentlichung erschütternde Fakten<br />
Bestelltelefon: 08861 - 5 90 18, E-mail: Info@michaelsverlag.de<br />
MICHAELS VERLAG & VERTRIEB GMBH, Ammergauer Strasse <strong>80</strong>, D-86971 Peiting, Fax: 08861 - 6 70 91
Editorial<br />
Franz Bludorf, Chefredakteur<br />
„Ein rundes Jubiläum ist ein Datum, an dem eine Null für<br />
eine Null von mehreren Nullen geehrt wird“, sagte Sir Peter<br />
Ustinov einmal. Und der musste es ja wissen. Zumindest<br />
der berühmte Detektiv Hercule Poirot, den er so meisterhaft<br />
im Film verkörperte, wusste seine „kleinen grauen<br />
Zellen“ zu nutzen.<br />
Null – mathematisches Symbol für das Nichts, Synonym für<br />
inkompetente Leute, für etwas nicht Vorhandenes oder Entbehrliches.<br />
Und doch wäre eine Welt ohne Null nicht mehr<br />
die, die wir kennen. In dieser <strong>Matrix3000</strong> präsentieren wir<br />
Ihnen ein wenig „Mathematik zum Anfassen“, vor der Sie<br />
garantiert keine Berührungsängste zu haben brauchen.<br />
Kritisch wird es, wenn „Nullen“ die Wissenschaft bevölkern.<br />
In Ermangelung echter wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />
erliegen sie zuweilen der Versuchung, sich ihre Forschungsergebnisse<br />
selbst auszudenken. Manchmal dauert<br />
es sehr lange, bis man ihnen auf die Schliche kommt, und<br />
so erzählen unsere Geschichtsbücher z. B. seit über hundert<br />
Jahren von einer antiken Kultur – den Minoern –, die<br />
es vermutlich nie gegeben hat.<br />
Wir erleben Realität nicht so, wie sie ist, sondern so, wie<br />
wir glauben, dass sie sein sollte. Niemand weiß darüber<br />
besser Bescheid als die Mediziner. Ein unbedachtes Wort<br />
in der Presse kann die Wirkung eines Medikaments zunichtemachen,<br />
es reicht aus, dass wir glauben, dass es nicht<br />
wirkt. Und umgekehrt kann der Glaube heilsamer sein als<br />
alle pharmazeutisch wirksamen Bestandteile zusammen.<br />
Auf diese Weise kann auch ein Medikament, das „nichts“<br />
enthält, viel bewirken. Oft tun wir das ab als „Einbildung“.<br />
Wie könnte schließlich „nichts“ eine Wirkung hervorbringen?<br />
Diese Frage ist im Grunde überholt, denn wie können<br />
unser Bewusstsein, die Kräfte unseres Geistes, „nichts“<br />
sein?<br />
In einer Welt, in der nach neuesten Erkenntnissen schwarze<br />
Löcher nicht schwarz sind und selbst das „Vakuum“<br />
nutzbare Energien enthält, müssen wir unsere Vorstellung<br />
vom Nichts überdenken. Das „Nichts“ entpuppt sich oft lediglich<br />
als ein Synonym für etwas, das wir noch nicht kennen<br />
oder noch nicht verstehen – oder das wir nicht erfahren<br />
sollen. Wenn wir also in der Presse lesen, bei einer politischen<br />
Konferenz sei „nichts herausgekommen“, dann ist<br />
dort mit Sicherheit etwas abgelaufen, nur man redet nicht<br />
darüber. Selbst die mathematische Null, das einzige wirkliche<br />
Nichts, bewirkt in unserer Welt immens viel.<br />
Sagen Sie also nicht, ich würde hier eine ganze Seite lang<br />
viele Worte um „nichts“ machen. Selbst wenn wir uns in<br />
dieser <strong>Matrix3000</strong> über unterschiedliche Aspekte des<br />
Nichts Gedanken machen, können Sie daraus eine ganze<br />
Menge Interessantes erfahren.<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 3
Inhalt<br />
Das Auge der Zeit<br />
48<br />
Wenn wir an unsere Wurzeln denken, dann meinen wir nur selten die unzählbaren<br />
Schätze, die aus Gold, Silber und anderen Metallen vor Tausenden von Jahren entstanden<br />
und oft mit den schönsten Edelsteinen geschmückt sind. Von der goldenen Fibel<br />
der Etrusker über Cellinis Salzstreuer bis hin zu Salvador Dalis „Auge der Zeit“: <strong>Matrix3000</strong><br />
auf Streifzug durch die Welt der kostbarsten Kleinodien und der seltsamsten<br />
Kunstwerke der Geschichte.<br />
Regie-Tänzer im Dunkeln<br />
Ekelszenen in „Der Antichrist“, (nicht ernst gemeintes) Verständnis<br />
für Hitler im Interview oder jetzt harte Pornografie in<br />
„Nymphomaniac“: Der Däne Lars von Trier lässt keine Gelegenheit<br />
aus, um zu provozieren und zu verstören. Dabei gehört der<br />
bekennende Depressive zu den europäischen Regisseuren, denen<br />
man filmhistorische Größe nicht absprechen kann. Symbolbeladene<br />
Drehbücher mit literarischem Anspruch („Dogville“),<br />
ein experimenteller Umgang mit filmischen Mitteln („Idioten“)<br />
und ein bis an die Schmerzgrenze ausagiertes Mitgefühl mit<br />
den Außenseitern der Gesellschaft („Dancer in the Dark“) machen<br />
von Trier zu einem der spannendsten Filmemacher unserer<br />
Zeit. Ein Porträt zum Start des neuen Films.<br />
54<br />
Placebos und Nocebos<br />
Zahlreiche Studien beweisen<br />
eindrucksvoll: Ob und wie ein<br />
Medikament wirkt, hängt weniger<br />
von seiner chemischen<br />
Zusammensetzung ab, als<br />
vielmehr davon, was der Patient<br />
über die Wirkung erfährt<br />
(und glaubt). Selbst schädliche<br />
Nebenwirkungen können<br />
durch einen umgekehrten<br />
Placebo-Effekt („Nocebo-Effekt“)<br />
hervorgerufen werden.<br />
Lange Zeit hatte die Medizin<br />
die suggestive Wirkung<br />
des Wortes unterschätzt.<br />
Inzwischen weiß man: Gute<br />
Nachrichten können heilen,<br />
schlechte im Extremfall sogar<br />
töten!<br />
40<br />
Inhalt<br />
Politik<br />
George Peters<br />
<strong>The</strong> <strong>Presidents</strong> <strong>Club</strong><br />
<strong>Amerikas</strong> <strong>exklusivste</strong> <strong>Bruderschaft</strong> 8<br />
News 14<br />
Franz Bludorf<br />
Das Schweigen der Kinder<br />
Chinas Familienpolitik 18<br />
Wissen<br />
Franz Bludorf<br />
Welt ohne Null<br />
Unendlichkeit, Ewigkeit und<br />
die Welt dazwischen 20<br />
Grazyna Fosar<br />
Wer schmeißt Steine<br />
auf dem Mars? 26<br />
Quantessenz 28<br />
Erdogan Ercivan<br />
Archäologie fälscht Geschichte<br />
Das erfundene Reich der Minoer 30<br />
Ökologie<br />
Corinna Lichtfelder-Schlegel<br />
Der Garten auf<br />
dem Wolkenkratzer 36<br />
Gesundheit<br />
Birgit Frohn<br />
Das Wissen vom guten Leben<br />
Ayurveda – altbewährt und auch<br />
bei uns geschätzt 38<br />
Ralf Lehnert<br />
Placebos und Nocebos<br />
Gesundheitliche Wirkungen positiver<br />
und negativer Nachrichten 40<br />
Tobias Hauser<br />
Bowen-<strong>The</strong>rapie<br />
An der Schnittstelle von Körper<br />
und Bewusstsein 44<br />
4<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
30<br />
Archäologie fälscht Geschichte<br />
Inhalt<br />
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es zu einer gewaltigen Menge archäologischer Entdeckungen,<br />
die bis heute unsere Museen mit prachtvollen Exponaten schmücken. Aber es gab auch<br />
Forscher, die „ein wenig nachhalfen“, indem sie zum Besten ihres eigenen Ruhms antike Artefakte<br />
ganz einfach fälschen ließen. Als besonders dreist erwies sich der britische Archäologe Arthur<br />
Evans, der vom König für sein Lebenswerk sogar zum Ritter geschlagen wurde. Neueste Forschungsergebnisse<br />
beweisen: Arthur Evans hat in großem Stil Fälschungen anfertigen lassen und<br />
auf diese Weise eine ganze Kulturepoche erfunden, die es so nie gegeben hat – das Reich der Minoer.<br />
Durch die aktuellen Erkenntnisse müssen unsere Geschichtsbücher umgeschrieben werden.<br />
Stellen Sie sich vor, Sie wachen eines Tages morgens auf, und kein<br />
Mensch weiß, was eine Null ist. Sie leben in einer Welt ohne Null. Wie<br />
würden Sie eine Zeitdauer von „30 Minuten“ einem anderen erklären?<br />
Was würde auf Ihrem 50-Euro-Schein stehen? In welcher Form könnten<br />
Sie Ihre Stromrechnung bezahlen? Wie würde die Börse funktionieren,<br />
und wie viele Liter Benzin dürften Sie tanken? Das alles natürlich<br />
ohne Null! Eine Mathematik ohne Null ist vorstellbar, und es<br />
gab sie im Verlauf der Geschichte auch schon. Doch, obwohl die Null<br />
eigentlich „Nichts“ bedeutet, wäre unsere moderne Welt ohne Null<br />
nicht die Welt, die wir kennen. Ohne das runde Nichts müssten wir auf<br />
vieles verzichten – nicht zuletzt auf die bunte Welt der Computer und<br />
Unterhaltungselektronik.<br />
20<br />
Welt ohne Null<br />
<strong>The</strong> <strong>Presidents</strong><br />
<strong>Club</strong> 8<br />
Fünf Minuten vom Weißen Haus entfernt befindet sich<br />
ein Gebäude, zu dem zur Zeit nur fünf Bewohner unseres<br />
Planeten Zutritt haben: Der Präsident und seine vier<br />
noch lebenden Vorgänger. Der Präsidentenclub wurde<br />
auf der Treppe des Capitol gegründet und macht „keine<br />
nicht gelungenen Invasionen“. Die US-Präsidenten bilden<br />
ein Team, über alle Parteigrenzen hinweg. In Washington<br />
geht es denen am besten, die Vermittler sind zwischen<br />
denen, die haben, und denen, die können. Die Stadt bildet<br />
ein geschlossenes System aus Lobbyisten und denen, die<br />
von ihnen beeinflusst werden. Für Politik bleibt darüber<br />
hinaus nicht viel Platz.<br />
Wurzeln<br />
Grazyna Fosar<br />
Das Auge der Zeit<br />
Unsere Geschichte in Gold,<br />
Silber und Edelsteinen 48<br />
Kultur<br />
Roland Rottenfußer<br />
Regie-Tänzer im Dunkeln<br />
Lars von Trier – der Provokateur 54<br />
Spiritualität<br />
Yoga verstehen<br />
Die vier Wege zur Einheit 58<br />
Rubriken<br />
Editorial 3<br />
Bedenkliches 6<br />
Gedicht 7<br />
Buchempfehlungen 25<br />
Abo 35<br />
Buchbesprechungen 64<br />
Märchen 65<br />
<strong>Vorschau</strong> 66<br />
Impressum 66<br />
Andreas Winter<br />
Artgerechte Partnerhaltung<br />
Analysieren Sie das „fremde Tier“<br />
in Ihrem Bett 62<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 5
Bedenkliches<br />
Ich denke, die Franzosen sind zu<br />
beneiden. Die ganze Welt sorgt<br />
sich um Finanzen, Wirtschaft, Klima,<br />
den Weltfrieden und vieles andere.<br />
Klar, die Franzosen kennen alle<br />
diese Probleme auch. Aber – nicht<br />
dass es jemand interessiert. Die<br />
wichtigste Frage, die in Frankreich in<br />
letzter Zeit diskutiert wurde: Wer ist<br />
eigentlich die First Lady im Lande?<br />
Wie die meisten Staaten haben<br />
auch die Franzosen einen Präsidenten.<br />
Einen, der optisch eigentlich<br />
eher mit der Aura eines Finanzbeamten<br />
herüberkommt. Nicht gerade<br />
der „Sexiest man alive“ mit dem<br />
gewissen Quelque-chose, und doch<br />
irgendwie anders. François Hollande<br />
fährt Motorroller anstatt mit standesgemäßer<br />
Limousine. Er schert sich<br />
nicht um den allgemeinen Vollkorn-<br />
Ernährungs-Hype, weder um Knäkkebrot<br />
noch um Müsli und Sonnenblumenkerne,<br />
sondern futtert zum Frühstück ungeniert<br />
seine Croissants – und das seit Neuestem mit aktualisierter<br />
„First Freundin“ Julie. „Toujours l’amour“ haben die<br />
Franzosen schon immer etwas freizügiger gehandhabt. Ihr<br />
öffentliches Leben ist stark mit Erotik gepfeffert. La vie en<br />
rose.<br />
Eigentlich hätte Hollande ja eine richtige First Lady,<br />
aber die hatte er bereits abserviert, als er noch nicht Präsident<br />
war. Schließlich war ihr nicht gelungen, womit er<br />
später Erfolg hatte – das Präsidentenamt zu erringen.<br />
Französische Präsidenten hatten meist neben der Ehefrau<br />
noch eine oder mehrere Nebenfreundinnen. Dass<br />
eine von ihnen, Valérie Trierweiler, als First Freundin im<br />
Élysée-Palast reüssieren durfte, war neu. Und ist jetzt problematisch,<br />
da sie den Laufpass erhielt. Hektisch versucht<br />
Hollandes Stab, die Ex-Geliebte aus der Geschichte tilgen<br />
zu lassen. Das Internet wird bereits von allen Hinweisen<br />
gesäubert, dass sie je existiert hat. Erfolgreich wird das<br />
nicht sein. Die alten Pharaonen hatten es einfacher. Sie<br />
Beneidenswerte<br />
Franzosen<br />
brauchten nur ein paar Hieroglyphen<br />
ihres Vorgängers aus den Säulen<br />
wegmeißeln zu lassen.<br />
Im Élysée-Palast bemühte sich<br />
Valérie Trierweiler im Gegenzug,<br />
Spuren ihrer Anwesenheit zu hinterlassen.<br />
Vor ihrem Outsourcing<br />
zerdepperte sie fast alle wertvollen<br />
Vasen aus der Sèvres-Manufaktur,<br />
dazu das silberne Boudoir und weitere<br />
Kostbarkeiten aus dem Umkreis<br />
des präsidialen Büros. Die Schäden –<br />
geschätzte drei Millionen Euro – wird<br />
schon irgendjemand bezahlen.<br />
Den Franzosen gefällt’s. Ungeachtet<br />
seiner mehr als umstrittenen<br />
Politik auf fast allen<br />
Franz Bludorf<br />
Ebenen schießen François Hollandes<br />
Popularitätswerte in schwindelerregende<br />
Höhen. Was für Langweiler sind<br />
vergleichsweise die Deutschen. Unser<br />
Präsident lebt zwar auch getrennt,<br />
und obwohl ehemaliger Pfarrer, zeigt er sich öffentlich<br />
mit „First Freundin“. Aber was machen die zwei aus so viel<br />
Regenbogen-Potential, außer sittsam bei Staatsbesuchen<br />
die Honneurs zu machen? Und die Kanzlerin profiliert sich<br />
derzeit hauptsächlich als „erste Abgehörte des Staates“–<br />
und isst am liebsten Soljanka, so heißt es. Ein deutscher<br />
Minister musste schon mal zurücktreten, weil er mit einer<br />
Gräfin im Swimmingpool herumplantschte, und Sex mit<br />
einer Praktikantin brachte einen US-Präsidenten an den<br />
Rand der Amtsenthebung. Bei uns sind Politiker weniger<br />
Menschen mit Stärken und Schwächen – genau das erwartet<br />
man von ihnen. Stattdessen sind sie sterile Amtsträger<br />
ohne erkennbare Konturen. Kunstprodukte der Medien,<br />
die den Niederungen des einfachen Volkes längst entwachsen<br />
sind.<br />
Wenn die Franzosen also keine größeren Sorgen haben<br />
als das Liebesleben ihres ersten Mannes, dann sind sie<br />
wirklich zu beneiden, und das nicht nur, weil sie so gute<br />
Konfitüren haben.<br />
6<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Gedicht<br />
EIN TRAUM IM TRAUME<br />
Auf die Stirn nimm diesen Kuß!<br />
Und da ich nun scheiden muß,<br />
Laß mich dir gestehn zum Schluß:<br />
Die ihr wähntet, daß ein Traum<br />
Meine Tage, irrtet kaum.<br />
Wenn die Hoffnung sich zerschlug<br />
- Wann und wo sie auch entflohn,<br />
Ob bei Nacht im Schattenflug,<br />
Ob am Tage, als Vision -<br />
War sie darum weniger Trug?<br />
Was sich uns erfüllt, was nicht,<br />
Ist im Traum ein Traumgesicht.<br />
Wo die Welle, weiß von Gischt,<br />
Um den Brandungsfelsen zischt,<br />
Steh ich, und vom goldnen Sand<br />
Halt ich Körner in der Hand.<br />
Wenige! Doch selbst diese, ach!<br />
Gleiten in die Flut gemach,<br />
Und ich weine ihnen nach.<br />
O Gott! wie halt ich sie in Haft,<br />
Daß nicht alle mir entrafft!<br />
O Gott! Kann ich nicht eins der Flut<br />
Entziehn in meine sich´re Hut?<br />
Ist alles, was wir kaum<br />
Zu eigen nannten, Traum im Traum?<br />
Edgar Allan Poe<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 7
Politik<br />
20. Januar 2009 – anlässlich der Amtseinführung<br />
Barack Obamas lädt George W.<br />
Bush den <strong>Presidents</strong> <strong>Club</strong> zum Dinner ins<br />
Weiße Haus. Von links nach rechts: George<br />
H. W. Bush, Barack Obama, George W.<br />
Bush, Bill Clinton, Jimmy Carter.<br />
George Peters<br />
<strong>The</strong><br />
<strong>Presidents</strong><br />
<strong>Club</strong><br />
<strong>Amerikas</strong> <strong>exklusivste</strong> <strong>Bruderschaft</strong><br />
8<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Politik<br />
Nur fünf Minuten vom Weißen Haus entfernt<br />
befindet sich ein Gebäude, zu dem zur Zeit<br />
nur fünf Bewohner unseres Planeten Zutritt<br />
haben: Der derzeitige Präsident Barack Obama<br />
und die „vier Musketiere“ – seine vier<br />
noch lebenden Vorgänger George W. Bush,<br />
Bill Clinton, George H. W. Bush und Jimmy<br />
Carter.<br />
Wie bitte? Bush Vater und Sohn, die Wahl-<br />
Texaner, bei denen der Colt immer recht<br />
locker sitzt, an einem Tisch mit Obama und<br />
Carter, den Friedensnobelpreisträgern?<br />
Der puritanische „Dabbeljuh“ soll gemeinsame<br />
Sache machen mit Clinton, dem berüchtigten<br />
Frauenversteher?<br />
Wer sich darüber wundert, hat das amerikanische<br />
System missverstanden. Die in<br />
der Öffentlichkeit so erbittert ausgetragenen<br />
Differenzen zwischen Demokraten und<br />
Republikanern sind nur Schaukämpfe. Sie<br />
existieren nicht wirklich.<br />
Washington ist eine Stadt mit eigenen Gesetzen.<br />
Sie bildet ein geschlossenes System<br />
aus Lobbyisten und denen, die von ihnen beeinflusst<br />
werden. Für Politik bleibt darüber<br />
hinaus nicht viel Platz.<br />
In diesem speziellen Biotop ist der <strong>Presidents</strong><br />
<strong>Club</strong> entstanden, der <strong>exklusivste</strong><br />
<strong>Club</strong> der Welt, denn selbst wenn man noch<br />
so gute Beziehungen hat, kommt man da<br />
nicht rein. Es gibt nur einen Weg: Man muss<br />
Präsident sein – bzw. gewesen sein. Die US-<br />
Präsidenten bilden ein Team auf Lebenszeit,<br />
über alle Parteigrenzen hinweg. Ihre<br />
<strong>Bruderschaft</strong> ist nicht geheim, aber kaum<br />
bekannt – und enorm wichtig. Mehr als einmal<br />
wurde hier Geschichte geschrieben.<br />
Der Mann im Weißen Haus kann sich auf die<br />
Unterstützung seiner in Ehren ergrauten<br />
Musketiere verlassen.<br />
716 Jackson Place NW, Washington<br />
Sollten Sie in Washington mit dem Auto unterwegs<br />
sein, werden sie wohl kaum an dieser<br />
schicken Adresse vorbeifahren. Wer die<br />
H Street entlangfährt, wird an der Kreuzung<br />
Jackson Place schnell bemerken: Die Ampeln<br />
stehen auf Rot. Und das selbst, wenn<br />
das Licht umschalten sollte, denn nur wenige<br />
Meter dahinter ist die Straße durch einklappbare<br />
Pfosten abgesperrt, daneben ein<br />
Wachhäuschen. In dieser Straße gibt es so<br />
einiges, dem sich nicht jeder unkontrolliert<br />
nähern soll. Viele der typischen Altbauten<br />
sind in Staatsbesitz, werden für Konferenzen<br />
und andere – halboffizielle – Zwecke<br />
genutzt. In Nummer 716 residiert der <strong>Presidents</strong><br />
<strong>Club</strong>. Während sonst überall die für<br />
Washington typische rote Klinkerbauweise<br />
dominiert, ist dieses Haus weiß getüncht.<br />
Schließlich weiß man, woran Präsidenten<br />
gewöhnt sind…<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 9
Politik<br />
Auf den Stufen des Capitol<br />
Washington,<br />
wird im Gespräch<br />
H Street<br />
zwischen<br />
Ecke<br />
Jackson<br />
Harry S.<br />
Place.<br />
Truman<br />
Die Straßeneinfahrt<br />
(l.) und Herbert<br />
Hoover<br />
ist gesperrt.<br />
(r.) die Idee des<br />
<strong>Presidents</strong> <strong>Club</strong> geboren.<br />
„Ich mache keine nicht<br />
gelungenen Invasionen.“<br />
Dwight D. Eisenhower<br />
Unten: Harry S. Truman (hinten links) und Dwight<br />
D. Eisenhower (hinten rechts) fahren gemeinsam<br />
zu Eisenhowers Amtseinführung. Doch die zur<br />
Schau gestellte Freundschaft trügt.<br />
Für einen Ex-Präsidenten genügt<br />
ein Anruf bei der Kanzlei des<br />
Weißen Hauses, und ein Appartement<br />
in 716 Jackson Place steht<br />
ihm zur Verfügung. Platz gibt es immer,<br />
denn mehr als vier Gäste – zur<br />
Zeit – kann das Haus nicht haben.<br />
Barack Obama musste am 20. Januar<br />
2009 nicht hungrig zu seiner<br />
Amtseinführung auf den Stufen des<br />
Capitol fahren. George W. Bush hatte<br />
ihn vorher zum standesgemäßen Dinner<br />
ins Weiße Haus eingeladen. Mit am<br />
Tisch saßen die weiteren Mitglieder<br />
des <strong>Presidents</strong> <strong>Club</strong>: Clinton, Carter<br />
und Bush senior. Wie war es eigentlich<br />
zu diesem seltsamen <strong>Club</strong> gekommen?<br />
Ein Zeichen von Schwäche<br />
„Entschuldigen Sie sich nicht – das ist<br />
ein Zeichen von Schwäche.“, sagte der<br />
„Duke“ John Wayne in dem berühmten<br />
Western „Der Teufelshauptmann“.<br />
Die Gründung des<br />
<strong>Presidents</strong> <strong>Club</strong><br />
bedarf sicher keiner<br />
Entschuldigung<br />
– ein Zeichen von<br />
Schwäche war sie<br />
allemal.<br />
Am 12. April<br />
1945 saß Präsident<br />
Franklin D. Roosevelt<br />
an seinem Ruhesitz<br />
Little White<br />
House in Georgia der Malerin Elizabeth<br />
Shoumatoff Modell für ein neues<br />
Porträt. Plötzlich brach der Präsident<br />
tot zusammen – eine Hirnblutung. In<br />
einer Sekunde war Amerika in Not.<br />
Gemäß dem 20. Verfassungszusatz<br />
rückte automatisch sein Vizepräsident<br />
nach. Harry S. Truman war erst seit<br />
drei Monaten im Amt. Ein unerfahrener<br />
Ex-Senator aus dem Nirgendwo<br />
von Missouri. Was es heißt, Präsident<br />
zu sein, wusste er nicht. Und es war<br />
immer noch Krieg.<br />
Truman suchte sich seine Berater<br />
über alle Parteigrenzen hinweg. Eine<br />
wichtige Rolle spielten dabei zwei<br />
Männer: Herbert Hoover, Präsident<br />
von 1929-1933 und letzter noch lebender<br />
Amtsvorgänger, sowie General<br />
Dwight D. Eisenhower, der Kriegsheld.<br />
Beide waren Republikaner, also<br />
politische Gegner Trumans. Hoover<br />
wurde vom neuen Präsidenten nach<br />
Kriegsende als Sondergesandter nach<br />
Deutschland geschickt, wo er in Hermann<br />
Görings Salonwagen kreuz und<br />
quer durchs Land reiste und Truman<br />
über alles Bericht erstattete. Letztendlich<br />
war es ihm zu verdanken, dass<br />
der Morgenthau-Plan, Deutschland in<br />
einen deindustrialisierten Agrarstaat<br />
zu verwandeln, nicht umgesetzt wurde.<br />
„Es gibt Menschen, die meinen<br />
und hoffen, dass Deutschland auf ein<br />
Agrar- und Hirtenland reduziert werden<br />
kann.“, berichtete Hoover seinem<br />
Nach-Nachfolger, „Das ist nicht möglich.<br />
Es sei denn, wir rotten 25 Millionen<br />
Bewohner dieses Landes aus oder<br />
siedeln sie um“.<br />
Truman und Eisenhower wiederum<br />
bauten nach dem Krieg<br />
gemeinsam die NATO auf und<br />
reorganisierten die nach Hause zurückgekehrten<br />
Streitkräfte. Nicht<br />
dass Eisenhower für die Protektion<br />
dankbar gewesen wäre. Bei den<br />
Präsidentschaftswahlen 1952 trat er<br />
gegen Truman an – und gewann. Auf<br />
der Fahrt zu seiner Amtseinführung<br />
saßen beide gemeinsam in der offenen<br />
Limousine, doch die zur Schau<br />
gestellte Freundschaft trog. Truman<br />
hatte Eisenhower gebeten, seinen<br />
Einfluss geltend zu machen, um seinen<br />
Mentor George Marshall vor der<br />
Bespitzelung durch den berüchtigten<br />
Senator McCarthy zu schützen, doch<br />
ohne Erfolg. Truman schäumte vor<br />
10<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Politik<br />
Wut, schließlich sollten sich Präsidenten<br />
doch unterstützen. Auf den<br />
Stufen des Capitol, als Eisenhower seinen<br />
Amtseid sprach, kam Harry Truman<br />
ins Gespräch mit Herbert Hoover.<br />
„Ich denke, wir sollten einen <strong>Club</strong> der<br />
früheren Präsidenten organisieren.“,<br />
schlug Hoover vor. „Fein.“, antwortete<br />
Truman, „Du wirst der Vorsitzende<br />
sein und ich der Schriftführer.“ Die<br />
Ämter waren schnell vergeben, denn<br />
weitere Kandidaten standen ja nicht<br />
zur Verfügung.<br />
43 ist hungrig!<br />
Seither ist es Tradition geworden, ein<br />
ungeschriebenes Gesetz, dass Ex-Präsidenten<br />
den amtierenden Mann im<br />
Weißen Haus unterstützen und insbesondere<br />
einem neugewählten „Frischling“<br />
unter die Arme greifen. Die privaten<br />
Treffen sind zwanglos, sehr<br />
amerikanisch, sehr locker und – sehr<br />
exklusiv. Man versteht sich, denn alle<br />
sind nur einem großen Ziel verpflichtet<br />
– dem Amt des Präsidenten der USA.<br />
So hielt Eisenhower von seinem<br />
späteren Nachfolger John F. Kennedy<br />
während der Wahlkampagne nicht allzu<br />
viel, nannte ihn nur „diesen jungen<br />
Hüpfer“. Viel lieber hätte er Richard<br />
Nixon im Weißen Haus gesehen, obwohl<br />
er den nicht gerade bewunderte.<br />
Als Kennedy dann Nixon knapp besiegt<br />
hatte, tat Eisenhower das, wozu ihn die<br />
ungeschriebenen Regeln des <strong>Presidents</strong><br />
<strong>Club</strong> verpflichteten. Noch vor der<br />
Inauguration traf er sich mit Kennedy<br />
zwei Mal, erklärte ihm die wichtigsten<br />
Gefahrenpunkte der Weltpolitik und<br />
wie Kennedy das Weiße Haus organisieren<br />
sollte, um diesen Bedrohungen<br />
zu begegnen.<br />
Trotz der Ratschläge Eisenhowers<br />
geriet die von der CIA geplante und von<br />
Kennedy angeordnete Invasion in der<br />
Schweinebucht auf Kuba zum Fiasko.<br />
„Ike“ traf sich umgehend mit Kennedy<br />
in Camp David, um in privater Atmosphäre<br />
zu reden und spazieren zu gehen.<br />
Noch wichtiger – um gesehen und<br />
fotografiert zu werden, wie man redete<br />
und spazieren ging. „Niemand weiß,<br />
wie hart dieser Job ist, bevor man ihn<br />
nicht ein paar Monate ausgeübt hat.“,<br />
sagte Kennedy. „Mr. President,“,<br />
antwortete Eisenhower, „verzeihen<br />
Sie, aber ich glaube, ich habe das<br />
vor drei Monaten Ihnen gegenüber<br />
erwähnt.“<br />
Im <strong>Presidents</strong> <strong>Club</strong> fand Eisenhower<br />
deutlichere Worte: „Ich<br />
mache keine nicht gelungenen<br />
Invasionen.“ Dass das Desaster<br />
letztendlich glimpflich zu Ende<br />
ging, war wohl auch dem <strong>Club</strong> zu<br />
verdanken, dessen Mitglieder ihre<br />
Beziehungen spielen ließen. Hier<br />
spielte man Simulationen der möglichen<br />
Szenarien durch. Den sowjetischen<br />
Parteichef Nikita Chruschtschow<br />
soll die Tatsache, dass er bei<br />
dem Gerangel hinter den Kulissen<br />
mitgemacht hatte, später das Amt gekostet<br />
haben.<br />
Kennedy wusste den <strong>Presidents</strong><br />
<strong>Club</strong> vom ersten Tag an zu schätzen.<br />
Beim Inaugurationsdinner bat er Harry<br />
Truman sogar um ein Autogramm.<br />
Wie wir alle wissen, hat jeder Präsident<br />
eine Nummer in der Geschichte<br />
der USA. Obama zum Beispiel ist der<br />
44. Präsident. Was weniger bekannt<br />
ist – die Mitglieder des <strong>Club</strong>s nennen<br />
einander mit diesen Nummern. Bei<br />
der Eröffnung von Clintons Präsidentenbibliothek<br />
2004 in seiner Heimatstadt<br />
Little Rock, Arkansas, bekam z. B.<br />
George W. Bush Appetit auf einen Lunch<br />
Das Haus 716 Jackson Place in Washington<br />
– natürlich weiß gestrichen<br />
– beherbergt den <strong>Presidents</strong> <strong>Club</strong><br />
Beim Bankett zur Amtseinführung<br />
bittet John F.<br />
Kennedy seinen Vor-Vorgänger<br />
Harry S. Truman um ein<br />
Autogramm.<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 11<br />
3000
Politik<br />
„Sagen Sie 41 und 42,<br />
dass 43 Hunger hat.“<br />
George W. Bush<br />
und wollte sich anschließend „abseilen“.<br />
Doch sein Vater und Bill Clinton waren<br />
zurückgeblieben und hatten ein Gespräch<br />
begonnen. Also schnappte sich<br />
Bush junior den Chef der Clinton Foundation:<br />
„Sagen Sie 41 und 42, dass 43<br />
Hunger hat.“<br />
Junior und die zwei Comedians<br />
Mit George Bush senior ging Bill Clinton<br />
wenig später auf Spendentournee für<br />
die Opfer des Tsunamis in Indonesien.<br />
Gemeinsam sammelten sie mehr Geld,<br />
als die US-Regierung offiziell gab. Sie<br />
machten sich auch als Comedians einen<br />
Namen. Bei öffentlichen Auftritten betraten<br />
beide zusammen die Szenerie, mit<br />
hochgereckten Armen und der Siegerpose<br />
von Wahlkämpfern. Musik ertönte,<br />
Lichtorgeln pulsierten, und die Menge<br />
tobte vor Begeisterung. Dann begannen<br />
sie aus der Schule zu plaudern. Die<br />
Rente sei eigentlich in Ordnung, so Bush<br />
senior, nur einige Erinnerungen machten<br />
ihm zu schaffen, wie er z. B. 1992 bei<br />
einem Staatsbankett den japanischen<br />
Premierminister angekotzt hatte. Bill<br />
Clinton konterte, er beneide Bush, dass<br />
er sich derart komische Bemerkungen<br />
erlauben könne. Wenn er Witze machen<br />
würde, würde man immer gleich an eine<br />
gewisse Dame und eine damit verbundene<br />
Romanze denken. Wenn man keine<br />
größeren Probleme hat…<br />
Angesichts des großen Erfolges<br />
wollte Barack Obama nach dem<br />
Hurricane Katrina das Erfolgs-<br />
Comedy-Duo zu einem Comeback<br />
überreden, doch der alte Bush, mittlerweile<br />
85, bedauerte: „Dafür bin ich jetzt<br />
zu alt. Rufe meinen Sohn an, der ist jetzt<br />
an der Reihe.“ Drei Tage später trafen<br />
sich Bush junior, Clinton und Obama im<br />
Weißen Haus. Von nun an musste Clinton<br />
mit dem Junior Witze reißen.<br />
Und er tat es, während sich seine<br />
bessere Hälfte dem medienwirksamen<br />
politischen Alltagsgeschäft widmete.<br />
Zeitgleich, als die damalige Außenministerin<br />
Hillary Clinton vor den Kameras<br />
gegen George W. Bush wetterte,<br />
gegen seine mangelnde Befähigung<br />
zum Präsidenten, gegen den sinnlosen<br />
Irak-Krieg und die von ihm maßgeblich<br />
verursachte Wirtschaftskrise, saßen<br />
Ehemann Bill und der Gemaßregelte<br />
freundschaftlich Seite an Seite in Toronto<br />
vor einem Publikum von 6.000<br />
Wirtschaftsvertretern. Clinton und<br />
Bush erzählten sich Witze, tauschten<br />
Erinnerungen aus, machten einander<br />
Komplimente und kassierten für die<br />
zweistündige Show 150.000 Dollar pro<br />
Nase. Finanziert wurde das Spektakel<br />
von den Zuhörern, die für eine Eintrittskarte<br />
2.500 Dollar hatten bezahlen<br />
müssen. Aber es traf ja keine Armen,<br />
und am Schluss konnte sich jeder auf<br />
Wunsch noch mit den beiden Herren<br />
fotografieren lassen.<br />
Es bleibt ja in der Familie<br />
Am Jackson Place in Washington residiert<br />
der <strong>Presidents</strong> <strong>Club</strong> erst seit 1969.<br />
Eigentlich hatte der damalige Präsident<br />
Richard Nixon das Haus für seinen<br />
Amtsvorgänger Lyndon B. Johnson gekauft,<br />
der es aber nie bewohnte. George<br />
W. Bush ließ das Haus prunkvoll<br />
renovieren. Die vorherrschenden Farben<br />
sind beige, braun und grün. In der<br />
Eingangshalle ein großer saphirblauer<br />
Teppich mit dem Präsidentensiegel.<br />
An den Wänden alte Bilder von Washington,<br />
alte Zeitungen, und in Vitrinen<br />
werden Reliquien früherer Präsidenten<br />
aufbewahrt. Luxus pur. Hier hat Ronald<br />
Reagan seinem Nachfolger Bill Clinton<br />
das richtige Salutieren beigebracht. Bekanntlich<br />
hatte Clinton in England studiert,<br />
um einer Einberufung nach Vietnam<br />
zu entgehen. Später revanchierte<br />
sich Clinton, indem er seinem etwas<br />
linkisch wirkenden Nachfolger George<br />
W. Bush Tipps gab, wie man gute Reden<br />
hält. Es blieb ja „in der Familie“.<br />
Über das Treffen zur Amtseinführung<br />
Barack Obamas hat Jimmy Carter<br />
ein paar Indiskretionen lanciert: Locker<br />
sei es zugegangen, man habe mit aufgekrempelten<br />
