INTERVIEW: KLAUS MEYER Meyer Racing 20 Jahre Supercross Die Supercrosssaison ist bekanntermaßen in vollem Gange und das nicht nur international, sondern auch hier in Deutschland. Speziell in den USA und Frankreich extrem beliebt, entwickelte sich diese besondere Form des <strong>Motocross</strong> rasend schnell weiter. Was einst in kleinem Ausmaß und mit geringen Budgets begann, hat mittlerweile höchst professionelle Ausmaße angenommen. Mit den technisch anspruchsvollen und in höchstem Maße spektakulären Streckenlayouts füllen die Veranstalter heuer ganze Stadien. Und genau hier liegt der Reiz, ein Rennen auf engstem Raum auszutragen und dem Publikum dabei packende Rennaktion inklusive Stadionatmosphäre zu präsentieren. Der Aufwand, ein solches Event durchzuführen, ist enorm, der sportliche Wert jedoch für Veranstalter und Teams ausgesprochen hoch. Das gilt natürlich auch für den in Deutschland ausgetragenen ADAC SX-Cup. Dieser besteht aus vier hochinteressanten Veranstaltungen und bringt die spektakuläre Hallenaktion alle Jahre wieder nach Deutschland. Zahlreiche Teams nehmen jährlich am SX-Cup teil, verpflichten Fahrer verschiedenster Nationen und hoffen auf möglichst gute Ergebnisse. Was der Zuschauer oft nicht mitbekommt, ist das verrückte Treiben hinter den Kulissen. Das Racing Team Meyer feiert in diesem Jahr 20-jähriges Jubiläum in Sachen Supercross. In Chemnitz durften wir hinter die Kulissen des Teams schauen und haben mit Teamchef Klaus Meyer gesprochen. 58 MCE Januar '17
MCE: Hallo Klaus, wir haben dich und dein Team über das gesamte Wochenende hinweg begleitet. Wir waren überrascht, welch hoher organisatorischer und logistischer Aufwand hinter solch einem Rennen steckt. Wie bist du denn überhaupt darauf gekommen, ein Supercross-Team an den Start zu bringen? Klaus Meyer: Das stimmt, der Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Wie bin ich dazu gekommen? Als ich erstmals mit Supercross in Berührung kam, war ich 19 Jahre alt. Die Geschichte ist relativ lustig. Zu jener Zeit organisierte mein damaliger Motorsportverein einen Vereinsausflug per Omnibus zum Supercross nach Dortmund. Wie das bei derartigen Ausflügen nun mal so ist, gibt es nicht nur alkoholfreie Getränke (lacht). Jedenfalls hat mir diese Art, Rennen auszutragen, so sehr gefallen, dass ich mich zu der Aussage habe hinreißen lassen – so ein Racing-Team möchte ich selbst einmal haben. Nun, fünf Jahre später habe ich mir diesen Wunsch erfüllen können und hatte mein eigenes Rennteam auf die Beine gestellt. Der Weg dahin war natürlich nicht leicht, denn bevor es so weit war, bin ich selbst aktiv Supercross gefahren. Damals noch in der alten Leipziger Messehalle in der 125er-Klasse. Eine irre Zeit, in der ich unter anderem Reiner Verherstraeten, den Vater des heutigen Streckendesigners Freddy Verherstraeten, kennengelernt habe. Im Folgejahr, es war die Saison 1996/97 dann schon in der neuen Messe Leipzig, fragte mich Reiner, ob ich nicht eine Honda für einen kanadischen Fahrer hätte. Das ließ sich organisieren und somit war das Team Meyer, auch wenn ich damals noch selbst mit am Startgatter stand, zum ersten Mal offiziell bei einem Supercross-Event dabei. Ab diesem Zeitpunkt rückte die Arbeit als Teamchef in den Vordergrund. Ich konnte den Finnen Marko Kovalainen für unser Team verpflichten – ein Glücksgriff! Marko hatte einen sensationellen Einstieg in den ADAC SX-Cup, war damals einfach bestens aufgelegt und zusammen mit ihm konnten wir den Cup gleich zweimal gewinnen. Als Belohnung für diese Mühe gab es zu jener Zeit noch einen Porsche Boxster (lacht). Seit dieser Zeit hat sich natürlich einiges verändert, alles ist professioneller und größer geworden. Wie wichtig ist es, sich bei diesen