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EDITORIAL<br />
DAS OKTOBER-<br />
FEST RETTET DIE<br />
FORMEL 1!<br />
Dreikampf in Hockenheim:<br />
Langeweile? Fehlanzeige!<br />
Christian: Olé! Deutschland ist Weltmeister!<br />
Michael [Österreicher] rennt schnell davon...<br />
Kerstin: Wen interessiert schon Fußball? Viel wichtiger<br />
ist: Wird auch in der <strong>Formel</strong> 1 in diesem Jahr<br />
ein Deutscher Weltmeister?<br />
Keiner hat mehr<br />
Grund zum Grinsen<br />
als Marc Marquez<br />
Stephan: Ein paar mehr Zuschauer hätte der Deutschland<br />
Grand Prix so oder so verdient gehabt. Was für<br />
ein Racing!<br />
2 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
DRIFT...<br />
Upioc ore anum quius, cieresse in<br />
Etratabi ferum in volusat ifecendem<br />
ÜBERZEUGEN AUF DER STRASSE UND AUF DER<br />
RENNSTRECKE: DS 3 WRC UND DS 3.<br />
CRÉATIVE TECHNOLOGIE<br />
Kraftstoffverbrauch kombiniert von 6,7 bis 3,4 l/100 km; CO 2 -Emissionen kombiniert von 155 bis 87g/km.
Kerstin: Auch Ungarn war ein sensationelles Rennen.<br />
Einfach großartig!<br />
Stephan: Für diese Ausgabe habe ich ausführlich mit<br />
Paul Hembery und Franz Tost über die viel kritisierte<br />
Show gesprochen. Beide sagen: Es wird zu viel<br />
gejammert!<br />
Kerstin: Absolut. Aber auf Pauls aufgewärmte<br />
Bernie-Idee mit den Sprinkleranlagen sollten wir<br />
dennoch lieber verzichten.<br />
Stephan: Auf den ungarischen Autobahnen wächst hin<br />
und wieder ein Büschel Gras aus dem Asphalt. Vielleicht<br />
wäre das eine praktikable Lösung...<br />
Kerstin: Spielberg und Silverstone haben doch<br />
bewiesen, dass es auch anders geht. In Österreich<br />
wurde den Fans so viel mehr geboten! Sie<br />
haben die Fahrer fast öfter gesehen als wir<br />
Journalisten...<br />
Stephan: Vielleicht sollte die Event-Agentur des Titel-<br />
Sponsors von Ferrari die Planung übernehmen. Bei<br />
deren Kart-Event in Hockenheim herrschte Wiesn-<br />
Stimmung. Wen interessiert schon Geografie?<br />
Christian: Ob Bayern oder Baden-Württemberg<br />
- Hauptsache Oktoberfest-Liveband, Schweinebraten<br />
und Catering-Personal in Lederhosen und<br />
Dirndl!<br />
Manuel: Dirndl! Kerstin, so solltest du zum nächsten<br />
Rennen gehen...<br />
Kerstin schweigt.<br />
Stephan: Vielleicht könnte Romain Grosjean für die<br />
Fans kochen. Mir hat er verraten: »Ich koche gerne,<br />
um mich zu entspannen.«<br />
Kerstin: Wohl eher, um sich von seinem miesen<br />
Auto abzulenken.<br />
Stephan: Romains Selbstironie in unserem Exklusiv-<br />
Interview war jedenfalls verblüffend...<br />
Kerstin: Es gibt eben doch noch Charaktere in der<br />
<strong>Formel</strong> 1. Einer war Jenson Buttons Vater John. In<br />
unserem Interview sprach Jenson ganz offen darüber,<br />
wie sehr ihm sein verstorbener Papa fehlt.<br />
Maria: Vergesst mir bei all dem die MotoGP nicht! Auch<br />
da gibt‘s Emotionen pur...<br />
Michael [MotoGP-Redakteur] sprintet wieder herbei.<br />
Maria: Marc Marquez ist eine absolute Kichererbse.<br />
So viel wie er hat noch nie jemand in einem meiner<br />
Interviews gelacht...<br />
Kerstin: Tja, du hast eben noch nie ein Interview<br />
mit Grinsekatze Daniel Ricciardo geführt.<br />
Stephan: Danny ist unschlagbar! Zumindest beim<br />
Thema Grinsen.<br />
Kerstin: Aber das schelmischste Lachen hat definitiv<br />
der Doktor... Unser aktuelles Cover ist der<br />
beste Beweis dafür!<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 3<br />
... TRIFFT DESIGN.<br />
Nach vorgeschriebenem Messverfahren in der gegenwärtig geltenden Fassung.
❱<br />
IN DIESER<br />
AUSGABE<br />
FORMEL 1<br />
FORMEL 1 SPEKTAKEL: Bilanz & Ausblick 20<br />
FUNKDUELLE: Die besten Funksprüche 2014 26<br />
CHASSIS-FRAGE: Williams gegen Red Bull 28<br />
INTERVIEW: Pirelli-<strong>Motorsport</strong>chef Paul Hembery 32<br />
FLUGSHOW: Fliegende Boliden 38<br />
ROMAIN GROSJEAN: Charakterbildend 44<br />
TOP-5: Zukünftige Stars 48<br />
INTERVIEW: Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost 52<br />
MOTORRAD<br />
INTERVIEW: Marc Marquez 62<br />
VALENTINO ROSSI: Auferstehung einer Legende 70<br />
TOP-5: Rossi Shows 76<br />
INTERVIEW: Die Espargaros 80<br />
KAREL ABRAHAM: Doppelleben in der MotoGP 86<br />
DUCATI: Auf dem richtigen Weg 90<br />
INTERVIEW: Esteve Rabat 94<br />
MOTO3: Rookies - Von 0 auf 100 96<br />
TOURIST TROPHY: Adrenalin, Rausch & Angst 98<br />
32<br />
Die<br />
VERRÜCKTE IDEEN UMSETZEN<br />
<strong>Formel</strong> 1 steht 2014 viel in der Kritik. Dabei ist der Sport alles<br />
andere als schlecht. Pirelli-<strong>Motorsport</strong>direktor Paul Hembery verrät<br />
Wege, um für noch mehr Action zu sorgen...<br />
MOTORSPORT<br />
FORMEL E: Aufbruch in ein neues Zeitalter 104<br />
TECHNIK: <strong>Formel</strong> E 108<br />
ATS FORMEL 3 CUP: Markus Pommer 110<br />
DAVID SCHIWIETZ: Abenteuer Nordschleife 111<br />
ADAC MOTORSPORT: Splitter 112<br />
SERVICE<br />
INSIDE 06<br />
KOLUMNEN 10<br />
IMPRESSUM 114<br />
AUFERSTEHUNG EINER LEGENDE<br />
Marc Marquez dominiert die MotoGP. Aber Vorsicht: Der Doktor ist<br />
zurück im Kreis der Sieganwärter. Valentino Rossi zeigt den jungen<br />
Wilden, dass er es doch noch kann...<br />
70<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MILAGRO<br />
4 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
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www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 5
FORMEL 1<br />
INSIDE<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER & MANUEL SPERL<br />
AB NACH<br />
MEXIKO!<br />
»Start your engines! Die <strong>Formel</strong> 1 kehrt nächstes Jahr<br />
nach Mexiko zurück.« Mit diesen Worten gab CIE-Präsident<br />
Alejandro Soberon die Rückkehr des Mexiko GP<br />
bekannt. Die Betreiber des Autódromo Hermanos Rodriguez<br />
und Bernie Ecclestone einigten sich auf einen von<br />
2015 bis 2019 laufenden Vertrag, inklusiver einer Option<br />
auf Verlängerung um weitere fünf Jahre. Zuletzt hatte die<br />
F1 1992 in Mexico City Station gemacht, damals gewann<br />
Nigel Mansell. Insgesamt fanden zwischen 1963 und<br />
1970 sowie zwischen 1986 und 1992 15 Grands Prix<br />
statt. Die Veranstalter rechnen beim Comeback mit einem<br />
neuen Besucherrekord. Schon bei der Demofahrt von<br />
Lokalmatador Sergio Pérez im Jahr 2011 waren 150.000<br />
Fans nach Guadalajara gereist.<br />
Graham Hill<br />
gewinnt Rennen<br />
und Titel 1968<br />
Alain Prost vor<br />
Ayrton Senna im<br />
Jahr 1990<br />
Jack Brabham in<br />
Mexiko 1966<br />
ALLE SIEGER DES MEXIKO GP<br />
1992 Nigel Mansell (GB) Williams-Renault<br />
1991 Riccardo Patrese (ITA) Williams-Renault<br />
1990 Alain Prost (FRA) Ferrari<br />
1989 Ayrton Senna (BRA) McLaren-Honda<br />
1988 Alain Prost (FRA) McLaren-Honda<br />
1987 Nigel Mansell (GB) Williams-Honda<br />
1986 Gerhard Berger (AUT) Benetton-BMW<br />
6 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
TOP-5: BESTE<br />
RENNSTRECKEN-<br />
COMEBACKS<br />
CIRCUIT GILLES VILLENEUVE,<br />
KANADA GP<br />
Raus: 2009<br />
Wieder rein: 2010<br />
AUTODROMO NAZIONALE<br />
MONZA, ITALIEN GP<br />
Raus: 1980<br />
Wieder rein: 1981<br />
AUTÓDROMO JOSÉ CARLOS PACE,<br />
BRASILIEN GP<br />
Raus: 1981<br />
Wieder rein: 1990<br />
SPA-FRANCORCHAMPS, BELGIEN<br />
GP<br />
Raus: 2003 und 2006<br />
Wieder rein: 2004 und 2007<br />
RED BULL RING, ÖSTERREICH GP<br />
Raus: 1987 und 2003<br />
Wieder rein: 1997 und 2014
MOTORSPORT-<br />
MAGAZIN.COM<br />
ON TOUR<br />
Marvin Kirchhöfer<br />
posiert mit Heft<br />
und Pokal<br />
UMFRAGE<br />
2016<br />
macht der F1-Tross in<br />
ASERBAIDSCHAN<br />
Station. Eine gute<br />
Idee?<br />
81%<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MOTORSPORT-MAGAZIN.COM<br />
1. SIEG: Unser Kolumnist Marvin Kirchhöfer holte in Silverstone<br />
und Hockenheim sein erstes Podium und seinen ersten Sieg in<br />
der GP3. Gefeiert wurde natürlich standesgemäß mit Pokal und<br />
unserem Heft!<br />
Paul Hembery<br />
informiert sich im<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
ZURÜCK AUS DER<br />
ZUKUNFT: Christian besuchte<br />
unseren Kolumnisten Daniel<br />
Abt in der <strong>Formel</strong>-E-Zentrale<br />
in Donington. Mehr Einblicke<br />
hinter die Kulissen gibt es ab<br />
Seite 104.<br />
MEINTEN, DIE F1 SOLLTE LIEBER<br />
VERSCHOLLENE TRADITIONS-<br />
KURSE WIEDERBELEBEN<br />
14%<br />
FREUEN SICH AUF EIN COOLES<br />
RENNEN IN BAKU<br />
5%<br />
GLAUBEN NICHT AN EINE AUSTRAGUNG<br />
DES NEUEN GRAND PRIX IN BAKU<br />
Christian blickt mit<br />
Daniel Abt hinter<br />
die Kulissen<br />
INTERESSIERTER LESER: Pirelli-<strong>Motorsport</strong>direktor Paul<br />
Hembery spricht gerne und viel (der Beweis ab Seite 32). Seine<br />
Lieblingslektüre gefällt uns natürlich ganz besonders gut!<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 7
MOTORRAD<br />
INSIDE<br />
TEXT: NICO PAPPELAU & MARIA POHLMANN<br />
MONSTERMÄSSIGER AUFZUG<br />
Bradley Smith<br />
steht nicht auf<br />
Jeans<br />
Valentino Rossi wäre nicht Valentino Rossi, wenn er sich nicht hin und wieder mit einigen<br />
Specials zu vermarkten wüsste. Zum Glück hat er einen monströsen Sponsor. So stellte Il Dottore<br />
beim Grand Prix von Barcelona seinen eigenen Monster Drink vor. Zur Premiere gab es diesen<br />
sogar in der praktischen Box samt Fan-Mütze und Standard-Drink. Die Ladies waren leider nicht<br />
inklusive. Aus eigener Erfahrung können wir behaupten, dass der VR46 Drink mal etwas Anderes<br />
ist. In diesem Sinne: Prost!<br />
10<br />
FRAGEN AN<br />
BRADLEY SMITH<br />
Zweitakt oder Viertakt?<br />
Zweitakt<br />
Blond oder brünett?<br />
Brünett<br />
Bier oder Wein?<br />
Bier<br />
Real Madrid oder<br />
FC Barcelona? Hä? Barcelona<br />
Strand oder Berge?<br />
Berge<br />
Party oder Familienabend?<br />
Familie<br />
Playstation oder Xbox?<br />
Xbox<br />
Hund oder Katze?<br />
Hund<br />
Jeans oder Anzughose?<br />
Anzughose, ich hasse Jeans<br />
Stadt oder Dorf?<br />
Dorf<br />
FAMILIENGLÜCK<br />
Strahlende Gesichter bei Familie Marquez: Nachdem Alex<br />
Marquez das Moto3-Rennen in Barcelona gewonnen hatte,<br />
krönte Marc Marquez den Tag mal wieder mit einem Triumph<br />
in der MotoGP. Damit schrieben sich die Gebrüder Marquez<br />
einmal mehr in die Geschichtsbücher des Grand Prix Sport ein:<br />
Zum ersten Mal in der WM-Historie gewannen zwei Brüder an<br />
einem Tag ein Rennen. Und weil das für Familia Marquez ja<br />
noch zu langweilig wäre, wiederholten sie dieses Kunststück<br />
in Assen gleich noch einmal.<br />
8 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
DESIGNER<br />
ARBEIT<br />
Jorge Lorenzo fährt<br />
beim Heimrennen mit<br />
besonderem Design<br />
FOTOS: MILAGRO, MOTORSPORT-MAGAZIN.COM<br />
Nachdem Jorge Lorenzo beim Heimrennen in<br />
Catalunya schon 2013 mit einem speziellen<br />
Helm von Anna Vives antrat, kreierte die<br />
berühmte Designerin mit Down-Syndrom auch<br />
2014 einen besonderen Kopfschutz und eine<br />
neue Startnummer für den zweifachen Weltmeister.<br />
Dazu drehte Lorenzo ein Video mit<br />
weiteren Betroffenen und zeigte öffentlich sein<br />
Engagement für das soziale Projekt. Leider<br />
half das besondere Design in diesem Jahr<br />
nicht im Kampf ums Podium.<br />
Dominique Aegerter<br />
träumt von einer<br />
richtig starken<br />
MotoGP-Maschine<br />
BESSER<br />
SPÄT ALS<br />
NIE<br />
Elf Jahre nach seinem ersten<br />
Sieg schlug Anthony West 2014<br />
erneut zu. Jahrelang war der<br />
Regenspezialist hinterhergefahren,<br />
Erfolgserlebnisse blieben<br />
Mangelware. Dazu kam ein positiver<br />
Dopingtest 2012, der ihn alle<br />
Ergebnisse der damaligen Saison<br />
kostete. Doch als es am Samstag in Assen<br />
plötzlich wie aus Eimern schüttete, witterte der Routinier<br />
seine Chance. Im Rennen hielt West alle Konkurrenten<br />
hinter sich und feierte den zweiten Sieg seiner<br />
GP-Karriere.<br />
FIRST TASTE<br />
Aufgeregt? »Nein!« <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com Kolumnist Dominique<br />
Aegerter blieb vor seinem ersten MotoGP-Einsatz ganz cool. Nach 89<br />
Runden war er fast so schnell wie Mike di Meglio, der ihm seine Zweitmaschine<br />
zur Verfügung gestellt hatte. Am Abend zeigte sich der Schweizer<br />
Moto2-Pilot zwar glücklich und dankbar über die gesammelten Erfahrungen,<br />
hatte aber trotzdem noch einen Wunsch: »Eine richtig starke<br />
MotoGP-Maschine wie die Yamaha zu testen, wäre natürlich ein Traum.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 9
TEXT: SAMY ABDEL AAL, MICHAEL HÖLLER, NICO PAPPELAU & MARKUS ZÖRWEG<br />
ALTE GARDE ODER<br />
JUNGE WILDE?<br />
FOTOS: MILAGRO DEBATTE<br />
DIE ALTMEISTER DANI PEDROSA UND VALENTINO ROSSI VERLÄNGERTEN BEI IHREN TEAMS UM ZWEI WEITERE JAHRE. IST DAS DER RICHTIGE WEG? ODER SOLLTEN<br />
HONDA UND YAMAHA NICHT LIEBER DEN WEG DER JUGEND GEHEN?<br />
Wem gelingt der<br />
Sprung ins<br />
Top-Team?<br />
Markus: Ich stelle mal die Frage, ob es sinnvoller ist,<br />
auf routinierte Piloten zu setzen anstatt auf junge<br />
hungrige. Das sehen wir ja nicht nur bei Honda, die<br />
