Motocross-Enduro Ausgabe 01/2017
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MCE: Hallo Klaus, wir haben dich und dein Team<br />
über das gesamte Wochenende hinweg begleitet.<br />
Wir waren überrascht, welch hoher organisatorischer<br />
und logistischer Aufwand hinter solch einem<br />
Rennen steckt. Wie bist du denn überhaupt darauf<br />
gekommen, ein Supercross-Team an den Start zu<br />
bringen?<br />
Klaus Meyer: Das stimmt, der Aufwand ist nicht zu<br />
unterschätzen. Wie bin ich dazu gekommen? Als ich<br />
erstmals mit Supercross in Berührung kam, war ich<br />
19 Jahre alt. Die Geschichte ist relativ lustig. Zu jener<br />
Zeit organisierte mein damaliger Motorsportverein<br />
einen Vereinsausflug per Omnibus zum Supercross<br />
nach Dortmund. Wie das bei derartigen<br />
Ausflügen nun mal so ist, gibt es nicht nur alkoholfreie<br />
Getränke (lacht). Jedenfalls hat mir diese Art,<br />
Rennen auszutragen, so sehr gefallen, dass ich<br />
mich zu der Aussage habe hinreißen lassen – so<br />
ein Racing-Team möchte ich selbst einmal<br />
haben. Nun, fünf Jahre später habe<br />
ich mir diesen Wunsch erfüllen können<br />
und hatte mein eigenes Rennteam auf<br />
die Beine gestellt. Der Weg dahin war<br />
natürlich nicht leicht, denn bevor es so<br />
weit war, bin ich selbst aktiv Supercross<br />
gefahren. Damals noch in der alten Leipziger<br />
Messehalle in der 125er-Klasse. Eine<br />
irre Zeit, in der ich unter anderem Reiner<br />
Verherstraeten, den Vater des heutigen<br />
Streckendesigners Freddy Verherstraeten,<br />
kennengelernt habe. Im Folgejahr,<br />
es war die Saison 1996/97 dann<br />
schon in der neuen Messe Leipzig, fragte<br />
mich Reiner, ob ich nicht eine Honda für<br />
einen kanadischen Fahrer hätte. Das ließ<br />
sich organisieren und somit war das<br />
Team Meyer, auch wenn ich damals noch<br />
selbst mit am Startgatter stand, zum ersten Mal offiziell<br />
bei einem Supercross-Event dabei. Ab diesem<br />
Zeitpunkt rückte die Arbeit als Teamchef in den<br />
Vordergrund. Ich konnte den Finnen Marko Kovalainen<br />
für unser Team verpflichten – ein Glücksgriff!<br />
Marko hatte einen sensationellen Einstieg in den<br />
ADAC SX-Cup, war damals einfach bestens aufgelegt<br />
und zusammen mit ihm konnten wir den Cup<br />
gleich zweimal gewinnen. Als Belohnung für diese<br />
Mühe gab es zu jener Zeit noch einen Porsche<br />
Boxster (lacht).<br />
Seit dieser Zeit hat sich natürlich einiges verändert,<br />
alles ist professioneller und größer geworden.<br />
Wie wichtig ist es, sich bei diesen Rennen gut<br />
zu verkaufen und warum machst du das seit nunmehr<br />
20 Jahren?<br />
In erster Linie mache ich das natürlich, weil mir dieser<br />
Sport gefällt. Sonst hält man das, glaube ich,<br />
nie so lange durch. Dafür ist es zu viel Arbeit. Eine<br />
gewisse Leidenschaft gehört da einfach dazu und<br />
ich bin auch nach dieser langen Zeit immer noch<br />
mit Begeisterung dabei. Natürlich kann man nicht<br />
abstreiten, dass die anfängliche Euphorie mit der<br />
Zeit etwas abflacht. Dennoch sind die Veranstaltungen<br />
rund um den ADAC SX-Cup eine hervorragende<br />
Möglichkeit, einem breiten Publikum den Sport näherzubringen<br />
und die Leute dafür zu begeistern.<br />
Dazu zählt natürlich ein einheitliches und professionelles<br />
Auftreten des gesamten Teams. Dieses<br />
Ziel haben wir uns über die Jahre hinweg gesteckt<br />
und wir versuchen, uns bei allen Veranstaltungen<br />
bestmöglich zu präsentieren. Deshalb stecken wir<br />
auch jede Menge Manpower in solch ein Event und<br />
legen beispielsweise Wert auf ein ansehnliches Gesamtbild<br />