Hemdsärmeln gesessen<br />
bei Sandwiches, Tee und Coca Cola.<br />
Wichtigster Ratschlag für den Neuen<br />
im Weißen Haus war, welche Schule<br />
seine Töchter besuchen sollten, damit<br />
es bescheiden und nicht zu elitär wirkt.<br />
Aber auch über den Umgang mit dem<br />
Secret Service ließ sich Obama briefen<br />
und auf welchem Sofa man am besten<br />
Entscheidungen trifft. Was wirklich bei<br />
dem Treffen zur Sprache kam, wird die<br />
Öffentlichkeit wohl nie erfahren. Der<br />
nach außen hin harmlose und zwanglose<br />
<strong>Club</strong> hat mehr Einfluss, als man<br />
die Wähler und die Welt glauben machen<br />
will.<br />
Ein solches Konstrukt kann nur<br />
in einem Staat wie den USA und<br />
in einer Stadt wie Washington<br />
existieren. Diese Auffassung vertritt<br />
jedenfalls Mark Leibovich, Korrespondent<br />
der New York Times. Die<br />
politische Elite Washingtons ist seiner<br />
Meinung zufolge eine auf ewig<br />
12<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Politik<br />
existierende feudale Klasse, in deren<br />
Rahmen politische Differenzen bedeutungslos<br />
sind. Bezeichnungen wie<br />
„Demokrat“ und „Republikaner“ sind<br />
nur unterschiedliche Etiketten auf<br />
Flaschen gleichen Inhalts. Der Kontakt<br />
zu den eigentlichen Amerikanern<br />
ist längst verlorengegangen. Den Kern<br />
dieser Eliteklasse bilden Politiker, Lobbyisten,<br />
Journalisten, Berater und zahllose<br />
Leute, deren Berufe nicht einmal<br />
Namen haben.<br />
Zwei Minuten mit dem<br />
Ex-Präsidenten<br />
Diese Klasse kennt nur ein Ziel – an<br />
der Macht zu bleiben. Jede Show,<br />
die diesem Ziel dient, ist in Ordnung.<br />
Hauptsache, man bleibt im Zentrum<br />
der Aufmerksamkeit. Es geht um Geld<br />
und Popularität. Politik in Washington<br />
ist, so Leibovich, ein <strong>The</strong>ater mit vielen<br />
künstlich kreierten Hindernissen auf<br />
dem Weg zur Realisierung von Zielen.<br />
Und die Helden können auf diesem Weg<br />
in der Öffentlichkeit Emotionen zeigen<br />
und mehr oder weniger gute Reden<br />
halten. Die Mittel zum Zweck sind egal,<br />
und die amerikanischen Medien machen<br />
mit. Für sie zählen die Einschaltquoten.<br />
Anders als in Europa sind amerikanische<br />
Politiker daran gewöhnt, sich<br />
gegen Bezahlung mit Menschen fotografieren<br />
zu lassen. Daher besuchen<br />
sie ständig Bälle, Empfänge und Bankette,<br />
wo zahlungskräftige Gäste zu<br />
finden sind, die sich die Gelegenheit<br />
nicht entgehen lassen wollen, für zwei<br />
Minuten neben einer Berühmtheit zu<br />
stehen und mit ihr ein paar Worte über<br />
das Wetter zu wechseln. Was einzig und<br />
allein zählt, sind die zwei Minuten…<br />
Für die „Berühmtheiten“ geht es nur<br />
um Big Money. Jeff Connaughton, Mitbegründer<br />
der Lobbyistenfirma Quinn,<br />
Gillespie & Associates, ist der Meinung,<br />
das Land sei in rote und blaue Zonen der<br />
Einnahmen geteilt (Rot und Blau sind die<br />
Farben der Republikaner bzw. Demokraten).<br />
Washington dagegen sei grün<br />
(also neutral).<br />
Ein Beispiel: Im Jahre 2000 war der<br />
Milliardär Marc Rich in die Schweiz geflohen,<br />
da in den USA wegen Steuerhinterziehung<br />
und anderen Wirtschaftsverbrechen<br />
gegen ihn ermittelt wurde.<br />
Connaughton arrangierte<br />
für ihn eine Begnadigung.<br />
Gegenleistung: Richs<br />
Ehefrau zahlte 400.000<br />
Dollar auf das Konto von<br />
Clintons Präsidentenbibliothek.<br />
Das ist Washington!<br />
Hier fließt das<br />
Geld in jede Richtung. Ob<br />
jemand Republikaner oder Demokrat<br />
ist, spielt keine Rolle. Nur die Summen<br />
werden mit jeder Präsidentschaft höher.<br />
In Washington geht es den Leuten<br />
am besten, die vermitteln<br />
zwischen denen, die haben, und<br />
denen, die können. Die Stadt bildet<br />
ein geschlossenes System, das<br />
sich selbst erhalten kann. Für diese<br />
Rolle sind Ex-Präsidenten aufgrund<br />
ihrer umfangreichen Kontakte geradezu<br />
prädestiniert. Für die Weltöffentlichkeit<br />
mag der <strong>Presidents</strong><br />
<strong>Club</strong> ein Kuriosum am Rande sein.<br />
In Washington ist er eine wichtige<br />
Komponente im innersten Zirkel<br />
der Macht. ▀<br />
Quellen:<br />
Nancy Gibbs & Michael Duffy : „<strong>The</strong><br />
<strong>Presidents</strong> <strong>Club</strong>“. Simon and Schuster 2012.<br />
Mark Leibovich „This Town“. Blue Rider<br />
Press 2013.<br />
Nach ihrer Amtszeit profilierten<br />
sich George H.<br />
W. Bush und Bill Clinton<br />
als „Comedians“.<br />
Nach dem „Briefing“ durch seine<br />
Amtsvorgänger – Barack Obama<br />
rückt sein „Entscheidungssofa“ an die<br />
richtige Stelle.<br />
Washington – eine Welt<br />
zwischen denen, die haben,<br />
und denen, die können.<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 13<br />
3000
News<br />
Duft-Marketing bei der Bahn<br />
Dass Düfte unser Verhalten<br />
manipulieren können, ist bekannt.<br />
Ein Duft muss mindestens<br />
auf 40 sensorische Zellen<br />
einwirken, damit wir ihn<br />
bewusst wahrnehmen können.<br />
Jedoch gerade dann, wenn die<br />
Zahl der stimulierten Zellen<br />
etwas kleiner ist, wird es interessant.<br />
Dann wirkt der Duft auf<br />
unser Unterbewusstsein.<br />
Die Deutsche Bahn hat im Jahre<br />
2013 im Rahmen des „Duft-<br />
Marketing“ den Einfluss von<br />
Düften auf die Passagiere erprobt, um<br />
dem seit Jahren traditionell schlechten<br />
Image der Bahn entgegenzuwirken.<br />
Man hat dazu eine Duftmischung<br />
Duftzerstäuber zur Kundenbeeinflussung<br />
– im Einzelhandel<br />
längst Alltag, jetzt auch bei der<br />
Deutschen Bahn im Einsatz<br />
aus Jasmin, Veilchen, Rosenholz und<br />
Moschus benutzt. Die Resultate waren<br />
mehr als interessant. Diejenigen<br />
Passagiere, die unter dem Einfluss<br />
der Duftmischung standen, reagierten<br />
verständnisvoller<br />
auf Verspätungen der<br />
Züge als die anderen.<br />
Bernd Rosenbusch,<br />
Marketing-Leiter der<br />
Deutschen Bahn, sagte<br />
dazu: „Wenn wir<br />
dank einer solchen Mischung<br />
dazu kommen,<br />
dass wir mehr Tickets<br />
verkaufen können,<br />
werden wir diese Mischung mit Sicherheit<br />
benutzen“. Die Passagiere<br />
werden über die Lüftungsanlage mit<br />
den Düften konfrontiert.<br />
US-Sparer sollen für<br />
Spareinlagen bezahlen<br />
Dass sich die Geldanlage auf<br />
klassischen Sparbüchern kaum<br />
noch lohnt, wissen alle, angesichts<br />
von Zinssätzen, die ihren<br />
Namen kaum noch verdienen.<br />
Heute interessieren sich die meisten<br />
Banken nur noch für das<br />
Jonglieren mit „big money“. Das<br />
personalintensive Kerngeschäft<br />
mit Kleinanlegern ist ihnen mehr<br />
als nur lästig.<br />
Neuester Trend aus den USA:<br />
Mehrere führende Geldinstitute<br />
des Landes haben angekündigt,<br />
in Zukunft müssten Sparer für die<br />
Verwaltung von Guthaben sogar<br />
Gebühren bezahlen. Zumindest<br />
wenn die Federal Reserve Bank<br />
(Fed) bei ihrer Niedrigzinspolitik<br />
bleibe, wäre ein solcher Schritt<br />
notwendig. Die Führung von Sparguthaben<br />
sei dann nicht mehr kostendeckend<br />
möglich.<br />
Nominal sind derartige „Negativzinsen“<br />
übrigens längst an der<br />
Tagesordnung, auch in Deutschland,<br />
wenn man es auch nicht<br />
so unverblümt ausspricht. Die<br />
Sparzinsen bei deutschen Banken<br />
liegen bereits jetzt unter der<br />
Inflationsrate, was de facto einer<br />
finanziellen Belastung der Kleinsparer<br />
gleichkommt. Auch dies<br />
hat natürlich mit der weltweiten<br />
Niedrigzinspolitik zu tun. Solange<br />
die Banken ihre Kredite billig bei<br />
den Notenbanken erhalten können,<br />
haben sie kein Interesse daran,<br />
es sich gegen höhere Zinsen<br />
bei Normalbürgern zu leihen.<br />
Propagandafeldzug zur<br />
Syrien-Konferenz<br />
Pünktlich zum Start der Syrien-Friedenskonferenz<br />
in Montreux (siehe<br />
auch unseren Artikel „Syrien – Jede<br />
Seite tötet anders“ in <strong>Matrix3000</strong> Band<br />
79) lancierte die britische Tageszeitung<br />
„Guardian“ – weltweit bekannt<br />
durch die Snowden-Enthüllungen –<br />
Berichte ehemaliger Ankläger des<br />
Internationalen Gerichtshofs in Den<br />
Haag über systematische Folterungen<br />
und Tötungen durch das Assad-<br />
Regime in Syrien an die Öffentlichkeit.<br />
Die Berichte sollen auf Aussagen eines<br />
nach eigenen Angaben übergelaufenen<br />
syrischen Militärpolizisten<br />
basieren. Dabei wurden auch Zehntausende<br />
von Fotos veröffentlicht,<br />
die der Informant selbst angefertigt<br />
haben will. Endlich gebe es „direkte<br />
Beweise“ dafür, was mit den zahlreichen<br />
verschwundenen Menschen in<br />
Syrien passiert sei, so der „Guardian“.<br />
Dass auch die syrischen Rebellen mit<br />
teilweise unvorstellbar grausamen<br />
Massakern von sich reden machten,<br />
erwähnt das Blatt nur am Rande.<br />
Neutrale Beobachter konstatieren,<br />
dass nichts<br />
davon, was<br />
der Bericht<br />
e n t h i e l t ,<br />
nicht auch<br />
vorher schon<br />
seit Jahren<br />
bekannt gewesen<br />
wäre.<br />
Niemand hat<br />
sich je ernsthaft<br />
über die<br />
Natur des<br />
Assad-Regimes irgendwelche Illusionen<br />
gemacht. Jahrelang hatte sich allerdings<br />
in der westlichen Welt kaum<br />
jemand dafür ernsthaft interessiert.<br />
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung<br />
und die nicht sonderlich glaubwürdige<br />
plötzliche allgemeine Empörung<br />
sind daher wohl eher als gezielte Aktion<br />
zu werten, um für die beginnende<br />
Friedenskonferenz die öffentliche<br />
Meinung in die gewünschten Bahnen<br />
zu lenken. Dies auch im Hinblick darauf,<br />
dass Russlands Präsident Putin<br />
in seiner Neujahrsansprache ganz offen<br />
die Rolle Russlands als möglicher<br />
Vermittler im Syrien-Konflikt aufgab<br />
und sich auf die Seite Assads schlug.<br />
Inwieweit alle jetzt veröffentlichten<br />
Berichte tatsächlich der Wahrheit<br />
entsprechen, kann ebenfalls nicht abschließend<br />
bewertet werden, zumal<br />
der Informant „aus Sicherheitsgründen“<br />
anonym blieb. Wie noch aus dem<br />
Irak-Krieg der USA in Erinnerung ist,<br />
wurden auch damals Anschuldigungen<br />
über grausamste Verbrechen gegen<br />
die Menschlichkeit von Seiten des<br />
Saddam-Hussein-Regimes zur Rechtfertigung<br />
des US-Angriffskrieges veröffentlicht,<br />
die<br />
sich später<br />
als gefälscht<br />
herausstellten<br />
(z. B. das<br />
berüchtigte<br />
Video über<br />
die Tötung<br />
von Säuglingen<br />
in einem<br />
B a g d a d e r<br />
K r a n k e n -<br />
haus).<br />
14<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014<br />
Teilnehmer der Syrien-Friedenskonferenz<br />
in Montreux (links im Vordergrund<br />
der deutsche Außenminister Frank-<br />
Walter Steinmeier)
News<br />
Schulstreik wegen<br />
Gleichberechtigung<br />
In Frankreich haben rechtsgerichtete<br />
Gruppierungen eine<br />
landesweite Kampagne gegen<br />
die Bildungspolitik der sozialistischen<br />
Regierung initiiert. In zahlreichen<br />
Städten werden Kinder an<br />
bestimmten Tagen vom Schulbesuch<br />
ferngehalten, an denen auf<br />
dem Unterrichtsplan die Gleichberechtigung<br />
von Mann und Frau<br />
steht.<br />
Man glaubt es kaum, denn hier<br />
geht es ausnahmsweise einmal<br />
nicht um die „bösen Islamisten“,<br />
sondern um extremistische Fanatiker<br />
nach europäischem Muster.<br />
In Internet-Blogs und auf Twitter<br />
hetzen sie gegen die Regierung,<br />
man würde den Kindern die umstrittene<br />
Gender-<strong>The</strong>orie einimpfen. Die<br />
Gender-<strong>The</strong>orie besagt, dass Menschen<br />
nicht als Männer oder Frauen<br />
geboren werden, sondern ihr Geschlecht<br />
im Laufe ihres Lebens wählen<br />
können. Die <strong>The</strong>orie unterscheidet<br />
streng zwischen den biologischen<br />
Geschlechtsmerkmalen (Sex) und<br />
dem sozialen Geschlechtszugehörigkeitsgefühl<br />
(Gender). Dadurch sollen<br />
abweichende sexuelle Ausrichtungen<br />
wie Transsexualität oder Transvestitentum<br />
aus der Ecke des Abnormalen<br />
geholt werden.<br />
In ihrer strengen Ausprägung ist die<br />
Gender-<strong>The</strong>orie sicher äußerst<br />
kontrovers. Allerdings hat Frankreichs<br />
Bildungsminister Vincent<br />
Peillon unverzüglich klargestellt,<br />
die Regierung lehne diese <strong>The</strong>orie<br />
genauso ab wie die Initiatoren<br />
der Kampagne. Dass die Gender-<br />
<strong>The</strong>orie an französischen Schulen<br />
gelehrt wird, ist also nichts<br />
als rechtspopulistische Propaganda.<br />
Es gehe, so Peillon, lediglich<br />
darum, den Kindern im<br />
Unterricht die grundlegenden<br />
Werte der Französischen Republik,<br />
darunter auch die Gleichheit<br />
zwischen Männern und Frauen,<br />
beizubringen. Alles andere seien<br />
„verlogene Gerüchte“. In Wahrheit<br />
geht es den Protestierenden<br />
also eher um die Aufrechterhaltung<br />
traditioneller gesellschaftlicher Rollenverteilungen<br />
zwischen Mann und<br />
Frau – und sie verzeichnen erheblichen<br />
Zulauf. In manchen französischen<br />
Regionen beteiligten sich bis<br />
zu 20 Prozent der Bevölkerung an den<br />
Schulstreikaktionen.<br />
Oppositionsführer Gregor Gysi<br />
– für Polizei- und Militärkreise<br />
ein Dorn im Auge<br />
„Späh-Angriffe“ – Aushöhlung der<br />
parlamentarischen Opposition?<br />
Die zunehmende Sensibilisierung der<br />
Bevölkerung gegenüber der Ausforschung<br />
von Daten durch Geheimdienste,<br />
wie sie durch die Snowden-<br />
Affäre ans Licht kam, wird jetzt von<br />
bestimmten, zumeist rechtsgerichteten<br />
Kreisen zu ganz anderen Zwecken<br />
instrumentalisiert. Zum Beispiel, um<br />
die Rechte der verbliebenen Mini-<br />
Opposition im Bundestag weiter<br />
auszuhöhlen. So zitierte das Nachrichtenmagazin<br />
„Focus“ Sprecher<br />
von Polizei und Bundeswehr, die einigen<br />
Abgeordneten der Linkspartei<br />
„Späh-Angriffe“ im Bundestag vorwarfen.<br />
Anlass: Die Abgeordneten<br />
hatten offizielle Stellungnahmen der<br />
Bundesregierung<br />
auf Kleine Anfragen<br />
im Bundestag im Internet<br />
und der Presse<br />
publiziert. Dieser<br />
im Grunde ganz normale<br />
Vorgang wurde<br />
als ein Zeichen<br />
gesehen, dass die<br />
Linkspartei sicherheitsrelevante<br />
Informationen<br />
„extremistischen<br />
Kreisen“<br />
verfügbar mache.<br />
Bei genauerem Hinsehen<br />
erweist sich die ganze Angelegenheit<br />
als Seifenblase. Die Abgeordneten<br />
hatten nichts „Vertrauliches“<br />
ausgeplaudert, sondern nur Fakten<br />
publiziert, die auch auf der offiziellen<br />
Internetseite des Bundestages für<br />
Jedermann verfügbar waren. Hatte<br />
der Bundestag sich also auch selbst<br />
ausgespäht? „Focus“ zitiert einen<br />
„hohen Staatsschutz-Beamten“ des<br />
Bundeskriminalamtes, der „empört“<br />
gewesen sei, dass durch die Veröffentlichung<br />
das Anrecht der Bundestagsabgeordneten<br />
auf Auskunft missbraucht<br />
worden sei.<br />
Gibt es etwa Bestrebungen, aus dem<br />
Bundestag einen neuen Geheimdienst<br />
zu machen und die dort diskutierten<br />
Informationen der Öffentlichkeit vorzuenthalten?<br />
Alles natürlich nach gut<br />
amerikanischer Nomenklatur „im Interesse<br />
der nationalen Sicherheit“?<br />
Kritiker vermuten noch ganz andere<br />
Ziele hinter der Kampagne. Zum einen<br />
werden die verbalen Attacken als<br />
Rechtfertigungsversuche gesehen, die<br />
Linkspartei wegen ihrer angeblichen<br />
Verflechtungen mit „extremistischen<br />
Gruppen“ weiter vom Verfassungsschutz<br />
beobachten zu lassen. Außerdem<br />
erhoffen sich in Zeiten der Großen<br />
Koalition weite Kreise von Militär, Polizei<br />
und Geheimdiensten in Deutschland<br />
eine Art Freibrief für ihre Aktionen,<br />
da die Oppositionsparteien mit<br />
ihren nur etwa 20 Prozent der Mandate<br />
praktisch machtlos sind. Doch selbst<br />
dieser verbliebene Rest parlamentarischer<br />
Kontrolle scheint<br />
gewisse Kreise noch zu<br />
stören, da aufgrund der<br />
Machtverhältnisse Linken-<br />
Ikone Gregor Gysi als Fraktionschef<br />
der stärksten<br />
Oppositionspartei zum Oppositionsführer<br />
aufstieg.<br />
Die Kritik würde sich demnach<br />
weniger gegen die<br />
Opposition richten, sondern<br />
eher gegen die Regierung,<br />
die nach Ansicht der Kritiker<br />
das Parlament zu „offenherzig“<br />
informiere.<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 15
News<br />
Berliner Nahverkehr:<br />
Millionen verzockt<br />
Dass das vielfach so hochgelobte<br />
„vorbildliche“ Nahverkehrssystem<br />
Berlins im Grunde marode ist, ist<br />
kein Geheimnis. Betriebsausfälle<br />
sind an der Tagesordnung. Notwendige<br />
Sanierungen ziehen sich jahrzehntelang<br />
hin. Die Kassen der Berliner<br />
Verkehrsbetriebe (BVG) sind klamm…<br />
Wie sich jetzt herausstellte, hat der<br />
chronische Geldmangel der BVG unter<br />
anderem auch damit zu tun, dass<br />
horrende Geldsummen zweckentfremdet<br />
wurden. Im Juli 2007 schlossen<br />
BVG-Mitarbeiter ein dubioses<br />
Wettgeschäft mit der amerikanischen<br />
Bank JP Morgan ab. Gegenstand der<br />
Wette war, ob 150 auf einer Liste genannte<br />
Unternehmen in nächster Zeit<br />
bankrott machen würden. Sollte dies<br />
nicht geschehen, hätte die BVG einen<br />
Wettgewinn von 5,7 Millionen Euro<br />
einstreichen können.<br />
Was dann kam, wissen wir alle: Eine<br />
weltweite Finanzkrise, und mehr als<br />
nur einige der 150 genannten Firmen<br />
brachen zusammen. Darunter<br />
übrigens auch die Lehman Brothers<br />
Bank… Auf jeden Fall hatte die BVG<br />
ihre Wette verloren.<br />
Bekannt wurde der skandalöse Vorgang<br />
dadurch, dass JP Morgan Anfang<br />
dieses Jahres die BVG auf Zahlung<br />
des bei der Wette verlorenen<br />
Geldes verklagte – insgesamt 150<br />
Millionen Euro plus Zinsen.<br />
Die BVG lehnt die Zahlung ab, da man<br />
laut Auskunft ihrer Anwälte nicht<br />
Bauarbeiten an einem der<br />
zahlreichen maroden Berliner<br />
U-Bahn-Tunnel<br />
ausreichend über das Risiko aufgeklärt<br />
worden sei. Das Geschäft sei<br />
daher von Anfang an nichtig gewesen.<br />
Dabei kamen Tatsachen ans Licht,<br />
die eine geradezu absurde Dummheit<br />
der BVG-Finanzzocker ans Tageslicht<br />
fördern. Man habe – so heißt es – geglaubt,<br />
man würde gerade auf den<br />
Bankrott der 150 Firmen wetten (und<br />
nicht umgekehrt), und man habe nie<br />
kapiert, wann man wie viel bezahlen<br />
müsste. Im Grunde war die Wette<br />
für die Berliner gar nicht zu gewinnen.<br />
Dazu hätten nämlich alle 150<br />
Firmen bestehen bleiben müssen.<br />
Eine einzige Firmenpleite reichte<br />
bereits aus, damit JP Morgan Sieger<br />
war. Nur konnte in Berlin vermutlich<br />
niemand lesen – vom Denken ganz<br />
zu schweigen. Eingefädelt hatte<br />
das Ganze ein „Finanzexperte“, der<br />
inzwischen nicht mehr für die BVG<br />
tätig ist. Allerdings hatte kein Geringerer<br />
als der damalige Berliner<br />
Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD)<br />
das Geschäft abgesegnet, der bekanntlich<br />
nach einer gescheiterten<br />
Zweitkarriere als Bundesbanker<br />
inzwischen als rechtspopulistischer<br />
Buchautor reüssiert. Also insgesamt<br />
doch ein Finanzskandal erster<br />
Güte, wie ihn Berlin nicht zum ersten<br />
Mal erlebt.<br />
Die Frage, die in diesem Zusammenhang<br />
kaum jemand stellt: Was<br />
haben BVG-Mitarbeiter überhaupt<br />
mit Unternehmensgeldern an der<br />
Börse zu zocken, anstatt sich ihrem<br />
eigentlichen Job zu widmen, den<br />
ordnungsgemäßen Betrieb des öffentlichen<br />
Personennahverkehrs in<br />
der Stadt aufrechtzuerhalten?<br />
US Air Force lässt neue<br />
Super-Drohne entwickeln<br />
Die US Air Force hat den Rüstungskonzern<br />
Northrop Grumman<br />
beauftragt, eine neue<br />
Kampfdrohne zu entwickeln,<br />
unter dem Kryptonym RQ-1<strong>80</strong>.<br />
Dies berichtet das US-Luftfahrtmagazins<br />
Aviation Week<br />
& Space Technology. Das Projekt<br />
wird aus einem geheimen<br />
Budget der Luftwaffe finanziert<br />
und soll der Nachrichtengewinnung,<br />
Überwachung und Aufklärung<br />
dienen. 2015 soll die<br />
neue Drohnen-Generation in Dienst<br />
gestellt werden.<br />
Angesichts der Tatsache, dass die<br />
US Air Force nach wie vor jeden offiziellen<br />
Kommentar verweigert, ist<br />
bislang nur wenig bekannt, was das<br />
Bild: Aviation Week & Space Technology<br />
grundlegend Neue an der RQ-1<strong>80</strong>-<br />
Drohne sein soll. Informationen, die<br />
bereits durchgesickert sind, besagen,<br />
dass das Fluggerät mit Radiosensoren<br />
sowie „aktiven und passiven“<br />
Instrumenten zur Überwachung ausgerüstet<br />
wird (was immer das bedeuten<br />
soll). Vermutet wird auch, dass<br />
RQ-1<strong>80</strong> mit Bordwaffen zur elektronischen<br />
Kriegführung bestückt wird.<br />
Außerdem soll es sich um eine<br />
„Stealth-Drohne“ handeln, die<br />
also für das Radar unsichtbar<br />
ist – eine Fähigkeit, die allerdings<br />
auch schon das Vorgängermodell<br />
RQ-170 hatte, das<br />
von Lockheed Martin gebaut<br />
wurde. Auch die Chinesen<br />
haben bereits im November<br />
2013 eine Stealth-Drohne mit<br />
dem Namen Li Jan („Scharfes<br />
Schwert“) erfolgreich getestet.<br />
Da die US Air Force dennoch so viel<br />
Geheimnisse um die Entwicklung von<br />
RQ-1<strong>80</strong> macht, ist zu vermuten, dass<br />
die Drohne über zusätzliche Fähigkeiten<br />
verfügen muss, die weiterhin<br />
geheim bleiben sollen.<br />
16<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
News<br />
Gruppenbezogene<br />
Menschenfeindlichkeit<br />
Bettler in der eleganten<br />
Fußgängerzone – künftig<br />
absolutes „No-Go“?<br />
Mehr als 120 Jahre nach dem Tod<br />
von Karl Marx ist in Deutschland<br />
der Klassenkampf ausgebrochen.<br />
Allerdings kämpfen nicht<br />
– wie vom Begründer des Kommunismus<br />
vorhergesagt – Unterprivilegierte<br />
um ihre Rechte. Statt dessen setzen<br />
gerade die Angehörigen der bürgerlichen<br />
Mittelschicht zum Kampf an – z.<br />
B. gegen Bedürftige, Sozialhilfeempfänger<br />
und Zuwanderer, um ihre eigene<br />
gesellschaftliche Position zu halten<br />
oder zu verbessern. Man kann es auch<br />
auf den kurzen Nenner bringen, dass<br />
nicht mehr Geiz „geil“ ist, sondern<br />
Gier.<br />
Zu diesem Schluss kommt eine<br />
zehnjährige Langzeitstudie der Universität<br />
Bielefeld, die 2002 unter dem<br />
Titel „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“<br />
ins Leben gerufen wurde.<br />
Die Studie liefert Zeugnis dafür<br />
ab, wie es im ersten Jahrzehnt des 21.<br />
Jahrhunderts, im Zeichen des Abbaus<br />
von Sozial- und Bürgerrechten und eines<br />
zunehmend gnadenlosen Vernichtungskapitalismus<br />
nicht nur zu einer<br />
Verrohung des Wortschatzes, sondern<br />
auch zu einer Verrohung großer Teile<br />
der bürgerlichen Mittelschicht kam.<br />
Auslöser war die Politik der rotgrünen<br />
Regierung unter Gerhard<br />
Schröder, die Steuervorteile für Besserverdienende<br />
beschloss und mit<br />
Hilfe der „Agenda 2010“ gleichzeitig<br />
immer größere Bevölkerungsgruppen<br />
in Armut stürzte. Diese „Errungenschaften“<br />
wurden unter den nachfolgenden<br />
Kabinetten von Angela Merkel<br />
verwaltet oder auch fortgeführt.<br />
Gab es in früheren Jahrzehnten in<br />
Deutschland einen gesellschaftlichen<br />
Konsens, auch weniger Betuchten ein<br />
menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen,<br />
notfalls mit staatlicher Hilfe,<br />
sind die Betroffenen jetzt zu Zielscheiben<br />
von Beschimpfungen geworden,<br />
werden als „Sozialschmarotzer“ oder<br />
„Arbeitsscheue“ tituliert. Eine zunehmend<br />
unsoziale Politik von „denen da<br />
oben“ löst nicht mehr Wut in der Bevölkerung<br />
aus, sondern im Gegenteil<br />
gönnt man selbst den Ärmsten der<br />
Armen nicht einmal mehr das, was<br />
ihnen noch verblieben ist. Schließlich<br />
muss man ja zur Finanzierung<br />
von staatlichen Transferleistungen,<br />
so gering sie auch sein mögen, durch<br />
Sozialabgaben beitragen, also auf einen<br />
Teil seines eigenen Einkommens<br />
verzichten.<br />
Eine solche Mentalität bildet<br />
nachfolgend auch den Nährboden<br />
für Rassismus. Nicht nur<br />
Einwanderer aus Afrika oder die „üblichen<br />
Verdächtigen“ wie etwa Sinti<br />
und Roma werden pauschal als „Armutszuwanderer“<br />
diskriminiert, die<br />
sich angeblich auf Kosten unserer<br />
Sozialkassen auf die faule Haut legen<br />
wollen, sondern seit Beginn dieses<br />
Jahres auch Bürger der EU-Länder<br />
Rumänien und Bulgarien. Horst Seehofers<br />
populistische Stammtischparolen<br />
zu diesem <strong>The</strong>ma lösten zwar<br />
Kritik in den Parteien (inklusive seiner<br />
eigenen) aus, führten aber nicht zu einem<br />
Aufschrei der Empörung in der<br />
Bevölkerung.<br />
Weitere Indikatoren für die gesellschaftliche<br />
Verrohung in Deutschland,<br />
die die an der Studie beteiligten Forscher<br />
feststellten, waren Islamophobie<br />
– „Zuwanderung von Muslimen<br />
sollte untersagt werden“, Sexismus<br />
– „Frauen gehören an den Herd,<br />
Karriere sollen Männer machen“,<br />
Homophobie – „Homosexualität ist<br />
ekelhaft und unmoralisch“, ja sogar<br />
die Diskriminierung von Behinderten<br />
– „Mit denen wird auch viel zu viel<br />
Wesens gemacht“. Gleichzeitig wird<br />
die eigene Besitzstandswahrung betont<br />
– andere sollen sich gefälligst<br />
mit weniger zufrieden geben. Von der<br />
im Grundgesetz verankerten Maxime,<br />
wonach „Eigentum verpflichtet“,<br />
wollen weite Kreise der gehobenen<br />
Mittelschicht nichts mehr wissen.<br />
Hartz-IV-Empfänger werden häufig<br />
als „Nutzlose“ oder „Ineffiziente“ bezeichnet,<br />
so ein Fazit der Studie. Von<br />
da ist es nicht mehr weit bis zu dem<br />
Moment, wo man sie als „entbehrlich“<br />
betrachtet. Es geht also nicht<br />
nur um Verteilungskämpfe, sondern<br />
um eine Desintegration der Gesellschaft,<br />
indem man unerwünschte<br />
Gesellschaftsschichten dauerhaft<br />
ausgrenzt. So finden Initiativen wie<br />
z. B. die zwangsweise Verbannung<br />
von Bettlern und Obdachlosen aus<br />
Innenstädten, notfalls mit Polizeigewalt,<br />
mehr und mehr Zustimmung.<br />
Als kultivierter Christenmensch mag<br />
man das Elend eben nicht vor Augen<br />
haben, wenn man schon nicht helfen<br />
will. Dies könnte auf Dauer eine strikte<br />
räumliche Trennung von Reich und<br />
Arm nach sich ziehen – etwa durch<br />
Neuentstehung abgeschotteter Ghettos<br />
und Elendsquartiere.<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 17
Politik<br />
Kürzlich gab der Ständige Ausschuss<br />
des chinesischen Volkskongresses<br />
eine Anzahl umfassender<br />
Reformen bekannt. Erstmals<br />
rückt die Volksrepublik damit auch von<br />
der rigorosen Ein-Kind-Politik ab.<br />
Die Ein-Kind-Politik wurde einst<br />
in China eingeführt, damit das Land<br />
überleben konnte und die Menschen<br />
nicht hungern mussten. Diese Geset-<br />
Chinesisches Propagandaplakat für<br />
die Ein-Kind-Politik (1986)<br />
ze waren seit 1979 gültig, wobei man<br />
bemerken muss, dass erste Repressionen<br />
in dieser Richtung schon seit<br />
1971 von Seiten der Regierung praktiziert<br />
worden waren. Damals brachten<br />
chinesische Frauen durchschnittlich<br />
sechs Kinder pro Familie zur Welt.<br />
Nach Einführung der strikten Geburtenkontrolle<br />
veränderte sich im Laufe<br />
der Zeit die demographische Struktur<br />
des Landes erheblich.<br />
In China bevorzugte<br />
man schon immer<br />
männliche Nachkommen,<br />
Mädchen waren<br />
nicht so erwünscht.<br />
Als dann nur noch ein<br />
Kind pro Familie erlaubt<br />
war, brach eine<br />
wahre Massenhysterie<br />
aus: weibliche<br />
Föten wurden konsequent<br />
im ganzen Land<br />
abgetrieben. Neugeborene<br />
Mädchen<br />
wurden häufig versteckt.<br />
Und nicht nur<br />
das. In China existiert<br />
ein Amt für Familienplanung.<br />
Ein riesiger Beamtenapparat,<br />
der darüber entscheidet, ob und wann<br />
eine Familie ein Kind bekommen darf.<br />
Im ganzen Land arbeiten bei dieser<br />
Behörde über 500.000 Beamte. Die für<br />
diese Arbeit speziell geschulten Funktionäre<br />
beobachten und untersuchen<br />
jede Frau, die in der Lage ist, schwanger<br />
zu werden. Das führte dazu, dass<br />
China heute den größten Prozentsatz<br />
an Selbstmorden bei Frauen in der<br />
Welt hat.<br />
Wenn das Amt für Familienplanung<br />
bei einer Frau eine<br />
Schwangerschaft entdeckt<br />
und die Frau keine Genehmigung für<br />
das Kind hat oder zu arm ist, um das<br />
Strafgeld zu bezahlen, wird sie einer<br />
sofortigen Zwangsabtreibung unterzogen,<br />
unabhängig davon, in welchem<br />
Monat sie schwanger ist. Seit 1979<br />
wurden in China mehr als 360 Millionen<br />
zwangsweise Abortionen durchgeführt.<br />
Dazu kamen mehr als 200 Millionen<br />
Zwangssterilisationen.<br />
Wie sieht eine Zwangsabtreibung<br />
auf Chinesisch aus? Ein Opfer erzählt:<br />
„Ich war im achten Monat schwanger.<br />
Franz Bludorf<br />
Das Schweigen<br />
der Kinder<br />
Chinas Familienpolitik<br />
18<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Noch immer gibt es in China<br />
Zwangsabtreibungen bei Frauen, die<br />
„unerlaubte“ Kinder erwarten.<br />
Politik<br />
Die Mitarbeiter des Amtes für Familienplanung<br />
brachten mich mit Gewalt<br />
in eine Klinik. Dort wurde ich auf einem<br />
OP-Tisch festgeschnallt. Anschließend<br />
wurde mir ein Gift direkt in den Bauch<br />
injiziert. Zwei Tage musste ich so daliegen,<br />
ohne jegliche Hilfe. Ich hatte<br />
starke Schmerzen, und mein Leid war<br />
unerträglich. Da ich trotz allem keine<br />
Fehlgeburt hatte, kam schließlich<br />
ein Arzt, holte das Kind aus meinem<br />
Bauch und warf es in den Abfallkorb.<br />
Blutüberströmt und kraftlos ließ man<br />
mich dann nach Hause gehen…“<br />
Heute ist es schwer, in China Ehefrauen<br />
oder Lebenspartnerinnen für<br />
junge Männer zu finden. Es gibt zu wenige<br />
Frauen. Oft wird die Ehefrau von<br />
den Eltern für den Sohn gekauft. Die<br />
Gesellschaft Chinas ist alt geworden,<br />
und das ist eine Bedrohung für die<br />
Wirtschaft.<br />
Im Jahr 2014 verfügen in China fast<br />
75 % der Menschen über eine mittlere<br />
Ausbildung, und das Land hat sich zu<br />