Rennen gut zu verkaufen und warum machst du das seit nunmehr 20 Jahren? In erster Linie mache ich das natürlich, weil mir dieser Sport gefällt. Sonst hält man das, glaube ich, nie so lange durch. Dafür ist es zu viel Arbeit. Eine gewisse Leidenschaft gehört da einfach dazu und ich bin auch nach dieser langen Zeit immer noch mit Begeisterung dabei. Natürlich kann man nicht abstreiten, dass die anfängliche Euphorie mit der Zeit etwas abflacht. Dennoch sind die Veranstaltungen rund um den ADAC SX-Cup eine hervorragende Möglichkeit, einem breiten Publikum den Sport näherzubringen und die Leute dafür zu begeistern. Dazu zählt natürlich ein einheitliches und professionelles Auftreten des gesamten Teams. Dieses Ziel haben wir uns über die Jahre hinweg gesteckt und wir versuchen, uns bei allen Veranstaltungen bestmöglich zu präsentieren. Deshalb stecken wir auch jede Menge Manpower in solch ein Event und legen beispielsweise Wert auf ein ansehnliches Gesamtbild des Standes. Denn hier kommen wir zu einem weiteren Hauptaugenmerk – Werbung. Es ist kein Geheimnis, dass wir uns als Motorradgeschäft möglichst werbewirksam präsentieren, schließlich ist das Auftreten bei diesen Rennen wie unsere Visitenkarte vom Laden. Supercross ja, <strong>Motocross</strong> nein. Outdoor bist du mit keinem Team vertreten, warum? Das ist zeittechnisch nicht möglich. Wir haben bei uns im Motorradgeschäft neben den Offroadmodellen von Yamaha, Honda und Kawasaki auch die komplette Palette an Straßenmotorrädern im Verkauf. Damit ist die Sommersaison für mich als Motorradhändler ein enorm wichtiger Part. Die wenigen Wochenenden im Winter, an denen der SX-Cup stattfindet, können wir überbrücken, mehr ist aber leider nicht drin. Wenn wir von 20 Jahren Supercross sprechen, fällt auf, dass du gern auf Piloten aus den USA setzt. Hat das einen bestimmten Grund? Eigentlich spielt die Nationalität des Fahrers eine untergeordnete Rolle – er muss halt gut fahren können! Die Szene in den USA oder auch in Frankreich hat sich, was Supercross angeht, sehr stark weiterentwickelt. Daher kommen die meisten Fahrer auch aus diesen Ländern. Speziell am Beispiel Frankreich ist es so, dass deren Meisterschaft in der jüngeren Vergangenheit stetig gewachsen ist und mittlerweile sehr viele Terminüberschneidungen mit dem SX-Cup hat. Sozusagen ist es schwierig, gute französische Fahrer für unsere Meisterschaft zu verpflichten, weil die Jungs eben ihre Landesmeisterschaft vorziehen. In Amerika hingegen geht die Supercrosssaison wesentlich später los als in Europa, was wiederum bedeutet, dass die US-Boys froh sind, wenn sie im November oder Dezember bei uns fahren können. Im Januar sieht die Sache dann schon wieder anders aus, denn da ist es genau umgekehrt – die Amerikaner starten nun mit ihrer Meisterschaft und die Franzosen sind fertig. Somit wären für das Supercross Dortmund französische Fahrer interessant. Es kommt auch darauf an, wie sich die Jungs in der Cupwertung schlagen. Sind sie gut dabei, macht es natürlich Sinn, sie für alle Rennen zu verpflichten. Wie organisierst du dir die Fahrer, hast du dafür jemanden in Übersee oder auch in Frankreich, der das für dich übernimmt? Nein, das ist eigentlich ein Hobby von mir und gleichzeitig eine Aufgabe, die ich als Teamchef verfolge. Wenn ich abends auf der Couch sitze, verfolge ich das Geschehen in den USA oder Frankreich. Ich prüfe das gesamte Jahr über die Ergebnislisten einzelner Meisterschaften und bekomme somit einen Eindruck, wer für uns interessant werden könnte. Ist die Meisterschaft einmal am Laufen, bleiben die Fahrer eigentlich die komplette Zeit bei euch innerhalb des Teams? Ja, die Jungs bekommen bei uns, nur wenige hundert Meter vom Motorradgeschäft entfernt, eine