Situation mit Rossi und Pol Espargaro ist ja eine<br />
ähnliche.<br />
Nico: Pedrosa ist eine brave Nummer zwei, aber vielleicht<br />
pusht er Marquez zu wenig. Hätten sie nicht<br />
besser Lorenzo geholt? Bei Rossi ist das ein bisschen<br />
anders, weil der bei Yamaha derzeit ja der erfolgreichere<br />
Fahrer ist...<br />
Samy (fällt Nico ins Wort): Als ob Lorenzo Marquez<br />
mehr pushen könnte, als Dani das nicht<br />
ohnehin schon tut. Wie kann man überhaupt die<br />
Frage stellen, ob es ein Fehler sein könnte, mit<br />
einem Fahrer wie Pedrosa zu verlängern?<br />
Michael: Naja, Dani ist halt eine ewige Nummer zwei<br />
und jünger wird er auch nicht.<br />
Samy: Ja, und Marc ist dafür eine ewige Nummer<br />
eins. Der gewinnt sowieso, egal wer neben<br />
ihm fährt.<br />
Michael: Genau deshalb stellt sich ja die Frage, ob<br />
man dann einen Fahrer wie Dani überhaupt noch<br />
braucht. Wenn sein Vertrag 2016 ausläuft, wird er<br />
31 Jahre alt sein.<br />
Samy: Naja, Dani ist in dieser Saison der zweitbeste<br />
Fahrer und besser als jeder außerhalb von<br />
Repsol Honda. Ohne seinen Armpump wäre er<br />
in diesem Jahr noch erfolgreicher gewesen.<br />
Michael: Ja, aber irgendein Leiden oder eine Verletzung<br />
tritt bei Dani halt jedes Jahr auf. Und das<br />
wird mit dem Alter nicht besser. Jetzt einen jungen<br />
Fahrer neben Marquez aufbauen und Honda dominiert<br />
die nächsten zehn Jahre.<br />
Markus: Naja, aber ein richtig guter Junger fehlt<br />
Honda. Bradl oder Bautista bringen ihre Leistung<br />
nicht konstant.<br />
Michael: Bei Bradl und Bautista ist der Zug fürs<br />
Werksteam abgefahren, das ist klar. Aber Honda<br />
hätte ja in der Moto2 zugreifen können.<br />
Nico: Dort sind in meinen Augen Maverick Vinales<br />
und Jonas Folger derzeit die beeindruckenden<br />
Figuren. Ich denke auch, dass Tito Rabat ein Kandidat<br />
für die MotoGP werden könnte.<br />
Michael: Naja, aber der ist mittlerweile auch 25.<br />
Markus: Und letztes Jahr hat ihn Pol Espargaro um<br />
50 Punkte abgehängt, obwohl sie im gleichen Team<br />
gefahren sind. Das sagt schon einiges aus. Aber bis<br />
Danis Vertrag ausläuft, sollten ja Alex Rins und Alex<br />
Marquez aus der Moto3 alt genug sein, um es in der<br />
MotoGP zu versuchen.<br />
Nico: Und wer garantiert, dass Alex und Alex auch<br />
in der Moto2 so stark sind wie in der Moto3?<br />
Samy (mit einem Leuchten in den Augen):<br />
Aber ein Bruderduell bei Honda - das hätte<br />
schon was!<br />
Michael: Ja! Und den Psychokrieg um den WM-<br />
Titel könnten sie dann an Mamas Mittagstisch<br />
ausfechten.<br />
Samy: Ihr Papa meinte einst: Immer wenn ich<br />
die beiden sehe, streiten sie miteinander. Aber<br />
danach sind sie wieder die besten Freunde.<br />
Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es<br />
langfristig bei Honda auf Marquez und Marquez<br />
hinausläuft. Sie verstehen sich super<br />
und hätten immer besonderen Antrieb, den<br />
anderen schlagen zu wollen.<br />
Markus: Das kann aber auch nach hinten losgehen.<br />
So etwas könnte eine gefährlichere Mischung<br />
sein, als wenn man zwei Weltmeister im Team<br />
hat. Vielleicht wäre Alex ja irgendwann einmal<br />
jemand, an dem sich Marc aufreiben könnte -<br />
quasi Marcs Kryptonit. Denn vom kleinen Bruder<br />
geschlagen zu werden, ist sicherlich schwer zu<br />
verdauen.<br />
Michael (hat drei kleine Brüder): Das kannst du<br />
laut sagen...<br />
10 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Kevin Schwantz<br />
konnte sich über den<br />
Sieg freuen<br />
TEXT: NICO PAPPELAU<br />
HOCKENHEIM 1991:<br />
SCHWANTZ GEGEN RAINEY:<br />
ALLES ODER NICHTS<br />
Die späten 80er und frühen 90er Jahre waren geprägt vom Duell der beiden Amerikaner<br />
Wayne Rainey und Kevin Schwantz. »Schwantz war Texaner und ich hasste<br />
ihn. Er fuhr teuflisch schnell auf einem Bike, das eigentlich nicht zu kontrollieren<br />
war«, erinnert sich Rainey. Auch für Schwantz gab es nur einen Gegner auf der<br />
Rennstrecke: »Es ging nur um ihn [Rainey]. Wenn ich Fünfter wurde und er Sechster,<br />
war das für mich wie ein Sieg.« Vom Charakter her hätten die beiden nicht unterschiedlicher<br />
sein können. Während der immer lockere Suzuki-Pilot Schwantz dazu<br />
neigte, alles auf eine Karte zu setzen, nahm der ernst wirkende Rainey auf Yamaha<br />
die Punkte mit, wenn ein Sieg unmöglich war. 1991 in Hockenheim schien Rainey<br />
in der letzten Runde bereits alles klargemacht zu haben. Auf der Geraden zum<br />
Motodrom riskierte Schwantz alles und bremste sich neben seinen Gegner. Das<br />
DENK-<br />
WÜRDIGE<br />
RENNEN<br />
Hinterrad der Suzuki stempelte wild und hinterließ auf dem Asphalt eine Reihe<br />
schwarzer Spuren. Schwantz konnte sich auf seinem Motorrad halten und vor Rainey<br />
ins Motodrom einbiegen, wo er sich nach ihm umdrehte und ihm die Tür zuwarf.<br />
Schließlich flitzte der Suzuki-Star um 0,016 Sekunden vor seinem Landsmann über<br />
die Ziellinie. Trotz des Mutes von Schwantz holte Rainey die Titel in den Jahren 1990<br />
bis 1992. Als die beiden Rivalen 1993 erneut um die WM kämpften, stürzte Rainey<br />
in Misano. Seither ist er von der Hüfte abwärts querschnittsgelähmt. Schwantz holte<br />
in jenem Jahr den Titel, war aber nicht glücklich darüber: »Am Ende wäre ich lieber<br />
Zweiter gewesen. Das war es nicht wert.«<br />
DATUM: 26. Mai 1991<br />
STRECKE:<br />
Hockenheimring<br />
DISTANZ:<br />
18 Runden = 122,256 km<br />
STARTER: 15<br />
WETTER:<br />
Bewölkt<br />
POLE POSITION:<br />
Mick Doohan (2:00.362 Minuten)<br />
SCHNELLSTE RENNRUNDE: Kevin Schwantz (1:59.846 Minuten)<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
Trotz maximalem Einsatz<br />
verlor Schwantz den Kampf<br />
um den WM-Titel 1991<br />
12 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Weniger glücklich<br />
über die Niederlage:<br />
Wayne Rainey
KOLUMNE | MOTORRAD<br />
WENIGER FUSSBALL-FIEBER,<br />
MEHR MOTOGP-FEUER<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
WÄHREND DER BALLSPORT BOOMT, VERGISST DEUTSCHLAND DEN REST DER WELT, BESONDERS DIE KÖNIGSKLASSE.<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
F<br />
ußball ist unser Leben, denn König Fußball<br />
regiert die Welt.” Fast. Eigentlich ist<br />
in diesem Fall doch der <strong>Motorsport</strong> unser<br />
Leben, oder? Dieser regiert aber dummerweise nicht<br />
die Welt. Im Vergleich zum beliebten Ballsport fühlt<br />
sich keiner am Montagmorgen schlecht, wenn er<br />
ein Rennen nicht gesehen hat und demnach bei der<br />
Arbeit nicht mitreden kann. In den 31 Tagen der<br />
Fußball-WM war das jedoch der Fall. Wer das Spiel<br />
am Abend nicht gesehen hatte, war einfach irgendwie<br />
raus. Jedes zweite Gespräch drehte sich um das<br />
vergangene oder das nächste Spiel. Da wurden<br />
Nächte durchgemacht, Unterrichts- und Arbeitszeiten<br />
angepasst, Termine verschoben. Wer während eines<br />
Deutschland-Spiels im Supermarkt weilte, sah die<br />
gähnende Leere und versteht genau, was ich meine.<br />
König Fußball regiert eben die Welt und hat dank<br />
Ursprüngen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
eine lange Tradition. Jeder kann die Sportart<br />
ausüben und benötigt dazu grundsätzlich nur einen<br />
Ball. Ganz Deutschland ist übersäht von Fußballplätzen<br />
und bietet damit eine einfache Möglichkeit<br />
für zahlreiche Menschen, sich schon früh für den<br />
Sport begeistern zu lassen. Das direkte Duell zweier<br />
Länder polarisiert. Auf jedem zweiten Produkt des<br />
täglichen Lebens fanden sich zur WM-Zeit Hinweise,<br />
TV-Werbung war kaum umgänglich. Das<br />
Gekicke war in sämtlichen Massenmedien Thema<br />
Nummer eins - selbst Ukraine-Krise, Terror-<br />
Anschläge und Spionage-Affären wurden da hinten<br />
angestellt.<br />
Allem voran punktet der Breitensport aber mit einer<br />
exzellenten Sichtbarkeit im Free-TV, mit bester<br />
Berichterstattung und viel Aufwand. Jeder ist plötzlich<br />
Fußballexperte und meint, etwas von Abseits,<br />
Spieltaktik und Aufstellungsfragen zu verstehen.<br />
Knapp 30 Millionen Menschen sahen die Deutschland-Spiele<br />
live. Zu Spitzenzeiten schafft es die<br />
MotoGP gerade einmal auf eine halbe Million. Man<br />
könnte argumentieren, dass die Fußball-WM<br />
schließlich nur alle vier Jahre stattfindet und damit<br />
Seltenheitswert hat. Aber ist es auf der anderen<br />
Seite nicht viel attraktiver, die Besten der Welt alle<br />
zwei Wochen gegeneinander antreten zu sehen?<br />
Die <strong>Formel</strong> 1 hatte es zu Michael Schumachers<br />
Spitzenzeiten fast schon einmal geschafft, dem<br />
Fußball den Rang abzulaufen - speziell in Deutschland.<br />
Nach seinem Abgang herrscht allerdings<br />
wieder Ernüchterung, trotz Sebastian Vettel als<br />
nationalem Aushängeschild.<br />
Was fehlt nun der MotoGP, um zu den beliebtesten<br />
Sportarten zu gehören und breite Massen für sich<br />
zu gewinnen? Mangelt es an Regelkenntnissen?<br />
So schwer kann das doch nicht sein: Grundsätzlich<br />
gewinnt einfach der Schnellste. Schwieriger wird<br />
es allerdings beim Thema Nachwuchs. Es fehlt an<br />
finanziellen Mitteln, schließlich bedarf es zum<br />
Motorradfahren nicht nur eines Balls und eines<br />
Rasens. Der Zugang fehlt. Dazu gibt es kaum Hinweise<br />
und Werbung. Es mangelt eben an einer<br />
umfangreichen Übertragung. Das möchte ich noch<br />
nicht einmal Sport1 ankreiden, das sich nach den<br />
Zuschauerzahlen richten muss und demnach eher<br />
Fußball als Motorradsport sendet.<br />
Zumindest in Spanien scheint die Vermarktung der<br />
Dorna zu funktionieren. Im restlichen Europa allerdings<br />
weniger. Die Motocross-WM hatte in Italien<br />
höhere Einschaltquoten als die MotoGP in Barcelona.<br />
Spätestens bei diesen Zahlen sollten die<br />
Verantwortlichen stutzig werden und nach Auswegen<br />
suchen. Die Marketing-Experten könnten sich<br />
vielleicht sogar bei König Fußball etwas abschauen.<br />
Aber solange die Massenmedien kein Interesse<br />
zeigen, kann eben auch keine breite Masse erreicht<br />
werden. Wie wäre es denn mit etwas weniger<br />
Fußball-Fieber und einem entfachten<br />
MotoGP-Feuer?<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 13
PRO & CONTRA<br />
FLAVIO BRIATORE: RETTER IN DER NOT?<br />
Hilfe! Bloß nicht<br />
Flavio holen!<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
+++ PRO +++<br />
+++ CONTRA +++<br />
Toto Wolff grinst schelmisch vor sich hin. Wird Flavio Briatore den Teamchefs<br />
bei der Suche nach einer besseren Show beratend zur Seite stehen?<br />
Der Mercedes-<strong>Motorsport</strong>chef lässt die Frage unbeantwortet.<br />
Viel wichtiger ist ohnehin: Die <strong>Formel</strong> 1 braucht Hilfe! Zu hohe Ticketpreise,<br />
ein oft ausbaufähiges Showprogramm an den Rennwochenenden<br />
und unverständliche Regeländerungen wie doppelte Punkte beim Finale<br />
sorgten für viel Kritik an der Königsklasse des <strong>Motorsport</strong>s.<br />
»Vielleicht müssen wir den Stolz und einige historische Gefühle über<br />
Bord werfen und in der Zukunft ein paar verrückte Dinge machen«, sagt<br />
Pirelli-<strong>Motorsport</strong>chef Paul Hembery im Interview mit <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>.com.<br />
An verrückten Ideen dürfte es Flavio Briatore sicher nicht mangeln. Der<br />
Italiener war stets ein Querdenker. Kein Vollblutracer, sondern ein<br />
gewiefter Marketingfachmann. Ja, mit der Crashgate-Affäre schoss er<br />
über das Ziel hinaus. Damit kennen sich die <strong>Formel</strong>-1-Entscheider<br />
jedoch alle ebenfalls bestens aus.<br />
Ein bisschen frischer Wind kann den Teamchef-Meetings also nur gut<br />
tun. Allerdings sollten die Verantwortlichen Schnellschüsse wie in der<br />
Vergangenheit tunlichst vermeiden. Noch mehr Eigentore wie die doppelten<br />
Punkte verkraftet der Sport nicht. Das Motto lautet: Erst denken,<br />
dann handeln.<br />
2008 aus der Königklasse des <strong>Motorsport</strong>s verjagt, soll ausgerechnet<br />
Flavio Briatore sechs Jahre später die <strong>Formel</strong> 1 vom Zuschauerschwund<br />
befreien. Soll das ein schlechter Scherz sein? Immerhin ist<br />
Briatore nicht ohne Grund aus der <strong>Formel</strong> 1 verbannt worden.<br />
Oder will der Italiener das Zuschauer- und Sponsoreninteresse damit<br />
steigern, dass er künftig wahlweise Fahrer in die Streckenbegrenzung<br />
beordert? Die Funksprüche, die heutzutage ja öffentlich sind, wären<br />
auf jeden Fall interessant. Aber im Ernst: der Schaden, den die<br />
Crashgate-Affäre dem Sport, aber auch dem Renault-Team zufügte,<br />
war immens. Teamsponsor ING stieg sogar aus der <strong>Formel</strong> 1 aus.<br />
Briatore gilt nicht gerade als schüchtern, wenn es darum geht, seine<br />
Meinung kundzutun. Tatsächlich war an seiner Kritik an der zu hochtechnisierten<br />
<strong>Formel</strong> 1 durchaus das ein oder andere Körnchen<br />
Wahrheit zu finden. Doch das allein reicht nicht als Begründung aus,<br />
um dem 64-jährigen Playboy die Leitung der neuen Arbeitsgruppe<br />
zu übergeben.<br />