einer Weltfabrik für alles entwickelt.<br />
Trotzdem existiert noch immer ein<br />
großer Unterschied zwischen den großen<br />
Agglomerationen und der chinesischen<br />
Provinz. Noch vor Kurzem wurde<br />
eine Geschichte bekannt, die sich<br />
im Süden des Landes abgespielt hat.<br />
Ein Bauer und seine Frau begingen<br />
gemeinsam Selbstmord, weil sie für<br />
ihr Kind keine Banane kaufen konnten.<br />
Sie hatten kein Geld dafür. Gleichzeitig<br />
wurde die junge Generation in China<br />
sehr anspruchsvoll: wenn man in einem<br />
Beruf arbeiten soll, der zur Ausbildung<br />
nicht hundertprozentig passt,<br />
arbeitet man lieber gar nicht, sondern<br />
lebt weiter vom Geld der Eltern.<br />
Chinas Präsident Xi Jinping hatte<br />
seit seiner Machtübernahme im<br />
Frühjahr 2013 mehr als 60 neue<br />
Reformen angekündigt (siehe auch<br />
unseren Artikel „Der rote Adel“ in <strong>Matrix3000</strong><br />
Band 74). Im Zuge dieses Reformkurses<br />
hat der chinesische Staat<br />
auch die „Ein-Kind-Politik“ gelockert.<br />
Ist ein Elternteil selbst ein Einzelkind<br />
gewesen, darf das Ehepaar künftig<br />
zwei Kinder haben. Auch die Arbeitslager<br />
nach dem Vorbild der sowjetischen<br />
Gulags wurden formell abgeschafft.<br />
In Wahrheit erhielten sie jedoch nur<br />
neue Namen, z. B. „Rehabilitierungsanstalten<br />
für Drogenabhängige“. Menschenrechtsorganisationen<br />
im Westen<br />
bezeichnen daher die chinesischen<br />
Reformen als halbherzig.<br />
Heute reden Chinesen immer noch<br />
mit Verachtung über den Westen, vor<br />
allem natürlich über Amerika. Obwohl<br />
in diesen Ländern Zwangsabtreibungen<br />
unbekannt sind. Kooperation mit<br />
westlichen Firmen ist nicht gut angesehen.<br />
Man kann höchstens eine<br />
Übernahme einer westlichen Firma<br />
vollziehen. Allerdings muss die Firma<br />
freundlich darum bitten….<br />
Inzwischen ist der einstmals „goldene“<br />
Westen für die Chinesen<br />
zu arm geworden. Man kann auf<br />
alle, die im Westen leben, von oben<br />
herab schauen. Grell pinkfarbene<br />
Pullover „Made in China“, die allergisch<br />
wirken und aus einer synthetischen<br />
Mischung gemacht sind, die<br />
man lieber nicht kennen will, müssen<br />
wir schließlich alle kaufen, weil es<br />
kaum noch etwas anderes in unseren<br />
Textil-Kettenläden gibt. Dabei ist<br />
die chinesische Kultur sehr alt und<br />
reich an Tradition. Die Menschen in<br />
diesem Land sind für uns als Touristen<br />
freundlich und höflich. Aber die<br />
jüngste Geschichte Chinas erweckt<br />
bei vielen Menschen Furcht. Und wir<br />
kaufen unsere Pullover schweigend.<br />
Es ist „das Schweigen der ungeborenen<br />
Kinder“. ▀<br />
Vorsichtiger Reformkurs: Chinas<br />
Präsident Xi Jinping<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 19<br />
3000
Wissen<br />
In der Fernsehserie „Numb3rs“<br />
hilft der Mathematiker Charles<br />
Eppes dem FBI, Kriminalfälle<br />
„mathematisch zu lösen.“<br />
"Das Universum entstand, als<br />
Gott durch Null dividierte".<br />
(Quelle unbekannt)<br />
Welt ohne<br />
Null<br />
Unendlichkeit,<br />
Ewigkeit und die<br />
Welt dazwischen<br />
Franz Bludorf<br />
20<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Wissen<br />
Die Welt ohne Null<br />
Stellen Sie sich vor, Sie wachen eines<br />
Tages morgens auf, und kein Mensch<br />
weiß, was eine Null ist. Sie leben in<br />
einer Welt ohne Null. Wie würden Sie<br />
eine Zeitdauer von „30 Minuten“ einem<br />
anderen erklären? Was würde<br />
auf Ihrem 50-Euro-Schein stehen? In<br />
welcher Form könnten Sie Ihre Stromrechnung<br />
bezahlen? Wie würde die<br />
Börse funktionieren, und wie viele Liter<br />
Benzin dürften Sie tanken? Das alles<br />
natürlich ohne Null!<br />
Schwer vorstellbar, aber es gab<br />
Zeiten, als in unserer Welt eine<br />
Null überhaupt nicht bekannt<br />
war.<br />
In einer Welt der Ideen ist das Konzept<br />
„des Nichts“ eine der Schlüsselideen<br />
überhaupt. Es war schwer sich<br />
vorzustellen, dass „Nichts etwas sein<br />
könnte, was eine Bedeutung hat“.<br />
Die Einführung des Nullsymbols kam<br />
in Indien zustande. Die Inder hatten<br />
schon immer eine Vorstellung vom<br />
Nichtsein – dem „Nirwana“. Sie billigten<br />
diesem Konzept das gleiche Maß<br />
an Bedeutung wie dem des Seins zu.<br />
Aus Arithmetik wird Algebra<br />
Unser Dezimalsystem ist ein Stellenwertsystem. Man<br />
erhält den Wert einer Zahl nicht mehr durch bloße Addition<br />
der Ziffern, sondern die Bedeutung der einzelnen<br />
Ziffern hängt von ihrer Position innerhalb der Zahl ab.<br />
Eine solche höhere Mathematik geht über die simple<br />
Arithmetik der Antike mit der Quersummenbildung<br />
hinaus. Wir nennen es Algebra, und die ist ohne Null<br />
undenkbar. Algebraisch erweist sich unsere Stellenschreibweise<br />
als Kurzform einer sogenannten Polynomdarstellung.<br />
Eine Zahl wird als Summe der Potenzen<br />
der Basiszahl dargestellt, jeweils multipliziert mit<br />
ihrem Koeffizienten (wie oft ist der Einer / Zehner / Hunderter<br />
etc. vorhanden?).<br />
Nur die ganz rechts stehende Ziffer einer (ganzen) Zahl<br />
entspricht ihrem Ziffernsymbol. Die an zweiter Stelle<br />
von rechts stehende Ziffer muss mit der Basiszahl<br />
„Zehn“(„Zehn hoch Eins“) multipliziert werden. Die an<br />
dritter Stelle von rechts stehende Ziffer muss mit der<br />
Basiszahl zum Quadrat – „Zehn mal Zehn“ („Zehn hoch<br />
Zwei“ bzw. „Hundert“) multipliziert werden, die an vierter<br />
Stelle von rechts mit „Zehn mal Zehn mal Zehn“<br />
(„Zehn hoch Drei“ bzw. „Tausend“) usw. Da wir die Basiszahl<br />
kennen, reicht es aus, einfach nur die Liste der<br />
Koeffizienten zu notieren.<br />
3 * 10 3 + 5 * 10 2 + 4 * 10 1 + 8 * 10 0 (Polynomschreibweise)<br />
= 3 Tausender + 5 Hunderter + 4 Zehner + 8 Einer<br />
= 3548 (Koeffizienten- oder Stellenschreibweise)<br />
Die alten Römer hatten ein sehr einfaches Zahlensystem,<br />
das auf der Berechnung der Quersumme basiert.<br />
In den östlichen Religionen Es gab eigene Zahlsymbole für:<br />
betrachtet man das Nichts „Eins“ = I, „Fünf“ = V, „Zehn“ = X, „Fünfzig“ = L, „Hundert“<br />
= C, „Fünfhundert“ = D, „Tausend“ = M<br />
als einen Zustand, aus dem<br />
man kam und zu dem man usw. Die übrigen Zahlen muss man aus diesen Symbolen<br />
additiv zusammensetzen:<br />
zurückkehren würde.<br />
Das indische System des „Zwei“ = I I = I + I = „Eins“ plus „Eins“<br />
Zählens ist eine große geistige<br />
Innovation in der Ge-<br />
„Tausendeinhundertdreiundsechzig“<br />
„Zwölf“ = X I I = X + I + I = „Zehn“ plus „Eins“ plus „Eins“<br />
schichte. Es wurde überall = M C L X I I I<br />
in der Welt übernommen. = M + C + L + X + I + I + I<br />
Mit „unserem Liebling“ – = „Tausend“ plus „Hundert“ plus „Fünfzig“ plus „Zehn“<br />
der Null – selbstverständlich!<br />
Warum soll die Null<br />
plus „Eins“ plus „Eins“ plus „Eins“.<br />
eine moderne Art von „Liebling“<br />
sein?<br />
Auch die Mayas kannten die Null<br />
und haben sie in Form einer Muschel<br />
symbolisch dargestellt. Die Ägypter<br />
dagegen hatten kein Symbol für eine<br />
Bezeichnung der Null. Ungewöhnlich<br />
in diesem Kontext ist die Tatsache,<br />
dass sie die Potenzen der Zahl 10 als<br />
Hieroglyphen schon 2000 v. Chr. kannten.<br />
Ein umgedrehtes „U“ bedeutete<br />
„10“, ein Spiegelbild von „C“ – „100“<br />
und eine Lotusblüte – „1000“ .<br />
Die Chinesen<br />
übernahmen das<br />
indische System<br />
mit der Null und der<br />
mehrstelligen 9-Ziffern-Schreibweise<br />
im 8. Jahrhundert.<br />
In die jüdische Kultur<br />
wurde die indische<br />
Zählweise im 12.<br />
Jahrhundert eingeführt.<br />
Europa war damals<br />
noch „meilenweit“<br />
entfernt von<br />
dem Konzept einer<br />
Null. Die neuen Ideen<br />
holte man eher „von<br />
außen“, und so kam<br />
auf unterschiedlichen<br />
Wegen das dezimale<br />
Stellenwertsystem<br />
aus Indien<br />
nach Europa. Hier<br />
bezeichnete man die<br />
Null entweder mit einem<br />
Tupfen oder mit<br />
einem kleinen Kreis.<br />
Erst viel später –<br />
dank der arabischen<br />
Das Zahlensystem der alten Römer<br />
Italienische Kaufleute brachten<br />
unsere heutige Stellenschreibweise<br />
von den Arabern nach<br />
Europa.<br />
Kaufleute – machte sich das Wissen<br />
über die Null langsam auf den Weg<br />
nach Europa. Höchstwahrscheinlich<br />
haben die Italiener dann als erste die<br />
Null benutzt.<br />
Eine teuflische Zahl<br />
So wurde am Anfang die Null in Italien<br />
genannt. „Es soll verflucht werden!“<br />
Ein Gesetz der Bankierkorporation in<br />
Florenz im Jahre 1299 verbot die Benutzung<br />
der arabischen Zahlen und<br />
Rechnungssysteme, insbesondere der<br />
Null. Doch die tüchtigen italienischen<br />
Kaufleute wollten auf die bequeme<br />
Zahl Null nicht verzichten. Eine interessante<br />
Bestätigung für die Null ist<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 21
Wissen<br />
das alte italienische Buch „Liber abaci“.<br />
Es wurde 1202 von dem Mathematiker<br />
Leonardo von Pisa, genannt Fibonacci,<br />
herausgegeben. Seither kamen<br />
die indisch-arabischen und später die<br />
rein arabischen Zahlen in Gebrauch,<br />
doch noch drei Jahrhunderte lang<br />
existierten parallel zwei Zahlsysteme<br />
– das römische und das arabische System.<br />
Menschen, die weiterhin nur die<br />
römischen Zahlen verwendeten, nannte<br />
man damals „abacisti“, weil sie den<br />
Abacus benutzten. Die arabischen Zahlen<br />
wurden von deren „Gegnern“ benutzt,<br />
die man „algoristi“ nannte.<br />
Die Null – ihre Form und Namen<br />
Manche Historiker sind der Meinung,<br />
dass die Form der Zahl Null vom griechischen<br />
Buchstaben „Omicron“ abstammt.<br />
Dieser Buchstabe befindet<br />
sich am Anfang des Wortes „ouden“ und<br />
bedeutet „Nichts“. Die ältesten Formen<br />
der Null in Griechenland hatten runde<br />
Formen, die auf unterschiedliche Art<br />
verzerrt waren. Es ist aber auch durchaus<br />
möglich, dass die heutige Form der<br />
Null eine Art Evolution des Tupfens ist.<br />
Die Null hatte und hat in verschiedenen<br />
Sprachen unterschiedlichen<br />
Namen. Im Sanskrit bezeichnete<br />
man sie als „gagana“ (Raum),<br />
„sunya“ (Vakuum), oder „bindu“ (Punkt).<br />
Die Chinesen nannten sie „ling“. Die-<br />
Alt neben neu. Dieser Holzschnitt aus der<br />
„Margarita Philosophica“ von Gregor Reisch<br />
(1508) zeigt rechts einen „Abakisten“, der noch<br />
auf althergebrachte Weise rechnet. Neben<br />
ihm ein „Algorist“, der schon mit modernen<br />
arabischen Zahlen arbeitet.<br />
ses Wort bedeutete<br />
damals Wassertropfen,<br />
die nach einem<br />
Regen auf einem<br />
Gegenstand bleiben.<br />
Das heute bekannte<br />
„Zero“ kommt vom<br />
arabischen Wort<br />
„sifr“, das auf lateinisch<br />
„zephyrum“,<br />
später „zefiro“ und<br />
am Ende als „zero“<br />
sich herauskristallisierte.<br />
Im 13. Jahrhundert<br />
war das<br />
Symbol der Null<br />
„cifra“. In Italien galt<br />
damals die Bezeichnung<br />
„cifra in algorismo“<br />
als Synonym<br />
für einen Menschen<br />
ohne große Bedeutung.<br />
Wozu braucht man<br />
das Nichts?<br />
Die moderne Mathematik kann ohne<br />
Null nicht existieren. Auch die Computer,<br />
unsere täglichen Freunde, wären<br />
ohne Null eine große „Null“, nur anderer<br />
Art.<br />
Solange wir die Zahlen nur zum<br />
Abzählen realer Gegenstände<br />
benutzen,<br />
braucht man die Null<br />
überhaupt nicht. Wenn<br />
ein Bauer zum Beispiel<br />
seine Schafe abzählt,<br />
fängt er genau so bei<br />
eins an zu zählen (ein<br />
Schaf, zwei Schafe,<br />
drei Schafe...) wie wir<br />
es tun, wenn wir unser<br />
Geld im Portemonnaie<br />
zählen. Niemand, der<br />
keine Schafe besitzt,<br />
würde auf die Idee<br />
kommen, seine nicht<br />
vorhandenen Schafe<br />
zu zählen. Also braucht<br />
man auch keine Null.<br />
Das ändert sich,<br />
wenn wir wirklich<br />
rechnen und nicht nur<br />
abzählen wollen, bzw.<br />
wenn wir mit sehr großen<br />
Zahlen hantieren<br />
wollen. Ein Mann, der<br />
drei Schafe besitzt und<br />
sich das notieren will,<br />
der kann ganz einfach auf einen Zettel<br />
schreiben<br />
I I I<br />
und er sieht auf einen Blick, dass er<br />
drei Schafe besitzt. Ein reicherer Mann<br />
jedoch, der 100 Schafe besitzt, müsste<br />
analog schreiben:<br />
I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I<br />
I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I<br />
I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I<br />
Dieser Mann würde nicht unmittelbar<br />
erkennen, wie viele Schafe<br />
er besitzt, er müsste dazu die<br />
Striche erneut abzählen. Nun sagen Sie<br />
vielleicht: Er kann sich doch ganz einfach<br />
merken, dass er „hundert Schafe“<br />
besitzt. Reingefallen! Dieser Mann<br />
kennt im Moment das Wort „Hundert“<br />
noch gar nicht, er benutzt lediglich ein<br />
primitives Zahlsystem, durch das jede<br />
weitere Zahl durch einen zusätzlichen<br />
Strich gekennzeichnet ist.<br />
Also: Um mit großen Zahlsystemen<br />
zu hantieren, müssen wir zunächst einmal<br />
für bestimmte Zahlen eigene Namen<br />
einführen:<br />
I = „Eins“<br />
I I = „Zwei“<br />
I I I = „Drei”<br />
I I I I = „Vier” etc.<br />
Das Herz des Computers<br />
Kaum zu glauben, aber wahr: Durch Operationen mit<br />
nur zwei binären Ziffern (0 und 1), die eigentlich elektrische<br />
Zustände sind, kann das Herz eines Computer,<br />
der Prozessor, ganze virtuelle Welten erschaffen, vom<br />
einfachen Schreibprogramm bis zum dreidimensiona-<br />
len Videospiel.<br />
Die Abbildung zeigt eine stark vereinfachte Schaltung<br />
aus einem Taktgeber und drei digitalen Bauelementen,<br />
sogenannten T-Flipflops. Die drei elektrischen Zustände<br />
(„An/Aus“) an den Ausgängen z0, z1 und z2 werden<br />
als binäre Ziffern („Bits“) interpretiert. Sie durchlaufen<br />
gemeinsam im Zeittakt nacheinander die Zahlen von 0<br />
bis 7, d. h. alle Zahlen, die man mit drei Binärstellen<br />
darstellen kann. Mit Hilfe einer solchen Schaltung kann<br />
der Computer also zählen.<br />
22 MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Wissen<br />
Mit und ohne Null<br />
Obwohl uns die Namen der Zahlen<br />
vertraut sind, sind diese Namen natürlich<br />
willkürlich, ein Engländer würde<br />
sie „One“, „Two“, „Three“, „Four“ ...<br />
nennen, ein Franzose „Un“, „Deux“,<br />
„Trois“, „Quatre“ ... und ein Außerirdischer<br />
vom Epsilon-Eridani-System<br />
vielleicht „Urps“, „Quirk“, „Malf“,<br />
„Prumps“ ... All dies sind aber nur unterschiedliche<br />
Benennungen, die zur<br />
gleichen Mathematik führen.<br />
Da es unendlich viele Zahlen gibt,<br />
können wir aber nicht jeder Zahl<br />
einen eigenen Namen geben.<br />
Man gibt statt dessen nur bestimmten<br />
Zahlen einen Namen (z. B. „Neun“) und<br />
einigen auch ein Ziffernsymbol (entsprechend:<br />
„9“) und muss die übrigen,<br />
die keine eigenen Ziffernsymbole haben,<br />
aus diesen Symbolen zusammensetzen.<br />
Das führt zu höheren Zahlensystemen.<br />
Es kann mehr Zahlen mit<br />
eigenen Namen als Ziffernsymbole geben.<br />
In unserem Zahlsystem gibt es nur<br />
unterschiedliche Ziffern bis 9, es gibt<br />
aber größere Zahlen, die auch eigene<br />
Namen, aber kein eigenes Symbol haben,<br />
z. B. „Elf“, „Zwanzig“, „Hundert“,<br />
„Tausend“.<br />
Arme alte Römer!<br />
Das alte römische Zahlsystem war ein<br />
sogenanntes Additionssystem, also im<br />
Grunde eine Weiterentwicklung der<br />
Strichlisten. Man erhält den Wert einer<br />
Zahl, indem man die Zahlsymbole, aus<br />
denen sie besteht, addiert.<br />
Mathematisch nennt man<br />
das: die Quersumme bilden.<br />
Mit römischen Zahlen<br />
kann man durchaus rechnen,<br />
wenn auch etwas<br />
umständlich. Wer es sich<br />
leisten konnte, überließ<br />
damals das Rechnen seinen<br />
Sklaven.<br />
Die Römer kannten<br />
noch keine Null. Da sie allerdings<br />
ein funktionierendes<br />
Handelssystem hatten,<br />
stellt sich die Frage: Was<br />
machte ein Kaufmann,<br />
wenn er in seiner Kasse z.<br />
B. fünfhundert „Sesterzen“<br />
hatte und damit Waren für<br />
genau fünfhundert Sesterzen<br />
kaufte? Wie viel Geld<br />
hatte er hinterher? Wir<br />
wissen: 500 – 500 ergibt 0,<br />
also „Null“. Mit römischen<br />
Zahlen kann man so nicht<br />
rechnen. Allerdings wussten<br />
die Römer durchaus, was es bedeutet,<br />
wenn man nichts mehr hat. Also schrieb<br />
der Kaufmann damals ganz einfach in<br />
seine Bücher, dass er „kein Geld mehr“<br />
hatte, konnte dies aber nicht mehr mathematisch<br />
mit Zahlen ausdrücken.<br />
Hätte er statt dessen wirklich in seinem<br />
Zahlensystem mathematisch subtrahiert,<br />
hätte er als Resultat von 500-<br />
500 (römisch „D – D“) noch eine Sesterze<br />
herausbekommen (zu<br />
den Eigenheiten der<br />
römischen Subtraktion<br />
siehe Insert). Dies<br />
wäre allerdings keine<br />
Münze gewesen, die er<br />
real im Portemonnaie<br />
gehabt hätte, um sich<br />
davon ein Glas Wein zu<br />
kaufen! Die spinnen,<br />
die Römer!<br />
Bei uns heute – Null<br />
Problemo!<br />
Unser Zahlsystem<br />
funktioniert ganz anders.<br />
Es ist ein Stellenwertsystem.<br />
Das<br />
bedeutet, dass eine<br />
Ziffer je nach ihrer Position<br />
in einer größeren<br />
Zahl anders interpretiert<br />
wird.<br />
START A B ZIEL<br />
Wie groß ist die Entfernung zwischen „Start“ und „Ziel“?<br />
In unserer Mathematik zählen wir hierzu die Anzahl der<br />
Felder, die wir betreten müssen, um zum Ziel zu kommen.<br />
Das sind die Felder A, B und Ziel, also drei Felder.<br />
Das Feld Start zählen wir nicht mit, da wir dort ja<br />
schon stehen und es daher nicht neu betreten müssen.<br />
Die Entfernung zwischen Start und Ziel beträgt also drei<br />
Felder.<br />
Ein alter Römer hätte anders gezählt. Er würde zur<br />
Entfernungsmessung nicht die Anzahl der notwendigen<br />
Schritte zählen, sondern die Anzahl der Felder, in denen<br />
wir uns aufhalten. Er muss also das Startfeld mitzählen,<br />
so dass er auf eine Entfernung von vier Feldern kommt.<br />
Auf diese Weise kann bei einer Subtraktion im römischen<br />
Zahlsystem niemals Null herauskommen (die es<br />
ja dort auch nicht gibt).<br />
Wie groß ist dann aber die Entfernung vom Feld Start<br />
zum Feld Start? In unserer Mathematik wäre sie Null,<br />
weil wir uns überhaupt nicht bewegen müssen. Der<br />
Start ist gleichzeitig das Ziel. Ein alter Römer hätte dagegen<br />
nach seiner Mathematik die Entfernung von einem<br />
Feld zurückgelegt, obwohl er in Wahrheit stehengeblieben<br />
ist.<br />
Im einfachen Additionssystem der<br />
Römer bedeutet I I I ganz einfach<br />
„Drei“, weil man die drei Einsen addieren<br />
muss. Die vollkommen ähnlich<br />
aussehende Zahl 111 unseres Zahlsystems<br />
dagegen bedeutet nicht „Drei“<br />
sondern „Einhundertelf“. Nur die ganz<br />
rechts stehende 1 entspricht dem römischen<br />
I, während die links daneben<br />
stehende eine „Zehn“ ist und die ganz<br />
linke eine „Hundert“. In unserem Stellenwertsystem<br />
dürfen die Ziffern einer<br />
Zahl nicht einfach als Quersumme addiert<br />
werden, sondern sie müssen auf<br />
die sogenannte Basiszahl des Zahlsystems<br />
bezogen werden. Für uns ist das<br />
die Zehn (Dezimalsystem).<br />
In den einzelnen Stellen einer Dezimalzahl<br />
kommen immer nur Ziffern<br />
bis Neun vor. Ergibt sich bei einer<br />
Rechnung eine Stelle größer als Neun,<br />
muss man von dieser Stelle so oft Zehn<br />
abziehen, bis die Zahl wieder Neun<br />
oder kleiner ist, und dafür die nächstgelegene<br />
Stelle links entsprechend oft<br />
um Eins erhöhen. So kennen wir es<br />
alle vom schriftlichen Addieren.<br />
Der Preis dafür ist, dass wir jetzt<br />
die Null brauchen. Das Dezimalsystem<br />
funktioniert im Gegensatz zum<br />
römischen Additionssystem ohne Null<br />
nicht, ebenso jedes andere denkbare<br />
Stellenwertsystem. Der Grund ist ganz<br />
einfach. Nehmen wir an, wir wollen zu<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000<br />
23
Wissen<br />
Der Kontext bestimmt unsere<br />
Wahrnehmung. Je nach Blickrichtung<br />
lesen wir in der Mitte<br />
ein großes B oder die Zahl 13.<br />
Ähnliches geschieht bei Kippbildern.<br />
Im rechten Beispiel<br />
pendelt die Interpretation des<br />
Bildes ständig zwischen einem<br />
Frauenkopf und einem Saxophonspieler<br />
hin und her.<br />
der Zahl 99 die Zahl 9 hinzuaddieren.<br />
Wir alle wissen, was herauskommt:<br />
99 + 9 = „Neun Zehner“ plus „Neun<br />
Einer“ plus „Neun Einer“<br />
= „Neun Zehner“ plus „Achtzehn Einer“.<br />
Da aber „Achtzehn“ größer als<br />
„Neun“ ist, muss der Zehner erhöht<br />
werden:<br />
= „Zehn Zehner“ plus „Acht Einer“ .<br />
Da „Zehn“ größer als „Neun“ ist,<br />
muss der Hunderter erhöht werden:<br />
= „Ein Hunderter“ plus „Kein Zehner“<br />
plus „Acht Einer“<br />
Wie aber drücken wir eine Zahl, die<br />
„keinen Zehner“ hat, in unserer Stellenschreibweise<br />
aus?<br />
„Einhundertacht“ = 1?8, wobei das<br />
Fragezeichen besagt, dass wir noch<br />
nicht wissen, wie wir den „keinen Zehner“<br />
schreiben sollen. Hierfür definieren<br />
wir ein neues Ziffernsymbol, die 0<br />
mit Namen „Null“, die ausdrückt, dass<br />
diese Stelle nicht vorhanden ist. Damit<br />
schreiben wir<br />
„Einhundertacht“ = 108<br />
so wie wir es alle kennen. Wir brauchen<br />
also die Null, da wir sonst nicht<br />
alle Zahlen in unserem Stellenwertsystem<br />
darstellen können.<br />
Die Null – heute berühmt<br />
Man muss für ein Stellenwertsystem<br />
nicht die „Zehn“ als Basiszahl nehmen,<br />
sondern kann dazu auch jede andere<br />
Zahl wählen. Wenn man sich für eine<br />
Basiszahl entschieden hat, muss man<br />
für jede kleinere Zahl ein eigenes Symbol<br />
haben und stellt größere Zahlen<br />
durch eine Stellenschreibweise dar.<br />
Im Oktalsystem (Basiszahl 8) brauchen<br />
wir nur die Ziffern 0 bis 7, da die<br />
Acht als „10“ (ein Achter und null Einer)<br />
dargestellt wird.<br />
Die Zahl 99 im Oktalsystem wäre<br />
dargestellt als<br />
99 = 64 + 32 + 3 = „Eins“ mal „Acht<br />
mal Acht“ plus „Vier“ mal „Acht“ plus<br />
„Drei“ = 143.<br />
Bei den Sumerern war<br />
ein Sexagesimalsystem<br />
(zur Basis 60)<br />
üblich. Bis heute hat sich<br />
daraus in unserer Zeitrechnung<br />
die Stunde zu 60 Minuten<br />
zu je 60 Sekunden erhalten.<br />
Auch die Winkelsumme<br />
eines Vollkreises (360 Grad)<br />
ist sumerischen Ursprungs.<br />
Die Normannen des Mittelalters<br />
verwendeten ein<br />
Vigesimalsystem (zur Basis<br />
20), das sich teilweise bis<br />
heute in der französischen<br />
Sprache erhalten hat. So haben<br />
die Franzosen zum Beispiel bis heute<br />
kein eigenes Wort für „Achtzig“. Statt<br />
dessen sagen sie „Quatre-vingt“ („4<br />
mal Zwanzig“).<br />
Moderne Computer rechnen mit<br />
dem Binärsystem, also mit der Basiszahl<br />
2, und kommen daher nur<br />
mit zwei Ziffern aus: 0 und 1, die sich<br />
leicht durch physikalische Zustände<br />
auf Speicherchips darstellen lassen (z.<br />
B. „Strom aus“ und „Strom an“). Die<br />
Zwei wird bereits als „10“ (ein Zweier<br />
und null Einer) dargestellt. Die Zahl 99<br />
im Binärsystem hätte die Darstellung<br />
99 = 64 + 32 + 2 + 1<br />
= 1 * 2 6 + 1 * 2 5 + 1 * 2 1 + 1<br />
= 1100011<br />
Alle Stellenwertsysteme, egal welche<br />
Basiszahl wir benutzen, haben<br />
eines gemeinsam – sie brauchen eine<br />
Null, um zu funktionieren.<br />
Ob es in einer Welt ohne Null Computer<br />
gäbe, ist nicht so einfach zu beantworten.<br />
Zumindest keine, wie wir<br />
sie kennen. Auf jeden Fall liefern Berechnungen<br />
in Zahlsystemen ohne Null<br />
manchmal sehr seltsame Ergebnisse.<br />
Münzen, für die man<br />
nichts kaufen kann<br />
Zurück zu unserem Kaufmann aus<br />
Rom. Er hatte sein ganzes Geld ausge-<br />
geben, doch nach seiner Mathematik<br />
behielt er immer noch eine Sesterze<br />
übrig, für die er sich aber nichts kaufen<br />
konnte. Klingt irgendwie unlogisch?<br />
Genau. Die uns allen<br />
bekannte Logik ist tief verwurzelt<br />
in unserer Mathematik,<br />
und die baut nun einmal<br />
auf einem Zahlensystem<br />
mit der Null auf.<br />
Dementsprechend<br />
lagen für die Menschen<br />
im alten Rom zwischen<br />
Sonntag und Dienstag<br />
drei Tage, da der Sonn-<br />
tag mitgezählt wurde, und im Kalender<br />
folgte auf das Jahr Eins vor Christus<br />
sofort das Jahr Eins nach Christus, das<br />
erste Jahr des ersten Jahrhunderts. Es<br />
gab weder ein Jahr Null noch ein nulltes<br />
Jahrhundert. Da dieser Kalender<br />
bis heute gebräuchlich ist, führt das<br />
zu solchen Merkwürdigkeiten, dass<br />
ein Mensch, der 1960 geboren wurde,<br />
im 20. Jahrhundert das Licht der Welt<br />
erblickte (nicht im 19., wie es eigentlich<br />
naheliegend wäre), und dass das neue<br />
Jahrtausend nicht im Jahr 2000, sondern<br />
erst im Jahr 2001 begann.<br />
Mensch und Null<br />
Menschen, die irgendwo in ihrem Geburtsdatum<br />
die Zahl (bzw. den Zustand)<br />
0 tragen, müssen besonders behutsam<br />
behandelt werden und sind mit Vorsicht<br />
zu genießen. Sie tragen in sich<br />
die Idee der Unendlichkeit, und das bedeutet<br />
auch alles Unfassbare, sowohl<br />
Chaos als auch Ordnung, unbegrenzte<br />
Möglichkeiten, und zwar im positiven<br />
wie im negativen Sinne. Bei allen, die in<br />
ihrem tiefsten Innern eine Null tragen,<br />
kann man sagen – alles ist möglich, da<br />
alles vorhanden.<br />
Es ist natürlich ideal, wenn der<br />
Mensch sich der Möglichkeiten,<br />
die ihm die Null bietet, bewusst<br />
ist. Er kann dann seine Intuition, seine<br />
Intelligenz, sein ganzes Wissen über<br />
das, was andere nicht einmal ahnen,<br />
im besten Sinne für sich selbst und<br />
seine Umgebung nutzen. Wir brauchen<br />
diese Menschen, und sie sind reichlich<br />
vorhanden, denn seit 14 Jahren tragen<br />
alle neu geborenen Kinder mindestens<br />
eine Null im Geburtsdatum! Und so<br />
werden sie unsere Geschichte weiter<br />
schreiben, denn sie sind eine Art Rückkehrer<br />
auf unserem Planeten. Sie kamen<br />
aus der Unendlichkeit und gehen<br />
in die Ewigkeit – mit einer Null dazwischen.<br />
▀<br />
24 MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
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Wissen<br />
Wer schmeißt<br />
dem Mars?<br />
Grazyna Fosar<br />
Ein rätselhafter Stein auf dem<br />
Mars versetzt derzeit die wissenschaftliche<br />
Fachwelt in<br />
hellen Aufruhr. Auf einer feierlichen<br />
Präsentation zu Ehren des zehnjährigen<br />
Jubiläums der Marsmission „Opportunity“<br />
ließ die NASA die sensationelle<br />
„Katze“ aus dem Sack. Fast eine<br />
Schrödinger-Katze. Mal ist er da, mal<br />
nicht, der ominöse Stein. Wer um alles<br />
in der Welt schmeißt auf dem Mars<br />
mit Steinen?<br />
Aber jetzt von Anfang an. Der<br />
Marsrover „Opportunity“ ist so etwas<br />
wie ein Oldie des Weltraumzeitalters.<br />
Im Juli 2003 startete der kleine geländegängige<br />
Moppel seine Reise zu<br />
unserem Nachbarplaneten, den er<br />
am 25. Januar 2004 erreichte. Geplant<br />
war eine etwa dreimonatige Mission.<br />
Doch „Opportunity“ läuft wider Erwarten<br />
immer weiter … und läuft und läuft<br />
… und das nunmehr bereits seit zehn<br />
Jahren. Böse Zungen könnten hinzufügen:<br />
obwohl ihn die NASA gebaut<br />
hat. So kam es dazu, dass er kürzlich<br />
innerhalb von zwölf Tagen zwei Mal<br />
die gleiche Stelle der Marsoberfläche<br />
fotografierte und die Bilder zur Erde<br />
funkte.<br />
Die Sensation war perfekt. In der<br />
Mitte des neueren Fotos ist ein etwa<br />
faustgroßer Stein zu sehen, der zwölf<br />
Tage zuvor noch nicht da war. Und damit<br />
hat Houston mal wieder ein Problem,<br />
denn alle Welt erwartet nun von<br />
den Wissenschaftlern eine Erklärung,<br />
wie er dort hingekommen ist.<br />
Die ersten Hypothesen sind nicht<br />
immer die besten. Von einem<br />
Meteoriteneinschlag war die<br />
Rede oder von marsianischem Vulkanismus,<br />
einem sogenannten „rauchenden<br />
Loch“. Die Forscher selbst<br />
glauben an diese „Erklärungen“ mittlerweile<br />
nicht mehr, wie Projektleiter<br />
Steve Squyres betonte. Vorläufig einigte<br />
man sich darauf, der Marsrover<br />
selbst habe den Stein beim Fahren<br />
aus seiner Position gestoßen, wor-<br />
26<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Rechts: Dieser kleine Kerl soll bei 4 cm/s einen faustgroßen<br />
Stein um zwei Meter zur Seite geschleudert<br />
haben? Mit 1,60 Meter ist er weniger als mannshoch,<br />
dazu 1,50 Meter breit und 185 kg schwer, was auf dem<br />
Mars wegen der geringeren Gravitation sogar nur 70<br />
kg entspricht. (Computergrafik: NASA / JPL)<br />
Wissen<br />
Links: Die beiden im Abstand von 12 Tagen von „Opportunity“<br />
aufgenommenen Fotos als „Vorher-Nachher“-<br />
Gegenüberstellung. Im rechten Bild ist in der Mitte der<br />
zusätzliche Stein deutlich zu erkennen. Die Beschriftung<br />
„Sol“ am oberen rechten Bildrand ist die wissenschaftliche<br />
Bezeichnung für einen Marstag (der knapp 40<br />
Minuten länger ist als auf der Erde). Die erste Aufnahme<br />
wurde am 3528. Tag der Mission angefertigt, die zweite<br />
am 3540. Tag. Zwischen beiden Aufnahmen liegen also<br />
zwölf Marstage. Nach unserem irdischen Kalender<br />
geschah dies im zehnten Jahr der Mission. Auf dem<br />
Mars sind in diesem Zeitraum aufgrund seiner längeren<br />
Umlaufbahn um die Sonne erst etwas mehr als fünf<br />
Jahre vergangen. (Fotos: NASA / JPL)<br />
Steine auf<br />
auf er an die neue Stelle gerollt sei.<br />
Eine „Erklärung“, die allenfalls oberflächlichen<br />
Ansprüchen genügt. „Opportunity“<br />
ist kein Porsche, der mit<br />
Vollgas über einen Kiesweg brettert<br />
und dabei die Steinchen in alle Winde<br />
verstreut. Der Marsrover fährt mit<br />
einem Schneckentempo von maximal<br />
vier Zentimetern pro Sekunde. Sollte<br />
eine solche Geschwindigkeit wirklich<br />
ausreichen, um einen Stein, der kein<br />
„Kiesel“ ist, sondern immerhin faustgroß,<br />
um rund zwei Meter (so weit<br />
war der Stein von der Kameralinse<br />
entfernt) zur Seite zu schleudern oder<br />
zu rollen? Selbst wenn die Räder des<br />
Moppels an einer unwegsamen Stelle<br />
durchgedreht haben sollten, ist das<br />
kaum denkbar angesichts des ziemlich<br />
unebenen Geländes und der unregelmäßigen<br />
Form des Steins.<br />