des Standes. Denn hier kommen wir zu einem<br />
weiteren Hauptaugenmerk – Werbung. Es ist<br />
kein Geheimnis, dass wir uns als Motorradgeschäft<br />
möglichst werbewirksam präsentieren, schließlich<br />
ist das Auftreten bei diesen Rennen wie unsere Visitenkarte<br />
vom Laden.<br />
Supercross ja, <strong>Motocross</strong> nein. Outdoor bist du mit<br />
keinem Team vertreten, warum?<br />
Das ist zeittechnisch nicht möglich. Wir haben bei<br />
uns im Motorradgeschäft neben den Offroadmodellen<br />
von Yamaha, Honda und Kawasaki auch die<br />
komplette Palette an Straßenmotorrädern im Verkauf.<br />
Damit ist die Sommersaison für mich als Motorradhändler<br />
ein enorm wichtiger Part. Die wenigen<br />
Wochenenden im Winter, an denen der SX-Cup<br />
stattfindet, können wir überbrücken, mehr ist aber<br />
leider nicht drin.<br />
Wenn wir von 20 Jahren Supercross sprechen, fällt<br />
auf, dass du gern auf Piloten aus den USA setzt.<br />
Hat das einen bestimmten Grund?<br />
Eigentlich spielt die Nationalität des Fahrers eine<br />
untergeordnete Rolle – er muss halt gut fahren<br />
können! Die Szene in den USA oder auch in Frankreich<br />
hat sich, was Supercross angeht, sehr stark<br />
weiterentwickelt. Daher kommen die meisten Fahrer<br />
auch aus diesen Ländern. Speziell am Beispiel<br />
Frankreich ist es so, dass deren Meisterschaft in<br />
der jüngeren Vergangenheit stetig gewachsen ist<br />
und mittlerweile sehr viele Terminüberschneidungen<br />
mit dem SX-Cup hat. Sozusagen ist es schwierig,<br />
gute französische Fahrer für unsere Meisterschaft<br />
zu verpflichten, weil die Jungs eben ihre Landesmeisterschaft<br />
vorziehen. In Amerika hingegen<br />
geht die Supercrosssaison wesentlich später los<br />
als in Europa, was wiederum bedeutet, dass die<br />
US-Boys froh sind, wenn sie im November oder Dezember<br />
bei uns fahren können. Im Januar sieht die<br />
Sache dann schon wieder anders aus, denn da ist<br />
es genau umgekehrt – die Amerikaner starten nun<br />
mit ihrer Meisterschaft und die Franzosen sind fertig.<br />
Somit wären für das Supercross Dortmund französische<br />
Fahrer interessant. Es kommt auch darauf<br />
an, wie sich die Jungs in der Cupwertung schlagen.<br />
Sind sie gut dabei, macht es natürlich Sinn, sie für<br />
alle Rennen zu verpflichten.<br />
Wie organisierst du dir die Fahrer, hast du dafür jemanden<br />
in Übersee oder auch in Frankreich, der<br />
das für dich übernimmt?<br />
Nein, das ist eigentlich ein Hobby von mir und<br />
gleichzeitig eine Aufgabe, die ich als Teamchef verfolge.<br />
Wenn ich abends auf der Couch sitze, verfolge<br />
ich das Geschehen in den USA oder Frankreich.<br />
Ich prüfe das gesamte Jahr über die Ergebnislisten<br />
einzelner Meisterschaften und bekomme somit einen<br />
Eindruck, wer für uns interessant werden könnte.<br />
Ist die Meisterschaft einmal am Laufen, bleiben<br />
die Fahrer eigentlich die komplette Zeit bei euch<br />
innerhalb des Teams?<br />
Ja, die Jungs bekommen bei uns, nur wenige hundert<br />
Meter vom Motorradgeschäft entfernt, eine<br />
Wohnung und auch ein Auto gestellt. Ich halte es<br />
aber für wichtig, dass die Jungs und das Team auch<br />
abseits der Rennen Zeit miteinander verbringen,<br />
denn irgendwo ist es auch eine psychologische An-<br />
gelegenheit. Erfolg hat auch immer etwas mit wohlfühlen<br />
zu tun. Speziell im letzten Jahr, als Austin<br />
Politelli und Ben Lamay bei uns waren. Die beiden<br />
haben privat und mit dem Team hervorragend harmoniert<br />
und das hat sich auch in den Ergebnissen<br />