Nach dem Ecclestone-Prozess und der Austragung des Russland GP<br />
trotz MH17-Abschuss braucht die <strong>Formel</strong> 1 eine neue, starke Führung<br />
und nicht noch mehr negative Publicity. Dass Briatore diese starke<br />
Hand ist, darf bezweifelt werden.<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN<br />
14 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
KOLUMNE | FORMEL 1<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
WER ZULETZT LACHT,<br />
LACHT AM BESTEN<br />
WEGEN SEINEM DAUERGRINSEN ALS ZU WEICH FÜR DIE F1 KRITISIERT, IST ES JETZT DANIEL RICCIARDO, DER ZULETZT LACHT.<br />
Keiner grinst<br />
so schön wie<br />
Daniel Ricciardo<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
A<br />
usgelassen jagt er Fernando Alonso und Lewis Hamilton mit der<br />
Champagnerflasche in der Hand über das Podest. Minuten zuvor<br />
hatte Daniel Ricciardo die beiden Weltmeister auf der Strecke eiskalt<br />
stehen gelassen. »Mann, kann der Junge überholen.« Mit seinem sensationellen<br />
Überholmanöver in der drittletzten Runde des Ungarn GP brachte Ricciardo<br />
nicht nur seinen Boss Christian Horner ins Schwärmen, sondern auch die Bosse<br />
der Konkurrenz. »Die Perfektion und Brutalität, mit der er dieses Rennen gewonnen<br />
hat, sind außerordentlich«, lobte Niki Lauda den Australier über den Klee.<br />
Ricciardo dürften die Lobeshymnen auf seine Person runtergehen wie Öl,<br />
schließlich hatten viele - auch intern bei Red Bull Racing - an seinen Fähigkeiten<br />
gezweifelt. In seiner Toro-Rosso-Zeit zeigte der Aussie zwar ein paar gute<br />
Rennen, beim Überholen fehlten ihm allerdings oftmals die nötige Aggression<br />
und Entschlossenheit. Kritiker fühlten sich durch Ricciardos Dauer-Smile in<br />
ihrer Meinung bestärkt. Jemand, der 24 Stunden, sieben Tage die Woche mit<br />
einem Lächeln durch die Gegend rennt, dem müsse einfach der nötige Killerinstinkt<br />
für die harte <strong>Formel</strong>-1-Welt fehlen, lautete der mehrheitliche Tenor im<br />
F1-Paddock. »Ich lächle viel, und weil ich wie ein freundlicher Kerl wirke, denken<br />
viele Leute wahrscheinlich, dass ich ein bisschen weich bin, dass ich nett bin,<br />
dass ich niemandem wehtun würde«, war sich Ricciardo der Vorurteile bewusst.<br />
Andere Fahrer hätten ihre Konsequenz daraus gezogen und sich mit dem<br />
Wechsel in ein Top-Team ein anderes Image zugelegt, doch nicht Ricciardo. Er<br />
rennt weiterhin mit einem Dauerlächeln durch den Paddock, seine Antwort in<br />
Richtung Kritiker gibt er allein auf der Strecke oder via Message auf seinem<br />
Rennhelm, dessen Rückseite nicht grundlos das Bild eines Honigdachses ziert<br />
- ein Raubtier, das als absolut furchtlos und aggressiv gilt. »Wenn man die<br />
richtigen Knöpfe drückt, kann ich ein sehr dunkles Individuum sein. Sehr zornig.<br />
Ganz ehrlich«, betonte Ricciardo. Den Beweis dafür lieferte er unter anderem<br />
in Hockenheim als er dem spanischen Ausnahmekönner und zweifachen Champion,<br />
Fernando Alonso, souverän die Stirn bot und das, obwohl Alonso die<br />
deutlich frischeren Reifen hatte. »Daniel ist toll gefahren. Es war ein sauberer<br />
und fairer Kampf. Immer wenn ich an ihm vorbei war, hat er sich sehr clever<br />
in meinen Windschatten gehängt«, zollte Alonso seinem Konkurrenten Respekt.<br />
Respekt, den Ricciardo auch verdient, denn der Aussie machte nicht nur der<br />
Konkurrenz in Rot und Silber Feuer unter dem Hintern, sondern auch dem<br />
eigenen Teamkollegen. Siege, Podestplätze, Fahrerwertung oder teaminternes<br />
Qualifyingduell - Ricciardo liegt in allen relevanten Vergleichen klar vor Sebastian<br />
Vettel, seinerseits vierfacher Weltmeister. Mit dieser Bilanz im Red-Bull-<br />
Stallduell hatte kaum einer gerechnet - außer Ricciardo selbst. Der Australier<br />
hat stets an sich geglaubt. »Ich wollte zu dieser Gruppe von Fahrern zählen,<br />
die man an der Spitze erwartet. Wo man sagt, das ist dieser Kerl, und man<br />
kann damit rechnen, dass er hart fährt, dass er schnell ist.« Ein Ziel, das Ricciardo<br />
bereits nach elf Saisonrennen erreicht hat. Wie sagt ein Sprichwort so<br />
schön? Wer zuletzt lacht, lacht am besten... und Ricciardo kann 2014 zu Recht<br />
übers ganze Gesicht lachen.
MARK SUTTON<br />
LIFE THROUGH A LENS<br />
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Hier drüben: Bitte recht<br />
freundlich, Daniel!<br />
01<br />
01 DAS LÄCHELN DES SIEGERS<br />
Gerade als die Fahrer das Podest verlassen wollten, schrien wir in Richtung Daniel, auf<br />
den wir direkt hinunter sehen konnten. Es schien ihn zu freuen. Ich versuchte es auch<br />
bei Fernando, aber er sah nicht direkt in die Kamera, wie es Daniel getan hat. Anstatt<br />
einem Foto, auf dem die Fahrer das Podest verlassen, haben wir einen richtig coolen<br />
Shot bekommen. Ich verwendete für das Bild ein recht langes Objektiv, 70 bis 200mm.<br />
Dadurch ist man sehr davon abhängig, wohin sich der andere bewegt und was er tut.<br />
Daniel ist für solche Schnappschüsse immer gut. Sein Lächeln in diesem Moment auf<br />
dem Podium macht das Bild so fantastisch.<br />
02 SONNENUNTERGANG<br />
Das war an einem Freitagabend. Das Bild funktioniert, weil es wirkt, als würde die erste<br />
Saisonhälfte mit dem Sonnenuntergang enden. Wir haben noch sehr spät in der Box<br />
gearbeitet. Der Sonnenuntergang wirft ein tolles Licht auf die Leute, die noch an den<br />
Autos werkeln. Ungarn ist für solche Bilder einer der besten Orte. Und dieser Platz ist<br />
großartig, um die Grid Girls zu fotografieren und die Jungs, die an den Autos arbeiten,<br />
um diese für den Parc Ferme vorzubereiten. Zu diesen späten Abendstunden können<br />
wir entlang der Boxengasse gehen. Das Bild haben wir an der Strecke gemacht, von<br />
jenem Platz aus, wo man von der Boxengasse in die Startaufstellung geht. Die Silhouette,<br />
die durch das Licht auf der Haupttribüne entsteht, sieht richtig gut aus. Dieses <strong>Spektakel</strong><br />
sieht man jeden Abend. Es ist wirklich eine malerische Szene und zeigt einen völlig<br />
anderen Blick auf die Haupttribüne, als man es sonst gewohnt ist.<br />
03 ZIIIEEEHHH!!<br />
Ein gutes Bild aus dem Freitagstraining. Kamui Kobayashi fuhr mit seinem rauchenden<br />
Auto an mir vorbei. Also machte ich ein Bild von ihm und den leeren Tribünen, die ein<br />
schöner, farbiger Hintergrund sind. Als ich das Feuer sah, wechselte ich auf ein Tele-<br />
Objektiv, das 500er, aber zu diesem Zeitpunkt stand er bereits. Die Feuerlöscher wurden<br />
ausgelöst und er sprang in die Luft. Es war unglaublich, wie hoch er springen konnte!<br />
Der Grund dafür ist natürlich das ERS, aber es sieht so aus, als ob er in der Luft schweben<br />
würde. Ich weiß nicht, warum er so hoch sprang. Aber es ist ein großartiges Foto. Das<br />
Feuer ging jedoch nicht aus. Als sie das Auto am Kran hatten, rauchte es noch immer.<br />
Also schnappte sich Kobayashi selbst einen Feuerlöscher und versuchte, es zu löschen.<br />
Es kam bei diesem Foto wieder einmal darauf an, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu<br />
sein. Wenn ich im Qualifying hier gewesen wäre, hätte ich den Abflug von Lewis erwischt.<br />
Aber da war ich an einer anderen Stelle der Strecke. So spielt das Leben!<br />
Sonnenuntergang in<br />
Budapest: Bereit für die<br />
zweite Saisonhälfte<br />
02<br />
16 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Japanischer Rekord:<br />
Kamui Kobayashi fliegt<br />
aus dem Cockpit<br />
03
KOLUMNE | FORMEL 1<br />
VON SCHMERZMITTELN &<br />
KERNÖL<br />
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN<br />
MANCHMAL KANN DIE FORMEL 1 SO WEHTUN! MANCHMAL IST SIE EINFACH NUR WITZIG. EIN BLICK HINTER DIE KULISSEN.<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, FIA, MOTORSPORT-MAGAZIN.COM<br />
Kernöl? Kann man<br />
das trinken???<br />
LEHRE NUMMER 1: WO IST KURVE 12A?<br />
Richtig zählen will gelernt sein! Erst recht in Zeiten von hochkomplexen<br />
technischen Reglements. Jedes Mal aufs Neue bricht in unserer Redaktion<br />
die pure Freude aus, wenn es darum geht, die Kurvenanzahl einer neuen<br />
Rennstrecke zu ermitteln. Bei der FIA scheint das nicht anders zu sein:<br />
In Hockenheim kommt der Weltverband auf schlappe drei Kurven mehr<br />
als die normal gezählte Angabe. Noch viel besser war es jedoch in Ungarn:<br />
Dort erwarteten die Fahrer laut dem offiziellen FIA-Streckenplan nicht<br />
nur 14 Kurven, sondern zusätzlich auch noch die Kurven 1A und 12A.<br />
Manche bekommen einfach nicht genug...<br />
LEHRE NUMMER 2: KERNÖL IST NICHT ZUM TRINKEN!<br />
Elf Jahre lang war Österreich nicht mehr im <strong>Formel</strong>-1-Rennkalender.<br />
Umso größer war die Begeisterung bei der Rückkehr nach Spielberg.<br />
In der Abwesenheit scheinen jedoch einige lokale Gegebenheiten in<br />
Vergessenheit geraten zu sein. Am ersten Tag gab es für die über 500<br />
Journalisten aus aller Welt ein kleines Willkommensgeschenk, inklusive<br />
Hirschwurst und dem weltberühmten steirischen Kürbiskernöl.<br />
Letzteres sorgte bei einigen nicht-deutschsprachigen Kollegen jedoch<br />
für Verwirrung. »Ist das zum Trinken?«, fragte uns ein russischer Journalist.<br />
Als wir ihm erklärten, dass Kernöl nicht zum Trinken, sondern<br />
für den Salat sei, war ihm die Enttäuschung deutlich ins Gesicht<br />
geschrieben. Zum Glück hatte Red Bull auch noch ein kleines Fläschchen<br />
Zirbenschnaps beigelegt.<br />
Niki Lauda spielte<br />
Krankenschwester<br />
für Toto Wolff<br />
LEHRE NUMMER 3: MUSIK KANN SCHMERZVOLL SEIN<br />
Auch Radfahren will gelernt sein! Wie gefährlich dieser Zeitvertreib ist,<br />
mussten unter anderem schon Mark Webber und Nick Heidfeld am eigenen<br />
Leib erfahren. Vor dem Ungarn GP erwischte es nun die halbe<br />
Mercedes-Mannschaft. Teamboss Paddy Lowe stürzte, alle anderen taten<br />
es ihm gleich. Am schlimmsten erwischte es Toto Wolff, der dennoch mit<br />
Schmerzmitteln vollgepumpt zum Rennen erschien. Nach dem für Silberpfeil-Verhältnisse<br />
eher schwachen Ergebnis hätte er sich das wohl<br />
lieber überlegen sollen. <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com fragte ihn nach Rennende:<br />
»Was tut mehr weh: Die Siegermusik bei Red Bull oder der gebrochene<br />
Arm?« Die Antwort kann sich jeder denken. Für den Arm gab es<br />
Mittel, gegen den verlorenen Sieg nicht. Da hilft dann noch nicht mal ein<br />
kräftiger Schluck Kernöl...<br />
Großer Andrang beim<br />
Heimrennen von<br />
Lewis Hamilton<br />
LEHRE NUMMER 4: FALSCHE HEIMRENNEN<br />
Zuhause ist es am schönsten. Da gilt auch für Große Preise. Kein Wunder<br />
also, dass viele Teams sich geradezu mit Heimrennen überschlagen. So<br />
hatte Mercedes allein bis zur Saisonmitte schon fünf Heim-Grand-Prix:<br />
Malaysia (wegen Titelsponsor Petronas), Monaco (wegen Nico Rosberg),<br />
Österreich (wegen Niki Lauda und Toto Wolff), England (wegen des Teamsitzes<br />
in Brackley & Brixworth sowie Lewis Hamilton) und Deutschland<br />
(wegen Mercedes). »Aber Hockenheim ist unser wirklicher Heim Grand<br />
Prix - alles andere ist Marketing«, gab Wolff mit einem Schmunzeln zu<br />
- und bereute den Satz postwendend. Übrigens: Auch wir haben mit den<br />
Rennen in Deutschland und Österreich gleich zwei Heimrennen mit<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com. Die sind aber echt!<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 17
SLIDESHOW | FORMEL 1 | #38 | 2014<br />
18 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
❱ MERCEDES‘<br />
BETRIEBS-<br />
FEUERWEHR<br />
TEXT: CHRISTIAN MENATH<br />
FOTO: ADRIVO/SUTTON<br />
Endlich ist es so weit: Was uns vor dieser Saison von allen versprochen<br />
wurde - nämlich spektakuläre Motorschäden -, das bekommen<br />
wir jetzt. Na gut, hier lag es an einem Benzinleck, aber spektakulär<br />
sind die Bilder trotzdem. Mindestens so heiß wie unter der Motorabdeckung<br />
des Silberpfeils geht es unter den Dächern Monacos zu.<br />
Lewis Hamilton gegen Nico Rosberg. Der WM-Kampf spitzt sich<br />
immer weiter zu, die Bandagen werden härter. Nicht nur bei den<br />
Fahrern sind jetzt kühle Köpfe gefragt, auch bei der Teamführung:<br />
Toto Wolff, Paddy Lowe und Niki Lauda müssen sich jetzt das ein<br />
oder andere Mal als Feuerwehrmänner üben. Leider sind ihre Einsätze<br />
für uns nicht so gut sichtbar wie hier.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 19
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
FORMEL 1<br />
SPEKTAKEL<br />
2014<br />
NEUE HELDEN, STRAUCHELNDE<br />
CHAMPIONS UND HEISSE FUNK-<br />
DUELLE. DIE ERSTEN SAISON-<br />
RENNEN HATTEN ES IN SICH.<br />
MOTORSPORT-MAGAZIN.COM<br />
VERRÄT, WAS DIE FANS IN DER<br />
ZWEITEN HÄLFTE ERWARTET<br />
20 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 21<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON
VETTEL & RICCIARDO<br />
»Das neue Juwel des Red-Bull-Stalls«, titelten die internationalen Medien nach dem Großen Preis von Ungarn. Dabei<br />
hatten die meisten Daniel Ricciardo vor Saisonbeginn als Vettels Helfer oder Gute-Laune-Partner eingestuft. Nur<br />
wenigen Insidern war klar, dass hinter dem breiten Grinsen auch ein knallharter Racer steckt. Nach seinen zwei<br />