Doch auch der Stein selbst gibt<br />
Rätsel auf. Er hat in der Mitte<br />
ein dunkles Loch, das laut<br />
NASA „rubinrot“ gefärbt ist. Seine<br />
Zusammensetzung ist untypisch für<br />
den Mars. Der Gehalt an Magnesium<br />
und Sulfur ist abnormal hoch, und<br />
der Stein enthält sogar doppelt so viel<br />
Mangan wie alles, was man bislang<br />
auf dem Mars entdeckte.<br />
Betrachtet man das ältere Foto –<br />
ohne den Stein – genauer, so sieht<br />
man an der Stelle, wo er später lag,<br />
eine flache, runde Vertiefung mit<br />
deutlich erkennbarem Rand. Hat sich<br />
womöglich – aus welchen Gründen<br />
auch immer – hier in Wahrheit eine<br />
Öffnung ins Marsinnere ausgestülpt?<br />
Die kraterförmige Umrandung des<br />
Loches würde<br />
dann nur wie ein<br />
durchlöcherter<br />
„Stein“ aussehen.<br />
Doch warum<br />
sollte sich<br />
hier der Boden<br />
geöffnet haben?<br />
„Opportunitys“<br />
Bordlabor fand keinerlei Hinweise,<br />
dass Gestein, Lava oder Rauch ausgestoßen<br />
worden wären. Der „Vulkanismus“<br />
ist wie gesagt längst vom<br />
Tisch.<br />
Niemand behauptet, während<br />
der besagten zwölf Tage sei<br />
ein kleines grünes Männchen<br />
vom Mars an diese Stelle gekommen<br />
und habe sie manipuliert. Doch Tatsache<br />
ist, dass auf dem roten Planeten<br />
mysteriöse Dinge vor sich gehen,<br />
für die die Wissenschaft bis heute der<br />
Öffentlichkeit keine glaubhafte Erklärung<br />
gegeben hat. ▀<br />
Auf unserem roten<br />
Nachbarplaneten gehen<br />
mysteriöse Dinge vor sich.<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 27
Quantessenz<br />
„Tanz-Kraftwerk“<br />
in den Niederlanden<br />
Beweist die Quantenphysik ein<br />
Leben nach dem Tode?<br />
Robert Lanza, Professor an der Wake<br />
Forest University School of Medicine<br />
in North Carolina, ging jetzt mit einer<br />
provozierenden Hypothese an die<br />
Öffentlichkeit. Seiner Meinung nach<br />
glauben die Menschen an den Tod nur,<br />
weil sie dazu erzogen wurden. Der Tod<br />
sei lediglich eine Erfindung unseres<br />
Bewusstseins und könne nach den Erkenntnissen<br />
der modernen Physik gar<br />
nicht existieren. Die klassische Wissenschaft<br />
hatte immer geglaubt, dass<br />
das Leben aus der Materie entstanden<br />
sei, und dass Bewusstsein letztendlich<br />
von den kohlenstoffbasierten Biomolekülen<br />
unseres Körpers hervorgebracht<br />
wurde. Nach dieser Ansicht leben<br />
wir eine Zeitlang auf Erden, dann<br />
stirbt der Körper und verrottet in der<br />
Erde, und mit ihm dann natürlich auch<br />
das Bewusstsein. Die Quantenphysik<br />
lehrt uns jedoch, so Lanza, dass es genau<br />
umgekehrt gewesen sein muss.<br />
Das Universum, wie wir es kennen, ist<br />
IceCube-Observatorium in der<br />
Antarktis -<br />
Foto: Emanuel Jacobi/NSF<br />
Erstmals galaktische<br />
Neutrinos nachgewiesen<br />
Forschern des IceCube-Projekts ist<br />
erstmals der Nachweis hochenergetischer<br />
Neutrinos gelungen. Insgesamt<br />
registrierte man 28 „Neutrino-<br />
Events“, bei denen man aufgrund der<br />
ein Produkt unserer Wahrnehmung.<br />
Letztendlich war also das Bewusstsein<br />
zuerst da, und die Materie wurde<br />
erst durch Bewusstseinsaktivitäten<br />
erschaffen. Zur Begründung führt<br />
Lanza das Prinzip der quantenphysikalischen<br />
Dualität an. Materie existiert<br />
in einer seltsamen Doppelnatur,<br />
zugleich Masse und im Raum ausgebreitete<br />
Welle zu sein - solange sie<br />
von niemandem beobachtet wird. Verfestigte<br />
Materie, wie wir sie kennen,<br />
kann daher nur als Sekundäreffekt<br />
durch den Vorgang des Beobachtens<br />
entstehen. In welcher Form wir dann<br />
das Universum wahrnehmen, ist im<br />
Grunde nur eine Bewusstseinskonvention<br />
und damit anerzogen. Wir sehen<br />
das, was man uns beigebracht hat<br />
zu sehen. Wenn das Bewusstsein aber<br />
eine Vorbedingung für die Entstehung<br />
„klassischer“ Materie ist, kann es<br />
nicht aus ihr heraus entstanden sein<br />
und auch nicht mit ihr „sterben“.<br />
Robert Lanza hat seine <strong>The</strong>orie des<br />
„Biozentrismus“ in seinem gleichnamigen<br />
Buch ausführlich erläutert.<br />
hohen Geschwindigkeit der Teilchen<br />
davon ausgehen muss, dass sie von<br />
außerhalb unseres Sonnensystems<br />
stammen. Mögliche Quellen könnten<br />
Pulsare, Supernovae, schwarze Löcher<br />
oder noch extremere kosmische<br />
Phänomene sein. Die extrem seltene<br />
„Saturday Night Fever“ anno 2014. Wenn im<br />
„<strong>Club</strong> Watt“ in Rotterdam so richtig die Post abgeht,<br />
kann der Inhaber gleich noch en passant die<br />
Batterien für seine Laserspots aufladen…<br />
Böse Zungen behaupten, die Ostfriesen<br />
würden sich mit Strom versorgen,<br />
indem sie zwei Mal täglich<br />
zum Strand gehen, um sich ein paar<br />
„Kilo Watt“ zu holen. Noch pfiffiger<br />
allerdings ist der Besitzer der Discothek<br />
„<strong>Club</strong> Watt“ in Rotterdam<br />
vorgegangen. Er berechnete, dass<br />
jeder Mensch beim Tanzen bis zu 10<br />
Joule Energie pro Sekunde erzeugt.<br />
Er ließ sich also einen sogenannten<br />
„Öko-Fußboden“ in den Dancefloor<br />
einbauen, der die Vibrationen beim<br />
Tanzen in elektrische Energie umsetzt.<br />
Auf diese Weise kann sich<br />
die ganze Discothek vollkommen<br />
autark mit Strom versorgen – und<br />
das auch noch vollkommen umweltfreundlich<br />
(wenn man vielleicht einmal<br />
vom Schweißgeruch der Tänzer<br />
absieht!!!).<br />
Beobachtung extrasolarer Neutrinos<br />
kann daher wertvolle Aufschlüsse<br />
über die Natur der genannten kosmischen<br />
Objekte geben.<br />
IceCube ist das weltgrößte Neutrino-<br />
Observatorium. Es befindet sich auf<br />
dem Gelände der Forschungsstation<br />
Amundsen-Scott direkt am Südpol.<br />
Die eigentlichen Neutrino-Sensoren<br />
sind tief im Festlandeis der Antarktis<br />
versenkt. Zur Beobachtung von Neutrinos,<br />
die aufgrund ihrer fehlenden<br />
elektrischen Ladung und äußerst<br />
geringen Masse kaum mit anderer<br />
Materie wechselwirken, benötigt man<br />
gigantische Masseansammlungen.<br />
Die Forscher gehen daher mit ihren<br />
Observatorien in das Innere von Bergen<br />
oder – wie hier – in die Tiefen des<br />
antarktischen Eises.<br />
Weiterführende Infos zum Projekt IceCube<br />
und Neutrinos: Fosar/Bludorf: Der Denver-<br />
Plan. Erscheint 2014.<br />
28<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Quantessenz<br />
Englands Atlantis<br />
Bild links: So könnten vorzeitliche Siedlungen<br />
in Doggerland ausgesehen haben. Rechts: Vor<br />
dem Ende der letzten Eiszeit erstreckte sich<br />
festes Land im Gebiet der heutigen Nordsee<br />
von England bis nach Südschweden.<br />
Thomas Ritter<br />
Englands Atlantis - eine verborgene<br />
Welt unter Wasser, einst<br />
verschlungen von den Fluten<br />
der Nordsee, wurde jetzt von Tauchern<br />
eines Forschungsteams der<br />
Universität von St. Andrews kartiert.<br />
Doggerland, ein riesiges Areal<br />
einst trockenen Landes, das sich von<br />
Schottland über Dänemark und zum<br />
heutigen Kanal erstreckte, versank<br />
zwischen 18.000 v. u. Z. und 5.500 v.<br />
u. Z. langsam, aber unaufhaltsam<br />
im Meer. Taucher im Dienst von Ölförderunternehmen<br />
entdeckten eine<br />
versunkene Welt, die einstmals zehntausende<br />
Menschen beherbergte und<br />
das wirkliche Kernland Europas darstellte.<br />
Ein Team von Klimatologen,<br />
Archäologen und Geophysikern hat<br />
inzwischen das Areal kartiert, welches<br />
Doggerland bildete. Basis dafür<br />
waren die von den Ölexplorern zur<br />
Verfügung gestellten Daten, welche<br />
die Rekonstruktion eines versunkenen<br />
Landes ermöglichte, das einmal<br />
auch von Mammuts bevölkert war.<br />
Dieses einstige europäische Kernland<br />
wurde offenbar von einem verheerenden<br />
Tsunami getroffen, davon sind die<br />
Forscher inzwischen überzeugt. Diese<br />
Riesenwoge war allerdings nur ein<br />
Teil des über Jahrtausende anhaltenden<br />
Prozesses, der letztlich zum Untergang<br />
von Doggerland führte.<br />
„Der Name bezieht sich auf die<br />
Dogger-Bank, meint aber jene Perioden,<br />
in denen die heutige Nordsee<br />
festes Land war”, sagt Richard Bates<br />
von der geologischen Fakultät der<br />
University of St. Andrews. „Vor rund<br />
20.000 Jahren hatten wir eine maximale<br />
Ausdehnung, als ein Großteil<br />
des Wassers in fester Form als Gletschereis<br />
gebunden war. Als dieses<br />
Eis schließlich schmolz, kam zwar<br />
mehr Land ans Tageslicht, aber der<br />
Meeresspiegel stieg auch. Durch die<br />
neuen, von den Ölförderern zur Verfügung<br />
gestellten Daten sind wir nunmehr<br />
in der Lage, das Aussehen der<br />
Landschaft zu rekonstruieren, ebenso<br />
die Fauna und Flora. Daraus wiederum<br />
lässt sich schließen, welche Menschen<br />
dort lebten. Heute glauben viele,<br />
das Ansteigen des Meeresspiegels<br />
sei eine Sache unserer Tage, doch das<br />
hat es schon oft in der Erdgeschichte<br />
gegeben.“<br />
Die versunkene Landschaft von<br />
Doggerland enthüllt den Wissenschaftlern<br />
um Dr. Richard<br />
Bates die Geschichte der Menschen<br />
dieses Landstrichs, der größer war<br />
als viele moderne europäische Staaten<br />
und nun auf dem Grund der Nordsee<br />
ruht.<br />
„Wir haben über die Existenz eines<br />
versunkenen Landes bereits seit<br />
geraumer Zeit spekuliert. Da gab<br />
es diese Knochenfunde, welche von<br />
Fischern überall in der Nordsee gemacht<br />
wurden. Aber erst seit der<br />
Zusammenarbeit mit den Ölfirmen<br />
sind wir in der Lage zu rekonstruieren,<br />
was da wirklich einst war. Als<br />
die ersten Daten hereinkamen, war<br />
ich noch der Meinung, dass sie uns<br />
wohl nichts Aussagekräftiges liefern<br />
würden. Doch nun haben wir ein Modell<br />
der Flora und Fauna erstellen<br />
können und sind in der Lage, uns ein<br />
Bild zu machen von den prähistorischen<br />
Siedlern, welche einst diese<br />
Landschaft bevölkerten. Wir beginnen<br />
zu verstehen, was sich hier für dramatische<br />
Veränderungen abgespielt<br />
haben, die das Antlitz des Kontinentes<br />
für immer veränderten.“<br />
Das Forschungsprojekt ist eine<br />
Gemeinschaftsarbeit zwischen St.<br />
Andrews und den Universitäten von<br />
Aberdeen, Birmingham, Dundee sowie<br />
der walisischen Trinity St. David<br />
University.<br />
Die Rekonstruktion Doggerlands<br />
zeigt ein ausgedehntes Areal mit<br />
Bergen und Tälern, ausgedehnten<br />
Marschgebieten, Seen und zahlreichen<br />
Flüssen. Als das Meer anstieg,<br />
wurden die Berge zu einem Archipel<br />
isolierter Inseln. Fossile Überreste<br />
lassen die Forscher nachvollziehen,<br />
welche Vegetation es einst in Doggerland<br />
gab.<br />
Die Wissenschaftler konzentrieren<br />
sich derzeit mehr auf die<br />
Suche nach Spuren menschlichen<br />
Lebens, etwa Begräbnisplätzen,<br />
megalithischen Anlagen oder Massengräbern<br />
für Mammuts.<br />
Dr. Bates meint: „Wir haben noch<br />
keinen spektakulären Fund zu verzeichnen,<br />
dafür aber jede Menge Artefakte<br />
und Indizien. Unsere Suche<br />
gleicht der nach der Nadel im Heuhaufen.<br />
Derzeit sind wir dabei, die<br />
vielversprechendsten Plätze für eine<br />
weitere Suche zu lokalisieren.“<br />
Es gibt offenbar noch viel zu entdecken<br />
in der versunkenen Welt<br />
Doggerlands. Die zahlreichen Geschichten<br />
um versunkene Inseln und<br />
Kontinente enthalten eben immer ein<br />
Körnchen Wahrheit.<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 29
Wissen<br />
Der "Ring des Nestor"<br />
- Unstimmigkeiten und<br />
Seltsamkeiten<br />
Das erfundene Reich der Minoer<br />
Archäologie<br />
fälscht<br />
Geschichte<br />
Erdogan Ercivan<br />
30<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014<br />
Die "Lady of Sports" -<br />
eine plumpe Fälschung,<br />
die nicht einmal aus<br />
echtem Elfenbein ist.
Wissen<br />
Gefälschter Siegelring<br />
Als der britische Kriminologe Howard<br />
Carter im November 1922 der<br />
Welt zum ersten Male den berühmten<br />
Tutanchamun-Fund aus dem<br />
Tal der Könige präsentierte, spielte<br />
der Archäologe Sir<br />
Arthur Evans alles<br />
mit den Worten herunter,<br />
dass „dies ja<br />
nur das Grab eines<br />
Pharao“ sei. „Uns<br />
erwarten ganz andere<br />
Wunder“, meinte<br />
er und verwies auf<br />
seine große Entdekkung<br />
der minoischen<br />
Kultur auf Kreta.<br />
Immerhin hatte er<br />
schon zwei Jahrzehnte<br />
zuvor den<br />
Palast von Knossos<br />
Sir Arthur Evans bei den<br />
Ausgrabungsarbeiten<br />
am Palast von Knossos,<br />
Kreta.<br />
ausgegraben und<br />
viele neue Artefakte<br />
einer geheimnisvollen<br />
eigenständigen<br />
Kultur am Mittelmeer<br />
vorgestellt. Dabei wähnte sich<br />
der Archäologe sogar lange Zeit auf<br />
den Spuren von Atlantis, was eine der<br />
größten Entdeckungen der Menschheit<br />
gewesen wäre. Inzwischen<br />
mutierten seine „geheimnisvollen<br />
Funde“ nicht nur zum Lehrfach an<br />
unzähligen Universitäten. Untersuchungen<br />
der heutigen Experten<br />
brachten leider auch vollkommen<br />
neue Erkenntnisse an den Tag, die die<br />
alten Artefakte in einem unseriösen<br />
Licht erscheinen lassen.<br />
Fälschungen auf der Spur<br />
Im Sommer 2013 analysierte Professor<br />
Jeffrey Hughey vom Hartnell Col-<br />
lege in Salinas (Kalifornien) die DNS<br />
von 100 minoischen Skeletten, die aus<br />
39 Gräbern aus der Nähe des<br />
Palastes von Phaistos<br />
stammten,<br />
und<br />
Skelettreste<br />
aus<br />
einer<br />
H ö h l e<br />
aus der<br />
zentral-<br />
kretischen Lasithis-Hochebene. Demnach<br />
stammen alle Kreter genetisch<br />
nicht aus Asien oder Afrika, sondern<br />
aus Europa. Wie kam es dann zu den<br />
ägyptischen Motiven in Evans Funden?<br />
Ganz offensichtlich wollte Evans,<br />
wie schon der Mecklenburger<br />
Hobbyforscher Heinrich Schliemann<br />
mit „Troja“, nur Homers „Ilias“<br />
beweisen. Haben wir es hier wirklich<br />
mit Überresten einer versunkenen<br />
kretischen Ur-Kultur zu tun, oder<br />
war alles eher eine Erfindung von<br />
windigen Betrügern, die nur Geld und<br />
Ruhm wollten?<br />
Aus einer anonymen Knossos-<br />
Schönheit, die 1901 gefunden wurde,<br />
machte Sir Arthur Evans einfach „La<br />
Parisenne“, die später sogar die Verpackung<br />
einer amerikanischen Orangen-Seife<br />
schmücken durfte und einer<br />
der wenigen echten Funde aus dem<br />
Grabungsbezirk ist. Sie spiegelt mit<br />
ihrer Frisur, ihrer Schminke und ihrer<br />
Kleidung wahrscheinlich das tatsächliche<br />
Aussehen der antiken Kreterinnen<br />
wieder, die einfach gestaltet waren.<br />
Unter vollkommen anderen Bedingungen<br />
entstanden dagegen die „Ladies<br />
in Blue“: Weder die Frisuren oder die<br />
Schminke noch die Kleidungsstücke<br />
sind bei ihnen authentisch. Selbst der<br />
Versunkene kretische Ur-Kultur<br />
oder alles nur eine Erfindung<br />
von windigen Betrügern?<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 31
Wissen<br />
Echte "Schlangengöttin"<br />
aus Babylon<br />
Die "Damen in Blau" -<br />
Schminke, Frisuren und<br />
Kleidung sind frei erfunden!<br />
Schmuck<br />
der Schönheiten ist nach den<br />
freien Fantasien des Restaurators<br />
entstanden und genauso minoisch wie<br />
die deutsche Hauptstadt Paris ist. War<br />
der zum Ritter geschlagene international<br />
anerkannte Archäologe Evans<br />
doch nur ein armseliger Fälscher?<br />
„Jeder Fund, ob echt oder falsch,<br />
bedarf, um glaubwürdig zu erscheinen,<br />
einer Story“, stellte schon der<br />
Prähistoriker Adolf Rieth vor Jahrzehnten<br />
fest. Nach Ansicht des Professors<br />
musste es stets eine „geheimnisvolle<br />
Fundgeschichte“ sein, mit<br />
der man genau die Aufmerksamkeit<br />
bekam, die einen „nach einem bedeutungsvoll<br />
wirkenden Fund“ sogar auf<br />
den Lehrstuhl katapultieren konnte.<br />
Nach diesem Kredo erhielt auch Evans<br />
angeblich den Besuch eines Priesters<br />
aus der Umgebung von Knossos, der<br />
ihm einen goldenen Siegelring brachte<br />
und berichtete, ein junger Schafhirte<br />
habe diesen an einer Weinrebe hängend<br />
vorgefunden. Unbeirrt und mit<br />
entschlossener Sicherheit vertrat der<br />
Archäologe die Ansicht, dass das der<br />
Ring eines Königs sein musste. Zwar<br />
ging der Kaufpreis für diesen Ring mit<br />
seinen Vorstellungen nicht konform,<br />
aber gegen eine Gebühr ließ er zwei<br />
Kopien davon anfertigen, weil er sich<br />
recht sicher war, dass das Grab des<br />
unbekannten<br />
Königs<br />
ganz in der Nähe des<br />
Fundorts liegen müsse.<br />
Es dauerte in der<br />
Tat nicht sehr lange,<br />
bis der Archäologe<br />
schließlich der Öffentlichkeit<br />
auch das sogenannte<br />
“Tempelgrab“ zu<br />
dem Siegelring präsentierte.<br />
„Es ist schwer zu sagen, wo die<br />
Minoer enden und wo Sir Arthur Evans<br />
beginnt“, sagt der kanadische Archäologe<br />
Alexander Joseph MacGillivray<br />
von der Columbia Universität. Vergleichend<br />
zur Rekonstruktion der minoischen<br />
Kultur müssen wir berücksichtigen,<br />
dass beispielsweise die gesamte<br />
ägyptische Archäologie auf der Öffnung<br />
der Pharaonengräber basiert. Es<br />
gibt aber kein einziges Grab mit einem<br />
„minoischen“ Herrscher auf Kreta, der<br />
historisch und zeitlich einzuordnen ist.<br />
Wunschvorstellungen<br />
und Unstimmigkeiten<br />
Der Schweizer Künstler und Antiquitätenhändler<br />
Emile Gilliéron, der<br />
sich 1879 auf Kreta niederließ, war<br />
der engste Verbündete von Sir Arthur<br />
Evans und seinen Ausgrabungen.<br />
Nachdem Gilliéron die Vorstellungen<br />
von Evans verinnerlicht hatte, nahm er<br />
die an ihn gestellte Herausforderung<br />
zur Ausschmückung der minoischen<br />
Kultur an, um die Welt an der Nase<br />
herumzuführen. Gilliéron restaurierte<br />
während dieser Zeit jedoch nicht<br />
nur für Evans Fresken der Wände des<br />
Palastes in Knossos, sondern betrieb<br />
mit seinen Söhnen ein lukratives Nebengeschäft.<br />
Sie stellten Kopien bedeutender,<br />
angeblich antiker Funde<br />
her und vertrieben sie erfolgreich<br />
an Sammler und Museen. Die deutsche<br />
Firma WMF (Württembergische<br />
Metallwarenfabrik AG) in Geislingen<br />
an der Steige war dabei ihr Verbündeter.<br />
Sie bot die Ware sogar über Katalog<br />
an: Ein Stierkopf kostete im Jahre<br />
1911 mehr als 300 Reichsmark. Die<br />
meisten großen Museen kauften die<br />
Repliken und stellten sie auch aus.<br />
„Meiner Ansicht nach wurde die<br />
uns heute bekannte und von einigen<br />
Archäologen als authentisch suggerierte<br />
Kultur der Minoer zwischen<br />
1900 und 1932 mit viel Geschick und<br />
Fantasie erfunden, woran Evans nicht<br />
ganz unbeteiligt war“, sagt der Kurator<br />
des Metropolitan Museums in New<br />
York, Sean Hemingway. So hat Evans<br />
im Fall des für die Öffentlichkeit heute<br />
gesperrten Tempelgrabs alle Teile des<br />
angeblichen Tempels willkürlich aus<br />
Beton gegossen und die Anlage einfach<br />
zur Befriedigung<br />
Fayence einer "Muttergöttin",<br />
die wieder<br />
einmal stilistische<br />
Merkwürdigkeiten<br />
aufweist.<br />
32<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Allenthalben wurden die kahlen Wände<br />
des Palastes von Knossos mit gefälschten<br />
Fresken ausgestattet (hier zwei Delphine).<br />
Wissen<br />
seiner persönlichen<br />
Vorstellungen zum Königsgrab erklärt.<br />
Auch die Malereien entstanden<br />
vollkommen eigenständig nach seinen<br />
Wunschvorstellungen und stammen<br />
in Wahrheit weder von den Minoern<br />
noch aus Griechenland. So wurden<br />
Palmwedel des Thronsaals in Knossos<br />
einfach mit Lilien übermalt. Auch die<br />
beeindruckenden Gemälde, die wir im<br />
Palast von Heraklion sehen, stammen<br />
von Künstlern des 20. Jahrhunderts,<br />
die allein winzige Bruchstücke vorfanden<br />
und sie kongenial im Stile ihrer<br />
Zeit ergänzten. Der amerikanische<br />
Professor Kenneth D. S. Lapatin sagt:<br />
„Weil sich die Funde, frei erfundenen<br />
Restaurierungen, Fälschungen und<br />
persönlichen Ansichten Sir Arthur<br />
Evans´ zu einem Gesamtbild ergänzten,<br />
das den damaligen Kunstmarkt<br />
perfekt bedienen konnte, sehen wir<br />
heute im wiedererrichteten Palast von<br />
Knossos eigentlich nur das besterhaltene<br />
und schönste Exemplar von<br />
Jugendstilarchitektur und Art déco in<br />
Griechenland.“<br />
Es war auch Evans, der in Thisbe<br />
zwei Gegenstände des Nestor<br />
von Pylos, der ein märchenhafter<br />
Herrscher der griechischen Mythologie<br />
war, entdecken durfte: Dabei<br />
handelt es sich um einen Siegelring<br />
und einen Kelch, die von Evans dem<br />
in Homers „Ilias“ eine Hauptrolle<br />
spielenden Helden zugesprochen<br />
werden. Damals schon waren einigen<br />
Fachleuten Unstimmigkeiten aufgefallen,<br />
wonach Evans einige Kritik ertragen<br />
musste. Unbeirrt versuchte er<br />
schließlich mit dem Kelch des Nestor,<br />
der unter Anderem vor dem Trojanischen<br />
Krieg den Streit zwischen Agam<br />
e m -<br />
non und Achilles schlichten<br />
wollte, nochmals zu trumpfen. Doch<br />
einigen Experten waren die Seltsamkeiten<br />
in formaler und inhaltlicher<br />
Hinsicht an dem Siegelring aufgefallen,<br />
die alles in ein fragwürdiges Licht<br />
rückten. Da half auch der Kelch mit<br />
seinem faden Beigeschmack nicht,<br />
weil es außer Evans noch keinem anderen<br />
Archäologen gelungen ist, einen<br />
Beweis für die Existenz Nestors<br />
zu erbringen.<br />
Gefälschte Schlangengöttinnen<br />
Schon Adolf Furtwängler bemerkte<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts, dass<br />
„viele Alabasterplastiken und andere<br />
Gegenstände nicht aus Kreta“<br />
stammten, sondern „gefälscht“ sein<br />
mussten. Während dieser Zeit gab es<br />
sehr viele archäologische Fälschungen,<br />
bei denen man nicht immer sofort<br />
die Nichtechtheit erkannte. Professor<br />
Eberhard Paul bemerkt 1962<br />
in seinem Buch „Die falsche Göttin“<br />
insbesondere die Gefahren der Fälschungsmöglichkeiten<br />
der kleinen<br />
Statuetten aus Fayence und Goldelfenbein,<br />
weil deren Echtheit noch viel<br />
schwerer nachzuweisen ist. Dabei<br />
lenkt er das Augenmerk des Lesers<br />
auf eine Fayencefigur aus Knossos,<br />
die sich im Museum in Kandia befindet<br />
und stilistische Merkwürdigkeiten<br />
aufweist. Die Muttergöttin trägt einen<br />
sechsfach übereinandergelegten Rock<br />
mit farbig gemusterten Streifen. Die<br />
waagerechten Stufen prägten innerhalb<br />
der Archäologie die Bezeichnung<br />
„Kretischer Stufenrock“ und verwunderten<br />
die Gelehrten. Richtige Kopfschmerzen<br />
verursachte den Trach-<br />
tenkundlern aber erst eine<br />
kleine Schürze, die über dem<br />
Rock vorn sowie hinten aufliegt.<br />
Nicht nur das Muster, sondern<br />
auch die Funktion ließ lange<br />
Zeit auf eine nachvollziehbare<br />
Erklärung warten. Dieser<br />
eigenartige Typus stehender<br />
Frauen trägt ein kurzärmeliges<br />
Jäckchen, aus dem die<br />
nackten Brüste der Damen<br />
hervorquellen. Das Motiv<br />
erinnert an Aphrodite-<br />
Astarte-Darstellungen,<br />
mit dem Unterschied,<br />
dass diese ihre Brutwarzen<br />
mit dem Zeigefinger<br />
und Daumen fassen, während<br />
das kretische Motiv<br />
zum Teil mit beiden<br />
Händen die<br />
Brust fasst.<br />
Z w e i -<br />
fellos<br />
gefälscht<br />
ist<br />
eine Figur<br />
aus Elfenbein<br />
der<br />
W a l t e r s<br />
Art<br />
Gallery<br />
in<br />
Baltimore:<br />
Sie<br />
sieht<br />
Gefälschte "Schlangengöttin"<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX<br />
aus Knossos<br />
33<br />
3000
Wissen<br />
Emile Gilliéron mit Arbeitern<br />
n i c h t<br />
nur wie eine Damenfigur<br />
aus einem Schachspiel aus, sondern<br />
trägt zudem eine unmögliche Krone und<br />
ein vollkommen missverstandenes Kostüm.<br />
Verblendete Expertenaugen<br />
Im Jahre 1927 machte das Fitzwilliam-<br />
Museum in Cambridge die Welt mit einer<br />
kretischen Neuerwerbung bekannt,<br />
die man für sehr bedeutend hielt. Die<br />
Plastik besteht zwar aus einem heimischen,<br />
aber für kretische Figurendarstellungen<br />
nicht gebräuchlichen Material.<br />
Es ist nicht Fayence wie bei den<br />
entsprechenden Figuren im Museum in<br />
Kandia, sondern ein roter harter Stein,<br />
der sich aber einfach bearbeiten lässt.<br />
Auch diese Figur trägt einen kretischen<br />
Stufenrock ähnlich der Knossos-Figur,<br />
nur mit dem Unterschied, dass bei dem<br />
oberen und unteren Rock die Rockstreifen<br />
nicht in senkrechte, sondern waagerechte<br />
Linien gegliedert worden sind.<br />
Während die Museumsexperten blind<br />
umher tappten, sorgten weitere stilistische<br />
Ungereimtheiten schließlich dafür,<br />
dass Eberhard Paul den Betrug entlarven<br />
konnte: “Die Figur in Cambridge hat<br />
zweifellos noch Schwestern. Der Hersteller,<br />
dem wir ein gutes Teil Geschick<br />
nicht absprechen können, wird wohl<br />
eine ganze Serie solcher Priesterinnen<br />
hervorgebracht haben.“<br />
1931 ersteigerte das Royal Ontario<br />
Museum in Toronto (Kanada) ebenfalls<br />
eine kretische Elfenbeinstatuette,<br />
die den sinnvollen Namen „Lady<br />
of Sports“ trägt. Dabei besteht die Figur<br />
überhaupt nicht aus Elfenbein, weil<br />
der Künstler, der sie anfertigte, dieses<br />
Material nur geschickt simuliert hat.<br />
Zudem wirkt die Figur, als ob sie gerade<br />
dem Fresko mit den Stierspringern<br />
entstiegen ist. Verwunderlich, dass ein<br />
mit vielen Expertenaugen ausgestattetes<br />
Museum auf solch einen Betrug<br />
überhaupt hereinfallen konnte. Es ist<br />
nämlich die Figur, die mit den ausgestreckten<br />
Armen hinter dem Stier steht<br />
und darauf wartet, den Springer aufzufangen.<br />
Das Bemerkenswerte bei<br />
dieser Figur ist ein goldener Schurz,<br />
der eigentlich nur von einer männlichen<br />
Figur getragen werden sollte:<br />
Genaugenommen ist es ein „Penis-<br />
Schutz“, um Verletzungen des „edlen“<br />
männlichen Körperteils vorzubeugen,<br />
und für eine „Lady of Sports“ ungeeignet.<br />
Etwas seltsam auch, dass auf dem<br />
Relief mit der Stiersprungszenerie die<br />
eigentümliche „Schutzkleidung“ ebenfalls<br />
wiedergegeben wird.<br />
C14-Untersuchungsergebnisse des<br />
Elfenbeins, die das Bostoner Museum<br />
an den „Schlangengöttinnen“ durchführen<br />
ließ, waren mehr als überraschend:<br />
Wären die Funde antik gewesen, hätte<br />
man das Elfenbein auf 1450 v.Chr. datieren<br />
müssen. Doch die tatsächliche Datierung<br />
lag bei 1450 nach Christi Geburt.<br />
Reine Künstlerware<br />
Tatsächlich wäre der Palast von Knossos<br />
ohne Emile Gilliéron nicht das,<br />
was er heute ist. Mittels seiner Rekonstruktionen<br />
half er dem Archäologen<br />
Evans, den kretischen Ruinen Leben<br />
einzuhauchen. Dabei gelang es ihm,<br />
ein Bild der Minoer zu schaffen, das es<br />
so gar nicht gegeben hat. Bei diversen<br />
Rekonstruktionen versuchten sie mittels<br />
Betonformen die angeblich längst<br />
verfallenen Holzsäulen wiederzugeben.<br />
Zudem formten sie nicht nur unzählige<br />
Stierhörner, Fundamente und gesamte<br />
Gebäudeteile planvoll, sondern entwarfen<br />
auch die „bunten“ minoischen Säulen<br />
aus Beton. Schließlich wurden noch<br />
zuvor überhaupt nicht vorhandene Malereien<br />
an die tristen und kahlen Palastwände<br />
kunstvoll angebracht. Auch bei<br />
der Rekonstruktion von Fresken nahm<br />
sich die „Fälscherbande“ viele Freiheiten.<br />
Sie erfanden vollkommen eigenständig<br />
den berühmten „Lilienprinzen“,<br />
der in Wahrheit aus den Bruchstücken<br />
dreier verschiedener Individuen zusammengesetzt<br />
wurde. Genauso gut hätte<br />
man daraus aber einen „Weihnachtsmann“<br />
basteln können. Das hätte vermutlich<br />
nicht passend ausgesehen,<br />
sodass die „Bande“ sich bei ihrem Vorhaben<br />
an Idomeneus orientierte. Der<br />
war ebenfalls ein mythologischer König<br />
von Kreta und einer jener griechischen<br />
Helden, die sich vor Troja in dem hölzernen<br />
Pferd verbargen. Als ein Freund<br />
Nestors war er es auch, der die Kreter<br />
in den Ruf brachte, geborene Lügner<br />
zu sein. Homer brachte ihn schließlich<br />
entfernt mit einer Lilie in Verbindung,<br />
was Evans und die Gilliérons selbstverständlich<br />
wussten. Idomeneus war<br />
gemäß der „Ilias“ ein Enkel des Minos<br />
und der Sohn des Deukalions, der Gatte<br />
der Meda und der Vater der Kleïsithyra<br />
sowie eines Sohnes, den er nach einem<br />
Gelübde tötete.<br />
Tatsächlich verbirgt sich hinter der<br />
Lilie das christliche Symbol und<br />
Geheimnis der „Muttergottheit“.<br />
Bis heute gilt die weiße Madonnen-Lilie<br />
(Lilium candidum) als Symbol für Reinheit,<br />
Mildtätigkeit und Keuschheit, was<br />
die wichtigsten Attribute der Jungfrau<br />
Maria waren. Auch der norwegische<br />
Merowingerkönig Chlodwig I. soll sich<br />
nach Bekehrung zum Christentum im<br />
5. Jahrhundert die Lilie als Wappenzier<br />
erwählt haben. Der Legende zufolge<br />
verliehen ihm den geheimnisvollen<br />
Nimbus Engel, und die Jungfrau Maria<br />
überreichte ihm die „Fleur-de-Lis“ nach<br />
ihrer Erscheinung – was im Übrigen die<br />
katholische Kirche heute noch immer<br />
bekräftigt. Und genau diese christlichen<br />
Überlieferungen und die Begeisterung<br />
für Homers Überlieferungen waren es,<br />
die den roten Faden bei den mehrere<br />
Jahrzehnte dauernden Grabungen von<br />
Sir Arthur Evans auf Kreta bildeten. Leider<br />
sah die Wahrheit bei der Suche einer<br />
tröstenden „Muttergottheit“ für Sir<br />
Arthur Evans noch etwas anders aus:<br />
Frauen hatten in seinem Leben immer<br />
eine wichtige, aber auch tragische Rolle<br />
gespielt. Seine Mutter starb, als er<br />
noch ein Kind war, und seine junge Frau<br />
verlor er bereits nach wenigen Jahren<br />
Ehe. Diese Verluste hatte der Engländer<br />
offenbar nie verwunden, sodass<br />
ihn bei seinen Ausgrabungen stets eine<br />
gewisse Traurigkeit begleitete. Deshalb<br />
verwundert es nicht, dass es nicht lange<br />
dauerte, bis er auf Kreta seine lang ersehnte<br />
Göttinnen finden konnte.<br />
Rückblickend wird ziemlich klar,<br />
dass Emile Gilliéron genau darüber Bescheid<br />
wusste, was Evans brauchte, um<br />
es ihm schließlich für viel Geld immer<br />