Wohnung und auch ein Auto gestellt. Ich halte es aber für wichtig, dass die Jungs und das Team auch abseits der Rennen Zeit miteinander verbringen, denn irgendwo ist es auch eine psychologische An- gelegenheit. Erfolg hat auch immer etwas mit wohlfühlen zu tun. Speziell im letzten Jahr, als Austin Politelli und Ben Lamay bei uns waren. Die beiden haben privat und mit dem Team hervorragend harmoniert und das hat sich auch in den Ergebnissen widergespiegelt. Insgesamt konnten wir über die Supercrosssaison 2<strong>01</strong>5/16 hinweg 21 Podiumsplatzierungen einfahren. Das war ganz klar eine super Saison. Wenn wir den Blick auf die aktuelle Saison richten, wie zufrieden bist du? Leider habe ich mir etwas mehr erhofft. Klar, wir waren durch den Erfolg der vergangenen Saison verwöhnt und wollen uns natürlich irgendwo daran orientieren. Aber bisher hat es nicht geklappt, an diese hervorragende Saison anzuknüpfen. Woran es genau liegt, ist schwer zu sagen. Jeder der Jungs erwischt mal einen schlechten Tag, dann mal einen guten. Auf der einen Seite hatten wir in Stuttgart an einem Tag drei unserer Fahrer im Finale und auch in Chemnitz ist uns das gelungen. Das stimmt mich positiv und es ist schön, seine Jungs im Main Event zu sehen. Auf der anderen Seite muss ich ganz klar sagen, dass die Spitzenergebnisse bisher fehlen. Die Top-Piloten Kyle Cunningham, Nick Schmidt oder Gavin Faith sind verdammt stark unterwegs, das muss man einfach sagen und anerkennen! Oft ist es eine Kopfsache, die über gut oder schlecht entscheidet. Beispiel: Austin Politelli. Er kam im letzten Jahr nach einer siebenmonatigen Verletzungspause zu uns und keiner wusste, wie er sich schlagen würde. Aber er hatte den Kopf frei und siehe da, es hat super geklappt. Was heuer mit Austin los ist, kann wohl nur er selbst beantworten. Das Gleiche gilt für Ben Lamay, der fünf Jahre in Deutschland gefahren ist, bevor bei ihm in der vergangenen Saison der Knoten geplatzt ist. Das ist eben Racing! Thema Nachwuchs. Wer dich in den letzten Jahren beobachtet hat, der wird sicherlich bemerkt haben, dass dein Sohn Max immer an deiner Seite ist. In diesem Jahr stand er erstmals selbst am Startgatter der SX5-Klasse. Wie schaffst du den Spagat zwischen Teamchef, Vater- und Trainerrolle? Das ist in der Tat zeitlich nicht immer ganz einfach zu organisieren. Ich habe das große Glück, ein Team um mich herum zu haben, das sehr gut harmoniert und mich bei der ein oder anderen Aufgabe entlastet. So kümmern sich meine Mechaniker Christian, Thomas und Sascha beispielsweise um sämtliche Aufgaben der Vorbereitung aller Racebikes. Die Koordination rund um den Team-Lkw obliegt unserem Senior, der damit auch sehr viel im Hintergrund agiert. So habe ich mittlerweile den Rücken frei, um Max auch auf der Strecke zu unterstützen. Er möchte gern fahren und sich ausprobieren, Spaß haben und das freut mich natürlich. Na ja und solang er in der 50er-Klasse fährt, geht es ja noch. Später schwitzt man da als Vater schon etwas mehr, glaube ich, aber bis dahin fließt noch viel Wasser die Donau hinunter. Daran denke ich momentan noch nicht (lacht). Abschließend: Gibt es spezielle Pläne, die du in Zukunft in Sachen Racing verfolgen wirst? Eine gute Frage. Ich konnte glücklicherweise mit dem Racing Team in der Vergangenheit schon sehr viel erreichen. Vielleicht, wenn ich auf Dortmund 2<strong>01</strong>7 blicke, möchte ich dort noch einmal einen guten Saisonabschluss feiern dürfen. Immerhin sind wir hier in der Klasse SX1 Titelverteidiger. Danke für das Gespräch, wir wünschen dir bei diesem Vorhaben viel Erfolg! • Tex: Marco Burkert; Fotos: Marco Burkert, Rico Schneller 59 MCE Januar '17
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