Siegen und der deutlichen Erfolgsbilanz gegenüber seinem Teamkollegen ist jetzt auch der ganzen <strong>Formel</strong>-1-Welt<br />
klar: Ricciardo hat alles, was ein zukünftiger Weltmeister braucht. »Ich denke durchaus, dass Daniel das Zeug dazu<br />
hat, Weltmeister zu werden«, sagt Landsmann Alan Jones. Ricciardo bleibt trotz aller Vorschusslorbeeren auf dem<br />
Boden. »Nach sechs Monaten im Team gleich zwei Siege einzufahren, ist einfach nur fantastisch. Auf diese tolle<br />
erste Saisonhälfte will ich aufbauen.« Bei Sebastian Vettel lief es hingegen alles andere als fantastisch. Das neue<br />
Reglement beraubte den vierfachen Weltmeister seiner größten Stärke - mit dem angeblasenen Diffusor, durch die<br />
schnellen Kurven zu fahren. Hinzu kam Pech, dass Vettel wie Kaugummi an den Schuhen klebte - wenn bei Red Bull<br />
der Defektteufel zuschlug, dann traf es zumeist den 27-Jährigen. Die Folge: Zur Halbzeit stehen zwei dritte Plätze<br />
zu Buche, die Titelverteidigung ist längst abgeschrieben - eine verheerende Bilanz für den erfolgsverwöhnten Deutschen.<br />
Doch Teamchef Christian Horner ist sich sicher: »Sebastian wird zurückkommen.« Und tatsächlich fährt Vettel<br />
seine stärksten Rennen traditionell in der zweiten Saisonhälfte. Das weiß auch die Konkurrenz von McLaren und<br />
Mercedes, die laut F1-Gerüchteküche Vettel unanständig hohe Angebote gemacht haben soll.<br />
Zwischenfazit: Charakterbildende Zeit & neuer Shooting-Star<br />
Ausblick: Vettel beweist, dass er das Autofahren nicht verlernt hat & das breite Dauergrinsen des Australiers bleibt<br />
uns erhalten
WILLIAMS<br />
Viele sahen das Qualifying in Spielberg als einmalige Ausnahme<br />
an. Dort besetzte Felipe Massa und Valtteri Bottas<br />
die erste Startreihe. Spätestens seit dem Deutschland GP<br />
steht jedoch fest: Williams ist zurück an der Spitze - und<br />
der Rennstall hat nicht vor, von dort so schnell wieder zu<br />
verschwinden. Selbst auf der ungarischen Angststrecke<br />
konnte Williams mit den Plätzen fünf und acht aufzeigen.<br />
Wieder einmal erwiesen sich die Updates des Rennstalls<br />
als Volltreffer. Ein entscheidender Trumpf im Kampf um<br />
Top-Platzierungen in der Konstrukteurswertung. »Bei uns<br />
haben alle Teile auf Anhieb funktioniert. Ich kann mich<br />
nicht erinnern, dass Ferrari mal ein neues Teil gebracht<br />
und es sofort funktioniert hat. Das Team hat zwar fleißig<br />
entwickelt, aber die meisten Updates mussten wir am<br />
Freitagabend wieder ausbauen«, konnte sich Felipe Massa<br />
einen Seitenhieb in Richtung seines Ex-Arbeitgebers nicht<br />
verkneifen.<br />
Zwischenfazit: Überraschung gelungen<br />
Ausblick: Aufgepasst Red Bull & Ferrari, Williams ist euch<br />
dicht auf den Fersen!<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, WILLIAMS<br />
SAUBER<br />
Inakzeptabel, nicht zufrieden - diese Wörter fielen in den<br />
vergangenen Wochen und Monaten mehrfach als <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn<br />
auf das schwache Abschneiden ihres Teams<br />
ansprach. Erstmals in seiner Geschichte wartet das Team<br />
aus Hinwill seit elf Rennen auf WM-Zähler. Die Gründe<br />
liegen auf der Hand: mit dem C33 stellte Sauber kein allzu<br />
gutes Auto auf die Beine, hinzu kommt die fehlende Power<br />
des Ferrari-Antriebsstrangs sowie Strategiefehler des<br />
Teams und Patzer der Fahrer. Der elfte Platz von Adrian<br />
Sutil beim Auftaktrennen in Melbourne sowie beim Großen<br />
Preis von Ungarn sind bis dato die besten Ergebnisse des<br />
Rennstalls. In der Konstrukteurswertung liegt Sauber auf<br />
der vorletzten Position. »Es ist sicher deprimierend, aber<br />
wir müssen im Moment leider damit leben«, erklärte Adrian<br />
Sutil resignierend.<br />
Zwischenfazit: Tristesse in Hinwill<br />
Ausblick: Leichte Verbesserungen sind möglich, die totale<br />
Wende wohl nicht<br />
→<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 23
FERNANDO ALONSO<br />
»Super, super, super, super....«, tönte es lautstark durch den<br />
Boxenfunk. Mit dem zweiten Platz in Budapest schenkte<br />
Fernando Alonso Ferrari und den Tifosi wieder Hoffnung.<br />
»Es ist wie ein großer Atemzug von Frischluft, das ist entscheidend<br />
für die Moral«, ist sich Teamchef Marco Mattiacci<br />
bewusst. Letztere hatte in der ersten Saisonhälfte schwer<br />
gelitten. Pole Positions? Siege? Fehlanzeige! Statt Perfektion<br />
legt der Traditionsrennstall eine Mittelmäßigkeit an den<br />
Tag, die schlechte Erinnerungen an alte Zeiten aufkommen<br />
lassen. Herausragend ist bei Ferrari nur einer: Fernando<br />
Alonso. Trotz der zahlreichen Mankos seines Dienstwagens<br />
- zu wenig PS, zu schwerer Antriebsstrang, zu brave Aerodynamik<br />
- fuhr der Spanier zwei Mal auf das Podest. Und<br />
auch in sämtlichen Qualifyings holte er mehr aus dem Auto<br />
heraus, als es eigentlich zu leisten im Stande war. Dass<br />
Ferrari kurzzeitig auf Platz vier der Konstrukteurswertung<br />
zurückfiel, kann allen anderen angekreidet werden - nur<br />
nicht dem Spanier. Entsprechend rollte der Kopf von<br />
Motorenchef Luca Marmorini.<br />
Zwischenfazit: Alonso als Motivator<br />
Ausblick: Erneut bleiben Alonsos Fahrkünste unbelohnt.<br />
Das könnte zum Ende der Traumehe Ferrari/Alonso<br />
führen<br />
CATERHAM<br />
Das spartanische grüne Motorhome im hintersten Winkel<br />
des Fahrerlagers ist fast schon bezeichnend für die Situation<br />
bei Caterham. Auf der Strecke bildet das Team<br />
gemeinsam mit Sauber jenes traurige Duo, das nach elf<br />
Saisonrennen immer noch punktelos dasteht. Das vor<br />
Saisonbeginn ausgegebene Ziel, die ersten Punkte einzufahren,<br />
bleibt 2014 Utopie. Abseits der Strecke wollen zwar<br />
neue Investoren - ein Konsortium aus der Schweiz und<br />
dem Mittleren Osten - Caterham wieder auf Vordermann<br />
bringen, doch bislang ist davon genauso wenig zu sehen<br />
wie von den Geldgebern selbst. Stattdessen sorgt die neue<br />
Teamführung mit Massen-Entlassungen, Klagen und<br />
Gegenklagen für negative Schlagzeilen. »Manchmal muss<br />
man eben unpopuläre Entscheidungen treffen«, betont<br />
Colin Kolles, der seit dem Rückzug von Teambesitzer Tony<br />
Fernandes als Berater des Rennstalls fungiert. Gelingt<br />
dem Sanierer die Wende?<br />
Zwischenfazit: Schlimmer geht‘s nimmer<br />
Ausblick: Der frische Wind bei Caterham könnte sich als<br />
laues Lüftchen herausstellen<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
24 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
MERCEDES-DUELL<br />
Mit 393 Punkten nach elf Rennen hat Mercedes 2014<br />
schon mehr WM-Zähler gesammelt als in der gesamten<br />
zurückliegenden Saison - damals waren es 360. Durch<br />
den teaminternen Fight der Piloten rückt diese Erfolgsgeschichte<br />
allerdings in den Hintergrund. Seit Saisonbeginn<br />
liefern sich Nico Rosberg und Lewis Hamilton einen Thriller<br />
der Extraklasse, der an jenen von Senna/Prost bei McLaren<br />
Ende der 80er Jahre erinnert. Mercedes ließ bisher seine<br />
Fahrer frei fahren, stieß dabei allerdings mehrfach auf<br />
seine Grenzen wie in Ungarn. Trotzdem betont Toto Wolff:<br />
»Unsere Fahrer dürfen auch den Rest der Saison frei<br />
gegeneinander fahren.« Für den Mercedes-<strong>Motorsport</strong>chef<br />
lenken die Diskussionen rund um die Stallregie viel zu<br />
sehr vom echten Problem ab - der Zuverlässigkeit. Nach<br />
Bremsproblemen in Montreal folgte ein Getriebeschaden<br />
in Silverstone, ein Bremsdefekt in Hockenheim und ein<br />
Benzinleck in Budapest. Die Tatsache, dass es vor der<br />
Sommerpause zwei Mal Hamilton erwischte, rief die Verschwörungstheoretiker<br />
auf den Plan. Sie meinten:<br />
Mercedes wolle unter allen Umständen einen deutschen<br />
Weltmeister. »Ich halte das für absoluten Schwachsinn«,<br />
stellte Johnny Herbert gegenüber <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />
com klar. »Mercedes ist in der <strong>Formel</strong> 1, weil sie ein Auto<br />
haben, das sie verkaufen wollen. Warum sollten sie ihr<br />
Auto zerstören oder brennen lassen? Es geht ihnen einzig<br />
und allein darum, ihre Marke zu promoten.« Also alles nur<br />
Pech? Ja, sagt Jacques Villeneuve im Gespräch mit <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com.<br />
»Es ist Pech und wenn man einmal<br />
Pech hat, dann trägt man eine schlechte Energie mit sich<br />
rum. Aber es ist noch nichts verloren. Immerhin gibt es<br />
beim letzten Rennen doppelte Punkte. Das ist als ob man<br />
noch ein Rennen hätte. Lewis hat noch viel Zeit.«<br />
Zwischenfazit: Ein Fight der Extra-Klasse<br />
Ausblick: Im Duell Rosberg vs. Hamilton ist kein Spannungsabfall<br />
in Sicht<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 25
FUNK-<br />
DUELL !<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
SO SCHIMPFTEN SICH DIE FAHRER DURCH DIE<br />
ERSTE SAISONHÄLFTE...<br />
UNGARN GP: ROSBERG VS. HAMILTON<br />
Peter Bonnington: Okay, Lewis. Der Abstand<br />
zu Nico beträgt eine Sekunde. Er ist auf den<br />
Option-Reifen. Er hat noch einen Stopp.<br />
Halte ihn nicht auf.<br />
Hamilton: Ich kann mir nicht vorstellen,<br />
dass meine Reifen noch 20 Runden<br />
halten.<br />
...<br />
Rosberg: Warum lässt er mich nicht durch?<br />
Peter Bonnington: Okay, Lewis. Lass Nico<br />
bitte vorbei. Lass Nico auf der Start/Ziel-<br />
Geraden vorbei.<br />
Hamilton: Ich mache nicht langsamer für<br />
Nico. Wenn er nah genug zum Überholen<br />
herankommt, dann kann er überholen.<br />
DEUTSCHLAND GP: RÄIKKÖNEN AN<br />
FERRARI-BOX<br />
Kimi Räikkönen: Der linke Voderreifen sieht<br />
schlecht aus - sehr schlecht.<br />
David Lloyd: Wir brauchen vier weitere Runden.<br />
Noch vier Runden.<br />
Kimi Räikkönen: Wir müssen stoppen! Der<br />
linke Vorderreifen ist komplett am Ende. Wir<br />
müssen stoppen. JETZT!<br />
GROSSBRITANNIEN GP: ALONSO VS.<br />
VETTEL<br />
FOTOS: RED BULL RACING<br />
Alo: Er hat DRS wegen der Streckenbegrenzung<br />
in der letzten Kurve bekommen.<br />
Er bekommt durch Turn 5 und aus Turn 9<br />
DRS. Was muss ich noch machen?<br />
Seb: Er hat es schon wieder getan! Er kann<br />
so etwas nicht machen! Wenn ich nicht aus<br />
dem Weg gegangen wäre, hätte er mich von<br />
der Strecke geschoben!<br />
Rocquelin: Verstanden. Bleib ruhig. Du<br />
bist eindeutig der Schnellere.<br />
26 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
CHINA GP: VETTEL VS. RICCIARDO<br />
Rocquelin: Sebastian, lass Ricciardo vorbei. Lass Daniel<br />
vorbei - bitte.<br />
Vettel: Auf welchem Reifen ist er?<br />
Rocquelin: Medium, aber er hat später gestoppt.<br />
Vettel: Der Glückliche.<br />
Simon Rennie: Daniel, fahr an Seb heran und<br />
überhol ihn!<br />
BAHRAIN GP: VERGNE VS.<br />
MALDONADO<br />
Vergne: Der Lotus-Typ ist völlig verrückt.<br />
Ich weiß nicht, wer es war. Aber der ist<br />
absolut irre.<br />
Xevi Pujolar: Verstanden. Box.<br />
Vergne: Der Kerl wollte mich killen!<br />
MALAYSIA GP: MASSA VS. BOTTAS<br />
Andrew Murdoch: Okay Felipe. Valtteri ist schneller als<br />
du, halte ihn nicht auf.<br />
Jonathan Eddolls: Du bist schneller als Massa, überhol ihn.<br />
Du bist schneller!<br />
Andrew Murdoch: Okay Felipe. Valtteri ist schneller als<br />
du. Er hat die frischeren Reifen, halte ihn nicht auf.<br />
Andrew Murdoch: Felipe. Valtteri hat die frischen Reifen,<br />
wir müssen ihn vorbei lassen.<br />
...<br />
Andrew Murdoch: Du bist langsamer als Valtteri, du hältst<br />
ihn auf. Lass ihn vorbei.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 27
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
TEXT: CHRISTIAN MENATH<br />
DIE CHASSIS-FRAGE<br />
28 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
DIE FORMEL 1 IST EIN KOMPLEXER SPORT. ALLEINE AUF TECHNISCHER SEITE ERGEBEN ZAHLLOSE PARAMETER EIN DIF-<br />
FUSES GESAMTBILD. DURCH DEN GROSSEN REGELUMBRUCH UND DIE STARK UNTERSCHIEDLICHEN MOTOREN WURDE DAS<br />
KRÄFTEVERHÄLTNIS WILD DURCHEINANDERGEWÜRFELT. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM WOLLTE ES GENAU WISSEN: WER<br />
BAUT DAS BESTE CHASSIS?<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 29
ie Performance wird zu 90 Prozent<br />
von der Aerodynamik<br />
bestimmt. Aber ich denke,<br />
dass das nicht gut ist, weil<br />
wir keine Satelliten oder<br />
Flugzeuge bauen, sondern<br />
Autos.« Diese Aussage gab Ferrari<br />
Präsident Luca di Montezemolo in der Vergangenheit<br />
nicht nur einmal zum Besten. Dem<br />
Italiener wurde die <strong>Formel</strong> 1 jahrelang zu stark<br />
von der Aerodynamik bestimmt. Mit dem neuen<br />
Reglement bekam er, was er wollte. Die Motoren<br />
stehen wieder im Mittelpunkt, manch einer<br />
spricht bereits von der neuen Motoren-<strong>Formel</strong>.<br />
Dabei müsste korrekterweise von der Power-<br />
Unit-<strong>Formel</strong> die Sprache sein - mit dem Motor<br />
allein ist es nicht mehr getan. Von den drei<br />
Power-Unit-Herstellern liefert Mercedes zweifellos<br />
das beste Paket. Renault und Ferrari rangieren<br />
mit großem Abstand dahinter. Für die<br />