wieder aus seiner Fälscherwerkstatt<br />
zu liefern! ▀<br />
Erdogan Ercivan, Altertumsforscher und<br />
Journalist mit Schwerpunkt<br />
Ägyptologie, ist in Istanbul<br />
geboren und studierte<br />
in Berlin. Vorrangig<br />
beschäftigt er sich neben<br />
Klassischer Archäologie mit<br />
grenzwissenschaftlichen<br />
<strong>The</strong>men und Prä-<br />
Astronautik. 1998<br />
veranstaltete er den Ersten<br />
Weltkongresses über verbotene Archäologie.<br />
Bislang sind acht Bücher erschienen, die in<br />
verschiedene Sprachen übersetzt wurden.<br />
34 MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
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36<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
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Täglich wechselnd könnten<br />
wir die unterschiedlichsten,<br />
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zu uns nehmen. Neben heimischen<br />
Produkten ist alles frisch z.B. direkt<br />
aus Peru oder Japan und anderen<br />
von hier aus ziemlich weit in der Ferne<br />
liegenden Ländern, alles gesund und besonders<br />
nahrhaft. Dabei auch noch schlank<br />
machend und nicht zuletzt schön und glücklich!<br />
Also nur vom Feinsten…. Das alles selbstverständlich<br />
nur, wenn die Geldbörse es zulässt. Und selbstverständlich<br />
auch nur dann, wenn es einem nichts ausmacht, sich<br />
„veräppeln“ zu lassen. Man will sich doch - neben dem,<br />
was man sich sonst nicht gönnt - einfach, lecker und gut<br />
ernähren.<br />
Allerdings, aufgepasst! Neben den offiziellen Labels<br />
wie etwa dem sechseckigen BIO Siegel oder beispielsweise<br />
Demeter oder Naturland, prangen seit geraumer<br />
Zeit auch frei erfundene Aufkleberchen und Kennzeichnungen<br />
auf verschiedensten Produkten. Ob Eier, Bananen,<br />
Fisch oder Fleisch – sogar auf Chips-und Erdnussfliptüten<br />
wird indirekt Gesundheit suggeriert! Es ist dem Lebensmittelhandel<br />
offensichtlich egal: Hauptsache die Kundschaft<br />
glaubt, sich selber etwas Gutes zu tun, fein - und<br />
der Profit stimmt.<br />
Von einem solchen naiven Glauben sind jedoch bereits<br />
viele Menschen abgekommen. Und es werden immer<br />
mehr. Nicht nur hierzulande, nicht nur innerhalb Europas,<br />
sondern weltweit haben die Menschen die „Faxen dicke“<br />
und nehmen ihre Nahrungsmittel-Versorgung zu einem<br />
mehr oder weniger großen Teil selbst in die Hand. Da weiß<br />
man, was man hat.<br />
Der in dieser kleinen Serie bereits vorgestellte<br />
Schrebergarten ist in der Entwicklunghilfe-Diskussion<br />
beispielsweise ein <strong>The</strong>ma für Südafrika.<br />
Nach deutschem Vorbild sollen auch dort Parzellen gegen<br />
eine geringfügige Bezahlung zum Selbstanbau zur<br />
Verfügung gestellt werden. Das hat natürlich nichts mit<br />
Gartenzwerg-Kolonien zu tun, sondern schließt direkt an<br />
den Ursprung des Kleingartens an, nämlich dem „Armengarten“.<br />
Nicht nur in der Republik Dschibuti, einem sehr kargen<br />
und außerordentlich heißen Land in Ostafrika, werden<br />
sogenannte Schlüssellochgärten angelegt, um ganze<br />
Familien mit frischem Gemüse und Kräutern zu versorgen.<br />
Schlüssellochgärten sind Hochbeete, die von oben<br />
betrachtet wie Schlüssellöcher erscheinen. Sie sind von<br />
außen und ebenso durch einen kleinen Eingang aus der<br />
Mitte bearbeitbar und werden aus den vor Ort vorhandenen<br />
Materialien aus Stein gebaut. Der Clou ist die Art der<br />
Bewässerung, denn die erfolgt sozusagen von unten. In<br />
die unten angelegte Kompostschicht wird durch eine Art<br />
Trichter Wasser eingelassen. Wasser ist jedoch kostbar<br />
und rar, aber in diesem System kann und wird auch<br />
Brauchwasser (in einer solchen oder ähnlichen Gegend<br />
ganz ohne Spülmittel oder derartigem) dazu genutzt,<br />
denn Regenwasser gibt es eher selten. Die Kombination<br />
der Materialien Stein und Erde respektive Kompost<br />
lassen eine geringere Bewässerung inklusive natürlicher<br />
Düngung zu. Aufgrund der Höhe ist der Garten<br />
vor vielen Tierarten geschützt und<br />
obendrein auch für ältere Menschen<br />
geeignet, da man sich für die Pflege<br />
und Ernte nicht so tief herabbeugen<br />
muss.<br />
Besonders aber in den Großstädten<br />
auf der ganzen Welt rühren sich die<br />
Menschen und nutzen inzwischen<br />
ungefragt die kleinste Ecke, um etwas anzubauen, ein<br />
klein wenig Natürlichkeit in ihr Umfeld und auf ihren Teller<br />
zu bekommen. Dächer und Terrassen werden nicht nur<br />
begrünt, sie werden auch als Garten genutzt. So in London,<br />
Tokio, San Francisco, Washington, Berlin, Singapur<br />
und so weiter und so fort. Mitten in Roppongi Hills (Tokio,<br />
Japan) findet man kleine Reisfelder; in Berlin findet man<br />
auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof,<br />
jetzt: „Tempelhofer Freiheit“, Anbaukästen und große<br />
Pflanzschalen. Hier wachsen völlig unreglementiert von<br />
der Senatsverwaltung und somit nach eigenem Gusto<br />
Salate, Gemüse und Kräuter – und niemand klaut sie! In<br />
Detroit (USA) existieren insbesondere nach der amerikanischen<br />
Immobilienkrise Unmengen brachliegende ehemalige<br />
Wohnflächen und Häuser, die von der übrig gebliebenen<br />
Bevölkerung als Anbaufläche für frisches Gemüse<br />
genutzt werden: „Lots O’ Greens Neighborhood Garden“<br />
ist ein gutes Beispiel dafür. Gleichermaßen die „New York<br />
Rooftop Farm“, wo Menschen noch ins Staunen geraten,<br />
weil sie noch nie Gemüse haben wachsen sehen. Gibt’s<br />
ja alles im Supermarkt. Fertig, geputzt, abgepackt. Von<br />
der Erfahrung, selbst angebaut, gepflegt und geerntet zu<br />
haben, berichten alle Menschen, weltweit, mit tiefstem<br />
Wohlwollen und Glück. Ein wunderbares Gefühl, der Industrie<br />
ein Schnäppchen geschlagen zu haben auf der einen<br />
Seite, auf der anderen Seite die Genugtuung, seine eigenen<br />
Vorstellungen und Vorlieben mit der Liebe zur Natur<br />
in die Tat umgesetzt zu haben.<br />
Wem all diese Hinweise und Anregungen dieses<br />
Dreiteilers zwar gefallen, aber aufgrund seiner<br />
Lebenssituation nicht in der Lage ist, selbst Hand<br />
anzulegen, dem sei noch ein weiterer Tipp auf den Weg<br />
gegeben: Der Gemeinschaftsbauer. (Leider nicht alltäglich,<br />
also nur in bestimmten Gegenden, was eruiert werden<br />
muss.) Hier kann man einem hauseigenen Verein<br />
beitreten, der jährlich die Betriebskosten des Hofs kalkuliert.<br />
Die Mitglieder des Vereins bringen gemeinsam diese<br />
Kosten auf und erhalten im Gegenzug alles, was der Hof<br />
produziert. Nicht schlecht, bei etwa 100,- Euro im Monat.<br />
Man weiß, woher es kommt, Nachhaltigkeit ist garantiert<br />
(und lässt sich auch nachvollziehen!). Vielfalt ist natürlich<br />
inbegriffen. Vom Ei über Fleisch zum Gemüse und Obst.<br />
„Had enough of all these concrete<br />
Gonna get me some dirt-road backstreet” [Guy Clark] …<br />
Um sorglos und eigenständig zu bepflanzen. Sich an der<br />
Natur zu erfreuen. Zu genießen. Alles. ▀<br />
kleingarten-bund.de, n-tv.de, johanniter.de,<br />
hobby-garten-blog.de, zeit wissen 01/2013,<br />
zeit.de/mut-zur-nachhaltigkeit<br />
Ökologie<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 37
Gesundheit<br />
D a s W i s s e n<br />
v o m g u t e n<br />
L e b e n<br />
Ayurveda: altbewährt und auch bei uns geschätzt<br />
Birgit Frohn<br />
38<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Kaum eine alte Medizintradition<br />
hat sich hierzulande so hervorragend<br />
etabliert wie das „Wissen<br />
vom guten Leben“, wie Ayurveda<br />
übersetzt heißt. Dafür gibt es<br />
gute Gründe. Einer davon sind<br />
die umfassend guten Wirkungen<br />
des Pancha Karma, der ayurvedischen<br />
Reinigungsbehandlungen.<br />
Ayurveda ist die traditionelle<br />
indische Medizin, deren<br />
Wurzeln bis in das dritte<br />
Jahrtausend vor Christus zurückreichen<br />
– zugleich medizinische<br />
Lehre und Lebenskunst. Denn obwohl<br />
die Medizin einen bedeutenden<br />
Stellenwert im Ayurveda hat, ist<br />
er nicht nur heilkundlich ausgerichtet.<br />
Vielmehr erfassen seine Konzepte alle<br />
Aspekte des täglichen Le bens und finden<br />
so in gesunden wie kranken Tagen<br />
gleichermaßen Anwendung.<br />
Ayurveda bildet die Basis vieler<br />
Heilsysteme außerhalb Indiens, etwa<br />
der traditionellen chinesischen Medizin.<br />
Auch unsere abendländi sche<br />
Medizin wurde entscheidend vom ayurvedischen<br />
Wissensgut beeinflusst.<br />
So ist beispielsweise von den Ärzten<br />
der Hippokratischen Schule überliefert,<br />
dass sie in enger An lehnung an<br />
die ayurvedische Lehre behandelten.<br />
Entsprechend wird Ayurveda auch als<br />
„Mutter der Medizin“ bezeichnet.<br />
Zwischen Tradition und Moderne<br />
Diese hat trotz ihrer langen Historie<br />
nichts an Aktualität eingebüßt: Nachdem<br />
die traditionelle Medizin Indiens<br />
im Zuge der britischen Kolonialherrschaft<br />
an Be deutung verloren hatte, ist<br />
sie längst wieder fe st im Gesundheitswe<br />
sen integriert.<br />
In den 1990er Jahren wurde man<br />
schließlich auch in unseren Breiten<br />
der seit zahllosen Generationen bewährten<br />
Heilkunde gewahr. Die wachsende<br />
Verdrossenheit über die moderne<br />
westliche Schulmedizin ebnete<br />
Ayurveda seinen Weg: Das enttäuschte<br />
Vertrauen und die Unzufriedenheit<br />
mit konventionellen 0815-<strong>The</strong>rapien,<br />
oft hoch technisiert, verhalfen dem<br />
Import aus dem fernen Osten zu einem<br />
bemerkenswerten Siegeszug.<br />
Als moderne Ganzheitsmedizin kann<br />
er Antwort auf Fragen geben und Lükken<br />
schließen, welche die westliche<br />
Schulmedizin offen lässt. So bietet<br />
Ayurveda beispiels weise wirk same<br />
<strong>The</strong>rapieansätze gegen eine Reihe von<br />
Erkrankun gen, bei deren Behandlung<br />
Die drei Dosha<br />
Basis des Ayurveda ist die Lehre von den<br />
drei Dosha Vata, Pitta und Kapha: biologische<br />
Prinzipien oder Bio energien, die<br />
alle Vorgänge in unserem Organismus<br />
unterstützen und steuern. Da die Dosha<br />
von Geburt an bei jedem Menschen in<br />
einem individuellen Verhältnis angelegt<br />
sind, geht man von unterschiedlichen<br />
Konstituti ons-Typen aus. Sie erlauben<br />
Aussa gen über die Disposition eines<br />
Menschen – damit über seine gesundheitlichen<br />
Schwächen und Stärken. Alle<br />
ayurvedischen Behandlungen zielen darauf<br />
ab, das Gleichgewicht der Dosha zu<br />
erhalten oder wieder herzustellen. Denn<br />
dieses gilt als grundle gende Voraussetzung<br />
für Gesundheit.<br />
der westlichen Medizin bislang Grenzen<br />
gesetzt sind – eine sinnvolle Ergänzung.<br />
Die zudem stets den Menschen mit allem,<br />
was ihn ausmacht, auf ihn einwirkt<br />
und umgibt, berücksichtigt. Nicht umsonst<br />
hat sich Ayurveda einen festen<br />
Platz zwischen Tradition und Moderne<br />
erobert.<br />
Die „fünf Handlungen“<br />
Der breitgefächerte ayurvedische Behandlungskanon<br />
umfasst unter anderem<br />
zahlreiche phytotherapeutische Anwendungen<br />
und diätetische Maßnahmen.<br />
Eine der wichtigsten Säulen, auf denen<br />
die traditionelle indische Medizin ruht,<br />
sind die reinigenden und entgiftenden<br />
Behandlungen im Zuge des Pancha Karma.<br />
Angesichts seiner herausragenden<br />
Bedeutung wird er vielfach auch als Herz<br />
der ayurvedischen Medizin bezeichnet.<br />
Übersetzt bedeutet Pancha Karma<br />
„fünf Handlungen“, schließlich<br />
handelt es sich dabei um einen<br />
fein aufeinander abgestimmten Zyklus<br />
mehrerer Behandlungen. Diese sind das,<br />
was die meisten Menschen hierzulande<br />
mit Ayurveda verbinden: Ölmassagen,<br />
Ölbäder, Ölgüsse, Öl.... Vollkommen zu<br />
Recht, denn bei den Anwendungen des<br />
Pancha Karma spielen Öle in der Tat eine<br />
wichtige Rolle.<br />
Umfassende Elixiere<br />
Die Behandlungen des Pancha Karma<br />
haben auf Körper, Geist und Seele gleichermaßen<br />
umfassende positive Effekte.<br />
Sie dienen der intensiven Entschlackung<br />
und dem Abbau schädlicher Rückstände<br />
und Schlackenstoffe in den Körpergeweben<br />
und Organen. Weiterhin erhöhen sie<br />
die Aktivität des Immunsystems, regen<br />
die körpereigenen Selbstheilungskräfte<br />
an und harmonisieren das Nerven- und<br />
Hormonsystem. Zugleich werden die Dosha<br />
nachhaltig ausgeglichen.<br />
Gesundheit<br />
Pancha Karma dient jedoch<br />
nicht „nur“ der Erhaltung der<br />
Gesundheit, sondern auch der<br />
Schönheit. Denn die verwendeten Öle<br />
pflegen und regenerieren die Haut<br />
und die beruhigende, harmonisierende<br />
Wirkung der Massagen steigert die<br />
seelische Stabilität – was sich im Spiegelbild<br />
vorteilhaft bemerkbar macht.<br />
Vor dem Hintergrund all dessen<br />
finden die <strong>The</strong>rapien des Pancha<br />
Karma auch hierzulande zunehmend<br />
Anklang, auch in Fachkreisen: Immer<br />
mehr westliche Mediziner messen<br />
den altbewährten Behandlungen eine<br />
wichtige Bedeutung bei. Allen voran<br />
bei der Behandlung von chronischen<br />
Erkrankungen, neuro vegetativen Störungen<br />
sowie von psychosomatisch und<br />
psychisch bedingten Beschwerden. Aber<br />
auch zu deren Vorbeugung, denn durch<br />
die Behandlungen des Pancha Karma<br />
kann die Manifestation vieler körperlicher<br />
und psychischer Beschwerden im<br />
Vorfeld verhindert werden.<br />
Bekannte Klassiker<br />
Zu den hierzulande bekanntesten Anwendungen<br />
des Pancha Karma zählt<br />
zweifelsohne der Stirnguss mit Öl,<br />
Shirodhara. Kaum ein Bericht über<br />
die traditionelle indische Medizin verzichtet<br />
auf eine Abbildung davon. Die<br />
Anwendung ist aber auch wirklich ein<br />
Highlight: In kontinuierlichem Strom<br />
ergießen sich erwärmte und mit heilkräftigen<br />
Kräuteressenzen versetzte<br />
Öle auf die Mitte der Stirn, dem so genannten<br />
„dritten Auge“. Das sorgt für<br />
eine tief gehende Entspannung, die<br />
Shirodhara zum Erlebnis für die Sinne<br />
macht.<br />
Ebenso populär ist inzwischen Samvahana,<br />
die Synchronmassage. Dabei<br />
massieren vier oder sechs geschickte<br />
Hände den gesamten Körper von oben<br />
bis unten mit warmen Ölen – und dies in<br />
vollkommen synchroner Übereinstimmung<br />
der Bewegungen. Das macht Samvahana<br />
zu mit der angenehmsten unter<br />
den Pancha-Karma-Behandlungen. ▀<br />
Birgit Frohn ist Diplom-Biologin mit den<br />
Interessensschwerpunkten Humangenetik,<br />
Neurophysiologie und<br />
Pharmazie. Sie arbeitet<br />
als Pressereferentin<br />
für Apotheker- und<br />
Ärztevereinigungen<br />
sowie publiziert in großen<br />
Tageszeitungen und<br />
Magazinen, darunter<br />
Frankfurter Rundschau, Focus,<br />
Süddeutsche Zeitung u. a.<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 39
Gesundheit<br />
Placebos<br />
und Nocebos<br />
Gesundheitliche Wirkungen positiver und<br />
negativer Nachrichten<br />
Ralf Lehnert<br />
Im vergangenem Jahr veröffentlichten<br />
der Mainzer Gesundheitspsychologe<br />
Dr. Michael Witthöft und<br />
sein englischer Kollege G. James<br />
Rubin im „Journal of Psychosomatic<br />
Research“ eine bemerkenswerte<br />
Studie: Die beiden Wissenschaftler<br />
zeigten 76 Teilnehmern eine BBC-<br />
Dokumentation über die gesundheitsschädigenden<br />
Wirkungen<br />
von WLAN-Strahlung. Eine zweite<br />
Gruppe von 71 Personen sah zum<br />
Vergleich einen Film über die Datensicherheit<br />
im virtuellen Netz.<br />
Später verkabelten die Wissenschaftler<br />
die Köpfe der Teilnehmer,<br />
um angeblich die Auswirkungen<br />
von WLAN-Signalen auf das Gehirn<br />
zu messen. Obwohl sie hinterher<br />
nur so taten, als würden sie ein<br />
drahtloses Netzwerk anschalten,<br />
klagte eine Reihe von Versuchsteilnehmern<br />
– vor allem aus der ersten<br />
Gruppe - über Kribbeln in den Extremitäten,<br />
innere Unruhe, Konzentrationsstörungen<br />
und Unwohlsein.<br />
Zwei Teilnehmer aus dieser Gruppe<br />
brachen den Versuch sogar vorzeitig<br />
ab, da sich ihre Symptome<br />
sehr heftig äußerten. Bereits früher<br />
durchgeführte Untersuchungen<br />
im Kernspintomographen bestätigen,<br />
dass solche Empfindungen<br />
der Studienteilnehmer keineswegs<br />
oberflächlicher Natur sind. Denn<br />
sie korrelieren mit einer deutlichen<br />
Aktivität der schmerzverarbeitenden<br />
Hirnregionen und sind somit<br />
neurobiologisch und somatisch lokalisierbar<br />
und verankert.<br />
Freilich sollten diese Forschungsergebnisse<br />
nicht dazu<br />
missbraucht werden, tatsächliche<br />
Beeinträchtigungen, die von<br />
elektromagnetischen Feldern ausgehen,<br />
herunterzuspielen oder gar<br />
als Einbildung abzutun, was hieße,<br />
tatsächliche Gefahren schönzureden.<br />
Erst jüngste Experimente zeigen,<br />
dass Kressesamen in unmittelbarer<br />
Nähe von Routern schlechter<br />
keimen als in strahlungsfreien Räumen.<br />
Die tatsächlichen Gefahren auf<br />
der einen Seite sowie die durch die<br />
Medien verursachte emotionale und<br />
mentale Ummantelung auf der anderen<br />
Seite sind zwei paar Schuhe.<br />
Die Umkleidung der Umstände<br />
Zahlreichen Philosophen, Psychologen,<br />
Schriftstellern und <strong>The</strong>rapeuten<br />
ist dieser große Einfluss, den<br />
die emotionale und mentale Überformung<br />
auf unsere eigentlichen<br />
Erlebnisse ausübt, bewusst: „Nicht<br />
die Dinge an sich, sondern unsere<br />
Sichtweise auf die Dinge ist es, was<br />
uns beunruhigt“, erkannte bereits<br />
der griechische Philosoph Epiktet,<br />
und die Wiener Dramatikerin Marie<br />
von Ebner-Eschenbach formulierte:<br />
„Nicht, was wir erleben, sondern<br />
wie wir empfinden, was wir erleben,<br />
macht unser Schicksal aus.“ Es sind<br />
vor allem unsere Konditionierung<br />
und Sozialisation, die vornehmlich<br />
durch unsere Erziehung, Kultur<br />
sowie die Medien erfolgen, die die<br />
Wahrnehmung unserer Erlebnisse<br />
überformen.<br />
Die medizinische<br />
Placebo-Forschung<br />
Auch die Medizin kennt diese<br />
Einflussfaktoren. Sie nennt<br />
sie Placebo („Ich werde gefällig<br />
sein“) und Nocebo („Ich<br />
werde hinderlich sein“).<br />
Innerhalb der Medikamentenforschung<br />
bewerten die<br />
Wissenschaftler diese Wirkkräfte<br />
als störend, da sie die<br />
Untersuchungen zur Wirksamkeit<br />
des eigentlichen Präparats<br />
erschweren. Die praktische<br />
Medizin hingegen erkennt<br />
zunehmend ihren Wert an. Denn<br />
durch die vom Mittel und/oder dem<br />
Arzt geschürte Erwartungshaltung<br />
produziert der Körper selbst Stoffe,<br />
die zwar in der Regel nicht identisch<br />
sind mit denen des Medikaments,<br />
doch genau das gleiche Ziel verfolgen.<br />
Oft übertreffen die dadurch<br />
40<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
vorzeitig ab, da s<br />
ihre Symptome s<br />
Konzentrationss<br />
Gesundheit<br />
gen und Unwohl<br />
Zwei Teilnehme<br />
dieser Gruppe b<br />
den Versuch sog<br />
heftig äußerten.<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 41
Gesundheit<br />
42<br />
ausgelösten intrinsischen Reaktionen<br />
in ihrer Wirksamkeit sogar die des<br />
eigentlichen Mittels. Forscher gehen<br />
heute davon aus, dass 70 Prozent<br />
der Symptomverbesserungen nach<br />
der Verabreichung von Arzneien auf<br />
Placebo-Effekten beruhen. Entsprechendes<br />
gilt für den Nocebo-Effekt, die<br />
abträglichen Nebenwirkungen. Auch<br />
diese können durch die Erwartungshaltung<br />
verstärkt oder überhaupt erst<br />
hervorgerufen werden. Der genaue<br />
Wirkzusammenhang des Placebos ist<br />
allerdings noch nicht erforscht sowie<br />
mit dem wissenschaftlichen Weltbild<br />
bislang nicht vereinbar.<br />
Ein aufschlussreicher Suizid-<br />
Versuch<br />
Der amerikanische Psychiater Roy R.<br />
Reeves berichtete 2007 in der Fachzeitschrift<br />
„General Hospital Psychiatry“<br />
von seinem e r s t a u n -<br />
l i c h e n<br />
Fall:<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014<br />
Nach einer Beziehungstrennung fiel<br />
der 26jährige Student Derek Adams<br />
in eine schwere Depression. Als ein<br />
erneutes Gespräch mit seiner ehemaligen<br />
Partnerin im Streit endete,<br />
schluckte er einen ganzen Monatsvorrat<br />
an Tabletten. An diese war er<br />
gelangt, weil er als Proband an einer<br />
Arzneimittelstudie teilnahm. In Folge<br />
sackte sein Blutdruck ab, seine Atmung<br />
beschleunigte sich, und Schocksymptome<br />
machten sich bemerkbar.<br />
Von Panik gezeichnet, ließ sich der<br />
Student in die Klinik einliefern. Die<br />
Ärzte rangen um sein Leben und stabilisierten<br />
seinen Kreislauf durch Infusionen.<br />
Doch sobald sie die Dosis<br />
verringerten, verschlechterte sich sein<br />
Zustand wieder.<br />
Was weder der Student noch die<br />
behandelnden Ärzte wussten:<br />
Der Student gehörte hinsichtlich<br />
der pharmazeutischen Studie<br />
zur Vergleichsgruppe und hatte nur<br />
Scheinmedikamente erhalten. Erst als<br />
der alarmierte Leiter der Pharmastudie<br />
den Behandlungsraum betrat und<br />
eröffnete, dass der Patient lediglich<br />
im Besitz von Placebo-Tabletten war,<br />
besserte sich sein Zustand - und zwar<br />
innerhalb von 15 Minuten. Auch hier<br />
ist bemerkenswert: Die Information<br />
des Studienleiters hat mehr bewirkt<br />
als die medizinischen Interventionen.<br />
Durch Presseberichte in den Tod<br />
Das folgende eindrucksvolle Beispiel,<br />
vom dem Dr. Bruno Klopfer im<br />
„Journal of projective techniques“ bereits<br />
1957 berichtete und das Professor<br />
Howard Brody von der Michigan<br />
State University im Jahr 2002 wieder<br />
aufgriffen hat, schlägt gleichzeitig<br />
eine Brücke zwischen Medizin und<br />
Medien:<br />
Mitte der fünfziger Jahre kanalisierten<br />
die Massenmedien die Hoffnung<br />
vieler Krebspatienten auf ein<br />
neues Medikament, das sie als Wunderwaffe<br />
in höchsten Tönen lobten.<br />
Die Ärzte ließen einen Betroffenen,<br />
Mr. Wright, aus Mitgefühl an einer<br />
diesbezüglichen Studie teilnehmen,<br />
da er sich sehr engagiert darum bemühte.<br />
Sie erwarteten jedoch kein<br />
positives Resultat, da seine Erkrankung<br />
zu weit fortgeschritten war. Bereits<br />
wenig später bezeichneten sie<br />
es allerdings als ein Wunder, dass ihr<br />
Proband an Gewicht zulegte, sich sein<br />
Aussehen besserte und seine Tumore<br />
schrumpften.<br />
Nach einigen Monaten verbreiteten<br />
die Medien, dass das<br />
Medikament die in es gesteckten<br />
Hoffnungen nicht erfüllen könne.<br />
Nachdem Mr. Wright diese Berichte<br />
mit großem Bedauern verfolgt hatte,<br />
kehrte sich der Gesundungsprozess<br />
um, und die Tumore vergrößerten sich<br />
wieder. Die Ärzte, die erkannt hatten,<br />
was Sache ist, ruderten gegen die Hoffnung<br />
zerstreuenden Presseberichte<br />
an und erzählten dem Patienten, dass<br />
das Labor die Zusammensetzung des<br />
Medikaments geändert hätte, so dass<br />
es von jetzt an seine volle Wirksamkeit<br />
entfalten könne - und tatsächlich besserte<br />
sich der Zustand des Patienten<br />
erneut. Doch nachdem er einige Monate<br />
später in der Presse las, dass sich<br />
das Mittel als nutzlos erwiesen hätte,<br />
verschlechterte sich sein Zustand so<br />
sehr, dass er nach wenigen Wochen<br />
starb.<br />
Wahrhaftigkeit verlangt Aufklärung<br />
Die enormen Wirkungen der positiven<br />
Nachricht dürfen allerdings nicht dazu<br />
führen, dass man – analog dem „positiven<br />
Denken“ - vermeintlich negative<br />
Begebenheiten, Vorgänge und Wirkungen<br />
ignoriert oder schönredet.<br />
In den altindischen Sanskrit- und Yogalehren<br />
gibt es ein Pendant zu den<br />
Mosaischen Gebotstafeln. Unser<br />
achtes Gebot „Du sollst nicht falsch<br />
Zeugnis ablegen“ entspricht dort dem<br />
zweiten Postulat, das als Satya oder<br />
Satayam bezeichnet wird. Dieses ist<br />
allerdings weiter gefasst: Es verlangt<br />
Wahrhaftigkeit auf den drei Ebenen<br />
Gedanken, Worte und Lebensführung.<br />
Es beinhaltet, die Wahrheit nicht zu unterdrücken<br />
sowie sich ebenso unangenehme<br />
Dinge einzugestehen und auch<br />
anzusprechen, sofern man damit nicht<br />
gegen das erste Postulat des Ahimsa,<br />
des Nichtverletzens, verstößt.<br />
Insofern kann es auch „positiv“ sein,<br />
abträgliche Aspekte anzusprechen,<br />
sofern dies nicht zu Sensationszwekken<br />
geschieht, sondern aus hehrer<br />
Motivation, um aufzuklären, aufzudekken<br />
oder zu warnen.<br />
"Nicht, was wir erleben, sondern<br />
wie wir empfinden, was wir erleben,<br />
macht unser Schicksal aus."<br />
Marie von Ebner-Eschenbach
Gesundheit<br />
Die Nachricht als Ware<br />
Den Massenmedien, deren<br />
Nachrichten zum überwiegenden<br />
Teil aus negativen<br />
Inhalten bestehen,<br />
geht es jedoch vielmehr<br />
darum, ihre Meldung<br />
als Ware zu verkaufen.<br />
Und daher sprechen sie<br />
oft unsere Gefühle und<br />
Ängste an, statt auf nüchterner<br />
oder gar wissenschaftlicher<br />
Grundlage zu<br />
berichten.<br />
Neben unserem akuten<br />
Bewusstseins- und Emotionalzustand,<br />
der möglicherweise in<br />
Resonanz zu minderwertigen Nachrichten<br />
geht, ist es vor allem unser genetisches<br />
Erbe, das uns affin macht zu<br />
negativen Berichten. Denn der Überlebensinstinkt<br />
erfordert es, gefährliche<br />
Situationen und Vorgänge möglichst<br />
rasch zu erfassen. Diesen Hang, nach<br />
Bedrohlichem Ausschau zu halten sowie<br />
unsere Sorgen und Ängste - auch<br />
in der Hinsicht, dass wir meinen, etwas<br />
Wichtiges oder Gefährliches zu verpassen<br />
-, nutzen viele Medien aus.<br />
In den vergangenen Jahren hat die<br />
wirtschaftliche Entwicklung die<br />
Notwendigkeit zum Warencharakter<br />
der Nachrichten deutlich erhöht,<br />
geschuldet dem Konkurrenzdruck<br />
der Medien untereinander sowie auch<br />
zum Internet. Da die Rezipientenzahlen<br />
rückläufig sind, ringen die Medien<br />
mehr als früher nach sensationsheischenden<br />
und Emotionen ansprechenden<br />
Inhalten und machen dabei sogar<br />
Trivialia, Klatsch und Tratsch, die bis<br />
vor wenigen Jahrzehnten vom Normalbürger<br />
als minderwertig geächtet wurden,<br />
mehr und mehr salonfähig. Und<br />
falls die Realität nicht packend genug<br />
ist, so machen Boulevard-Medien nicht<br />
halt davor, die Nachrichten, Ereignisse<br />
und Personen, über die sie berichten,<br />
selbst zu inszenieren und aufzubauen.<br />
Die Zersplitterung der Nachrichten<br />
Auch der Usus der Medien, Nachrichten<br />
und Meldungen möglichst isoliert<br />
und zusammenhanglos zu bringen, sie<br />
quasi wie schwarze Perlen auf einer<br />
Kette aneinanderzureihen und stakkatoartig<br />
auf uns herunterprasseln zu<br />
lassen, verstärkt ihre vergiftende und<br />
ohnmachtsfördernde Wirkung. Würden<br />
die einzelnen Meldungen in ihrem<br />
Zusammenhang, mit ihren Ursachen,<br />
Wirkfaktoren und Aussichten thematisiert<br />
wer-<br />
den, würde<br />
dies den Rezipienten stärker anregen,<br />
sich geistig und aktiv mit den <strong>The</strong>men<br />
auseinanderzusetzen.<br />
Robert Jungk, der Pionier<br />
der positiven Nachricht<br />
Einer, der die Forderung nach positiven<br />
und in ihren Kontext eingebetteten<br />
Nachrichten über mehrere Jahrzehnte<br />
vorbildhaft verwirklichte, war der<br />
vor 20 Jahren verstorbene Publizist,<br />
Zukunftsforscher und Träger des alternativen<br />
Nobelpreises Professor<br />
Robert Jungk. Bereits Mitte des letzten<br />
Jahrhunderts gab Jungk in den USA,<br />
der Wiege der Bad News, beinahe demonstrativ<br />
sein „Good news bulletin“<br />
heraus. Darin und auch später präsentierte<br />
er positive Nachrichten, neue und<br />
vielversprechende soziale und technologische<br />
Entwicklungen, und er klopfte<br />
diffizile und komplexe Zusammenhänge<br />
nach ihren konstruktiven Aussichten<br />
und Lösungsszenarios ab.<br />
Mit derselben Grundhaltung entwickelte<br />
Jungk in den siebziger<br />
Jahren das Projekt der Zukunftswerkstätten.<br />
Ausgehend davon,<br />
dass die Beschäftigung mit und das<br />
Wälzen von Problemen deprimierend,<br />
frustrierend, blockierend und resignierend<br />
wirken kann, ging es ihm darum,<br />
dass die Teilnehmer, meistens von gesellschaftlichen<br />
Problemen Betroffene,<br />
aktiv und kreativ an konstruktiven Lösungsmöglichkeiten<br />
arbeiten sollten.<br />
Von den Journalisten erwartete<br />
Jungk mehr Engagement, Bewertung<br />
und Kommentierung als nur vermeintlich<br />
sachlich und distanziert zu berichten.<br />
Den Blick für das<br />
Harmonische schärfen<br />
Dass vermehrt Wünsche<br />
und das Bedürfnis nach<br />
positiven Nachrichten<br />
laut werden, zeugt von<br />
wachsender Bewusstseinsreife<br />
und einer<br />
– zumindest relativen<br />
- Abkopplung von dem<br />
teilweise dysfunktional<br />
gewordenen genetischen<br />
Erbe.<br />
Auch allgemein sollten<br />
wir unsere Aufmerksamkeit<br />
schärfen und<br />
ausrichten auf Positives und Erbauliches.<br />
Gewöhnlich fallen uns<br />
beim Rückblick in die Vergangenheit<br />
eher negative und problematische<br />
Momente ein als harmonische<br />
und entspannende. Aber auch in der<br />
Gegenwart verschlingen abträgliche<br />
Situationen und Schwierigkeiten<br />
weitaus mehr unsere Aufmerksamkeit<br />
als angenehme und schöne Situationen<br />
wie etwa Ruhe, Muße und<br />
Entspannung. Meist würdigen Menschen<br />
positive Lebensphasen gar<br />
nicht genug und nehmen sie nicht<br />
einmal deutlich zur Kenntnis. Dabei<br />
sind beide Pole für das Leben wichtig,<br />
die schönen, harmonischen und<br />
angenehmen, um sich auszuruhen,<br />
zu genießen und Kraft zu tanken<br />
für die schwierigeren, an denen wir<br />
wachsen und uns weiterentwickeln.<br />
Medien bewusst auswählen<br />
Ähnlich wie wir es mit unserer Nahrung<br />
handhaben, sollten wir unseren<br />
Medienkonsum bewusst auswählen.<br />
Gewöhnliche Nachrichten<br />
sind zumindest für die Seele oft ungesundes<br />
Fastfood und dienen häufig<br />
genug lediglich der Zerstreuung,<br />
auch wenn wir dies subjektiv anders<br />
bewerten. Wir erkennen dies daran,<br />
dass wir, sobald wir die Rezeption<br />
beendet haben oder spätestens<br />
am nächsten Tag, einen Großteil<br />
der aufgenommenen Inhalte schon<br />
wieder vergessen haben. Wie befruchtend<br />
und von bleibendem Wert<br />
hingegen ist etwa die Lektüre von<br />