widergespiegelt. Insgesamt konnten wir über die<br />
Supercrosssaison 2<strong>01</strong>5/16 hinweg 21 Podiumsplatzierungen<br />
einfahren. Das war ganz klar eine super<br />
Saison.<br />
Wenn wir den Blick auf die aktuelle Saison richten,<br />
wie zufrieden bist du?<br />
Leider habe ich mir etwas mehr erhofft. Klar, wir<br />
waren durch den Erfolg der vergangenen Saison<br />
verwöhnt und wollen uns natürlich irgendwo daran<br />
orientieren. Aber bisher hat es nicht geklappt, an<br />
diese hervorragende Saison anzuknüpfen. Woran<br />
es genau liegt, ist schwer zu sagen. Jeder der Jungs<br />
erwischt mal einen schlechten Tag, dann mal einen<br />
guten. Auf der einen Seite hatten wir in<br />
Stuttgart an einem Tag drei unserer Fahrer<br />
im Finale und auch in Chemnitz ist uns das<br />
gelungen. Das stimmt mich positiv und es<br />
ist schön, seine Jungs im Main Event zu sehen.<br />
Auf der anderen Seite muss ich ganz<br />
klar sagen, dass die Spitzenergebnisse<br />
bisher fehlen. Die Top-Piloten Kyle Cunningham,<br />
Nick Schmidt oder Gavin Faith<br />
sind verdammt stark unterwegs, das muss<br />
man einfach sagen und anerkennen! Oft<br />
ist es eine Kopfsache, die über gut oder<br />
schlecht entscheidet. Beispiel: Austin Politelli.<br />
Er kam im letzten Jahr nach einer<br />
siebenmonatigen Verletzungspause zu<br />
uns und keiner wusste, wie er sich schlagen<br />
würde. Aber er hatte den Kopf frei und<br />
siehe da, es hat super geklappt. Was heuer<br />
mit Austin los ist, kann wohl nur er selbst beantworten.<br />
Das Gleiche gilt für Ben Lamay, der fünf<br />
Jahre in Deutschland gefahren ist, bevor bei ihm in<br />
der vergangenen Saison der Knoten geplatzt ist.<br />
Das ist eben Racing!<br />
Thema Nachwuchs. Wer dich in den letzten Jahren<br />
beobachtet hat, der wird sicherlich bemerkt haben,<br />
dass dein Sohn Max immer an deiner Seite<br />
ist. In diesem Jahr stand er erstmals selbst am<br />
Startgatter der SX5-Klasse. Wie schaffst du den<br />
Spagat zwischen Teamchef, Vater- und Trainerrolle?<br />
Das ist in der Tat zeitlich nicht immer ganz einfach<br />
zu organisieren. Ich habe das große Glück, ein<br />
Team um mich herum zu haben, das sehr gut harmoniert<br />
und mich bei der ein oder anderen Aufgabe<br />
entlastet. So kümmern sich meine Mechaniker<br />
Christian, Thomas und Sascha beispielsweise um<br />
sämtliche Aufgaben der Vorbereitung aller Racebikes.<br />
Die Koordination rund um den Team-Lkw obliegt<br />
unserem Senior, der damit auch sehr viel im<br />
Hintergrund agiert. So habe ich mittlerweile den<br />
Rücken frei, um Max auch auf der Strecke zu unterstützen.<br />
Er möchte gern fahren und sich ausprobieren,<br />
Spaß haben und das freut mich natürlich. Na ja<br />
und solang er in der 50er-Klasse fährt, geht es ja<br />
noch. Später schwitzt man da als Vater schon etwas<br />
mehr, glaube ich, aber bis dahin fließt noch viel<br />
Wasser die Donau hinunter. Daran denke ich momentan<br />
noch nicht (lacht).<br />
Abschließend: Gibt es spezielle Pläne, die du in<br />
Zukunft in Sachen Racing verfolgen wirst?<br />
Eine gute Frage. Ich konnte glücklicherweise mit<br />
dem Racing Team in der Vergangenheit schon sehr<br />
viel erreichen. Vielleicht, wenn ich auf Dortmund<br />
2<strong>01</strong>7 blicke, möchte ich dort noch einmal einen guten<br />
Saisonabschluss feiern dürfen. Immerhin sind<br />
wir hier in der Klasse SX1 Titelverteidiger.<br />
Danke für das Gespräch, wir wünschen dir bei diesem<br />
Vorhaben viel Erfolg!<br />
• Tex: Marco Burkert; Fotos: Marco Burkert, Rico Schneller<br />
59<br />
MCE<br />
Januar '17