Kunden von Renault und Ferrari ist der Grund<br />
für schlechte Resultate schnell gefunden: der<br />
Antrieb. Vor allem Red Bull stellt immer wieder<br />
Partner Renault an den Pranger. Doch sind die<br />
Franzosen wirklich schuld an den durchwachsenen<br />
Resultaten des Weltmeisterteams? Und<br />
wie steht es um Williams: Ist die Stärke des Traditionsrennstalls<br />
wirklich nur in der starken<br />
Power Unit begründet?<br />
»Die Performance ist nicht akzeptabel, das müssen<br />
sie ändern. So kann es nicht weitergehen,<br />
weder für Red Bull, noch für Renault.« Aussagen<br />
wie diese hört man bei Red Bull nicht nur von<br />
Teamchef Christian Horner in dieser Saison<br />
regelmäßig. Dr. Helmut Marko sprach sogar<br />
davon, Geld von Renault zu fordern, schließlich<br />
hätte man nur wegen deren schwacher Performance<br />
Geld und Image verloren. An der eigenen<br />
Stärke zweifelt Marko kein bisschen. »Sehen Sie,<br />
wir haben 65 PS weniger! Dann müssen wir<br />
Abtrieb wegnehmen, um auf den Geraden nicht<br />
ganz so langsam zu sein und wir sind trotzdem<br />
noch die schnellsten in den Kurven«, erzählt er<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com. Außerdem würde<br />
sich die Stärke des RB10 immer dann zeigen,<br />
wenn es regnet. »Immer dann sind wir in der<br />
ersten Startreihe«, meint Marko.<br />
Die Statistik gibt dem Grazer recht: In Australien,<br />
Malaysia, China und Großbritannien<br />
regnete es am Samstag. Bei allen vier Grands<br />
Prix startete ein Red Bull von Platz zwei. Im<br />
Regen wiegen die Leistungs-Defizite des Renault-Motors<br />
nicht so schwer, die Power muss<br />
erst einmal auf den rutschigen Asphalt<br />
gebracht werden. Ein weiterer Punkt: Bei den<br />
kühlen Bedingungen müssen die Reifen ins<br />
Betriebsfenster gebracht werden. Je mehr<br />
Abtrieb ein Auto generiert, desto besser gelingt<br />
das, weil Kurvengeschwindigkeiten entsprechend<br />
steigen und somit auch die lateralen<br />
Kräfte. Dadurch erhitzt sich der Reifen strukturell.<br />
Dabei hilft natürlich nicht nur die Aerodynamik,<br />
sondern auch das Fahrwerk. In der<br />
<strong>Formel</strong> 1 schlägt das Pendel jedoch stark Richtung<br />
Aerodynamik aus. Trotzdem stand 2014<br />
- trotz der nassen Qualifyings - bei jedem<br />
Rennen, mit Ausnahme von Österreich, ein<br />
Mercedes auf der Pole Position.<br />
Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve hat eine klare<br />
Meinung darüber, ob Red Bull auch nach dem<br />
großen Regelumbruch noch das beste Chassis<br />
hat. »Nein«, sagt der Kanadier gegenüber <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com.<br />
»Denn sie müssen mit<br />
einem sehr hohem Heck fahren, um Abtrieb zu<br />
haben. Das bedeutet, dass man auf den Geraden<br />
weniger Höchstgeschwindigkeit hat. Auf einer<br />
Strecke wie in Budapest ist das okay, aber auf<br />
schnellen Strecken ist das Chassis nicht mehr<br />
das Beste. Denn wenn sie niedrig fahren würden,<br />
um den Speed auf den Geraden zu bekommen,<br />
verlieren sie den ganzen Grip.«<br />
Dass mit Toro Rosso das kleine Schwesterteam<br />
mit der Gesamtperformance deutlich näher an<br />
Red Bull herangerückt ist - und wohlgemerkt<br />
den gleichen Motor wie das Mutterteam fährt -,<br />
sollte nicht als Verschlechterung des Weltmeisterteams<br />
gesehen werden, wie Marko meint.<br />
»Sie haben jetzt mit James Key einen Top-Mann.<br />
Außerdem benutzen sie nicht nur den gleichen<br />
Motor wie wir, sondern auch das gleiche<br />
Getriebe. Die Synergien zahlen sich aus.«<br />
Als extremer Gegensatz zu Red Bull sehen viele<br />
Williams. Der Rennstall hat sich vom Hinterbänkler-<br />
zum absoluten Topteam entwickelt.<br />
Williams profitiert nur von der alles überragenden<br />
Mercedes Power Unit, lautet eine gängige<br />
Meinung im Fahrerlager. Beim Traditionsrennstall<br />
aus Grove kommt das nicht gut an. <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
sprach Rob Smedley darauf<br />
an. Smedley, seit dieser Saison Head of Performance<br />
Engineering bei Williams, fand deutliche<br />
30 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Worte: »Wenn man sich alle Autos mit Mercedes-<br />
Motor ansieht, dann zeigt das sehr wohl, wo wir<br />
in etwa als Chassis-Hersteller stehen. Wenn es<br />
keinen versteckten Motor gibt, dann fahren vier<br />
Autos mit Mercedes-Power. Und wir sehen gegen<br />
einige Teams, wie beispielsweise McLaren, die<br />
viel Geld in das Chassis investieren, sehr gut<br />
aus.« Mercedes‘ ehemaliger <strong>Motorsport</strong>chef Norbert<br />
Haug stimmt Smedley zu: »Im schlechten<br />
Chassis nutzt der beste Motor nicht viel.«<br />
Dennoch gibt es weiterhin kritische Stimmen. Dr.<br />
Helmut Marko gibt beispielsweise zu bedenken,<br />
dass nicht alle Mercedes-Teams mit dem gleichen<br />
Benzin fahren. McLaren nutzt nicht den hochgelobten<br />
Petronas-Sprit, sondern vertraut auf Mobil<br />
1 als Lieferanten. »Das macht schon 30 PS Unterschied«,<br />
meint der Red Bull <strong>Motorsport</strong>berater.<br />
In der Tat verliert der Williams in kurvigen Segmenten.<br />
Der FW36 hat eine Schwachstelle:<br />
schnelle Kurven. Doch geradeaus läuft der Williams<br />
phänomenal. Fast auf jeder Strecke setzte<br />
einer der beiden Williams-Piloten den absoluten<br />
Spitzenwert bei der Höchstgeschwindigkeit. Da<br />
kann auch Mercedes nicht mithalten.<br />
Das kann zwei Gründe haben: Das Williams-<br />
Getriebe ist länger übersetzt oder der Luftwiderstand<br />
ist geringer. Weil für die gesamte Saison nur<br />
noch eine Getriebeübersetzung erlaubt ist und<br />
die schnellsten Rennstrecken mit Spa und Monza<br />
erst noch bevorstehen, dürfte die Getriebeübersetzung<br />
bislang nicht der limitierende Faktor sein.<br />
Bleibt also der Luftwiderstand. Und auf dieser<br />
Seite ist es immer ein Geben und Nehmen. Die<br />
»SEHEN SIE, WIR HABEN 65 PS<br />
WENIGER! DANN MÜSSEN WIR<br />
ABTRIEB WEGNEHMEN, UM AUF<br />
DEN GERADEN NICHT GANZ SO<br />
LANGSAM ZU SEIN UND WIR<br />
SIND TROTZDEM NOCH DIE<br />
SCHNELLSTEN IN DEN KURVEN«,<br />
SAGT HELMUT MARKO. »IM<br />
REGEN SIND WIR IMMER IN DER<br />
ERSTEN STARTREIHE.«<br />
Kunst besteht darin, möglichst viel Abtrieb mit<br />
möglichst wenig Luftwiderstand zu erkaufen.<br />
Aerodynamische Effizienz nennt sich das. Manche<br />
Mittel, wie zum Beispiel der Heckflügel, haben<br />
hier ein recht schlechtes, also ineffizientes Verhältnis.<br />
Andere Teile wiederum, wie der Unterboden,<br />
bringen in der Regel viel Abtrieb für wenig<br />
Luftwiderstand. Die Aussage, ein Auto sei aerodynamisch<br />
nicht gut, weil es zwar auf der Geraden<br />
schnell ist, in den Kurven allerdings Zeit verliert,<br />
ist also so nicht richtig. Das eine beeinflusst das<br />
andere. Dass der FW36 ein aerodynamisch effizientes<br />
Auto ist, zeigt sich auch beim Benzinverbrauch:<br />
Kein Bolide geht so sparsam mit dem<br />
kostbaren Gut um wie der Williams.<br />
Ganz so einfach wie in der Vergangenheit ist<br />
es aber nicht mehr. Die Frage muss differenzierter<br />
betrachtet werden, meint <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>.com-Experte Christian Danner.<br />
»Der 2,4-Liter-Saugmotor war ein Stück<br />
Eisen, das das Getriebe am Fahrzeug gehalten<br />
hat. Aus! Wenn er nicht gerade den Unterboden<br />
anblasen musste - was wir ja auch mal<br />
hatten -, war er in Bezug auf das Chassis<br />
wirklich nur das. Das ist jetzt anders. Das ist<br />
auch der Grund, warum es eklatante Unterschiede<br />
gibt, wenn man den Autos auf der<br />
Strecke zuschaut.« Neben Aerodynamik und<br />
Fahrwerkskinematik ist in der neuen <strong>Formel</strong><br />
1 noch ein weiterer Baustein als Chassis-Teil<br />
hinzugekommen: die Power Unit. »Sie beeinflusst<br />
das Fahr-, Brems- und Beschleunigungsverhalten<br />
extrem. Das ist das Neue in<br />
diesem Jahr. Deswegen kann man nicht sagen,<br />
dass ein Auto ganz gut ist, der Motor aber<br />
nicht. Es ist einfach eine Komponente hinzugekommen,<br />
die ein Auto langsam oder<br />
schnell, fahrbar oder unfahrbar macht.«<br />
Dass Red Bull nach wie vor felsenfest davon<br />
überzeugt ist, man habe noch immer - den Motor<br />
ausgeklammert - das beste Fahrzeug, kann Danner<br />
nicht ganz nachvollziehen. »Ich finde es ein<br />
wenig weltfremd, wenn man einfach sagt, man<br />
hat das beste Auto. Warum ist der Mercedes so<br />
gut? Weil da von Anfang an die drei Komponenten<br />
Fahrwerk, Aerodynamik und Motor als integrierter<br />
Ansatz bezeichnet wurden.« Norbert<br />
Haug stimmt zu. Er sieht die Power Unit als<br />
großen Trumpf, warnt aber davor, sie isoliert zu<br />
betrachten. »Räder hat sie trotzdem keine, auch<br />
die Chassis-Mannschaft hat ein sehr konkurrenzfähiges<br />
Auto gebaut.«<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, WILLIAMS<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 31
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN<br />
VERRÜCKTE<br />
HARSCHE KRITIK VERLANGT NACH AUSSERGEWÖHNLICHEN MASSNAHMEN. WIE GEWINNT DIE FORMEL 1 DIE<br />
GUNST DER FANS ZURÜCK? PIRELLI-MOTORSPORTCHEF PAUL HEMBERY HAT VIELE IDEEN. DARUNTER EINIGE<br />
RADIKALE NEUERUNGEN. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM TRAF IHN ZUM AUSFÜHRLICHEN GEDANKENAUSTAUSCH<br />
ÜBER DEN STATUS DER KÖNIGSKLASSE.<br />
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FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
IDEEN<br />
Pirelli-<strong>Motorsport</strong>direktor<br />
Paul Hembery<br />
packt aus<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 33
Von Langeweile keine<br />
Spur: Die <strong>Formel</strong> 1 bot<br />
2014 rassige Rennen<br />
MSM: Im vergangenen Jahr stand Pirelli im<br />
Kreuzfeuer der Kritik. Jeder schlug auf euch<br />
ein, kritisierte euch. Wie fühlt es sich an, nun<br />
wieder eher im Hintergrund zu stehen?<br />
PAUL HEMBERY: Die <strong>Formel</strong> 1 ist auch ein<br />
Unterhaltungs-Business. Jede Saison hat ein<br />
fortlaufendes Thema. Im vergangenen Jahr<br />
hat es uns erwischt. Die einen sagen berechtigt,<br />
die anderen unberechtigt. Wenn man in<br />
diesem Sport aktiv und sichtbar dabei sein<br />
möchte, muss man das manchmal einfach<br />
akzeptieren. Man muss pragmatisch sein und<br />
sagen: So ist es eben in diesem Jahr. In dieser<br />
Saison ist die Balance wieder vernünftig. Die<br />
Rennstrategien laufen meistens auf zwei oder<br />
drei Stopps hinaus. Derzeit scheint alles gut<br />
zu funktionieren.<br />
Es hat Pirelli also nicht geschadet. Schließlich<br />
vergessen die Menschen gerne schnell, was<br />
im letzten Jahr gewesen ist, nicht wahr?<br />
Wenn es so weiter gegangen wäre, dann sicher<br />
schon. Nach den Reifenschäden in Silverstone<br />
hatten wir nur eine Woche, um die Probleme<br />
zu beheben. Das ist uns schnell gelungen. Es<br />
gab nicht 19 Rennen wie in Silverstone. Die<br />
Öffentlichkeit hat ebenfalls eine recht pragmatische<br />
Sichtweise. Wir mussten Änderungen<br />
vornehmen, haben das gemacht und<br />
genau das wollen die Leute sehen - Reaktionen.<br />
Wenn jedes Rennen so verlaufen wäre,<br />
hätte es ganz anders ausgesehen. Aber so war<br />
es ja nicht. Wir haben die Reifen und die Nutzung<br />
dieser verändert. So lange nichts Außergewöhnliches<br />
passiert, lässt sich sagen, dass<br />
wir wieder auf Kurs sind.<br />
Immerhin hat es gezeigt, wie schnell und gut<br />
ihr reagieren könnt...<br />
Absolut. Es hat gezeigt: Sobald wir wussten,<br />
was das Problem war, konnten wir es auch<br />
lösen. So ergeht es jedem hier im Fahrerlager.<br />
Das ist nicht nur auf uns begrenzt. Jedes Team<br />
hat mal Schwierigkeiten und muss diese so<br />
rasch wie möglich beheben. Red Bull ist ein<br />
gutes Beispiel dafür. Vor Saisonbeginn konnten<br />
sie in diesem Jahr keine zwei Runden am<br />
Stück fahren. Jetzt haben sie in Kanada ein<br />
Rennen gewonnen. Bei den Bahrain-Tests vor<br />
dem Saisonstart hätte das niemand für möglich<br />
gehalten. Das erschien unmöglich. So<br />
funktioniert die <strong>Formel</strong> 1: Wenn es ein Problem<br />
gibt, arbeitet jeder hart und methodisch<br />
daran, dieses zu lösen.<br />
Nachdem ihr diese Situation im vergangenen<br />
Jahr selbst durchgemacht habt, könnt ihr<br />
sicher sehr gut mit den Renault-Jungs mitfühlen,<br />
oder?<br />
[lacht] Ja, das habe ich schon öfter gehört. Ich<br />
sehe das aber nicht so. Wir konzentrieren uns<br />
auf unsere Arbeit. Über etwas anderes<br />
machen wir uns nicht so viel Gedanken. Wir<br />
müssen sicherstellen, dass wir unsere Arbeit<br />
richtig machen.<br />
Das ist witzig. Nach den ersten Testfahrten<br />
im Winter und dem Saisonauftakt in Australien<br />
scherzten wir in unserer Redaktion darüber,<br />
dass Rémi Taffin nun der neue Paul<br />
Hembery sei...<br />
[lacht] Von dem Scherz habe ich gehört. Ich<br />
persönlich ziehe daraus natürlich keine<br />
Befriedigung. Wir machen unsere Arbeit und<br />
alles andere liegt dann bei euch.<br />
Kommen wir zur aktuellen Lage in der <strong>Formel</strong><br />
1. In diesem Jahr gab es abermals viel<br />