hochstehender oder spiritueller Literatur.<br />
Oft reicht ein bestimmter<br />
Schlüsselsatz aus, um in uns eine<br />
seelische Kettenreaktion in Gang zu<br />
setzen, die uns inspiriert, erhebt und<br />
uns über einen längeren Zeitraum<br />
nährt und konstruktiv beschäftigt. ▀<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 43
Gesundheit<br />
<strong>The</strong>rapie<br />
Bowen <strong>The</strong>rapie<br />
An der Schnittstelle von<br />
Körper und Bewusstsein<br />
Wird eine Behandlungsform vorgestellt,<br />
so läuft dies meist auf lange<br />
Listen mit Symptomen hinaus, die<br />
damit kuriert werden können: Rükkenschmerzen,<br />
Hexenschuss, Bandscheiben-Probleme,<br />
Muskel- und<br />
Gelenkschmerzen, Arthrosen, Kopfschmerzen<br />
… Sicher, bei all diesen<br />
Beschwerden kann Bowen helfen.<br />
Doch die von Tom Bowen entwikkelte<br />
Methode beinhaltet in ihrem<br />
Wesen mehr als das „Abschalten“<br />
von Symptomen. Patienten verweilen<br />
während einer Sitzung in tiefer,<br />
zentrierender und erfrischender<br />
Meditation, während sie gleichzeitig<br />
eine effektive Körperbehandlung<br />
erfahren. Bowen-<strong>The</strong>rapeuten arbeiten<br />
mit dem Bindegewebe, das<br />
eine noch wenig erforschte Brükkenfunktion<br />
zwischen körperlichem<br />
und seelischem Bereich innehat.<br />
Im Ergebnis können wir damit weit<br />
mehr erreichen als nur schmerzfrei<br />
zu werden: Wir lernen, zu leben<br />
statt gelebt zu werden.<br />
Wer zum ersten Mal eine Bowen-Behandlung<br />
bekommt,<br />
wundert sich meist über den<br />
ungewöhnlichen Ablauf. Der <strong>The</strong>rapeut<br />
lässt einem, unter einer Decke<br />
liegend, immer wieder minutenlange<br />
in Ruhe. Dann macht er wieder ein<br />
paar dieser schiebenden, rollenden<br />
Bewegungen mit den Daumen oder<br />
ein paar Fingern in tieferen Hautschichten<br />
oder über Muskeln. „Bowen<br />
Moves“ heißt der Fachbegriff dafür.<br />
Dann lässt er seinen Patienten wieder<br />
eine Pause.<br />
Wem es gelingt, sich darauf einzulassen,<br />
kann in eine tiefe Entspannung<br />
sinken. Manchmal wirken die<br />
Moves im Körper nach, und es fühlt<br />
sich an wie ein perlendes oder leise<br />
vibrierendes Nachklingen im Gewebe.<br />
An manchen Stellen empfindet<br />
man vielleicht ein Ziehen. Körperteile<br />
wachsen bei dem einen oder anderen<br />
in der subjektiven Wahrnehmung auf<br />
ungeahnte Größe – oft nur einseitig.<br />
Oder eine Art Schmerz taucht kurz<br />
Tobias Hauser<br />
auf und klingt wieder ab. Viele Patienten<br />
fühlen sich unmittelbar nach der<br />
Behandlung körperlich und seelisch<br />
leichter und geschmeidiger, kraftvoller<br />
und optimistischer.<br />
Nach einer Behandlung sollte dem<br />
Körper Gelegenheit gegeben werden,<br />
sich neu zu sortieren, indem man körperliche<br />
Anstrengungen reduziert,<br />
Spitzenbelastungen vermeidet, nicht<br />
zu lange am Stück sitzt, sich genug<br />
gutes (!) Wasser zuführt und auch mal,<br />
wenn möglich, eine halbe Stunde in<br />
frischer Luft spazieren geht. Auf diese<br />
Weise bekommt der Körper die Gelegenheit,<br />
die durch die Behandlung angestoßene<br />
Selbstregulation umzusetzen.<br />
Gelingt sie, werden Symptome,<br />
welche vorhandene Funktionsstörungen<br />
angezeigt haben, überflüssig und<br />
können verschwinden.<br />
Regulation statt Reparatur<br />
Bowen <strong>The</strong>rapie ist weniger eine gezielte<br />
Reparatur, wie sie z.B. für ein<br />
Auto sinnvoll ist, als vielmehr ein Re-<br />
44<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Gesundheit<br />
Kurz vor Weihnachten im<br />
vergangenen Jahr kam<br />
eine junge Mutter zu mir.<br />
KSie erklärte, vier bis fünf Mal im<br />
Jahr habe sie einen Hexenschuss<br />
und ihr Rücken sei eigentlich<br />
immer mehr oder weniger ver-<br />
gulationsimpuls. Regulation macht<br />
für lebende Systeme mehr Sinn als<br />
eine mechanische Reparatur – solange<br />
alles, was zur Selbstregulation<br />
nötig ist, noch regenerationsfähig<br />
und grundsätzlich funktionstüchtig<br />
ist. Eine Reparaturmaßnahme (z.B.<br />
in Form einer isolierten Veränderung<br />
von Mechanismen durch Medikamente)<br />
greift bei Lebewesen in<br />
einen Regelkreis mit unendlich vielen<br />
unbekannten Stellgrößen und Wirkkaskaden<br />
ein. Ein Regulationsimpuls<br />
hingegen unterstützt und stärkt die<br />
Bedingungen, die ein Lebewesen<br />
zur gesunden Funktion benötigt.<br />
Dieser Vergleich beschreibt,<br />
wie Sie sicher festgestellt<br />
haben, die beiden Grundhaltungen<br />
der Schulmedizin und<br />
der Naturheilkunde. Gezielte Reparaturen<br />
geben einem kurzfristig<br />
mehr Kontrolle. Sie sind natürlich<br />
auch unabdingbar, wenn<br />
die Selbstregulation durch mas-<br />
sive Schäden gar nicht mehr greifen<br />
kann. Längerfristig jedoch führen<br />
Eingriffe im Sinne von mechanistisch<br />
wirkenden Reparaturmaßnahmen zu<br />
einem dem Körper aufgezwungenen<br />
und entsprechend instabilen Zustand,<br />
der ihn immer mehr von einem natürlichen<br />
Gleichgewicht entfernt.<br />
„Können Sie mir helfen?“<br />
Diese Frage ist oft die erste, die mir<br />
gestellt wird. Meine Antwort lautet<br />
meistens: „Ich weiß es nicht, aber<br />
ich denke, wir sollten es versuchen.“<br />
Bowen <strong>The</strong>rapie ist<br />
keine "Reparatur",<br />
sondern vielmehr<br />
ein Regulationsimpuls<br />
für den Körper.<br />
Die Bowen <strong>The</strong>rapie hat dazu beigetragen,<br />
mich Demut zu lehren. Denn<br />
so gern ich genau wüsste, was dabei<br />
passiert: ich weiß es einfach nicht.<br />
Wie eigentlich immer in der Medizin,<br />
gibt es keine Sicherheit, und wenn<br />
man mit Regulationsanstößen arbeitet,<br />
gilt dies erst recht. So habe ich<br />
erlebt, dass ich scheinbar nur leicht<br />
erkrankte Patienten ohne Heilungserfolg<br />
wieder ziehen lassen musste.<br />
Andererseits gab es immer wieder<br />
auch Fälle, von denen ich nie erwar-<br />
tet hätte, dass sich solch dramatische<br />
Veränderungen zeigen könnten.<br />
Die Symptome besserten sich so<br />
schnell, dass ich es selbst kaum<br />
glauben konnte.<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 45
Gesundheit<br />
spannt. Jetzt, mit ihrem zehn Monate<br />
alten Nachwuchs, habe sich das Problem<br />
noch verschärft und sie erhoffe<br />
sich zumindest Erleichterung für die<br />
Feiertage. Bereits die erste Behandlung<br />
bescherte ihr Schmerzfreiheit im<br />
Kreuz und ein „total leichtes Gefühl“,<br />
das die ganze Zeit über anhielt. Allerdings<br />
beklagte sie sich nun im Januar,<br />
dass sich ein konzentrierter Schmerz<br />
an der Brustwirbelsäule zeige. Aus<br />
Erfahrung wusste ich, dass es zu<br />
Blockaden kommen kann, wenn sich<br />
die Statik im Körper neu organisiert.<br />
In solchen Fällen muss man nachfassen.<br />
Was ich dann bei der Untersuchung<br />
fand, überraschte mich jedoch:<br />
Da war weit und breit keine Blockade<br />
und auch keine Verspannung zu<br />
spüren. Ein Dornfortsatz war jedoch<br />
ganz punktuell und oberflächlich gereizt,<br />
und ich hatte keine Erklärung<br />
dafür. Als ich der Patientin meine<br />
Erkenntnis und die damit einhergehende<br />
Ratlosigkeit mitteilte, schaute<br />
sie mich freudestrahlend an und<br />
erklärte folgendes: Da sie sich nach<br />
meiner Behandlung wieder so gut bewegen<br />
konnte, habe sie angefangen,<br />
Sit-ups und andere Körperübungen<br />
zu machen. Sie habe jedoch einen BH<br />
getragen, der genau an der bezeichneten<br />
Stelle wehtat. Sie habe diese<br />
Beschwerden auf eine tiefere Ursache<br />
zurückgeführt. Nun, da sie das<br />
Problem identifizieren könne, müsse<br />
sie die Sit-ups lediglich ohne BH<br />
durchführen. Meine Behandlung habe<br />
also noch gründlicher gewirkt als sie<br />
gedacht hatte.<br />
Faszien -<br />
eine geheimnisvolle neue Welt<br />
Erst seit wenigen Jahren bekommen<br />
wir mehr und mehr Hinweise auf mögliche<br />
wissenschaftliche Erklärungsansätze<br />
für die nach dem Australier<br />
Tom Bowen (1916-1982) benannte<br />
„Bowen <strong>The</strong>rapie“. Heute können wir<br />
mit großer Sicherheit behaupten,<br />
dass sich die Hauptmechanismen, die<br />
durch eine Bowen Anwendung ausgelöst<br />
werden, über das Fasziengewebe<br />
im Menschen entfalten.<br />
Auf dem ersten von mittlerweile<br />
regelmäßig stattfindenden internationalen<br />
Faszienforschungs-Kongressen<br />
(Fascia Research Congress)<br />
wurde eine Arbeitsdefinition für den<br />
Begriff formuliert: „Faszien sind der<br />
lockere Bindegewebsanteil des Bindegewebssystems,<br />
das den ganzen<br />
menschlichen Körper als kontinuierliche<br />
dreidimensionale Matrix<br />
in einem Stück durchzieht und als<br />
strukturelle Unterstützung desselben<br />
dient.“ Bis vor wenigen Jahren wurde<br />
dem Bindegewebe (ein Sammelbe-<br />
griff, der die Faszien umfasst) wenig<br />
Be<br />
Bedeutung beigemessen. Es wurde in<br />
der Medizin lediglich als Füllstoff betrachtet<br />
und nicht weiter untersucht.<br />
Der Laie kennt die Faszien vielleicht<br />
am ehesten vom Fleischer. Die feinen,<br />
schimmernden bis weißlichen Häutchen<br />
am Muskelfleisch sind Faszien.<br />
Mittlerweile haben Forscher<br />
aufregende neue Einblicke in<br />
die Rolle dieser körperlichen<br />
Verbindungsmatrix erhalten, durch<br />
die sich eine ganz neue Dimension in<br />
der Betrachtung des menschlichen<br />
Körpers und seiner Funktionsmechanismen<br />
auftut, die noch weit davon<br />
entfernt ist erschöpfend erforscht zu<br />
sein. Faszien sind Adaptionskünstler.<br />
Sie passen sich den Bewegungsmustern<br />
und der Belastungsintensität<br />
des Körpers an. Sie sind formbar<br />
und elastisch und unterstützen den<br />
jeweiligen Körper ganz individuell.<br />
Faszien reagieren dabei grundsätzlich<br />
wesentlich langsamer, damit also<br />
auch langfristiger, als die Muskulatur.<br />
Bewegt sich jemand nicht, verfilzen<br />
die Faszien im wahrsten Sinne des<br />
Wortes. Die Beweglichkeit und die<br />
Gewebsversorgung leiden beispielsweise<br />
darunter. Faszien können sich<br />
übrigens auch unabhängig von der<br />
Muskulatur anspannen - wenn der<br />
Anteil an Stresshormonen in der Ge-<br />
websflüssigkeit ansteigt.<br />
Über die Faszien, einen<br />
Anteil des Bindegewebes,<br />
besteht ein direkter<br />
Draht zum Bewusstsein.<br />
46<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
wusstsein<br />
Gesundheit<br />
Körper-Bewusstsein neu interpretiert<br />
Was wir jedenfalls über rein funktionelle<br />
Zusammenhänge hinaus schon<br />
wissen, ist, dass über die Faszien ein<br />
direkter Draht zum Bewusstsein des<br />
Menschen besteht. Über so genannte<br />
interozeptive Nervenendigungen, die<br />
reichhaltig im Fasziengewebe enthalten<br />
sind, werden Signale direkt in einen<br />
bestimmten Bereich des Stammhirns<br />
geleitet, wo sie Informationen<br />
über den körperlichen Zustand geben<br />
und eng mit motivatorischen Impulsen<br />
verknüpft sind. Diese spezielle<br />
Verschaltung von Fasziengewebe ins<br />
Stammhirn hat man interessanterweise<br />
ausschließlich bei Menschen<br />
und Primaten gefunden.<br />
Wir gelangen hier also zu einer<br />
Eigenwahrnehmung, die man beschreiben<br />
könnte als den Sinn für das<br />
eigene Wohlergehen als körperliches<br />
Wesen. Für mich liegt die Vermutung<br />
nahe, dass diese Nervenverbindung<br />
das materielle Korrelat für ein Bewusstsein<br />
ist, das über sich selbst reflektieren<br />
und zwischen dem „Selbst“<br />
und dem Körper unterscheiden kann.<br />
Tom Bowen - ein Praktiker<br />
Tom Bowen wusste von all dem nichts.<br />
Wenn man seine Lebensgeschichte<br />
betrachtet, liegt es nahe zu vermuten,<br />
dass ihm theoretisches Wissen auch<br />
nicht viel bedeutet hat. Er hatte keine<br />
medizinische Ausbildung absolviert<br />
und versorgte seine Familie zunächst<br />
als Angestellter einer Zementfabrik.<br />
Lange Jahre behandelte er jeden Tag<br />
nach Feierabend Menschen bei sich<br />
zu Hause umsonst, bevor er schließlich<br />
offiziell eine Praxis in seiner Heimatstadt,<br />
dem Küstenort Geelong bei<br />
Melbourne, eröffnete. Tom Bowen<br />
konnte helfen, und das war ihm Verpflichtung<br />
genug. Er brachte ein lebendiges<br />
Interesse an Massage mit<br />
und half damit beim lokalen Football<br />
<strong>Club</strong>, zu dessen glühenden Anhängern<br />
er gehörte.<br />
Als Bowen selbst einmal Rückenprobleme<br />
hatte, fuhr er für einige<br />
Zeit nach Melbourne. Wahrscheinlich<br />
hat er sich in der damals<br />
sehr lebendigen physiotherapeutischen<br />
Szene dazu inspirieren lassen,<br />
mit minimalistischen Manipulationen<br />
des Gewebes zu experimentieren.<br />
Seine Gabe war es zu „sehen“, was<br />
daraufhin im Körper geschah und wo<br />
er die Moves im Einzelfall machen<br />
musste, um den Körper möglichst<br />
gut zu unterstützen. So entwickelte<br />
er nach und nach seine eigene Herangehensweise.<br />
Seine Erfolge waren<br />
so frappierend, dass er zeitweise bis<br />
zu hundert Patienten täglich aus dem<br />
ganzen Land behandelte.<br />
Inseln in der Alltagsflut<br />
Was aber hat nun Meditation mit<br />
Faszientherapie zu tun? Ich meine,<br />
dass wir uns kollektiv dem Menschsein<br />
widmen sollten, wenn wir nicht<br />
die Welt verlieren möchten. Ein Ziel<br />
meiner Arbeit ist es, Menschen aufzuwecken<br />
aus ihrer Illusion, wonach<br />
Glück in Konsum von immer mehr<br />
und immer Neuem und in vermeintlicher<br />
Sicherheit liegt. Wenden wir uns<br />
zu sehr nach außen, so gibt es für uns<br />
keinen Platz mehr, um zur Besinnung<br />
zu kommen. In der Meditation gönnen<br />
wir unserem nach außen gerichteten<br />
und von Reizen ständig überfluteten<br />
Geist eine Rast. Das ruhige Innehalten<br />
ist eine Oase des Selbst in der<br />
Wüste der Fremdbestimmung.<br />
Wenn wir den Körper als die Fortsetzung<br />
des Geistes in die materielle<br />
Welt begreifen, dann verstehen wir,<br />
dass der Mensch davon profitieren<br />
kann, wenn er Meditation und Körperbehandlung<br />
nicht als zwei voneinander<br />
getrennte Bereiche betrachtet.<br />
Der Körper stellt sich – wenn wir<br />
in obigem Bild bleiben<br />
– dem Geist zur<br />
Verfügung, damit dieser<br />
in der physischen<br />
Welt durch ihn seinen<br />
Ausdruck findet. Der<br />
Geist, respektive das<br />
Bewusstsein, und der<br />
Körper befinden sich<br />
hierbei in einem kybernetischen<br />
Regelkreis.<br />
Einfach ausgedrückt<br />
heißt das, dass<br />
sie sich wechselseitig<br />
beeinflussen. Wenn<br />
der Mensch wesensgemäß lebt, findet<br />
dies seinen Ausdruck in körperlichem,<br />
geistigem und seelischem<br />
Wohlergehen.<br />
Schnittstelle von Körper<br />
und Bewusstsein<br />
Neben der biologischen Realität<br />
hängt das, was wesensgemäß ist, eng<br />
mit unserem immateriellen Kern, der<br />
Seele, zusammen. Die Seele braucht<br />
jedoch Pausen im Alltag, um wahrgenommen<br />
zu werden. Meditation, Bowen<br />
<strong>The</strong>rapie und andere geeignete<br />
Methoden schaffen solche Lücken.<br />
Wir sollten jede Gelegenheit hierzu<br />
nutzen, denn nur wenn wir unsere<br />
„Innere Wahrheit“ auch wahrnehmen,<br />
können wir unser Leben nach ihr ausrichten.<br />
Freilich gehört zu einem wesensgemäßen<br />
Leben viel mehr, als<br />
sich regelmäßig eine bestimmte<br />
Form der Körperbehandlung zu gönnen.<br />
Dennoch ist die Bowen <strong>The</strong>rapie<br />
sehr hilfreich, weil sie den Menschen<br />
an einer Schnittstelle von Körper und<br />
Bewusstsein erreicht, von der aus<br />
sie in beide Sphären hineinstrahlen<br />
kann. Hier berühren wir den Kern des<br />
Menschlichen. ▀<br />
Tobias Hauser, Heilpraktiker, ist Gründer<br />
und Leiter des<br />
Deutschen Zentrums<br />
für Bowen <strong>The</strong>rapie<br />
(DZBT) seit 1999. Er ist<br />
45 Jahre alt, Vater von<br />
vier Kindern und lebt in<br />
Dießen am Ammersee<br />
DZBT<br />
Bowen<strong>The</strong>rapie<br />
Deutsches Zentrum fürBowen<strong>The</strong>rapie<br />
Tobias Hauser - Gründer & Leiter<br />
Tel +49. (0)8<strong>80</strong>7.94 77 35<br />
mobil + 49. (0)177.24 615 24<br />
Fax +49. (0)8<strong>80</strong>7.94 69 95<br />
mail info@bowentherapie.de<br />
web www.bowentherapie.de
Wurzeln<br />
Salvador Dalis<br />
"Auge der Zeit"<br />
Das Auge<br />
der Zeit<br />
Unsere Geschichte in Gold, Silber und Edelsteinen<br />
Grazyna Fosar<br />
Wenn wir an unsere Wurzeln denken, meinen wir meistens<br />
damit die uralten Spuren früherer Zivilisationen, die bis<br />
heute ein Rätsel für uns sind, die erhaltenen Denkmäler der<br />
Vergangenheit, die Artefakte, die in Museen auf der ganzen<br />
Welt zu besichtigen sind, oder die Bauwerke aus Stein, die<br />
berühmtesten Hieroglyphen und Höhlenmalereien.<br />
Nicht so oft denken wir bei dieser Gelegenheit an die unzählbaren<br />
Schätze, die aus Gold, Silber und anderen Metallen<br />
vor Tausenden von Jahren entstanden und oft mit den<br />
schönsten Edelsteinen geschmückt sind.<br />
Nehmen wir zum Beispiel das Gold…<br />
Obwohl man dieses Edelmetall schon seit über 6000 Jahren<br />
gewinnt, ist die Menge dieses Metalls immer noch eher gering.<br />
Deshalb ist das Gold auf der ganzen Welt so begehrt<br />
und so wertvoll. Man sucht ständig weiter nach goldhaltigen<br />
Erzen. Es wird geschätzt, dass die gesamte Menge des Goldes,<br />
die überhaupt jemals auf der Erde geborgen wurde, einen<br />
Würfel mit einem Volumen von etwas über 18 m 3 bilden<br />
würde. Nicht viel, oder?<br />
Die archäologischen Befunde zeigen, dass schon 3000<br />
Jahre vor Christus im Nahen Osten die damaligen Handwerker<br />
sehr schöne Erzeugnisse aus Gold angefertigt ten. Natürlich eignet sich Gold nicht für die Herstellung hatvon<br />
Werkzeugen. Es ist aber unersetzbar für die Produktion<br />
von Schmuck und Schmuckgegenständen, die seit Äonen<br />
unsere Umgebung dekorieren und uns das Leben schöner<br />
machen.<br />
Gold hat interessante Eigenschaften, die es zum König<br />
der Metalle machen. Es unterlegt keiner Korrosion, d. h. es<br />
rostet nicht, es wird auch von Säuren nicht angegriffen und<br />
wird mit der Zeit nicht matt. Aus einer Feinunze Gold, was<br />
28,35 Gramm entspricht, kann man ein Blech aus Blattgold<br />
herstellen mit einer Fläche von 30 Quadratmetern. Oder einen<br />
dünnen Draht, der eine Länge von <strong>80</strong>,5 Kilometern<br />
hätte.<br />
Die Fibel der<br />
Etrusker<br />
Früher wurden Erzeugnisse aus Gold mit Golddraht<br />
oder mit Goldklammern zusammengehalten. So<br />
machten es die ersten Goldschmiede der Vergangenheit.<br />
Im 3. Jahrtausend v. Chr. hat man in Mesopotamien<br />
eine neue Technik der Goldverarbeitung erfunden – das<br />
Löten. Diese Methode war schneller und einfacher für die<br />
48<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Wurzeln<br />
Metallverarbeitung. Dank dieser Methode<br />
haben die Kunsthandwerker<br />
die schönsten und wertvollsten Gegenstände<br />
aus Gold und anderen<br />
Edelmetallen erschaffen.<br />
Edelsteine sprechen zu uns<br />
Ein anderer Rohstoff aus der Erde,<br />
aus dem seit Tausenden von Jahren<br />
wunderbare Gegenstände und<br />
Schmuck gemacht worden sind, waren<br />
und sind Edelsteine und Halbedelsteine.<br />
Der König scheint hier der<br />
Diamant zu sein, der härteste und der<br />
wertvollste von allen. In alten Zeiten kamen<br />
Diamanten hauptsächlich aus Indien, Brasilien und Nordafrika.<br />
Heute werden Diamanten auch in anderen Ländern<br />
gefunden, z. B. in Russland, Venezuela usw.<br />
Doch nicht nur Gold, Silber und Diamanten befinden<br />
sich auf vielen Schätzen der Vergangenheit. Auch<br />
Perlen, Korallen, Elfenbein und viele Halbedelsteine,<br />
Platin und andere Edelmetalle wurden sowohl in der Vergangenheit<br />
als auch in der Gegenwart benutzt, um unser<br />
Leben schöner und ästhetischer zu machen.<br />
Der größte Teil der Juweliertechniken, die man heute<br />
benutzt, ist schon seit der Zeit des alten Mesopotamien<br />
bekannt. Natürlich änderten sich die Formen im Laufe<br />
der Jahrhunderte. Praktisch jede neue historische Epoche<br />
brachte einen neuen Stil mit sich, neue Formen und Ausdruckweisen,<br />
die uns bis heute begeistern können. Die<br />
Kunsthandwerker vollbrachten auf ihre Art und Weise einen<br />
immens großen und wichtigen Beitrag zu unserer Geschichte.<br />
DIE SCHÄTZE<br />
DER VERGANGENHEIT<br />
Es ist nicht einfach, aus der Vielzahl an unschätzbaren erhaltenen<br />
Kunstobjekten auszuwählen, um<br />
sie hier zu zeigen. Selbstverständlich<br />
muss diese Wahl auch sehr subjektiv<br />
sein.<br />
Das Armband der<br />
Phönizier<br />
Die goldene Fibel der<br />
Etrusker<br />
Die Zivilisation der<br />
Etrusker entwikkelte<br />
sich sehr<br />
dynamisch vom<br />
7.-3. Jahrhundert<br />
v. Chr.<br />
in der Region<br />
Mittelitalien,<br />
zwischen<br />
den<br />
Flüssen Arno und<br />
Tiber. Die Etrusker<br />
kannten sich hervorragend mit der Bearbeitung<br />
von Edelmetallen aus, wie z.<br />
B. ihre goldene Fibel beweist, die sich<br />
heute im British Museum in London<br />
befindet.<br />
Fibeln waren am Anfang nur ganz<br />
gewöhnliche Agraffen, die zum Zusam-<br />
menhalten der Kleider dienten. Mit der Zeit wurden sie immer<br />
kostbarer und raffinierter gestaltet. Aus der Grabstätte<br />
von Bernardini stammt eine andere Fibel, die sich zur Zeit<br />
im Museo Nazionale di Villa Giulia in Rom befindet und zeigt,<br />
wie perfekt die Etrusker die Granulationstechnik beherrscht<br />
haben.<br />
Das Armband der Phönizier<br />
Die archäologischen Befunde bezüglich dieser Kultur, die<br />
sich im heutigen Libanon und Syrien entwickelt hatte, sind<br />
oft überraschend. Ihre Schmuckkunst wurde hauptsächlich<br />
auf das 7.-6. Jahrhundert v. Chr. datiert. Hier z. B. ein kunstvolles<br />
goldenes Armband aus dem Schatz von Aliseda, der<br />
in Jahre 1920 in der Nähe der Stadt Cáceres in der Provinz<br />
Extremadura in Spanien gefunden worden ist. Die damals<br />
gefundenen Gegenstände befinden sich heute im Museo Arqueológico<br />
Nacional In Madrid.<br />
Der goldene Altar<br />
Venedig ist an Schätzen aus der Vergangenheit besonders<br />
reich, und die Stadt wurde auch im Laufe der Zeit von der<br />
Geschichte besonders hart geprüft.<br />
Der goldene Altar von<br />
San Marco (Venedig)<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 49<br />
3000
Wurzeln<br />
Cellinis<br />
Salzstreuer<br />
Ende des 18. Jahrhunderts hat die<br />
Armee Napoleons gnadenlos italienische<br />
Kunstschätze geplündert.<br />
Fast alle Schätze aus der Basilica<br />
San Marco wurden nach Frankreich<br />
gebracht und ein Großteil von ihnen<br />
zu 55 Gold- und Silberbarren umgeschmolzen.<br />
Auch die Edelsteine wurden<br />
von den Franzosen als „Französisches<br />
Kulturelles Erbe“ betrachtet<br />
und geraubt. Doch den wichtigsten<br />
Schatz haben die Soldaten übersehen,<br />
und so ließen sie den berühmten Pala<br />
d´Oro, den Goldenen Altar in der Basilica<br />
San Marco stehen. Nach einer<br />
alten Überlieferung soll ein Mönch<br />
mit seiner Hand eine abfällige Geste<br />
gemacht haben, als die Soldaten die<br />
historische Schätze demontierten, um<br />
sie nach Frankreich zu bringen – der<br />
Altar? Der ist nichts wert, alles nur aus<br />
Glas. Das hat den Altar gerettet.<br />
Er wurde in vier Etappen gebaut,<br />
und das in einer Zeit von fast 500<br />
Jahren. Die ältesten Elemente kamen<br />
aus dem 10. Jh. und wurden von<br />
Byzantiner Goldschmieden geschaffen.<br />
Die Verzierungen der drei Seiten<br />
des Altars sind von venezianischen<br />
Künstlern im 12. Jahrhundert angefertigt<br />
worden. Sie zeigen Szenen aus<br />
d e m Neuen Testament und aus<br />
dem Leben des Heiligen Marcus. Der<br />
mittlere Teil kommt aus Konstantinopel<br />
und stammt aus aus dem Jahr<br />
1209. Auch der berühmte venezianische<br />
Goldschmied Gianpaolo Buoninsegna<br />
an dem kunstvollen<br />
Altar. Im Jahre<br />
1345 fügte er eine<br />
Statue von Christus<br />
hinzu, die<br />
von Engeln und<br />
umge-<br />
Aposteln<br />
ben ist.<br />
arbeitete<br />
Der Altar<br />
b e s i t z t<br />
E l e m e n -<br />
te aus Gold mit<br />
V e r z i e r u n g e n<br />
aus Emaille,<br />
1300 Perlen, 400<br />
Granaten, 300<br />
Saphiren, 300<br />
Smaragden, 90<br />
Amethysten, 75<br />
rosa und roten<br />
Spinellen, 50 Rubinen,<br />
4 Topasen<br />
und 2 Kameen.<br />
Die britische<br />
Imperial State<br />
Crown von Königin<br />
Victoria<br />
Der Salzstreuer von Cellini<br />
Benvenuto Cellini war ein sehr<br />
bekannter Goldschmied und<br />
Bildhauer aus Florenz. Er gilt als<br />
einer der bedeutendsten Künstler<br />
der Renaissance. Bis 1540 arbeitete<br />
er unter dem Patronat von Papst<br />
Clemens VII. in Rom, später war er<br />
lange Zeit in Frankreich. Er fertigte<br />
einen goldenen Salzstreuer für<br />
den französischen König Franz I.,<br />
der Cellini dafür 1000 goldene Kronen<br />
zum Einschmelzen gab. Der König<br />
soll von dem Schmuck begeistert<br />
gewesen sein.<br />
Auf dem Streuer sehen wir<br />
zwei große Figuren: den Meeresgott<br />
Neptun und die Erdgöttin Ceres.<br />
Die kleineren Figuren symbolisieren<br />
Tag, Nacht, Morgen- und Abenddämmerung<br />
und die vier Winde.<br />
Der Koh-i-noor-Diamant<br />
Der Name bedeutet auf Persisch „Berg<br />
des Lichts“. Der Stein hat 110 Karat<br />
50<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Wurzeln<br />
und gehört der britischen Königsfamilie.<br />
Er hat eine sehr interessante<br />
Geschichte.<br />
Nach seiner Entdeckung in Indien,<br />
in einer Diamantengrube in der Provinz<br />
Andra Pradesh im Jahre 1655, erhielt<br />
der Stein seinen Namen nach der<br />
Eroberung Delhis durch Nadir Schah<br />
im Jahre 1739. Zu jener Zeit wurde<br />
er nach Isfahan in Persien gebracht<br />
und im Jahre 1747 als Geschenk an<br />
Ahmad Schah Durrani in Nordpersien<br />
überreicht. Von dort gelangte er nach<br />
Kabul, wo er bis ins Jahr 1813 aufbewahrt<br />
wurde. Der nächste Besitzer<br />
war Rajid Singh in Lahore.<br />
Nach der Annexion des Pandschab<br />
fiel der Diamant in die Hände<br />
der Briten. Im Jahre 1850,<br />
am 3. Juli, wurde er in London offiziell<br />
Königin Viktoria überreicht. Bis<br />
heute hat der berühmte Diamant<br />
eine große symbolische Bedeutung<br />
sowohl für die Briten als auch für die<br />
Hindus, die immer noch seine Rückgabe<br />
verlangen.<br />
König Georg VI. ließ dieses Kleinod<br />
1937 an der Krone seiner Frau<br />
Elizabeth befestigen. Diese Krone<br />
wird jetzt, zusammen mit den anderen<br />
Kronjuwelen, im Tower in London<br />
aufbewahrt. Dort befindet sich auch<br />
die Krone des Britischen Empire, die<br />
im Jahre 1836 für Königin Victoria angefertigt<br />
wurde. Das königliche Zepter<br />
ist mit dem größten Diamanten<br />
der Welt geschmückt, dem Großen<br />
Stern von Afrika. Er ist mit 3106,75<br />
Karat der größte Diamant in<br />
Edelsteinqualität, der je gefunden<br />
wurde.<br />
Der goldene Buddha<br />
Im Jahre 1954 wurde der Tempel<br />
von Wat Traimit in Bangkok<br />
durch ein neues Gebäude<br />
erweitert. Im Verlauf dieser<br />
Umbauarbeiten entschied<br />
man, eine Buddhastatue, die<br />
seit fast 20 Jahren nahezu unbeachtet<br />
in einem Schuppen<br />
lagerte, in dem neuen Raum<br />
aufzustellen. Die gesamte Statue<br />
war mit Stuckarbeiten aus<br />
Gips verziert. Am 25. Mai 1955<br />
sollte sie an ihren neuen Aufstellungsort<br />
gebracht werden.<br />
Was dann geschah, darüber<br />
existieren widersprüchliche<br />
Berichte. Beim Versuch, sie mit<br />
Seilen von ihrem Sockel zu heben,<br />
sollen die Seile gerissen<br />
Der goldene<br />
Buddha...<br />
sein. Die Statue<br />
landete jedenfalls<br />
im Schlamm, und<br />
die Stuckschicht<br />
aus Gips zerbrach.<br />
Darunter<br />
erblickten die erstaunten<br />
Arbeiter<br />
eine Schicht aus<br />
purem Gold. Sofort<br />
wurden die<br />
Arbeiten gestoppt,<br />
um genauere Untersuchungen<br />
des<br />
Kunstwerks anzustellen.<br />
Stück für Stück<br />
wurde die gesamte Stuckschicht vorsichtig<br />
entfernt. Es wurde eine 5,5<br />
Tonnen schwere Skulptur aus massivem<br />
Gold freigelegt, die aus insgesamt<br />
neun Teilen bestand. Man fand<br />
auch einen Schlüssel, mit dessen<br />
Hilfe man die Statue zerlegen konnte,<br />
um ihren Transport zu erleichtern.<br />
Der gesamte Prozess der Freilegung<br />
der Statue wurde fotografisch dokumentiert.<br />
Die Dokumentation und<br />
Überreste der Stuckschicht sind heute<br />
öffentlich ausgestellt.<br />
... befindet sich<br />
nach langer<br />
Odyssee heute<br />
im Tempel von<br />
Wat Traimit in<br />
Bangkok.<br />
Die Originalstatue war im 13.-<br />
14. Jahrhundert zur Zeit der<br />
Sukhothai-Dynastie angefertigt<br />
worden und wechselte durch zahlreiche<br />
Kriege und Umstürze im Laufe der<br />
Jahrhunderte mehrfach den Besitzer.<br />
Irgendwann hatte sie jemand in die<br />
Gipsschicht eingehüllt, um ihren wahren<br />
Wert zu verschleiern und sie so<br />
vor Diebstahl zu schützen. Seit 1<strong>80</strong>1<br />
befand sich die Skulptur in Bangkok,<br />
als König Buddha Yodfa Chulakoke die<br />
Stadt zur neuen Hauptstadt des Königreiches<br />
Siam bestimmte. Doch der<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 51
Wurzeln<br />
Das königliche Zepter Großbritanniens<br />
mit dem "Stern<br />
von Afrika"<br />
"Man soll aufhören,<br />
Vergangenheit und Zukunft<br />
wie Gegensätze zu<br />
betrachten."<br />
André Breton<br />
Wert der kostbaren Buddha-Statue<br />
war zu jener Zeit schon seit Langem in<br />
Vergessenheit geraten.<br />
„Das Auge der Zeit“ –Symbol für<br />
Vergangenheit und Zukunft<br />
Auch Kubismus und Surrealismus gehören<br />
in der Kunst schon zu unseren<br />
Wurzeln. Zugegeben - diese Wurzeln<br />
liegen nicht so tief in der Vergangenheit<br />
wie die kunstvollen Gegenstände,<br />
die schon Tausende von Jahren existieren,<br />
doch etwas „jüngere“ Kunstobjekte<br />
müssen nicht weniger wertvoll<br />
oder originell sein.<br />
Salvador Dali trat im Jahre 1929<br />
der Surrealismusbewegung bei. Die<br />
theoretischen Hintergründe dieser<br />
Bewegung hatte ca. fünf Jahre früher<br />
André Breton vorbereitet.<br />
Er war es, der<br />
geschrieben hat, man<br />
solle aufhören, Vergangenheit<br />
und Zukunft<br />
wie Gegensätze<br />
zu betrachten. Eigentlich<br />
ein wertvoller Gedanke für die<br />
<strong>Matrix3000</strong>-Rubrik über die Wurzeln<br />
unserer Zivilisation und ihrer Kultur.<br />
Salvador Dali ist vor allem bekannt<br />
als Maler und <strong>The</strong>oretiker<br />
des Surrealismus. Weniger bekannt<br />
ist er als Bildhauer und Juwelier.<br />
Seine Juwelierarbeiten sind genauso<br />
ungewöhnlich wie seine Bilder,<br />
vor allem wollte Dali den Hauptpunkt<br />
auf die künstlerische Seite der Arbeit<br />
festlegen. Eine der schönsten Arbeiten<br />
von Dali als Kunsthandwerker ist<br />
(man sehe und staune) eine Uhr „Das<br />
Auge der Zeit“. Diese Uhr ist aus Gold<br />
angefertigt, mit wertvollen Diamanten<br />
geschmückt und mit einem Rubin auf<br />
einer Seite verziert. Warum die Uhr<br />
10.08 anzeigt, bleibt bis heute ein Geheimnis.<br />
Der größte Teil der Juwelierarbeiten<br />
von Salvador Dali befindet sich<br />
heute bei der Owen Cheatham Foundation<br />
in New York. ▀
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Kultur<br />
Nachdem sich Lars von Trier,<br />
der "Extremist der Bilder", mit<br />
einigen verbalen Missgriffen um<br />
Kopf und Kragen geredet hatte,<br />
zeigte er sich auf einem PR-Foto<br />
"vorsichtshalber" mit einem Klebestreifen<br />
über dem Mund.<br />
Roland Rottenfußer<br />
Regie-Tänzer<br />
im Dunkeln<br />
Lars von Trier – der Provokateur<br />
Ekelszenen in „Antichrist“, ironische Nazi-Bekenntnisse<br />
oder jetzt harte Pornografie in „Nymphomaniac“:<br />
Der Däne Lars von Trier lässt keine Gelegenheit<br />
aus, um zu provozieren. Dabei gehört der bekennende<br />
Depressive zu den europäischen Regisseuren,<br />
denen man filmhistorische Größe nicht absprechen<br />
kann. Symbolbeladene Drehbücher, ein experimenteller<br />
Umgang mit filmischen Mitteln und ein bis an<br />
die Schmerzgrenze ausagiertes Mitgefühl mit Außenseitern<br />
machen von Trier zu einem der spannendsten<br />
Filmemacher unserer Zeit. Ein Porträt zum Start des<br />
neuen Films.<br />
54<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Als nächstes wolle er einen<br />
Porno mit Kirsten Dunst drehen,<br />
scherzte Lars von Trier<br />
bei seiner Pressekonferenz im<br />
Mai 2011. „Ohne viel Dialoge, also<br />
so, wie es Frauen mögen.“ Schon<br />
dieser Satz war starker Tobak für<br />
die liebliche Schauspielerin, die während<br />
der Veranstaltung sichtlich irritiert<br />
neben dem dänischen Regisseur<br />
saß, um beider Film „Melancholia“ zu<br />
promoten. Tatsächlich erwies sich der<br />
„Scherz“ aber im Nachhinein als Prophezeiung,<br />
denn Lars von Triers aktuellem<br />
Vier-Stunden Werk „Nymphomaniac“<br />
eilte schon früh der Ruf des<br />
Anrüchigen voraus. Der ältere Junggeselle<br />
Seligmann (Stellan Skarsgard)<br />
liest in einer Winternacht die verletzte<br />
Joe (Charlotte Gainsbourg) von der<br />
Straße auf. Die erzählt ihm in acht Episoden<br />
ihre Lebensgeschichte: die Vita<br />
einer Nymphomanin, deren variantenreiches<br />
Liebesleben den Hauptinhalt<br />
des Films ausmacht.<br />
Lars von Triers „Porno“-Ankündigung<br />
während seiner berüchtigten<br />
Pressekonferenz verblasste aber in ihrer<br />
Wirkung gegenüber einem anderen<br />
Skandal. „Ich verstehe Hitler“, war da<br />
zu hören. „Ich denke, er hat ein paar<br />
absolut schlechte Dinge getan. Aber<br />
ich kann ihn mir in seinem Bunker<br />
vorstellen.“ Nachdem sich der Regisseur<br />
enthemmt immer tiefer in Widersprüche<br />
verstrickt hatte, gipfelte seine<br />
Rede in dem Bekenntnis „O.k., ich bin<br />
ein Nazi“. Aus anderem Anlass hatte<br />
der Regisseur einmal geäußert: „Politische<br />
Correctness tötet die Diskussion.“<br />
Aber selbst das Unkorrekte sollte<br />
doch Hand und Fuß haben, auf Lob für<br />
Hitler trifft dies gewiss nicht zu. Lars<br />
von Trier wurde daraufhin in Cannes<br />
zur „persona non grata“ erklärt und<br />
von der französischen Polizei wegen<br />
Verharmlosung von Kriegsverbrechen<br />
Die Dogma-Bewegung<br />
des dänischen Films<br />
richtete sich gegen die<br />
filmtechnischen<br />
Manierismen von<br />
Hollywoods<br />
Blockbuster-Kultur.<br />
verhört. Von Trier entschuldigte sich<br />
hernach demütig: „Ich habe idiotische<br />
Sachen gesagt“. Was treibt das „Enfant<br />
Terrible“ des europäischen Kinos an,<br />
immer wieder zu provozieren?<br />
Lars von Trier, „Jude“ und „Nazi“<br />
Lars von Trier, geboren 1956 in Kopenhagen,<br />
lebte lange Zeit in dem<br />
Glauben, jüdische Wurzeln zu haben.<br />
Seine Eltern waren Widerstandskämpfer,<br />
die Juden während der deutschen<br />
Besetzung halfen. Kurz vor ihrem Tod<br />
erfuhr Lars von seiner Mutter, dass<br />
sein leiblicher Vater deutschstämmig<br />
war. Von Trier empfand tiefe Enttäuschung,<br />
hatte er sich doch lebhaft mit<br />
der Rolle eines Verfolgten identifiziert.<br />
„Ich wollte wirklich ein Jude sein und<br />
dann fand ich heraus, dass ich ein Nazi<br />
bin, denn meine Familie war deutsch:<br />
die Hartmanns“, sagte Lars von Trier in<br />
seiner berüchtigten Pressekonferenz.<br />
Dieses biografische Detail diente auch<br />
als „Aufhänger“ für seine missglückten<br />
Hitler-Äußerungen.<br />
Die unklare Familiensituation<br />
hinterließ auch Spuren im frühen<br />
filmischen Schaffen des<br />
Hochbegabten. „Bilder der Befreiung“<br />
(1982), seine Abschlussarbeit an der<br />
Dänischen Filmhochschule, handelte<br />
von Nazi-Besatzern, dänischen Kollaborateuren<br />
und deren Opfern. Im Film<br />
„Europa“ (1991) spielt von Trier selbst<br />
einen Juden, der einen Naziverbrecher<br />
namens Hartmann (!) gegen Geld<br />
durch Falschaussage vor der Entnazifizierungsbehörde<br />
rein wäscht. Eine<br />
besondere Beziehung zu Deutschland<br />
finde sich bis ins neuere Werk des Re-<br />
gisseurs. „Melancholia“ (2012) ist laut<br />
Selbstaussage in einem „deutschen,<br />
romantischen Stil“ gedreht.<br />
Chaotischer „Dogmatismus“<br />
Im dänischen Film dominierte aber zunächst<br />
eine realistische Ästhetik, auf<br />
die Spitze getrieben durch die so genannte<br />
Dogma-Bewegung, die heute<br />
als einer der folgenreichsten Impulse<br />
des europäischen Kinos gilt. Lars von<br />
Trier war neben Thomas Vinterberg<br />
einer der Initiatoren. Die Dogma-Regeln<br />
wurden ironisch als filmisches<br />
„Keuschheitsgelübde“ der Regisseure<br />
präsentiert und richteten sich erkennbar<br />
gegen die filmtechnischen Manierismen<br />
von Hollywoods Blockbuster-<br />
Kultur. Die Regeln besagten u.a.:<br />
Drehen nur an Originalschauplätzen.<br />
Verwendung von Handkameras. Keine<br />
Filmmusik. Keine künstliche Beleuchtung.<br />
Keine Spezialeffekte. Keine zeitliche<br />
Verfremdung (Historien-Filme<br />
oder Science Fiction). In Folge dieser<br />
Regeln zeigten sich Dogma-Filme oft<br />
in verwackelten, überbelichteten oder<br />
körnigen Bildern, als agierten die Macher<br />
nach dem Motto: Je schlechter<br />
das Filmhandwerk, desto größer die<br />
Kunst.<br />
Lars von Triers erster „Dogma“-<br />
Beitrag hieß passenderweise „Idioten“<br />
(1998). Er handelte von einer<br />
Gruppe Jugendlicher, die ihre geistige<br />
Behinderung nur vortäuschten und so<br />
die Vorurteile, aber auch die politisch<br />
korrekte Behindertenfreundlichkeit<br />
der Bürger entlarvten. „Idioten“ war<br />
Kultur<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 55
Kultur<br />
in mehrfacher Hinsicht eine Provokation:<br />
Nicht nur wurden die Genre-<br />
Regeln des rührenden Sozialdramas<br />
unterlaufen, der Film zeigt auch die<br />
erste explizite Sex-Szene des dänischen<br />
Kinos, eine „Orgie“ in der WG<br />
der jungen Leute. Schon dieses Skandälchen<br />
erscheint heute als Vorgriff<br />
auf den kommenden pornografischen<br />
Rundumschlag „Nymphomaniac“.<br />
Die aggressive Idiotie der Menschen<br />
Die Filme, mit denen Lars von Trier<br />
zum Klassiker reifen konnte, entstanden<br />
in zeitlicher Nähe zu „Idioten“. Seine<br />
Werke hoben sich durch Prägnanz<br />
und Schonungslosigkeit nicht nur vom<br />
Umfeld der „normalen“ Regisseure ab,<br />
sie setzten auch jedes Mal einzigartige<br />
Stilmittel ein. In „Breaking the Waves“<br />
(1996) waren dies etwa bewegliche Gemälde<br />
des dänischen Künstlers Per<br />
Kirkeby. In „Dancer in the Dark“ (2000)<br />
Musical-Elemente – Lieder, die von der<br />
isländischen Artpop-Künstlerin Björk<br />
gesungen wurden. In „Dogville“ (2003)<br />
Aspekte von Brechts „epischem <strong>The</strong>ater“,<br />
die die Illusion von Realität radikal<br />
durchbrachen. Statt realistischer<br />
Kulissen wurden die Grundrisse eines<br />
Dorfs nur mit auf den Boden gezeichneten<br />
Strichen angedeutet. „Das ist<br />
nur Fiktion“, schien diese merkwürdige<br />
Versuchsanordnung sagen zu wollen.<br />
„Konzentriere dich auf die Botschaft.“<br />
„Dogville“ ist die Geschichte einer<br />
flüchtigen jungen Frau (Nicole Kidman),<br />
die in einem Dorf unterschlüpft<br />
und dort der Reihe nach von den Bewohnern<br />
als Haus- und Sexsklavin<br />
missbraucht wird. Ein tief pessimistisches<br />
Menschenbild des Autors und<br />
Regisseurs tritt hier zutage. Wenn alle<br />
Sexualität ist im Film<br />
"Nymphomaniac"<br />
nicht nur Selbstzweck,<br />
sondern symbolisiert<br />
die Anhaftung an die<br />
chaotische Materiewelt.<br />
„Messiassinnen“ in einer<br />
Welt ohne Gott<br />
Das Universum des Lars von Trier<br />
kennt auch Güte, das selbstlose Opfer<br />
dominiert sogar in einigen seiner<br />
Filme. In „Dancer in the Dark“ lässt<br />
sich Björk als langsam erblindende<br />
Fabrikarbeiterin, obwohl unschuldig,<br />
hinrichten. Sie gibt ihr Geld lieber für<br />
die Augenoperation ihres Sohnes als<br />
einem Anwalt, der sie hätte retten können.<br />
Lars von Trier sagte zu diesem<br />
Film in einem Interview. „Zuerst einmal<br />
leben wir in einer Kultur, wo es ein<br />
Mann ist, der am Kreuz hängt, der sich<br />
opfert. Aber ist es nicht toll, dass es<br />
Hemmungen durch Gesetz und Moral<br />
wegfallen, scheint die Botschaft zu<br />
sein, verwandelt sich jeder Mensch in<br />
ein Monster, unterdrückt andere gnadenlos.<br />
Der in gleicher Manier gedrehte<br />
Fortsetzungsfilm „Manderley“ (2005)<br />
thematisierte dann die unbegrenzte<br />
Unterwerfungsbereitschaft der Menschen<br />
aus „Furcht vor der Freiheit“.<br />
Man kann gerade in diesen politischen<br />
Filmen des Regisseurs eine emanzipatorische,<br />
ja antifaschistische Tendenz<br />
erkennen. Für Kenner verbietet es sich<br />
schon von daher, den Satz „Ich bin ein<br />
Nazi“ wörtlich zu nehmen.<br />
auch Frauen gibt?“<br />
Selma in „Dancer in<br />
the Dark“ wie auch Bess in „Breaking<br />
the Waves“ sind weibliche „Jesusse“.<br />
Die letztere opfert nicht nur die Unversehrtheit<br />
ihres Körpers, sondern auch<br />
die ihrer Seele, indem sie sich wissentlich<br />
„in Sünde fallen“ lässt. Damit weist<br />
sie schon voraus auf die Figur der Joe<br />
in „Nymphomaniac“.<br />
In einer Welt ohne Gott, beherrscht<br />
von fragwürdigen geistlichen und<br />
weltlichen Obrigkeiten, ringen verstörte<br />
und deformierte Wesen um<br />
ihre Erlösung. „Ich bin ein armseliger<br />
Christ“, sagte von Trier einmal „Sehr<br />
früh im Leben kam ich zu der Überzeugung,<br />
dass das Leben auf der Erde,<br />
die Natur und der Mensch nicht die<br />
Schöpfung eines gnädigen Gottes sein<br />
konnten.“ Weder das Selbstopfer der<br />
„goldenen“ weiblichen Seelen, noch die<br />
in „Dogville“ exekutierte Rache der gepeinigten<br />
Frau vermögen aber Licht in<br />
von Triers dunkle Seelenlandschaft zu<br />
bringen.<br />
Sehnsucht nach Auslöschung<br />
Philosophisch wie auch in der Heftigkeit<br />
seiner Gewaltdarstellung ist<br />
„Antichrist“ (2009) zweifellos der bisherige<br />
„Höhepunkt“ in Lars von Triers<br />
Schaffen – quasi ein Bergman-Film für<br />
das Zeitalter der Gewaltpornografie.<br />
Genitalverstümmelungen und andere<br />
abstoßende Szenen können aber den<br />
künstlerischen Gehalt des Films jedoch<br />
nicht zur Gänze überschatten. In der<br />
visuell betörenden Anfangssequenz<br />
haben Charlotte Gainsbourg und Willem<br />
Dafoe Sex und übersehen dabei,<br />
wie ihr kleiner Sohn aus dem Fenster<br />
in den Tod stürzt. Sex, Schuld und Tod<br />
56<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Kultur<br />
sind so von Anfang an eng miteinander<br />
verknüpft. In den folgenden Episoden<br />
einer „Paartherapie“ im Wald entfesselt<br />
Lars von Trier ein Gewirr symbolträchtiger<br />
Bilder. Der „männliche“<br />
Verstand, motivisch Gott zugeordnet,<br />
scheitert schmählich am weiblichen<br />
Prinzip (Sex, Körper, Teufel). „Das Chaos<br />
regiert.“ Schon diese Konstruktion<br />
erscheint gewagt und erregte heftigen<br />
Widerspruch.<br />
„Antichrist“ war aber vor allem<br />
auch ein Versuch Lars von Triers, seine<br />
schwere Depression zu verarbeiten.<br />
Vor den Dreharbeiten hatte er Zweifel<br />
geäußert, jemals wieder einen Film<br />
drehen zu können. Die direkte Darstellung<br />
dieser Krankheit erfolgte dann im<br />
nächsten Film: „Melancholia“ (2011).<br />
Kirsten Dunst, selbst unter Depressionen<br />
leidend, spielte die Rolle der<br />
Justine eindrucksvoll in Form extrem<br />
langsamer Bewegungen, so als müsse<br />
sie sich durch eine Wand aus grauen<br />
Spinnweben kämpfen. Die Depression<br />
als „Tod mitten im Leben“ befreit sie<br />
aber auch von allen Bindungen an gesellschaftliche<br />
Konventionen und zuletzt<br />
sogar vor der Todesangst. Justine<br />
gibt sich dem Tod bringenden Planeten<br />
„Melancholia“ gelassen und wie erlöst<br />
hin. Dabei suggeriert schon die Untermalung<br />
durch Richard Wagners Musik<br />
die Sehnsucht nach Auslöschung.<br />
Manischer PR-Aktivismus<br />
Bald nachdem er Tod und Teufel beschworen<br />
hatte, brach Lars von Trier in<br />
seiner Pressekonferenz auch noch das<br />
Tabu der Verharmlosung Hitlers. Zufall?<br />
Nach seinem Rauswurf in Cannes<br />
und dem Vorsatz, künftig besser den<br />
Mund zu halten, ließ Lars von Trier Plakate<br />
von sich mit zugeklebtem Mund<br />
veröffentlichen. Für „Nymphomaniac“<br />
startete er eine beispiellose PR-Kampagne.<br />
So wurden Bilder der Darsteller<br />
mit von Orgasmus-Lust verzerrten<br />
Gesichtern veröffentlicht. Ebenso acht<br />
Trailer zu den Kapiteln des Films, die<br />
jeweils vor dem zu erwartenden sexuellen<br />
Vollzug abbrachen. Die Frage, wie<br />
viel „echter“ Sex den Filmbildern zugrunde<br />
lag, bewegte schon Monate vor<br />
dem Kinostart die Boulevard-Gazetten.<br />
So war zu lesen, die Oberkörper der<br />
Stars seien per Computertechnik auf<br />
die Unterkörper von Pornodarstellern<br />
montiert worden. Nun hat der schlüpfrige<br />
Werberummel ein Ende, und der<br />
Film muss selbst für sich sprechen.<br />
Einige <strong>The</strong>men des Films werden<br />
versierten Lars von Trier-<br />
Zusehern bekannt vorkommen:<br />
Sexualität ist wieder mit Schuld verquickt<br />
und drängt nach Erlösung<br />
durch den sich distanzierenden Verstand<br />
des Mannes (im Film von Stellan<br />
Skarsgard repräsentiert). Der<br />
Tod spielt wieder eine Rolle, was sich<br />
schon durch die Verwendung von Musik<br />
aus Mozarts „Requiem“ andeutet,<br />
ebenso auch Sucht und Selbsttranszendenz.<br />
Sexualität ist in „Nymphomaniac“<br />
nicht<br />
nur Selbstzweck,<br />
sondern symbolisiert<br />
auch die<br />
„Anhaftung“ an die<br />
chaotische Materiewelt,<br />
wie es Lars<br />
von Trier schon im<br />
„Antichrist“ durchexerziert<br />
hat. Wie<br />
gewohnt, wirft der<br />
Film mindestens<br />
so viele Fragen auf<br />
wie er beantwortet.<br />
Sex bindet,<br />
Ratio befreit<br />
Was Lars von Trier<br />
auf seinem<br />
selbstquälerischen<br />
Fettnäpfchen-Parcours<br />
antreibt, ist<br />
für Außenstehende<br />
schwer zu bestimmen.<br />
Offensichtlich<br />
scheint, dass er als<br />
Depressiver quasi<br />
im seelischen<br />
Grenzbereich beheimatet<br />
und „auf<br />
Du und Du mit dem<br />
Tod“ ist. Somit agiert er teilweise von<br />
der Bindung an Konventionen und<br />
Tabus „befreit“, was auf Zuschauer<br />
anstrengend, aber auch faszinierend<br />
wirken kann. Vielleicht empfindet er<br />
die Gebundenheit des Verstandesmenschen<br />
an körperliche Begierde<br />
auch eher als Fluch, der nach Erlösung<br />
verlangt. „Wenn man die Rationalität<br />
entwertet, neigt die Welt dazu,<br />
auseinander zu fallen“, hatte er einmal<br />
geäußert.<br />
Und jetzt? Nach dem Abarbeiten<br />
der großen Tabuthemen Gewalt,<br />
Tod, Teufel, Hitler und Sex besteht<br />
die Herausforderung für den Regisseur<br />
wohl darin, in künftigen Filmen<br />
überhaupt noch etwas Neues, gleichermaßen<br />
Eindringliches zu produzieren.<br />
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Spiritualität<br />
oga<br />
Yoga verstehen<br />
Die vier Wege zur Einheit<br />
Das indische Sanskrit-Wort Yoga wird von den wirklich<br />
großen Yoga-Meistern, allen voran Yogananda<br />
und Ramana Maharishi (der Heilige vom Berg), mit<br />
den Worten „die erreichte Vereinigung mit Gott“ übersetzt.<br />
Der Begriff bezeugt, dass wahres Yoga den in der<br />
physischen Welt erreichten Endzustand des individuellen<br />
menschlichen Entwicklungszyklus darstellt.<br />
Yoga bzw. Yogi darf sich daher genau genommen nur<br />
nennen, wer bzw. was die Gottvereinigung verwirklicht hat.<br />
Bereits an der Definition können wir erkennen, dass fast<br />
alles, was sich heute als Yoga bezeichnet – ob aus Asien<br />
kommend oder in der westlichen Welt entstanden – dem<br />
nicht gerecht wird und diesen Begriff daher unberechtigt<br />
fuhrt.<br />
Im allerersten schriftlichen Werk über die Wurzeln des<br />
Yoga beschreibt der Autor Pantanjali bereits deutlich – so<br />
auch der brahmanische Text der Bhagavad Gita – wie der<br />
wahre Yogapfad zu begehen ist.<br />
Die beiden ursprünglichen Quellen der Yoga-Lehre geben<br />
uns darüber eindeutige Auskunft, was Yoga ist und wie<br />
Yoga im Menschen und seinem Leben umgesetzt werden<br />
soll. Daher wird in dem jahrhundertealten indischen Lehrbuch<br />
des Yoga, der Bhagavad-Gita, prägnant und klar erklärt,<br />
wie das Yoga zu handhaben ist.<br />
Lesen wir, was die Bhagavad Gita (im 6. Gesang, Shloka<br />
12 und 13) über Yoga-Übungen aussagt:<br />
... Gemüt und Herz auf den Einen richtend, ein Meister<br />
(im Beherrschen) seiner Sinne und Gedanken. In seinem<br />
Sitze aufrecht ruhend (entspannt), sorgenfrei soll er den<br />
Yoga üben, um die Reinheit der gottergebenen Seele zu erlangen.<br />
Sein Körper, Kopf und Hals sei (gerade) aufrecht<br />
unbewegt (im Sitzen) und fest auf seiner Nasenspitze sollen<br />
seine Augen (geschlossen) haften....<br />
(Sanskrit-Übersetzung von Edwin Arnolds, ins Deutsche<br />
übertragen von Dr. Franz Hartmann, Schatzkammer<br />
Verlag ca. 1902)<br />
Die Augen, mit denen wir ja physisch<br />
sehen, werden hier also zur Ruhe<br />
gebracht und während der Übung<br />
fixiert, damit wir unsere Konzentration<br />
besser auf das Geistige<br />
– das dritte Auge - das in der<br />
Kopfmitte sitzt, richten können.<br />
Erweckt ist es das Wahrnehmungs-<br />
Zentrum unserer inneren geistigen Schau,<br />
die auch als 7. Sinn bezeichnet wird.<br />
In der zweiten ursprünglichen Quelle, in seinem berühmten<br />
Kommentar zur Yoga-Lehre, bestätigt Patanjali<br />
ebenfalls völlig klar die vorgenannten Anweisungen<br />
der Bhagavad-Gita in seinen „Yoga-Sutren“:<br />
Vers 45 – Durch Hingabe an Gott erlangt man die vollkommene<br />
Versenkung. Vers 46 – Die Sitzhaltung soll (dabei)<br />
fest (aufrecht) und angenehm sein. Vers 47 – Diese<br />
(eine) Sitzhaltung soll man in völliger Entspannung und in<br />
einem Zustand der Betrachtung des Unendlichen einnehmen.<br />
(Bhagavad Gita, Barth Verlag, 4. Auflage 1982, Hrsg. B.<br />
Baumer, Kommentar P.Y. Deshpande)<br />
Beide Textquellen beschreiben unmissverständlich,<br />
dass es sich beim Yoga nicht um gymnastische Übungen<br />
handelt, sondern ausschließlich darum geht, sich in einem<br />
konzentrierten geraden Sitz zu versenken. (Für Anfänger<br />
genügt der offene Lotussitz, für Fortgeschrittene der Lotussitz)<br />
Das Denken und Fühlen soll durch den geraden, aufrechten<br />
Sitz zur Ruhe kommen, wodurch innerlich eine<br />
Entspannung, eine Leere entsteht, durch die wir innere<br />
Erfahrungen aufnehmen. Diese führen uns im Laufe der<br />
Zeit immer mehr zum Verstehen der reinen Yoga-Lehre<br />
und damit zum Einklang mit dem Yoga – der Vereinigung<br />
in/mit Gott.<br />
58<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Spiritualität<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000<br />
59
Spiritualität<br />
Das Ziel der Yoga-Lehre<br />
In der Bhagavad Gita - 18. Gesang,<br />
Vers 61 - wird das wahre<br />
Ziel der Yoga-Lehre in sehr<br />
schönen Worten beschrieben:<br />
„Ein Meister wohnt im<br />
Inneren der Geschöpfe und<br />
hat nur im Menschenherzen<br />
seinen Thron“.<br />
Durch aufrechtes Sitzen,<br />
Leere in der Versenkung<br />
und das Aufnehmen<br />
von inneren Lehren sollen<br />
wir also eines Tages bis<br />
zum eigenen Zentrum, dem<br />
Herzen vordringen, um darin<br />
„den Meister“ – die Gottkraft<br />
– in uns zu treffen, die in jedem<br />
Menschen wirkt!<br />
Die Inhalte der Yoga-Lehren sollen<br />
uns helfen, unser eigenes Denken, Fühlen,<br />
Sprechen und Handeln - gerade auch in<br />
der äußeren Welt – bewusst zu veredeln, wodurch<br />
wir Harmonie in unsere Umgebung ausströmen. Der „YOG“<br />
will auf diesem Wege jeden Menschen die „Ethik“ der Evolution<br />
und seines eigenen Wesens deutlich machen, durch die<br />
wir dann - laut dieser indischen hohen Lehre - zur bewussten<br />
Verbindung mit der Gottenergie kommen, dem Yoga!<br />
Durch diese Form der wahren Yoga-Übung offenbart sich<br />
der vierfache Weg (Marga) des Yoga mit seinen Abschnitten,<br />
dem achtfachen Lotus, der mit dem erhabenen achtfachen<br />
Pfad Buddhas inhaltlich identisch ist.<br />
Diese vier Wege stellen analog die praktische Umsetzung<br />
der vier menschlichen Erfahrungsebenen nach<br />
den göttlichen Prinzipien dar:<br />
• das menschliche Denken führt durch Jnana-Marga -<br />
Denken - zum Jnana-Yoga<br />
• das menschliche emotionale Fühlen führt durch Bhakti-<br />
Marga - Glückseligkeit - zum Bhakti-Yoga<br />
• das menschliche Handeln führt durch Karma-Marga –<br />
Handeln – zum Karma-Yoga<br />
• und das feinstofflich verankerte höhere Selbst – in unserem<br />
Ätherkörper – führt durch Raja-Marga zur Eins-Werdung<br />
mit der Gottenergie zum Raja-Yoga.<br />
Durch Erkennen, Erfahren und Verstehen der göttlichen<br />
Prinzipien sollen wir über die vier wahren Yoga-Wege unseren<br />
Charakter und damit unser gesamtes Wesen so veredeln,<br />
bis wir eine große Harmonie erreicht haben. Im Moment dieser<br />
Bewusstseinserkenntnis auf jeden der vier Wege entsteht<br />
die Endphase – das Yoga, der Vereinigungszustand mit Gott<br />
– in die wir dann in voller Erkenntnis eintreten.<br />
Demnach ist wahres Yoga ein heiliger Weg, dessen Ziel es<br />
ist, uns zur Einheit in Gott zu führen. Der Begriff Yoga sollte<br />
daher – schon aus religiös-ethischen Gründen – nicht für andere<br />
Dinge und Zwecke entfremdet werden, für die es doch<br />
wohl zutreffendere Bezeichnungen gibt.<br />
Was bewirken nun die vier wahren Wege – Margas -, die zu<br />
den vier heiligen Yoga-Zielen fuhren?<br />
Im Jnana-Marga – dem Weg zum Jnana-Yoga – lernt der<br />
Schüler sein Denken zu beherrschen und es mit der göttlichen<br />
aufbauenden Ordnung des Denkens in Einklang zu bringen.<br />
Verkörpert und lebt er in<br />
seinem Denken die geistigen<br />
Gesetze, hat er Verbindung<br />
mit dem „göttlichen Denkprinzip“<br />
erreicht. Erst ab<br />
diesem Zustand lebt er<br />
Jnana-Yoga und darf<br />
sich daher auch erst<br />
dann Yogi nennen.<br />
Im Bhakti-Marga<br />
– dem Weg zum Bhakti-Yoga<br />
– lernt der<br />
Schüler sein Fühlen<br />
beherrschen und es mit<br />
den göttlichen Prinzipien<br />
der Glückseligkeit, der<br />
Gottliebe gegenüber allen<br />
Leben und Dingen, in Einklang<br />
zu bringen. Verkörpert und lebt<br />
– also verwirklicht – er diese Gottliebe,<br />
tritt er vom Übungsweg - Marga<br />
- in den Zustand des Yoga ein; dann ist er<br />
ein Bhakti-Yogi, da er Bkakti-Yoga bewusst lebt.<br />
Im Karma-Marga – dem Weg zum Karma-Yoga – lernt<br />
der Schüler alle seine Erfahrungen aus dem Jnana- , Bhakti-<br />
Marga (bzw. Yoga) bewusst in seinem täglichen Leben aktiv<br />
einzusetzen, um bei allem Tun stets die göttliche Harmonie<br />
in allen Handlungen zu erzeugen. Er wirkt so aus der Summe<br />
seiner Denk- und Fühl-Erfahrungen nach den göttlichen<br />
Prinzipien aus seinem Herzen heraus in der äußeren Welt<br />
und hilft ihr, sie durch sein Tun zu harmonisieren.<br />
In diesem Zustand hat er die Einheit der göttlichen Prinzipien<br />
des Jnana- und Bhakti-Yoga erreicht, denn er<br />
verwirklicht sie, wie die 12 Eigenschaften des Verhältnis<br />
im Leben „Tyrkreises“ (großer Zodiak), indem er im richtigen<br />
Verhältnis im Leben<br />
Schweigen - Reden<br />
Empfänglichkeit - Unbeeinflussbarkeit<br />
Gehorchen - Herrschen<br />
Demut - Selbstvertrauen<br />
Blitzesschnelle - Besonnenheit<br />
Alles annehmen - Unterscheiden können<br />
Vorsicht - Mut<br />
Nichts besitzen - Über alles verfügen<br />
An nichts gebunden sein - Treue<br />
Sich zeigen - Unbemerkt bleiben<br />
Todesverachtung - Lebensschätzung<br />
Gleichmut - Liebe<br />
einsetzt. (Mehr Informationen über die 12 Gegensatzpaare<br />
auf der Website www.evolutionskreis.de)<br />
Ein solches Menschenkind wird nun Karma-Yogi genannt,<br />
da es Karma-Yoga aktiv lebt. Schüler in diesem Zustand<br />
werden auch „Meister des Lebens“ genannt.<br />
Der Karma-Yogi fühlt und weiß, dass er vom eigenen<br />
„göttlichen Ich“ geführt wird, das ihm zeigt, durch welche<br />
Handlungen die göttliche Harmonie erzeugt wird, die er<br />
durch sein „persönliches Ich“ durch Unterscheidungsfähigkeit<br />
bewusst in der Welt zu erkennen hat und umzusetzen<br />
sucht.<br />
60<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
In diesem Stadium entwickelt sich die Sehnsucht, mit<br />
dem „Göttlichen ICH“ EINS zu werden und der „Meister<br />
des Lebens“ tritt nun in den „Königsweg des Yoga“, den<br />
Raja-Marga - dem Weg zu Raja-Yoga – ein, indem er lernt,<br />
die drei niederen verschmolzenen Wege (Margas) und ihre<br />
Yoga so im Herzen zu vertiefen. Damit begibt er sich auf<br />
den Ra (Sonnen)-Ja (Che=Energie)-Weg(Marga).<br />
Dieser Weg wird von allen wirklich großen Lehrern der<br />
Welt als der Versenkungsweg nach Innen (in die höheren<br />
Welten) bezeichnet, der nur durch die drei Stufen: 1. Konzentration<br />
zur 2. Kontemplation, die dann zur wahren 3.<br />
Meditation – der Vereinigung mit Gott – zum Endziel führt.<br />
Wahre Meditation bedeutet also, den direkten vollbewussten<br />
Kontakt mit der göttlichen Kraft im eigenen Herzen<br />
(medi, Mitte) erreicht zu haben. Durch diesen Zustand<br />
drückt sich göttliche Kraft direkt durch den Menschen<br />
über dessen Denken, Fühlen und Handeln aus.<br />
Der „Meister des Lebens“ ist nun zum „Meister seines<br />
Seins“ herangewachsen. Der Schüler erkennt sich bewusst<br />
und klar als Werkzeug Gottes, ist somit Raja-Yogi<br />
geworden und lebt voll bewusst nach den Lehren seines<br />
Gottes im Herzen Raja-Yoga, um seinen Geschwistern auf<br />
Erden zu dienen.<br />
Nur diese vier Yoga-Wege entsprechen den vier Bewusstseinsebenen<br />
des Menschen und führen ihn<br />
zur wahren Meditation – zur Einheit mit Gott. Die<br />
einzelnen Wege werden entweder nacheinander oder teilweise<br />
zusammen begangen – was vom Karma abhängt.<br />
Alle anderen Lehren wurden leider bruchstückhaft<br />
den ursprünglichen Heiligen vier Yogawegen entnommen<br />
und so verändert, - oder gar neu erfunden – dass<br />
sie allein vom Ansatz her und von der Wirkungsweise<br />
wie Zielvorgabe kein wirkliches Yoga mehr sind, sich daher<br />
auch nicht Yoga nennen durften.<br />
Besonders deutlich wird dies in der authentischen<br />
Lehre der Bhagavad Gita, in der es heißt, dass „Sattwa<br />
(das Heilige) nur unter Verzicht von Lohn gegeben werden<br />
kann.“ Da die am Markt angebotenen Kurse jedoch<br />
nur gegen Gebühren stattfinden, sind sie schon aus diesem<br />
Grunde kein Yoga!<br />
Dies betrifft auch die indische ganzheitliche „HATHA-<br />
Gymnastik“. Sie, wie auch viele der bruchstückhaften<br />
Lehren aus dem alten heiligen Wissen können für Körper<br />
und Seele viel Gutes tun und zu einer körperlich seelischen<br />
Balance führen. Wegen der hier fehlenden o.g.<br />
ganzheitlichen Grundlagen des Heiligen Yoga, führen<br />
diese Übungen nicht zur Vereinigung mit Gott! Dieser<br />
Weg wird nur über die hier beschriebenen vier wahren<br />
Yoga-Wege erreicht, wofür keinerlei gymnastische<br />
Übungen notwendig oder sinnvoll sind. Daher stellen die<br />
gymnastischen „HATHA“-Übungen kein Yoga dar, was<br />
alle wahren Yoga-Meister bestätigt haben. Besonders<br />
unmissverständlich erklärte dies der wohl größte Yogi<br />
des letzten Jahrhunderts, Yogananda, der nachweislich<br />
die höchste Stufe des Yoga vollzogen hat - Maha-Samadhi<br />
- den vollbewussten Austritt aus dem physischen<br />
Körper (physischer Tod) bei gleichzeitigem Aufrechterhalten<br />
des Leibes, indem über 23 Tage keinerlei Verwesung<br />
oder Zerfall eintrat. Yogananda - der führende Vertreter<br />
vom ältesten Yoga-Orden Indiens, den Giri - hat in<br />
vielen seiner Vorträge immer wieder klar geäußert, dass<br />
die als „HATHA“ bezeichneten<br />
gymnastischen Übungen rein<br />
gar nichts mit dem Heiligen<br />
Yoga zu tun haben. Heiliges<br />
Yoga muss für jeden, auch für<br />
unsportliche und vor allem<br />
ältere Menschen, zu begehen<br />
sein, woraus sich bereits das<br />
stille aufrechte Sitzen begründet,<br />
um den Weg zur inneren<br />
Vereinigung gehen zu<br />
können, was sonst gegen das<br />
kosmische Gesetz wäre.<br />
Unbenommen kann man<br />
die gesundheitsfordernde<br />
„HATHA-Gymnastik“ üben,<br />
gleichwohl auch das Heilige<br />
Yoga praktizieren. Da Yoga<br />
und die indische Sportgymnastik<br />
jedoch zwei völlig verschiedene<br />
Disziplinen sind,<br />
die keine gemeinsamen Inhalte<br />