Kritik an der F1. Es scheint das alte Spiel zu<br />
sein: Wer etwas mag, sagt nichts. Wer etwas<br />
nicht mag, schreit lauthals los...<br />
Darin spiegelt sich wohl das moderne Leben<br />
wieder. Egal in welchem Sport man involviert<br />
ist, überall wird die Kritik verstärkt. Lob wird<br />
hingegen nicht besonders hoch angesiedelt.<br />
So ist der Lauf der Welt heutzutage. Ganz<br />
besonders da heute jeder seine Meinung<br />
schnell und oftmals anonym verbreiten kann.<br />
Auch gibt es meistens keine Gelegenheit, eine<br />
andere Meinung zu äußern, um etwas zu<br />
erklären. Wir leben heute in einer ganz anderen<br />
Welt. Umso mehr ist es schade, dass der<br />
gute Rennsport, den wir in diesem Jahr schon<br />
gesehen haben, nicht gewürdigt wird. Es gab<br />
fantastisches Racing in dieser Saison. Obwohl<br />
Mercedes so stark ist, erleben wir einen guten<br />
Zweikampf zwischen den beiden Silberpfeil-<br />
Fahrern. Das allein ist schon fantastisch. Aber<br />
auch dahinter gibt es großartige Leistungen<br />
zu bestaunen. Ich finde es toll, dass Valtteri<br />
Bottas so stark ist. Ebenso Kevin Magnussen.<br />
Auch Daniil Kvyat ist ein großartiges Talent.<br />
Daniil hat im Nassen in Silverstone einige<br />
fantastische Reaktionen gezeigt und das Auto<br />
abgefangen...<br />
[lacht] Oh ja! Aber auch der Kampf zwischen<br />
Sebastian Vettel und Fernando Alonso am<br />
gleichen Wochenende war toll. Ich habe<br />
einige großartige Dinge in dieser Saison gesehen.<br />
Darüber sollten wir sprechen. Wir sollten<br />
auf den positiven Aspekten aufbauen, anstatt<br />
nur auf dem Negativen herumzureiten.<br />
Selbstverständlich müssen wir uns die<br />
Zukunft ansehen. Es gibt Probleme, derer wir<br />
uns als Sport annehmen müssen. Für einige<br />
Teams sind die Kosten zu hoch. Auch einige<br />
Veranstalter haben Schwierigkeiten. Insgesamt<br />
verändert sich die Fanbasis in aller Welt.<br />
Wir haben Fans in China und Indien, die<br />
keine Ahnung haben, was vor 20 Jahren in<br />
der <strong>Formel</strong> 1 passiert ist. Sie wissen nur, was<br />
im vergangenen Jahr los war. Es macht also<br />
keinen Sinn, darüber zu sprechen, was in der<br />
Vergangenheit funktioniert hat. Denn sie<br />
haben gar keine Vergangenheit in der <strong>Formel</strong><br />
1. Die Frage lautet: Was wollen sie sehen?<br />
Jeder von ihnen hat eine Fernbedienung mit<br />
200 Sendern zur Auswahl. Wenn ihm etwas<br />
nicht gefällt, schaltet er nach den ersten fünf<br />
Minuten weg. Deshalb müssen wir vielleicht<br />
überdenken, wie man einen Kunden in der<br />
34 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
modernen Welt bedient. Die Menschen haben<br />
ein großes Verlangen nach Unterhaltung.<br />
Aber sie werden sich etwas nicht nur deswegen<br />
anschauen, weil sie das schon immer<br />
gemacht haben. Um ein neues Publikum zu<br />
gewinnen, müssen wir eine unwiderstehliche<br />
Show bieten. Es muss an jedem Rennwochenende<br />
einen Zweikampf wie zwischen Alonso<br />
und Vettel geben - und das zwischen vielen<br />
verschiedenen Autos, nicht nur diesen<br />
beiden.<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
Bei dem Duell war es schön, die Aussagen<br />
beider Fahrer im Boxenfunk zu hören...<br />
Aus meiner Sicht war das sogar ein wenig<br />
negativ. Es klingt fast so, als ob sie sich etwas<br />
zu viel beklagen. Das steigert dann den →<br />
Regenschauer<br />
gefällig? Hembery<br />
fände es toll<br />
Verrückte Ideen? Nur<br />
her damit! Hembery<br />
mag Abwechslung...<br />
»EGAL IN WELCHEM SPORT MAN INVOLVIERT IST, ÜBERALL WIRD DIE<br />
KRITIK VERSTÄRKT. LOB WIRD HINGEGEN NICHT BESONDERS HOCH<br />
ANGESIEDELT. SO IST DER LAUF DER WELT HEUTZUTAGE. GANZ<br />
BESONDERS DA HEUTE JEDER SEINE MEINUNG SCHNELL UND OFTMALS<br />
ANONYM VERBREITEN KANN. AUCH GIBT ES MEISTENS KEINE GELEGEN-<br />
HEIT, EINE ANDERE MEINUNG ZU ÄUSSERN, UM ETWAS ZU ERKLÄREN.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 35
Die Reifen stehen<br />
2014 nicht mehr im<br />
Mittelpunkt<br />
»ICH BEVORZUGE 22 GLÜCKLICHE MULTIMILLIONÄRE ALS FAHRER, DIE WAHRSCHEINLICH JEDES MÄDCHEN HABEN<br />
KÖNNEN, DAS SIE MÖCHTEN - ODER EBEN JEDEN JUNGEN, MAN WEISS JA NIE... [LACHT] IN DER FORMEL 1 GAB<br />
ES IN DEN VERGANGENEN JAHREN EINE GEWISSE TENDENZ, SICH ZU VIEL ZU BEKLAGEN. WIR SOLLTEN UNS IM<br />
KLAREN DARÜBER SEIN, DASS WIR NUR EIN SPORT SIND. DIE MENSCHEN SOLLEN SPASS AN DER F1 HABEN.«<br />
negativen Eindruck nur noch. Wenn das<br />
jemand sieht und hört, denkt er sich, dass die<br />
<strong>Formel</strong>-1-Fahrer sich nur beschweren. Ich<br />
bevorzuge 22 glückliche Multimillionäre als<br />
Fahrer, die wahrscheinlich jedes Mädchen<br />
haben können, das sie möchten - oder eben<br />
jeden Jungen, man weiß ja nie... [lacht] Scherz<br />
bei Seite: Jeder von ihnen hat einen wundervollen<br />
Job. Man kann viel von Fußball- oder<br />
Tennis-Spielern lernen. Wenn ein Tennis-<br />
Spieler im Halbfinale ausscheidet, nimmt er<br />
die Niederlage hin. In der <strong>Formel</strong> 1 gab es in<br />
den vergangenen Jahren eine gewisse Tendenz,<br />
sich zu viel zu beklagen. Wir sollten uns<br />
im Klaren darüber sein, dass wir nur ein Sport<br />
sind. Es gibt größere Probleme auf der Welt<br />
als unsere. Die Menschen sollen Spaß an der<br />
<strong>Formel</strong> 1 haben. Wir wollen ein Lächeln in<br />
die Gesichter der Fans zaubern.<br />
Bei Rennen wie in Spielberg oder Silverstone<br />
waren die Tribünen voll. An anderen Strecken<br />
wie in Hockenheim waren sie fast gähnend<br />
leer. Liegt das am viel größeren Unterhaltungsangebot<br />
für die Fans?<br />
In meinen Augen ist es sehr schwierig, ein<br />
Rennen nur alle zwei Jahre auszutragen. Man<br />
braucht eine gewisse Konstanz. Die Menschen<br />
müssen sich auf ein Rennen freuen. Die Vermarktung<br />
eines Grands Prix aufzuteilen ist<br />
sehr schwierig. Der Erfolg in Österreich lag<br />
meiner Meinung nach an dem riesigen Einsatz<br />
des Promoters, der natürlich große<br />
Unterstützung von Red Bull genoss. Aber sie<br />
haben viel für die Fans getan. Es gab Konzerte,<br />
Flugshows, Oldtimer-Ausstellungen - es war<br />
immer etwas los. Genauso in Silverstone. Sie<br />
haben dort ein Unterhaltungs-Wochenende<br />
abgehalten. Man ging mit seiner Familie hin<br />
und es wurde einem viel geboten. Klar, an<br />
Nummer 1 steht der Rennsport. Aber das<br />
Paket war dort viel größer. Das gleiche gilt für<br />
Austin oder Melbourne. Auch dort gibt es<br />
wahnsinnig viele Aktivtäten für die Zuschauer.<br />
An diesen Rennen sollten sich manche Veranstalter<br />
ein Beispiel nehmen. Denn eins steht<br />
fest: die <strong>Formel</strong> 1 ist teuer. Die Fans zahlen<br />
nicht nur für die Tickets, sie zahlen auch für<br />
die Anreise und das Hotel. Dann sind die<br />
wenigsten alleine unterwegs. Sie müssen für<br />
ihren Partner und die Kinder zahlen. So wird<br />
das rasch zu einem teuren Spaß für ein<br />
Wochenende. Gerade bei den Familien ist das<br />
nicht zu unterschätzen. Wer mit kleinen Kindern<br />
zum Rennen kommt, braucht etwas, das<br />
sie bei Laune hält. Vielleicht interessieren sie<br />
sich für <strong>Motorsport</strong>, aber zwischen den Rennen<br />
wollen sie möglicherweise etwas anderes<br />
machen. Es ist wichtig, ihnen ständig etwas<br />
zu bieten. Ich kann mich noch daran erinnern,<br />
wie es war, als meine Kinder jünger<br />
waren. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn<br />
sie gelangweilt sind und es nichts zu erleben<br />
gibt. Es reicht nicht, ihnen nur ein Eis in die<br />
Hand zu drücken. Aus diesen Lektionen können<br />
einige Austragungsorte etwas lernen.<br />
Österreich war dafür ein gutes Beispiel. Dort<br />
hatte eine kleine Ewigkeit lang kein Rennen<br />
mehr stattgefunden. Die Strecke liegt ehrlich<br />
gesagt im Nirgendwo. Es ist also nicht so viel<br />
anders als am Nürburgring oder in Hockenheim.<br />
Nur hat Spielberg bewiesen, dass es<br />
auch anders geht.<br />
Spielen vielleicht auch die Regeln eine Rolle<br />
dabei? Ich habe dazu schon mit Monisha<br />
Kaltenborn und Franz Tost gesprochen.<br />
Monisha bezeichnete das Hin und Her als<br />
schädlich für das Ansehen der <strong>Formel</strong> 1.<br />
Franz meinte hingegen, die F1 müsse mit der<br />
Zeit gehen und sich ständig anpassen [s.<br />
Interview auf S. 52].<br />
Stabile Regeln sind sehr wichtig. Ganz besonders<br />
innerhalb einer Saison. Es ist ein bisschen<br />
seltsam, weil wir schon seit einigen Jahren<br />
über dieses Thema sprechen. [lacht] Es hat<br />
eine ganze Weile gedauert, bis wir an diesem<br />
Punkt angelangt sind. Fakt ist: die Öffentlichkeit<br />
interessiert sich nicht dafür. Sind wir doch<br />
mal ehrlich: es gibt eine kleine Gruppe an<br />
Fans, sicherlich die Leser eures <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>s, die genau wissen möchten, wie<br />
alles funktioniert. Aber alle meine Freunde<br />
in England, die sich das Rennen in einer Bar<br />
anschauen, interessieren sich überhaupt nicht<br />
für all das. Sie haben keine Ahnung und die<br />
Regeln sind ihnen auch egal. Sie wollen einfach<br />
nur guten Rennsport sehen. Selbstverständlich<br />
gibt es Fans, die die technische Seite<br />
anspricht. Aber die große Masse will nur ein<br />
spannendes Rennen sehen. Sie sollten wir<br />
nicht zu stark verwirren. Manchmal geben<br />
wir solchen Themen vielleicht zu viel<br />
Beachtung.<br />
Wie schafft es die <strong>Formel</strong> 1, immer in so eine<br />
Situation zu kommen?<br />
Ganz einfach: Wir haben brillante Ingenieure,<br />
die das Reglement genau studieren und bis<br />
an die Grenzen der Interpretation gehen. So<br />
ist es in der <strong>Formel</strong> 1 schon seit einer sehr,<br />
36 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
sehr langen Zeit.<br />
Also: elf Teams, elf Meinungen. Oder ist diese<br />
Erklärung zu einfach?<br />
Wahrscheinlich ist das immer so. Egal wozu<br />
man elf Leute befragt, sie werden immer<br />
unterschiedlicher Meinung sein. Angefangen<br />
bei ihrem Lieblings-Eis. In einem Wettbewerbsumfeld<br />
ist das keine große Überraschung.<br />
Wir könnten auch elf Bundeliga-<br />
Mannschaften nehmen und sie nach einer<br />
Regeländerung während der Saison befragen.<br />
Ich glaube nicht, dass sie sich darauf einigen<br />
würden. Das liegt also nicht allein an der <strong>Formel</strong><br />
1. Vielmehr liegt es in der Natur des Menschen.<br />
Das ist unsere eigene Schuld. Möglicherweise<br />
sollte die Entscheidung erst gar<br />
nicht in den Händen der Teams liegen. Aber<br />
das ist eine andere Diskussion...<br />
Wenn dir ein unbegrenztes Budget zur Verfügung<br />
stehen würde: wie würde dein Traum-<br />
<strong>Formel</strong>-1-Auto aussehen?<br />
Ich mag die Simulatoren. Sie sind eine sehr<br />
wichtige Technologie für die Straßenfahrzeugproduktion.<br />
Damit erzielt man eine sehr<br />
gute Lernkurve. Ich bin jedoch kein großer<br />
Fan der Aerodynamik. Das würde alle Teams<br />
verärgern. Denn die meisten ihrer Leute<br />
arbeiten im Windkanal genau daran. Es gibt<br />
bei jedem Rennen viele kleine Veränderungen,<br />
die man gar nicht erkennen kann.<br />
Das versteht niemand. Wir sollten aber nur<br />
Dinge unternehmen, die jeder versteht. Wenn<br />
wir weniger Geld für Aerodynamik ausgeben<br />
würden, wäre das fantastisch. Vielleicht<br />
könnten wir auch etwas mehr testen. Ich mag<br />
es, wenn die Fahrer auch tatsächlich im Auto<br />
sitzen. Klar, die Simulatoren schränken die<br />
Zeit auf der Strecke ein, aber das ist wichtig,<br />
weil wir nicht wie die Autohersteller ständig<br />
auf dem Nürburgring testen können. Aber<br />
letztlich sind die Fahrer nun einmal genau<br />
dafür da und es ist schade, dass wir sie nicht<br />
öfter im Auto sehen.<br />
es das. Aber wenn eine Regenwolke über die<br />
Strecke zieht, ist es nicht viel anders. Wo liegt<br />
der Unterschied? Viele Leute schauen sich<br />
Reality-Shows an. Sie wollen echte Persönlichkeiten<br />
sehen. Wissen, wie die Fahrer wirklich<br />
sind. Die Fahrer müssen internationale<br />
Superstars werden. Sie können nicht einfach<br />
nur mit dem Helm auf dem Kopf herumlaufen.<br />
Sie müssen in Talk Shows auftreten. Der<br />
Sport muss seine Fahrer besser vermarkten,<br />
damit man sie auch überall erkennt. Lewis<br />
hat gut zwei Millionen Fans auf Facebook,<br />
aber Rihanna hat 89 Millionen Fans. Dagegen<br />
müssen wir antreten.<br />
Vielleicht sollten wir zwei Rennen pro<br />
Wochenende austragen - eines am Samstag,<br />
eines am Sonntag. Das würde den Fans gleich<br />
doppelt Grund zum Kommen geben. Wir<br />
könnten das Qualifying am Freitag abhalten<br />
und dann jeden Tag ein Rennen fahren. Mein<br />
Traum ist es, das Geld dafür auszugeben, dass<br />
auch tatsächlich Autos auf der Strecke fahren.<br />
Wir sollten den Fans im Verlauf eines<br />
Wochenendes ein besseres Show-Paket bieten.<br />
Anstatt darüber zu diskutieren, am Freitag<br />
weniger zu fahren, sollten wir die Fahrer<br />
lieber ins Auto setzen und sie mehr fahren<br />
lassen! Schließlich kommen die Zuschauer<br />
aus nur einem einzigen Grund an die Strecke:<br />
sie wollen die Jungs in ihren Autos sehen. Sie<br />
wollen keinen Windkanal anschauen. Es ist<br />
doch so: man kann das schnellste Auto der<br />
Welt bauen, aber wenn es sich niemand<br />
anschaut, spielt es keine Rolle mehr. Also,<br />
Toto und Niki, wenn ihr das hier lest: setzt<br />
euch dafür ein!<br />
Du plädierst also dafür, den Fans mehr zu<br />
bieten?<br />
Vielleicht müssen wir den Stolz und einige<br />
historische Gefühle über Bord werfen und in<br />
der Zukunft ein paar verrückte Dinge<br />
machen. Bernie hat mal Sprinkleranlagen<br />
vorgeschlagen. Warum nicht? Wir sagen so<br />
oft: Hoffentlich regnet es im Rennen. Und<br />
warum? Weil wir dann einen zufälligen Effekt<br />
erhalten. Das lässt sich auch problemlos<br />
erzeugen. Der Computer berechnet es und es<br />
regnet für 20 Minuten bei jedem Rennen. Das<br />
würde alles durcheinanderwirbeln. Die Leute<br />
empfinden das als unecht. Möglicherweise ist<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 37
TEXT: MARK SUTTON<br />
FORMEL 1 FLUGSHOW<br />
LANGWEILIGE GRANDS PRIX? VON WEGEN! IN DER SAISON 2014 MANGELTE ES BISLANG<br />
NICHT AN ÜBERHOLMANÖVERN, SPEKTAKULÄREN FLUGEINLAGEN UND BRENNENDEN<br />
AUTOS. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM FOTOGRAF MARK SUTTON ZEIGT DIE HEISSESTEN<br />
BILDER DER BISHERIGEN SAISON. ALSO, ANSCHNALLEN UND ABHEBEN!<br />
38 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
REVANCHE FÜR BAHRAIN<br />
I<br />
ch stand in Club Corner. Dort gibt es eine TV-Leinwand, auf der<br />
man das Rennen verfolgen kann. Man sieht die Autos in Stowe<br />
fahren und wenn sie dort nicht überholen können, versuchen sie<br />
es vielleicht in Vale noch mal. Ich passe immer auf, was gerade los ist. Ich<br />
hatte ein Tele-Objektiv dabei und sah Gutierrez auf der Innenseite ankommen.<br />
Bis sie kollidierten, hielt ich es für eine normale Szene. Gutierrez verlor<br />
an seinem Auto die Endplatte des Frontflügels, aber sie fuhren weiter auf die<br />
Kurve zu. Dort berührten seine Räder jene von Maldonados Auto. Es war<br />
genau anders herum als in Bahrain. Ich konzentrierte mich gar nicht auf den<br />
Unfall. In solchen Momenten drückt man einfach den Auslöser und hofft,<br />
dass etwas passiert. Hier war das zum Glück der Fall. Ehrlich gesagt kann<br />
man ein ganzes Rennen in Club Corner anschauen und es passiert überhaupt<br />
nichts! In diesem Fall hatte ich den Vorteil, dass ich einen neuen Transmitter<br />
verwendet habe, mit dem ich die Bilder direkt aus der Kamera versenden<br />
konnte. Somit hatten war das Foto schon während des Rennens auf unserer<br />
Website www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com verfügbar.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 39
RAMBO MALDO-<br />
NADO RÄUMT AUF<br />
A<br />
ls sich der Unfall ereignete, wechselte ich gerade<br />
meine Position in Kurve 1 mit einem unserer<br />
anderen Fotografen. Dadurch hatten wir ein Foto<br />
des Unfalls, aber ich persönlich konnte nur die Szenen<br />
direkt danach festhalten. Zum Glück ist Gutierrez nichts<br />
passiert. Er konnte sich selbst aus dem Auto befreien, noch<br />
bevor das Ärzteteam an Ort und Stelle war. Er zeigte den<br />
Streckenposten schon den Daumen nach oben, als er noch<br />
im Auto saß. So teilte er ihnen mit, dass er nicht ernsthaft<br />
verletzt war. Trotzdem lief er danach etwas wackelig zurück<br />
in den Paddock. Er schien etwas Probleme zu haben.<br />
Bereits am Dienstag nach dem Rennen war er aber wieder<br />
beim Test in Bahrain. Dem Chassis erging es nicht so gut,<br />
weil es auf dem Überrollbügel gelandet war.<br />
40 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 41<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON
BRASILIANISCHE SLIDESHOW<br />
H<br />
inter diesem Bild steckt eine lustige Geschichte oder aus meiner<br />
Sicht eher eine traurige. Ich habe das Meiste von dem Unfall verpasst.<br />
Die Anlagen in Hockenheim sind gut und ich kann verstehen,<br />
dass sie die Zäune aus Sicherheitsgründen absichern. Allerdings ist es<br />
frustrierend, wenn man in Kurve 1 ankommt und andere schon vorher die<br />
Plätze belegt haben. Sicherheit ist wichtig, aber wir müssen auch arbeiten<br />
können. Das ist hart. Es passen nie mehr als zehn Leute durch die Lücke<br />
und ich dachte mir schon vorher: Wenn etwas beim Start passiert, habe<br />
ich verloren. Genau so kam es dann! Ich hörte den Unfall, drehte mich<br />
nach links und das kam dabei heraus. Einige Leute in der ersten Reihe<br />
bekamen es hin, aber ich war in Reihe zwei und bekam nicht alles mit. Das<br />
lag mehr an der Anlage als an meinen Fähigkeiten. Es gibt einfach nicht<br />
genügend Raum und man muss über die Köpfe der anderen hinwegfotografieren.<br />
Das ist ärgerlich. Wenn man all das zusammenzählt, haben wir<br />
eine nette Sequenz herausgeholt, aber persönlich hatte ich das Gefühl, dass<br />
wir etwas im Stich gelassen worden waren.<br />
42 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 43
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, LOTUS<br />
44 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
SAUSCHNELLER<br />
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN<br />
HUND<br />
KOMETENHAFTER AUFSTIEG? CHECK. KREUZFEUER DER KRITIK? CHECK. KATASTROPHENSAISON? CHECK.<br />
ROMAIN GROSJEAN HAT IN SEINER KURZEN FORMEL-1-LAUFBAHN BEREITS ALLES MITGEMACHT. TROTZDEM HAT<br />
ER SICH SEINEN HUMOR BEWAHRT. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM VERRÄT ER SEIN GEHEIMREZEPT.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 45
Romain Grosjean<br />
fand den Lotus zu<br />
Saisonbeginn<br />
»schrecklich«<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, LOTUS<br />
Die Sonne brennt auf den Paddock<br />
von Hockenheim. Asphalttemperaturen<br />
von bis zu 58 Grad Celsius<br />
sorgen für einiges Kopfzerbrechen<br />
im Fahrerlager. Nur Romain<br />
Grosjean scheint selbst bei diesen unerwartet heißen<br />
Temperaturen kühlen Kopf zu bewahren. Der<br />
Franzose wird bei seiner Medienrunde im Team-<br />
Motorhome von den Journalisten umzingelt. Ein<br />
deutscher Kollege stellt ihn vor die harten Fakten<br />
der Realität: »Im letzten Jahr warst du Siebter in<br />
der Fahrer-WM, im Moment liegst du nur auf Platz<br />
14.« Grosjean zögert keine Sekunde. Mit einem<br />
schelmischen Grinsen im Gesicht erwidert er:<br />
»Dann bin ich ja doppelt so gut!« 1:0 für Grosjean.<br />
Mit dieser und ähnlichen selbstironischen Antworten<br />
gewinnt der Lotus-Pilot schnell Sympathien.<br />
Statt in Selbstmitleid zu zerfließen, nimmt er seine<br />
sportlich enttäuschende Situation in diesem Jahr<br />
mit Humor. Nur eine Woche später sehen wir uns<br />
wieder. In Ungarn empfängt Grosjean <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>.com zum Exklusivinterview. Die Erinnerungen<br />
an die beeindruckend lockeren und witzigen<br />
Antworten von Hockenheim sind uns dabei<br />
noch in bester Erinnerung. »Ja, man darf es nicht<br />
so hart nehmen«, freut sich Grosjean über das<br />
Kompliment. »Wir können die Situation nicht verändern.<br />
In dieser Saison bleibt alles so, wie es ist.<br />
Ein bisschen Selbstironie und Spaß können da<br />
nicht schaden.«<br />
»JA, MAN DARF ES NICHT SO HART<br />
NEHMEN«, FREUT SICH ROMAIN<br />
GROSJEAN ÜBER DAS KOMPLIMENT.<br />
»WIR KÖNNEN DIE SITUATION NICHT<br />
VERÄNDERN. IN DIESER SAISON<br />
BLEIBT ALLES SO, WIE ES IST. EIN<br />
BISSCHEN SELBSTIRONIE UND SPASS<br />
KÖNNEN DA NICHT SCHADEN.«<br />
Zu Saisonbeginn sah dies noch ganz anders aus.<br />
Auf das Testdesaster im Winter folgte ein katastrophaler<br />
Saisonstart in Australien und Malaysia.<br />
Der tiefe Frust ließ sich bei den ersten Saisonläufen<br />
an Grosjeans Mimik ablesen. In seiner Stimme<br />
schwang stets die Enttäuschung mit. Von sprudelnder<br />
Begeisterung war selbst in Ansätzen weit<br />
und breit nichts zu spüren. Der bei den Testfahrten<br />
in Bahrain geäußerte Wunschtraum, das<br />
beste Renault-Team zu werden, klang plötzlich<br />
wie Spott und Hohn. Ȇber den Winter dachten<br />
wir, dass wir Weltmeister werden könnten«, erinnert<br />
sich Grosjean im Gespräch mit <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>.com zurück. »Aber dann funktionierte<br />
der Motor nicht. Das Auto war nicht so gut, wie<br />
wir nach den Windkanaltests gedacht hatten. Das<br />
waren schwere Zeiten. Da lassen sich die Emotionen<br />
natürlich nicht verbergen.«<br />
Solche Durststrecken und schwierige Zeiten gehören<br />
in der <strong>Formel</strong> 1 und im Leben jedoch dazu.<br />
»Ein großer Fahrer muss auch durch den Scheiß<br />
gehen können«, sagt <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Experte Christian Danner voller Anerkennung<br />
für Grosjean. Den Ex-Rennfahrer fasziniert vor<br />
allem Grosjeans Umgang mit der verfahrenen<br />
Situation. Während andere Fahrer über ihr Team<br />
gemotzt und die Schuld bei anderen gesucht hätten,<br />
krempelte der Franzose die Ärmel hoch,<br />
arbeitete hart zusammen mit seinem Team und<br />
46 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Max Chilton sagt:<br />
Es gibt Chassis-<br />
Unterschiede<br />
gab niemals auf. »Er hat das Team motiviert, nicht<br />
nur rumgemotzt, wie der eine oder andere Fahrer.<br />
Dazu sage ich: Hut ab«, lobt Danner. »Es ist nicht<br />
immer Sonnenschein im Leben.«<br />
Grosjean freut sich über diese aufmunternden<br />
Worte. »Es bringt nichts, einem speziellen Ingenieur<br />
die Schuld zu geben«, betont er. »Wir arbeiten<br />
als Team zusammen. Keiner trägt alleine die<br />
Schuld für die Probleme. Es macht keinen Sinn,<br />
jemanden zu beschuldigen oder zu beschimpfen.«<br />
Zudem verbindet Grosjean eine lange Geschichte<br />
mit seiner Mannschaft, die ihm 2009 als Renault<br />
Werksteam den Sprung in die Königsklasse ermöglichte.<br />
Damals wechselte Grosjean während der<br />
Saison aus der GP2 in die <strong>Formel</strong> 1. Sein Teamkollege:<br />
Fernando Alonso. Nach sieben Rennen war<br />
schon wieder Schluss. Aber Grosjean erhielt 2011<br />
eine zweite Chance, sich zu beweisen. Sein Speed<br />
war deutlich zu erkennen, doch er selbst war noch<br />
zu ungestüm, verursachte viele (Start-)Unfälle.<br />
Mark Webber bezeichnete ihn als »Verrückten aus<br />
Kurve 1«. Der Tiefpunkt war die Massenkarambolage<br />
in Spa, bei der Fernando Alonso nur mit viel<br />
Glück unverletzt blieb. Grosjean wurde dafür für<br />
ein Rennen gesperrt. Das Team rund um den<br />
damaligen Teamchef Eric Boullier hielt jedoch zu<br />
ihm. »Es ist richtig, ich habe mit dem Team schon<br />
viel erlebt«, gesteht Grosjean. »Ich bin schon lange<br />
dabei. Sie haben in schwierigen Zeiten zu mir<br />
gestanden. Ich habe Fehler gemacht, aber sie haben<br />
mir den Rücken gestärkt. Man kann es schon so<br />
sehen, dass ich dies jetzt zurückzahle.«<br />
Romain Grosjean<br />
stellte sich den<br />
Fragen von <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>.com<br />
Diese Professionalität und Loyalität zeichnet<br />
Grosjean dieser Tage aus. Zunächst wollten seine<br />
Ingenieure die interne Kritik nicht wahrhaben.<br />
Sie versuchten, ihm vorzuschreiben, wie er das<br />
Auto zu fahren habe. Er erwiderte stets, dass es<br />
furchtbar zu fahren sei. Doch Grosjean überzeugte<br />
sie mit seinem technischen Feedback. Er<br />
setzte sich mit seiner Mannschaft zusammen und<br />
sagte ihnen, dass es keinen Sinn mache, gegeneinander<br />
zu arbeiten. Mittlerweile hat das Team<br />
erkannt, dass seine Kritikpunkte richtig waren.<br />
»Die Ingenieure wissen, dass sie einen Fahrer<br />
haben, auf den sie sich verlassen können«, sagt<br />
Danner. »Wenn er sagt, das Auto ist scheiße, dann<br />
ist es auch scheiße. Es gehört sehr viel Größe,<br />
Stärke und Charakter dazu, um darüber hinwegzukommen<br />
und konstruktiv mit kühlem Kopf<br />
weiterzuarbeiten.« Grosjean ist es gelungen. Ein<br />
wichtiger Rückhalt ist für ihn neben seinem Team<br />
seine Familie. »Es ist schwierig, heimzugehen und<br />
nicht über die <strong>Formel</strong> 1 nachzudenken«, sagt<br />
Grosjean. »Denn das ist meine Arbeit und meine<br />
Leidenschaft.« Die aktuelle Saison bezeichnet er<br />
dabei immer wieder als charakterbildend. »Ich<br />
arbeite viel mit einem Psychologen zusammen.<br />
Er soll mir helfen, alles in den Griff zu bekommen<br />
und mich zu verbessern.« Dabei gibt es einige<br />
große Vorbilder, die ebenfalls sportliche Rückschläge<br />
wegstecken mussten. Auch Champions<br />
wie Michael Schumacher und Fernando Alonso<br />
erlebten harte Jahre, aus denen sie gestärkt hervorgingen.<br />
»Als Michael zu Ferrari kam, war das<br />
Auto nicht besonders gut«, vergleicht Grosjean.<br />
»Dann lief es plötzlich viel besser. Das Auto war<br />
besser und er gewann fünf WM-Titel in Serie.«<br />
Nach all den zum Teil gravierenden Erlebnissen,<br />
die Grosjean in seiner Karriere schon mitgemacht<br />
hat, sieht es fast so aus, als ob er schon<br />