haben, können sie nicht<br />
als ein einheitliches System<br />
bezeichnet werden.<br />
Wenn die zu entwickelnde<br />
Lehre der Unterscheidungskraft<br />
fehlt, die uns erst in die heiligen<br />
Lehren der vier reinen<br />
Yoga-Wege führt, entsteht<br />
nur Mittelmaß, insbesondere,<br />
wenn wir viel wissen und<br />
Lehren konsumieren, statt<br />
unseren wahren eigenen Weg<br />
zum Herzen zu folgen.<br />
Hierzu gehört, die innerlich<br />
erkannten und verstandenen<br />
Lehren im täglichen<br />
Leben, beruflich und privat,<br />
aktiv umzusetzen. Erst dadurch<br />
erhalt das wahre Yoga<br />
seinen Ausdruck im Inneren<br />
wie im Äußeren und fordert<br />
dabei die harmonische Entwicklung<br />
des Einzelnen wie<br />
des Ganzen.<br />
Diese Wahrheit haben uns<br />
all die wirklich großen Yoga-<br />
Meister vorgelebt, die auf<br />
den hier vorher beschriebenen<br />
Wegen ihr Ziel erreicht<br />
haben, getreu dem geistigen<br />
Grundsatz des Yoga:<br />
„Wo deine Konzentration<br />
ist, da bist du, wohin du sie<br />
lenkst, zu dem wirst du.“ ▀<br />
Dieser Text wurde der <strong>Matrix3000</strong><br />
vom Studienkreis für Empirische<br />
Evolutionsforschung zur Verfügung<br />
gestellt. www.evolutionskreis.de<br />
Die magische Matrix<br />
Löse Deine Probleme –<br />
heile dich selbst<br />
Jede Heilung über den Quantenbereich<br />
ist wie Magie und grenzt<br />
an Wunder.<br />
Die Erklärungen und die in diesem<br />
Buch angebotenen Arbeiten<br />
über die 4D- und 5D- Matrix befassen<br />
sich mit der Ursache, die<br />
hinter dem Symptom steckt. Ist<br />
die Ursache gelöst, wird das<br />
Symptom der Gegenwart verschwinden.<br />
Dabei ist es gleichgültig,<br />
wo sich das Problem befindet.<br />
Lösbar sind: Sorgen, Krankheiten,<br />
berufliche Konflikte, emotional<br />
oder familiär Belastendes,<br />
Energiefelder, seelische und<br />
phychische Beeinträchtigungen,<br />
karmische Verwicklungen und<br />
vieles mehr.<br />
Das Arbeiten mit der Matrix in<br />
der Quantendimension ist für jeden<br />
erlernbar, auch ohne Vorkenntnisse;<br />
denn es ist mit zahlreichen<br />
Fallbeispielen versehen.<br />
So ist das Werk ein guter Ratgeber<br />
und zugleich ein Lernbuch<br />
für den interessierten Laien sowie<br />
den psychotherapeutischen<br />
Fachkundigen.<br />
Halina Kamm<br />
Die magische Matrix<br />
Löse Deine Probleme –<br />
heile dich selbst<br />
Sachbuch – Lehrbuch<br />
240 Seiten, gebunden<br />
CORONA Medien Verlag<br />
ISBN 978-3-942128-07-0<br />
€ 19,90
Spiritualität<br />
Bevor wir uns ein Tier anschaffen, machen wir uns schlau.<br />
So ist es durchaus sinnvoll, zu wissen, dass ein Araberhengst<br />
zwischendurch einmal mit 60 Sachen galoppieren<br />
muss, damit er nicht hospitalisiert, derweil Sie einen Brabanter<br />
mit dieser Geschwindigkeit nach ein paar Minuten<br />
glatt umbringen würden.<br />
Doch wissen wir auch genau so über das „fremde Tier in<br />
unserem Bett“ Bescheid? Aufgrund meiner Erfahrung in<br />
der tiefenpsychologischen Partnerschaftsberatung kann<br />
ich mit Gewissheit sagen: „Nein – wir kennen ja meist<br />
noch nicht einmal uns selbst richtig!“ Doch genau daraus<br />
entstehen die Konflikte, die Partnerschaften so schwierig<br />
machen.<br />
Ausgerechnet bei der Spezies Mensch, dem komplexesten<br />
Wesen der Erde, gehen wir ganz selbstverständlich<br />
davon aus, dass unsere Mitbürger genauso<br />
ticken wie wir selbst und wir direkt von uns auf den anderen<br />
schließen können. Weit gefehlt! Nicht nur, dass es große<br />
Unterschiede zwischen den Prioritäten der verschiedenen<br />
sozialen Schichten, Kulturkreise oder Generationszugehörigkeiten<br />
gibt. Die gravierendsten, weil am tiefsten verborgenen<br />
Missverständnisse entstehen durch Projektion,<br />
Unwissenheit über pränatale Einflüsse, die Geschwister-<br />
Konstellation sowie die sogenannte Sternzeichen-Persönlichkeit.<br />
Ärgerlich ist nur, dass wir in unserem abgeklärten<br />
Kulturkreis die meisten dieser Faktoren für unwissenschaftlich<br />
erachten und daher kaum darin geschult sind.<br />
Wir laufen ins offene Messer, nur aufgrund von Vorbehalten.<br />
Das muss nicht sein.<br />
Beginnen wir mit den Sternzeichen und dem Grund,<br />
warum viele Menschen damit nichts anfangen können: Ich<br />
halte sie für einerseits viel zu differenziert, um noch praktikabel<br />
zu sein, andererseits fahrlässig ungenau in der Bestimmung.<br />
Alles Entstehende in der Welt unterliegt einer Zeitqualität.<br />
Da liegt nahe, dass die Eigenschaften des so genannten<br />
„Sternzeichens“, wahrscheinlich nicht mit der Geburt<br />
entstehen, sondern bereits bei der Zeugung. Der errechnete<br />
Geburtstag liefert also den Hinweis auf das Zeichen<br />
und bedeutet, dass Sie als Mutter bereits neun Monate<br />
lang einen Widder/Löwen/Wassermann und so weiter unter<br />
dem Herzen tragen und dieser entsprechend seiner<br />
Grundpersönlichkeit auf Stress reagiert. Das ist ungefähr<br />
so, als ob Sie Ihr Frühstück aufgrund von Zwischenfällen<br />
nicht um neun Uhr einnehmen können, sondern erst um<br />
zwölf Uhr. Damit ist es kein Mittagessen, sondern bleibt mit<br />
Toast, Eiern und Orangensaft ein Frühstück – zur falschen<br />
Zeit. Wenn Sie sich also bislang in Horoskopen nicht wiedererkannt<br />
haben, liegt das wahrscheinlich daran, dass Sie<br />
außerhalb Ihres natürlichen Geburtstermins zur Welt gekommen<br />
sind. Errechnen Sie Ihr Horoskop danach, wann<br />
Sie normalerweise Geburtstag hätten, wenn Sie eine pünktliche<br />
Geburt gehabt hätten. Der Aszendent hingegen hat mit<br />
der tatsächlichen Geburtszeit zu tun, wirkt aufgrund der<br />
zeitlichen Unschärfe auch nicht so dominant wie das Sonnenzeichen.<br />
Doch gerade der Aszendent ist eine häufige<br />
Fehlerquelle, denn die Geburtszeit ist selten die Zeit, zu der<br />
die Hebamme nach getaner Arbeit auf die Uhr sieht, sondern<br />
die Zeit, zu der ein Baby aufhört, seine eigene Geburt<br />
voranzutreiben. Das ist besonders bei Kaiserschnittkindern<br />
relevant. Wenn der Aszendent nicht mit Ihren Persönlichkeitsmerkmalen<br />
übereinstimmt, sehen Sie sich einfach den<br />
Aszendent davor an – meist ist dieser stimmig.<br />
Ich persönlich fordere, dass dieses Wissen jedem Grundschüler<br />
zugänglich gemacht werden sollte. Mit dem<br />
Background über die verschiedenen Persönlichkeiten<br />
werden soziale Beziehungen viel friedlicher. Die Eigenschaften<br />
Ihres Partners sind nun einmal seine Persönlichkeit.<br />
Ihn dafür zu kritisieren, wäre unreflektiert und arrogant.<br />
Ebenso sind vorgeburtliche Erlebnisse oft verborgen,<br />
aber prägend. Ein Embryo im Bauch registriert Reize ab<br />
der dritten Woche. Ob Mama über einen<br />
Witz lacht oder sich über Papa<br />
ärgert – Sie spüren das<br />
alles und halten es<br />
Artgerechte<br />
Partnerhaltung<br />
Analysieren Sie das „fremde Tier“ in Ihrem Bett<br />
Andreas Winter<br />
62<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Spiritualität<br />
für Ihre eigenen Empfindungen. Hierdurch verschalten sich<br />
in Ihrem Gehirn Milliarden von Neuronen und legen Ihre<br />
Verhaltensmuster an. Dies erklärt folgendes Phänomen:<br />
Die Suche nach dem perfekten Partner<br />
ist ein toter Zwilling<br />
Ein Zwilling hat im Mutterleib wochenlang die Erfahrung<br />
der direkten Interaktion gemacht. Zwillinge spüren, dass sie<br />
nicht allein sind. Genau das ist der Grund, warum diese als<br />
Erwachsene besonders hohe Ansprüche an Resonanz und<br />
Gemeinsamkeit haben und sich bei Missverständnissen und<br />
Konflikten recht schnell einsam fühlen. Ein Sonderfall sind<br />
die nicht zur Geburtsreife gekommenen Zwillingsschwangerschaften<br />
– dies geschieht anscheinend öfter, als man<br />
denkt. Bisherige Untersuchungsmethoden wie Ultraschall<br />
oder Hormonstatusmessungen ergaben, dass etwa elf bis 15<br />
Prozent aller Schwangerschaften vorzeitig mit einer Fehlgeburt<br />
enden. Etwa 70 Prozent aller Schwangerschaften gehen<br />
schon vor dem Zeitpunkt der erwarteten Regelblutung<br />
ab und werden nicht erkannt, da die Menstruation pünktlich<br />
oder nur wenige Tage später eintritt. Die Fehlgeburt konnte<br />
somit gar nicht als solche wahrgenommen werden. Wenn<br />
es also gar nicht so selten ist, dass Kinder im Allgemeinen<br />
verloren gehen, müssen wir davon ausgehen, dass es wesentlich<br />
mehr angelegte Zwillinge gibt, als letztlich überleben.<br />
Hieraus ergibt sich eine psychologische Besonderheit:<br />
Der pränatale Verlust eines Zwillingsgeschwisters führt<br />
oftmals zu einem rätselhaften „Suchverhalten“. Stellen Sie<br />
sich einfach einmal vor: Sie sind im Bauch Ihrer Mutter und<br />
registrieren den Herzschlag Ihres Zwillings wie auch er den<br />
Ihren. Sie reagieren mit einem Neuronenfeuer darauf und<br />
schütten Transmitter aus – er ebenso. Sie leben in perfekter<br />
Resonanz und gewöhnen sich an diese Harmonie. Wenn der<br />
Zwilling nun verstirbt, wird es seltsam ruhig um Sie herum.<br />
Ihr verstorbenes Geschwister wird nun vergehen, was giftige<br />
Abbauprodukte freisetzt, die Sie wiederum spüren, und<br />
sie registrieren: „Allein gelassen werden ist eine tödliche<br />
Gefahr!“ Der überlebende Betroffene wäre zeitlebens von<br />
dem unbestimmten Gefühl beseelt, jemanden perfekt Passenden<br />
suchen zu müssen, so wie er es ja in der Zeit der<br />
pränatalen Entwicklung erlebt hatte.<br />
Wenn jemand seinen Zwilling verloren hat, ist er ganz<br />
besonders empfindlich in Bezug auf „allein gelassen<br />
werden“, das kann eine Partnerschaft extrem<br />
belasten.<br />
Wir konnten in der Praxis diese tragische Suche, die<br />
selbst während funktionierender Partnerschaften hindurch<br />
aufrechterhalten bleibt und Stoff für Eifersuchtsgefühle<br />
beim Partner gibt, durch das Bewusstmachen der frühkindlichen<br />
tiefenpsychologischen Hintergründe beenden.<br />
All diese Stressfaktoren können mit modernen Verfahren<br />
aufgedeckt werden. Mit dem Bewusstsein über die<br />
Ursachen von Konflikten kann eine Partnerschaft wieder -<br />
oder endlich - ins Lot gebracht werden. ▀<br />
Andreas Winter ist im März 2014 auf<br />
Vortragstour:<br />
www.Artgerechte-Partnerhaltung.de<br />
Das Buch „Artgerechte Partnerhaltung - Lieben<br />
ohne Stress“ erscheint am 10. März im Mankau<br />
Verlag, Murnau<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 63
Bücher<br />
Medienwelten<br />
Die Ausstellung „medien.welten“<br />
im Technischen Museum Wien<br />
wird von dieser Verlagspräsentation<br />
begleitet. Sie zeigt die Entwicklung<br />
des kulturellen und sozialen<br />
Lebens im deutschen Sprachraum<br />
der letzten fünfhundert Jahre.<br />
Hier ist die Rolle der unterschiedlichen<br />
Wissens- und Speicherträger<br />
am besten zu beobachten.<br />
Die Rezensentin begleitete diese<br />
rasant geschriebene Abhandlung<br />
mit einer persönlichen Reflexion:<br />
Die Formen und Möglichkeiten<br />
der Kommunikation ändern sich,<br />
die Menschen hingegen kaum.<br />
Unsere Ziele und Motive bleiben<br />
dieselben. Gutenberg hat die Welt<br />
genauso verändert wie Bill Gates<br />
oder Google. Die Kommunikation<br />
während des Zweiten Weltkrieges<br />
und danach im Kalten Krieg ist<br />
ein besonders informativer und<br />
interessanter Teil des Buches.<br />
Diese Zeit war auch sehr reich an<br />
Erfindungen und hat im Endeffekt<br />
den USA die Tore zu ihrer kühlen<br />
und gnadenlosen Beobachtung<br />
mit Hilfe der Medien geöffnet.<br />
Für Email- und Facebook-Fans:<br />
Wussten Sie, dass im Jahre 1772<br />
die Kaiserin Maria <strong>The</strong>resia dem<br />
Franzosen Joseph Hardy die Erlaubnis<br />
erteilte, in Wien eine<br />
Stadtpost einzurichten? Vielleicht<br />
hat sie damals sogar funktioniert.<br />
Ein faszinierender Streifzug durch<br />
die Menschheitsgeschichte und<br />
unsere intellektuelle Entwicklung.<br />
Mit vielen interessanten Farb- und<br />
Schwarzweißbildern.<br />
Grazyna Fosar<br />
Otmar Moritsch / Wolfgang<br />
Pensold<br />
Medienwelten<br />
Die Kulturgeschichte der modernen<br />
Mediengesellschaft<br />
Ueberreuter Verlag, Wien 2013<br />
ISBN 978-3-<strong>80</strong>00-7370-6<br />
€ 28,00<br />
Tipi selbst herstellen<br />
Dieses Buch ist für alle, die sich<br />
ein Tipi bauen möchten oder<br />
davon träumen - der Traum<br />
wird dann leicht schneller zur<br />
Realität, als man sich vor der<br />
Lektüre zutrauen wollte. Es<br />
enthält, Schritt für Schritt, die<br />
komplette Anleitung wie man<br />
ein Tipi näht.<br />
Die Anleitung ist so einfach gehalten,<br />
dass sie auch ein unerfahrener<br />
Anfänger ausführen<br />
kann, und erstreckt sich von<br />
der Materialauswahl bis zum<br />
Aufstellen.<br />
Das liebevoll gestaltete Buch<br />
besticht auch durch seine<br />
Zeichnungen, welche die praktischen<br />
Anleitungen illustrieren,<br />
und durch seinen Bildteil<br />
mit vielen Fotos von Tipi-Installationen.<br />
Dass auch der Nachdruck wieder<br />
original handschriftliche<br />
Texte der Autorin enthält, gibt<br />
dem Buch eine ganz besondere,<br />
persönliche Note.<br />
PS: Ein Tipi kann man problemlos<br />
auf einem Gartenoder<br />
Freizeitgrundstück dauerhaft<br />
aufstellen und nicht nur<br />
im Sommer darin komfortabel<br />
wohnen.<br />
Ein Zitat von Häuptling Flying<br />
Hawk dazu: Niemand kann gesund<br />
sein, wenn er nicht ständig<br />
frische Luft, Sonnenschein<br />
und gutes Wasser um sich hat.<br />
Michael Müller<br />
Silvia McIntosh<br />
Eine komplette Anleitung zur<br />
Herstellung von einem Tipi<br />
Verlag Grüne Kraft<br />
ISBN 978-3-922708-41-4<br />
€ 10,00<br />
Ihr seid Lichtwesen<br />
Die Frage nach der Herkunft<br />
des Menschen ruft sowohl Naturwissenschaftler<br />
als auch Religionswissenschaftler<br />
auf den<br />
Plan. Armin Risi macht sich bei<br />
beiden Fraktionen unbeliebt und<br />
beweist damit seine Größe als<br />
Autor und Forscher. „Ihr seid<br />
Lichtwesen“ – diese berühmte<br />
Aussage ist eine Art von Zeitkapsel,<br />
eine Botschaft an uns heute,<br />
die wir erkennen und transformieren<br />
sollen. Dieses Wissen,<br />
das schon als ein Leitmotiv in<br />
den spirituellen Traditionen vieler<br />
Hochkulturen gelehrt wurde,<br />
stellt das Universum und uns<br />
Menschen als multidimensionale<br />
Wesen dar. Es erlaubt jedem<br />
von uns, nach den Urgründen<br />
unseres Seins zu suchen. Das<br />
Buch erlaubt uns dabei, unsere<br />
Individualität auszuleben, und<br />
gleichzeitig ist es ein weiser,<br />
sachlicher, spiritueller, mythologischer<br />
und sogar anthropologischer<br />
Führer mit philosophischem<br />
Kontext. Vergangenheit<br />
trifft Zukunft. Oder – die Urgeschichte<br />
der Menschheit wurde<br />
neu erzählt.<br />
Grazyna Fosar<br />
Armin Risi<br />
Ihr seid Lichtwesen<br />
Ursprung und Geschichte<br />
des Menschen<br />
Govinda-Verlag, Zürich 2013<br />
ISBN 978-3-905831-27-6<br />
€ 24,00<br />
Numerologie nach<br />
Pythagoras<br />
Dieses Buch entschlüsselt das<br />
Geheimnis der persönlichen Geburtszahlen<br />
und zeigt so auch<br />
die Lebensaufgaben des einzelnen<br />
Menschen. Den Leser lässt<br />
es erkennen, was möglicherweise<br />
noch für verborgene <strong>The</strong>men<br />
in ihm sein mögen, und hilft, die<br />
Wege zur Umsetzung zu finden.<br />
Mit der Numerologie, die eine<br />
Wissenschaft für sich darstellt<br />
und auf der Schule des Pythagoras<br />
basiert, bekommt der Leser<br />
einen wertvollen Wegweiser, der<br />
ohne weitere Hilfsmittel ganz<br />
einfach jederzeit und überall einsetzbar<br />
ist. Die Bedeutung der<br />
Zahlen im Kontext der pythagoräischen<br />
Schule wird entschlüsselt<br />
und so für die persönlichen<br />
Umstände anwendbar. Das Buch<br />
ist recht anspruchsvoll, was den<br />
Inhalt angeht, jedoch sehr gut<br />
gegliedert und somit auch für<br />
den interessierten Laien verständlich<br />
lesbar.<br />
Michael Müller<br />
Bodo Trieb<br />
Die Botschaft Deiner persönlichen<br />
Zahlen entdecken<br />
und verstehen<br />
Numerologie nach Pythagoras<br />
Ysir-Verlag 2014<br />
ISBN 978-3-98163-100-5<br />
€ 39,90<br />
Bücher, die den Horizont erweitern<br />
Andreas Winter<br />
ARTGERECHTE PARTNERHALTUNG – Lieben ohne Stress<br />
Eine kriselnde Liebesbeziehung kann nicht nur unglücklich,<br />
sondern sogar krank machen. Die Harmoniebedürftigkeit<br />
des Menschen ist so ausgeprägt, dass wir unter<br />
ständigen Spannungen und Missverständnissen gesundheitlich<br />
leiden und zerbrechen können.<br />
NEU!<br />
Doch Hilfe naht: Dieser tiefenpsychologische Ratgeber<br />
klärt Sie über das unbekannte Wesen in Ihrem Haus<br />
und Bett auf und hilft Ihnen, den Partner besser zu verstehen.<br />
Mit beiliegender Coaching-CD.<br />
ISBN 978-3-86374-136-5 I 16,95 € (D) / 17,50 € (A)
Märchen<br />
Arche Noah heute<br />
Nach vielen Jahren sah Gott wieder einmal auf die Erde. Die Menschen waren verdorben und gewalttätig<br />
und er beschloss, sie zu vertilgen, genau so, wie er es vor langer, langer Zeit schon einmal getan hatte.<br />
Er sprach zu Noah: "Noah, bau mir noch einmal eine Arche, so wie damals. Ich will eine zweite Sintflut<br />
über die Erde bringen. Du aber gehe mit deiner Frau, deinen Söhnen und deren Frauen in die Arche und nimm<br />
von allen Tieren zwei mit, je ein Männchen und ein Weibchen. In sechs Monaten werde ich den großen Regen<br />
schicken."<br />
Noah stöhnte auf; musste das denn schon wieder sein? Wieder 40 Tage Regen und 150 unbequeme Tage<br />
auf dem Wasser mit all den lästigen Tieren an Bord und ohne Fernsehen!<br />
Nach sechs Monaten zogen dunkle Wolken auf und es begann zu regnen. Noah saß in seinem Vorgarten<br />
und weinte und, da war keine Arche. "Noah", rief der Herr, "Noah, wo ist die Arche?" Noah blickte zum Himmel<br />
und sprach: "Herr, sei mir gnädig, was hast du mir angetan? Als Erstes beantragte ich beim Landkreis eine<br />
Baugenehmigung. Diese wurde mir zunächst abgelehnt, weil eine Werft in einem Wohngebiet planungsrechtlich<br />
unzulässig sei. Im Moment geht es z. B. um die Frage, ob die Arche feuerhemmende Türen, eine Sprinkleranlage<br />
und einen Löschwassertank benötige. Auf einen Hinweis, ich hätte im Ernstfall rundherum genug<br />
Löschwasser, glaubten die Beamten, ich wollte mich über sie lustig machen.<br />
Die Bezirksregierung teilte mir daraufhin telefonisch mit, ich könnte ja gern ein Schiff bauen, müsste aber<br />
selbst zusehen, wie es zum nächsten größeren Fluss käme.<br />
Dann rief mich noch ein anderer Beamter dieser Behörde an, der mir erklärte, sie seien inzwischen ein<br />
kundenorientiertes Dienstleistungsunternehmen und darum wolle er mich darauf hinweisen, dass ich bei der<br />
EU in Brüssel eine Werftbeihilfe beantragen könne; allerdings müsste der Antrag achtfach in den drei Amtssprachen<br />
eingereicht werden.<br />
Die Suche nach dem Zedernholz habe ich eingestellt. Libanesische Zedern dürfen nicht mehr eingeführt<br />
werden. Als ich deshalb hier im Wald Bauholz beschaffen wollte, wurde mir das Fällen von Bäumen unter Hinweis<br />
auf das Landeswaldgesetz verweigert. Dies schädige den Naturhaushalt und das Klima. Außerdem sollte<br />
ich erst eine Ersatzaufforstung nachweisen.<br />
Die angeheuerten Zimmerleute versprachen mir schließlich, für das notwendige Holz selbst zu sorgen. Sie<br />
wählten jedoch erst einmal einen Betriebsrat. Der wollte mit mir zunächst einen Tarifvertrag für den Holzschiffbau<br />
auf dem flachen Lande ohne Wasserkontakt aushandeln. Weil wir uns aber nicht einig wurden, kam<br />
es zu einer Urabstimmung und zum Streik. Herr, weißt du eigentlich, was Handwerker heute verlangen? Wie<br />
soll ich denn das bezahlen?<br />
Weil die Zeit drängte, fing ich schon einmal an, Tiere einzusammeln. Am Anfang ging das noch ganz gut, vor<br />
allem die beiden Ameisen sind noch immer wohlauf. Aber seit ich zwei Tiger und zwei Schafe von der Notwendigkeit<br />
ihres gemeinsamen und friedlichen Aufenthaltes bei mir überzeugt hatte, meldete sich der örtliche<br />
Tierschutzverein und rügte die artwidrige Haltung.<br />
Übrigens, wo hast du eigentlich die Callipepia caliconica - du weißt schon, die Schopfwachteln und den<br />
Lethamus Discolor versteckt? Den Schwalbensittich habe ich bisher auch nicht finden können!<br />
Dir ist natürlich auch bewusst, dass ich die 43 Vorschriften der Binnenmarkt-Tierschutzverordnung bei<br />
dem Transport der Kaninchen strikt beachten muss. Meine Rechtsanwälte prüfen gerade, ob diese Vorschriften<br />
auch für Hasen gelten. Übrigens: wenn du es einrichten könntest, die Arche als fremdflaggiges Schiff zu<br />
deklarieren, das sich nur im Bereich des deutschen Küstenmeeres aufhält, bekäme ich die Genehmigung viel<br />
einfacher. Du könntest dich doch auch einmal für mich bemühen.<br />
Ein Umweltschützer von Greenpeace erklärte mir, dass ich Gülle, Jauche, Exkremente und Stallmist nicht<br />
im Wasser entsorgen darf. Wie stellst du dir das eigentlich vor? Damals ging es doch auch!<br />
Vor zwei Wochen hat sich das Oberkommando der Marine bei mir gemeldet und von mir eine Karte der<br />
künftig überfluteten Gebiete erbeten. Ich habe ihnen einen blau angemalten Globus geschickt.<br />
Und vor zehn Tagen erschien die Steuerfahndung; die haben den Verdacht, ich bereite meine Steuerflucht<br />
vor. Ich komme so nicht weiter Herr, ich bin verzweifelt! Soll ich nicht doch lieber meinen Rechtsanwalt mit auf<br />
die Arche nehmen?" Noah fing wieder an zu weinen.<br />
Da hörte der Regen auf, der Himmel klarte auf und die Sonne schien wieder. Und es zeigte sich ein wunderschöner<br />
Regenbogen. Noah blickte auf und lächelte. "Herr, du wirst die Erde doch nicht zerstören?"<br />
Da sprach der Herr: "Darum sorge ich mich nicht mehr, das schafft schon eure Verwaltung!"<br />
Band <strong>80</strong> März / April 2014 MATRIX 3000 65
<strong>Vorschau</strong><br />
MATRIX3000<br />
<strong>Vorschau</strong> auf <strong>Matrix3000</strong> Sonderheft „Gesundheit“,<br />
erscheint am 27. 3. 2014<br />
Jetlag – Chaos in der inneren Uhr<br />
Bei Langstreckenreisen gerät unsere innere Uhr aus dem Takt.<br />
Der Körper verwandelt sich in ein aufgewühltes Molekulargebräu.<br />
Unsere innere biologische Uhr braucht für die Umstellung auf eine<br />
neue Zeitzone so viele Tage, wie sie Zeitzonen auf der Reise überquert<br />
hat. Nicht bei allen Menschen ist sie gleich sensibel. Unsere<br />
Anpassung an eine andere Zeitzone hängt davon ab, welchen Chronotyp<br />
wir repräsentieren. Was hilft bei Jetlag-Beschwerden wirklich?<br />
Wir präsentieren sanfte und harte Tipps.<br />
Wo der Pfeffer wächst<br />
Geschmacklosigkeit ist „in“. Unsere guten alten Gewürze scheint<br />
ein neuer Trend dahin schicken zu wollen, wo der Pfeffer wächst.<br />
Zumindest sollen sie aus unserer Küche verbannt werden. Kaum<br />
ein Fernsehkoch, der heutzutage nicht „selbstverständlich“ ohne<br />
Gewürze kochen würde. Warum eigentlich? Weil nur so der „natürliche<br />
Geschmack“ der Nahrungsmittel erhalten bleiben soll. Ein<br />
derartiger Unsinn verkennt vollkommen die Tatsache, dass das<br />
Würzen der Speisen eine uralte Kunst ist, die einen Zweck hat. Ein<br />
Plädoyer „gegen die Geschmacklosigkeit“.<br />
Ein Alptraum – oder:<br />
Ein Workoholic macht Urlaub<br />
Nicht jeder, der viel arbeitet, ist ein Workoholic. Man sollte auf<br />
sich aufpassen. Es ist nicht so, dass die Arbeit zur Obsession wird.<br />
Nein – wir werden obsessiv. Die ersten Warnzeichen sind leicht zu<br />
erkennen. Wir unterbrechen immer öfter die Sätze beim Sprechen<br />
oder die Handlungen, die wir durchführen. Es erscheint paradox,<br />
dass „Langeweile“ etwas mit der Leitung eines Unternehmens zu<br />
tun haben soll. Wie kann man lernen, der Langeweile zu vertrauen?<br />
Die „Mindful Leadership Meditation“ ist eine von vielen Methoden,<br />
die potenziellen und echten Workoholics helfen kann.<br />
Außerdem im Sonderheft „Gesundheit“:<br />
Eselsbrücke zur Gesundheit – Tiere als Ärzte * GPS macht dumm<br />
– Technik und Gesundheit * Magersucht * Leuchtmittel und Leuchtwahn<br />
* Die traditionellen Heiler von Bali<br />
<strong>Vorschau</strong> auf <strong>Matrix3000</strong> Band 81, erscheint am 24. 4. 2014<br />
Spiegelwelt – Schattenwelt<br />
Dass es Realitäten jenseits der unmittelbar wahrnehmbaren Welt<br />
gibt, wussten alle Religionen zu allen Zeiten. Doch wo sind diese<br />
Spiegelwelten, und wie sollen wir sie uns vorstellen? Sie könnten<br />
hier sein, um uns, oder gar in uns, jedenfalls nicht sehr weit weg.<br />
Von unserer materiellen Welt können wir Zugang zu ihnen erlangen<br />
durch Meditation, außerkörperliche Erfahrungen und andere<br />
Techniken des Geistes und der Seele. Oder durch die moderne Physik.<br />
Ein Spannungsbogen von der Relativitätstheorie bis zum Geist<br />
der „Bloody Mary“.<br />
Biobeschleunigung<br />
Können Pflanzen freie Energie zum Wachstum nutzen? Neue Forschungsansätze<br />
hinsichtlich einer positiven Beeinflussung des<br />
Pflanzenwachstums mittels „frei verfügbarer Energie“ dürften ein<br />
Turbo-Wachstum vieler, aber längst nicht aller Pflanzen und Bäume<br />
ermöglichen. Kann dadurch dem Hunger auf der Welt wirksam<br />
begegnet werden? Experimente beweisen die Wirksamkeit des<br />
Verfahrens, doch sie zeigen auch die Konsequenzen auf, wenn man<br />
die Pflanzen aus ihren natürlichen Lebensrhythmen reißt. Biobeschleunigung<br />
- eine Methode, die nur mit sehr großem Verantwortungsgefühl<br />
eingesetzt werden sollte.<br />
Impressum<br />
<strong>Matrix3000</strong> erscheint zweimonatlich.<br />
ISSN 1 439-4154<br />
ISBN (<strong>Matrix3000</strong> Band <strong>80</strong>): 978-xxxx<br />
Redaktion MATRIX3000<br />
Ammergauer Str. <strong>80</strong><br />
D-86971 Peiting<br />
Telefon: 0171-3675406<br />
franz.bludorf@matrix3000.de<br />
grazyna.fosar@matrix3000.de,<br />
Redaktionsschluß für die nächste <strong>Ausgabe</strong>,<br />
<strong>Matrix3000</strong> Band 81: 11. 3. 2014<br />
Chefredaktion<br />
Franz Bludorf<br />
Redaktion<br />
Franz Bludorf, Grazyna Fosar, Ulrich Heerd, Ralf Lehnert,<br />
Lisa Rampertshammer, Elke Röder, Roland Rottenfußer<br />
Beiträge von<br />
Franz Bludorf, Erdogan Ercivan, Grazyna Fosar, Birgit<br />
Frohn, Tobias Hauser, Ralf Lehnert, Corinna Lichtfelder-<br />
Schlegel, George Peters, Thomas Ritter, Roland Rottenfußer,<br />
Andreas Winter<br />
Verlag<br />
MATRIX3000 Verlag GmbH<br />
Ammergauer Straße <strong>80</strong><br />
D-86971 Peiting<br />
Telefon: 0 88 61/59 0 18, Telefax: 0 88 61/67 0 91<br />
info@matrix3000.de, www.matrix3000.de<br />
Art Direction<br />
Mirjam Flatau<br />
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66<br />
MATRIX 3000 Band <strong>80</strong> März / April 2014
Claus W. Turtur<br />
Prof. Claus Turtur<br />
Kausalität,<br />
Determinismus, Glaube<br />
Kausalität<br />
Determinismus<br />
Glaube<br />
€ ca. 19,<strong>80</strong> (D) € ca. 20,40 (A)<br />
ISBN: 978-3-89539-715-8<br />
Wie oft hört man heutzutage jemanden sagen: „Ich bin ein moderner<br />
technisch- naturwissenschaftlich gebildeter Mensch, deshalb<br />
derner technisch- naturwissenschaftlich gebildeter deshalb weiß ich, dass es Gott nicht geben kann.“ Manche<br />
Wie oft hört man heutzutage jemanden sagen: „Ich bin ein mo-<br />
weiß ich, dass es Gott nicht begründen geben diese kann.“ Haltung auch Manche mit den Worten: „Ich begründen bin ein diese<br />
Haltung auch mit den Worten: kannte Bewegung „Ich der bin „Aufklärung“. ein aufgeklärter Mensch.“<br />
aufgeklärter Mensch.“ und denken dabei an die historisch be-<br />
Dass es sich bei der Begründung des Atheismus durch die<br />
und denken dabei an die historisch bekannte Bewegung der „Aufklärung“.<br />
Aufklärung lediglich um einen historischen Irrtum handelt,<br />
zeigt der Autor, ein Physikprofessor, der moderne Ingenieure<br />
ausbildet. Er folgt dabei einer logischen Gedankenkette, die<br />
über das Wissen der Zeit der Aufklärung hinaus auch modernes,<br />
aktuelles Fachwissen des Atheismus der Mathematik und Physik durch und die Auf-<br />
Dass es sich bei der Begründung<br />
Naturwissenschaften aus dem 20. Jahrhundert berücksichtigt.<br />
klärung lediglich um einen Dabei historischen kommt er zu dem Ergebnis: Irrtum handelt, zeigt der<br />
„Ich bin ein technisch-naturwissenschaftlich orientierter<br />
Autor, ein Physikprofessor, der moderne Ingenieure ausbildet. Er<br />
Mensch, ein gelernter Physiker, und deshalb weiß ich, dass<br />
es spirituelle Wesen und Kräfte gibt.“<br />
folgt dabei einer logischen Gedankenkette, die über das Wissen<br />
Um naturwissenschaftlichen Laien einen Zugang zu dieser<br />
der Zeit der Aufklärung hinaus<br />
<strong>The</strong>matik<br />
auch<br />
zu geben,<br />
modernes,<br />
ist das Buch allgemeinverständlich<br />
aktuelles<br />
geschrieben.<br />
Formeln sind in einen „Anhang für Naturwissen-<br />
Fachwissen<br />
der Mathematik und Physik und Naturwissenschaften aus dem<br />
schaftler“ verbannt.<br />
20. Jahrhundert berücksichtigt. Dabei kommt er zu dem Ergebnis:<br />
„Ich bin ein technisch-naturwissenschaftlich orientierter Mensch,<br />
ein gelernter Physiker, und deshalb weiß ich, dass es spirituelle<br />
Wesen und Kräfte gibt.“<br />
Um naturwissenschaftlichen Laien einen € 19,<strong>80</strong> (D) € Zugang 20,40 (A)) zu dieser <strong>The</strong>-<br />
ISBN: 978-3-89539-715-8<br />
www.michaelsverlag.de<br />
matik zu geben, ist das Buch allgemeinverständlich geschrieben.<br />
Formeln sind in einen „Anhang für Naturwissenschaftler“ verbannt.<br />
Claus W. Turtur<br />
Kausalität Determinismus Glaube<br />
Claus W. Turtur<br />
Kausalität<br />
Determinismus<br />
Glaube<br />
Buchcover_Turtur.indd 1 23.03.12 13:12<br />
Josef Gruber<br />
Raumenergie-Technik<br />
288 A4-Seiten<br />
€ 49,<strong>80</strong> (D) € 51,20 (A)<br />
ISBN: 978-3-89539-910-7<br />
1 Einführende Übersicht: Größte technische<br />
Revolution wird möglich<br />
2 Geräte zur Nutzung der Raumenergie<br />
3 Hinweise auf theoretische und<br />
experimentelle Grundlagen von RET<br />
4 Offenlegung geheim gehaltener<br />
Information<br />
5 Folgen der weit verbreiteten Nutzung<br />
der Raumenergie-Technik (RET)<br />
6 Ergänzende Reformen für nachhaltige<br />
Entwicklung weltweit einige Beispiele<br />
und zahlreiche Informationsquellen<br />
7 Zusammenfassung und Ausblick<br />
8 Literaturverzeichnis<br />
9 Anhänge<br />
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