jeden Tiefschlag am eigenen Leib erfahren hätte.<br />
Er selbst sieht das nicht so negativ: »Ich hatte in<br />
meiner Karriere meistens das Glück, zur richtigen<br />
Zeit am richtigen Ort zu sein«, sagt er. »Ich<br />
denke nicht, dass ich immer in schwierigen Situationen<br />
gewesen bin. Das gehört zu deiner Karriere<br />
dazu. Es gibt immer Aufs und Abs. Aktuell<br />
ist es Teil meiner <strong>Formel</strong>-1-Erfahrung. Für mich<br />
kommt das nicht zur besten Zeit, aber wer weiß,<br />
was die Zukunft bereithält?« In diesem Jahr wird<br />
er sicher kein Rennen gewinnen, dessen ist er<br />
sich bewusst. Dennoch hat er keine Angst davor,<br />
als siegloser Fahrer in die <strong>Formel</strong>-1-Geschichte<br />
einzugehen. »Ich glaube an meine Glückssterne<br />
und denke, dass ich in Zukunft Rennen gewinnen<br />
werde.« Vom Schicksal eines zweiten Nick<br />
Heidfeld möchte er nichts wissen. Stattdessen<br />
vergleicht er seine Situation mit der eines Fußballspielers<br />
wie Cristiano Ronaldo in der portugiesischen<br />
Nationalmannschaft. »Er ist einer der<br />
besten Spieler der Welt, aber sein Team ist nicht<br />
perfekt. Also sind sie bei der WM früh ausgeschieden«,<br />
vergleicht er. In der <strong>Formel</strong> 1 übernimmt<br />
diese entscheidende Rolle das Auto. Zu<br />
Saisonbeginn kämpfte Lotus mit der Zuverlässigkeit<br />
und der Performance der Renault Power<br />
Unit. Danach behinderten Kinderkrankheiten<br />
am eigenen Auto weitere Fortschritte. »Aber<br />
sobald das Auto einigermaßen funktionierte, war<br />
Grosjean wieder vorne«, lobt Danner. In seinen<br />
Augen ist der Franzose etwas Besonderes. Im<br />
vergangenen Jahr habe er seinem Teamkollegen<br />
Kimi Räikkönen im Schnitt drei Zehntel abgenommen,<br />
rechnet Danner vor. »Inzwischen ist<br />
er ein gereifter Fahrer und obendrein ein<br />
sauschneller Hund.« Grosjeans Situation ähnelt<br />
jener von Nico Hülkenberg oder anderen aufstrebenden<br />
Talenten, die ihr Können unter<br />
Beweis gestellt haben, aber noch nicht den<br />
Sprung zu einem Spitzenteam geschafft haben.<br />
Danner glaubt: »Romain ist innerhalb der <strong>Formel</strong><br />
1 so anerkannt, dass er sicher ein vernünftiges<br />
Auto für das nächste Jahr erhält.« Grosjean<br />
blockt Fragen nach seiner Zukunft ab. Zu groß<br />
ist der Respekt vor seinem Team. Für einen Verbleib<br />
bei Lotus sprechen: der wahrscheinliche<br />
Wechsel zu Mercedes-Motoren und der Abgang<br />
von Kimi Räikkönen. »Jetzt habe ich den größeren<br />
Raum im Motorhome.« Diesen Humor sollte<br />
sich Grosjean unbedingt bei jedem Team<br />
erhalten.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 47
NEXT<br />
BEST<br />
TEXT: KERSTIN<br />
HASENBICHLER<br />
SUPERSTAR<br />
FÜR DIE FORMEL-1-STARS VON GESTERN WIRD ES ENG. EINE NEUE<br />
GENERATION AUFSTREBENDER PILOTEN WIRBELT DIE RANGFOLGE DURCHEI-<br />
NANDER. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM VERRÄT, WER DAS GRÖSSTE<br />
STAR-POTENZIAL BESITZT.<br />
48 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
NICO HÜLKENBERG<br />
»Er ist schnell, konstant, unglaublich ausgeschlafen<br />
und kann sich wahnsinnig gut konzentrieren.«<br />
Nico Hülkenberg verfügt über sämtliche Ingredienzien,<br />
um in naher Zukunft einen Grand Prix zu gewinnen<br />
- davon ist <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com-Experte Christian Danner<br />
überzeugt. In den ersten zehn Grands Prix des Jahres war der 26-Jährige<br />
stets in den Punkterängen zu finden und wurde damit seinem Ruf<br />
als »Mister Zuverlässigkeit« in der ersten Saisonhälfte mehr als gerecht.<br />
Auch im teaminternen Qualifyingduell gibt Hülkenberg ganz klar den<br />
Ton an. Der Force-India-Pilot gilt als äußerst zielstrebig und ehrgeizig.<br />
Dass es bei seinen bisherigen 68 Grands-Prix-Starts noch zu keinem<br />
Podest gereicht hat, liegt hauptsächlich daran, dass ihm weder Williams<br />
noch Force India oder Sauber in der Vergangenheit ein konkurrenzfähiges<br />
Auto an die Seite stellen konnten. »Auch wenn<br />
er noch keinen Grand Prix gewonnen hat, die Grundvoraussetzungen<br />
hat Nico«, stellt Danner klar.<br />
STAR-POTENZIAL:<br />
→<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
DANIIL KVYAT<br />
Daniil Kvyat - diesen Namen sollten sich <strong>Formel</strong>-1-Fans<br />
merken. Der Russe gilt als zukünftiger<br />
Top-Star. »Daniil ist sauschnell. Er hat einen unglaublich<br />
klaren Kopf. Er weiß, was er macht und ist nie mit sich zufrieden«,<br />
sagt Christian Danner. Eigenschaften, die auch Sebastian<br />
Vettel in seinen Anfängen zugeschrieben wurden. Ob die Karriere<br />
des Russen wie bei Vettel verläuft, ist unklar. Mit seinem neunten Platz<br />
beim Saisonauftakt in Australien löste der 20-Jährige allerdings Vettel<br />
als jüngsten Piloten ab, der bei seinem GP-Debüt punkten konnte.<br />
»Daniil ist ein Topfahrer. Das ist einer, der gewinnen kann. Allerdings<br />
braucht er auch das nötige Glück, um irgendwann in einem Top-Auto<br />
zu sitzen«, betont Danner. Aktuell sitzt der Youngster in einem Toro<br />
Rosso, mit dem er in dieser Saison bereits vier Mal in die Punkteränge<br />
fuhr. Auf der Strecke erwies sich der Russe nicht nur als<br />
schnell, sondern auch als zweikampfstark und ließ dabei<br />
seinen wesentlich erfahreneren Teamkollegen Jean-Eric<br />
Vergne alt aussehen.<br />
STAR-POTENZIAL:<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 49
VALTTERI BOTTAS<br />
Finnen sind schnell, verstehen ihren Wagen<br />
zumeist blind und besitzen eine unglaubliche Fahrzeugbeherrschung.<br />
Lachen zählt hingegen nicht zu ihren Stärken.<br />
Im Fall von Valtteri Bottas trifft nur ein Klischee zu. »Valtteri<br />
ist ein super cooler Typ. Er hat einen tollen Humor. Ich finde ihn<br />
großartig«, schwärmt Christian Danner. Neben seinem Humor besitzt<br />
der Williams-Youngster aber noch andere und für einen Rennfahrer viel<br />
wichtigere Qualitäten. Er ist schnell, wissbegierig und ein harter Arbeiter.<br />
»Man darf nicht vergessen, dass es erst Valtteris zweites F1-Jahr ist. Dafür<br />
macht er seine Sache brillant«, lobt Claire Williams den 24-Jährigen. In<br />
elf Rennen blieb Bottas lediglich in Monaco punktelos, in Spielberg, Silverstone<br />
und Hockenheim stand er auf dem Podest. Kein Wunder, dass<br />
viele ihm zutrauen in die Weltmeister-Liga der finnischen Stars wie<br />
Keke Rosberg, Mika Häkkinen oder Kimi Räikkönen aufzusteigen.<br />
»Warum nicht? Er steht permanent auf dem Podium. Cool<br />
genug ist er auf jeden Fall«, meint Danner.<br />
STAR-POTENZIAL:
SERGIO PÉREZ<br />
»Perez ist ein schneller Kerl, aber er trägt die<br />
Nase so hoch, dass bei Regen Ertrinkungsgefahr<br />
herrscht.« Diese Arroganz soll Sergio Pérez auch sein Cockpit<br />
bei McLaren gekostet haben. »Sergio hat definitiv Potenzial,<br />
aber seine Einstellung passte nicht. Er war bei den Ingenieuren,<br />
eigentlich bei allen im Team unbeliebt«, plauderte Jo Ramirez aus dem<br />
McLaren-Nähkästchen. Dabei gilt der 24-Jährige als äußerst schnell und<br />
für sein Alter als sehr erfahren. Sein Talent ließ er u.a. in Bahrain mit<br />
einem dritten Platz aufblitzen. Zudem hat Pérez nach elf Saisonrennen<br />
bereits mehr Punkte eingefahren als im Vorjahr mit McLaren. Doch Danner<br />
warnt: sollte sich der Mexikaner nicht ändern, könnte seine <strong>Formel</strong>-<br />
1-Karriere ein abruptes Ende nehmen. »Wenn du in der <strong>Formel</strong> 1 fährst,<br />
glaubst du, du bist der Größte und das ist auch gut so. Jeder Spitzensportler<br />
tut das. Doch Pérez hält sich für ziemlich überragend und<br />
das könnte irgendwann negativ auf ihn zurückfallen. Mir persönlich<br />
ist es egal, jeder kann sein wie er will. Ich beobachte<br />
nur, dass sich Perez manchmal selbst im Weg steht.«<br />
STAR-POTENZIAL:<br />
ADRIAN SUTIL<br />
120 Rennen ohne Podestplatz - den Rekord, den<br />
kein Rennfahrer haben will, hält jetzt Adrian Sutil inne.<br />
Dabei kam der 31-Jährige im Winter von Force India zu Sauber,<br />
um diese Statistik in seiner siebten <strong>Formel</strong>-1-Saison zu verbessern.<br />
Stattdessen tritt Sutil auf der Stelle und muss ständig Rückschläge<br />
verkraften wie den Motorschaden bei seinem Heimrennen in<br />
Hockenheim. Insgesamt beschied ihm seine »kleine Diva« - wie er den<br />
Sauber C33 nennt - in elf Rennen fünf Ausfälle, dazu Rang elf als bestes<br />
Ergebnis. »Adrian ist in diesem Jahr total unter Wert geschlagen. Das Auto<br />
war Anfang des Jahres schlichtweg unfahrbar. Dann war es unzuverlässig«,<br />
klagt Danner an. Für den <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com-Experten ist allein<br />
das Auto schuld, dass Sutils Talent nicht zum Vorschein kommt. »Das<br />
hat der Adrian nicht verdient, denn er ist ein absolut toller Rennfahrer.<br />
Das sehen auch andere hier im Fahrerlager so. Er fährt genauso am<br />
Limit wie letztes Jahr. Aber wenn du in einem richtig schlechten<br />
Auto fährst, interessiert das keinen«, so Danner.<br />
STAR-POTENZIAL:<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 51
Franz Tost hat<br />
klare Richtlinien,<br />
an die sich seine<br />
jungen Fahrer zu<br />
halten haben<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, RED BULL<br />
52 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
EIN<br />
CRASH<br />
GEHÖRT<br />
DAZU<br />
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN<br />
JUNG. WILD. NOCH VIEL ZU LERNEN. FRANZ TOST HAT SCHON VIELEN TALENTEN DEN WEG IN DIE<br />
FORMEL 1 GEEBNET. WAS ES DAFÜR BRAUCHT? DISZIPLIN, HINGABE UND VIELLEICHT AUCH MAL<br />
EINEN CRASH. IM GESPRÄCH MIT MOTORSPORT-MAGAZIN.COM VERRÄT DER ERFAHRENE<br />
TORO-ROSSO-TEAMCHEF AUS ÖSTERREICH SEINE PHILOSOPHIE.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 53
Toro Rosso dient<br />
als Talent-<br />
Schmiede für das<br />
Schwesterteam<br />
Red Bull Racing<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, RED BULL<br />
witzigen Spruch auf den Lippen. Wie wichtig<br />
ist das?<br />
Daniel und Jean-Eric sind vom Charakter her<br />
zwei Fahrer, mit denen man sehr gut zusammenarbeiten<br />
kann. Sie besitzen eine gerade<br />
Linie, arbeiten zielgerichtet. Ich wüsste keinen<br />
Vorfall, wo wir Schwierigkeiten gehabt hätten.<br />
Beide sind sehr pflegeleicht.<br />
R<br />
ückblende. Nürburgring,<br />
2011. Franz Tost steht <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Rede und<br />
Antwort. Im Verlauf des<br />
Gesprächs kommen wir auch<br />
auf Daniel Ricciardo (damals<br />
bei HRT) und Jean-Eric Vergne (noch in der<br />
Renault World Series) zu sprechen. Der Toro-<br />
Rosso-Teamchef sagt: »Ich freue mich schon<br />
darauf, irgendwann mit beiden zusammen zu<br />
arbeiten.«<br />
MSM: Drei Jahre später sitzen wir wieder<br />
gemeinsam hier. Mittlerweile haben Sie mit<br />
beiden Fahrern zusammengearbeitet. Hat sich<br />
die Vorfreude von damals gelohnt?<br />
FRANZ TOST: Absolut. Beide waren schon<br />
damals in ihren jeweiligen Teams und Rennserien<br />
sehr erfolgreich. Bereits zu diesem Zeitpunkt<br />
ihrer Karrieren hat es mir viel Spaß<br />
gemacht, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Die<br />
Kooperation hat sich im Laufe der Jahre als sehr<br />
erfolgreich herausgestellt. Beide hatten eine<br />
sehr gute Lernkurve und haben sich enorm<br />
weiterentwickelt - sowohl vom Fahrerischen als<br />
auch mit Blick auf die Persönlichkeit. Ich<br />
schätze beide Fahrer sehr hoch ein.<br />
Aus diesem Grund hat es Sie wahrscheinlich<br />
auch nicht überrascht, dass Daniel bei Red Bull<br />
auf Anhieb so gut zurechtgekommen ist...<br />
Nein, das habe ich erwartet. Ebenso Red Bull.<br />
Deshalb haben sie ihn ins Team geholt. Daniel<br />
kam mit Sicherheit das neue Reglement entgegen.<br />
Er ist ein Fahrer, der sehr viel technisches<br />
Verständnis aufbringt, ins Detail geht und ein<br />
sehr gutes Gefühl für die einzelnen Abläufe im<br />
Fahrzeug entwickelt hat. Beim technischen Feedback<br />
ist er sicherlich einer der besten Fahrer, mit<br />
denen ich je zusammengearbeitet habe. Zu Saisonbeginn<br />
hatte er aber auch das Glück, dass er<br />
mehr fahren konnte als Sebastian Vettel. Das war<br />
sicherlich ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg.<br />
Sie haben die Persönlichkeit angesprochen.<br />
Daniel ist stets am Lächeln, hat immer einen<br />
Für einen Rennfahrer ist es natürlich wichtig,<br />
schnell Auto zu fahren und sich mit der Technik<br />
auszukennen. Aber es scheint genauso wichtig<br />
zu sein, den Spaß nicht zu verlieren, oder?<br />
Der Spaßfaktor ist sicherlich wichtig. Wenn<br />
jemand keinen Spaß bei der Arbeit hat, ist er<br />
auch nicht erfolgreich. Sehr positiv ist, dass es<br />
nie irgendwelche Streitigkeiten gegeben hat -<br />
selbst wenn die Technik mal streikte. Wir haben<br />
stets sachlich und ruhig diskutiert, um so das<br />
bestmögliche Resultat zu erzielen.<br />
Junge Fahrer lernen natürlich am meisten,<br />
wenn sie im Auto sitzen und fahren. Toro Rosso<br />
ist dafür ein gutes Beispiel. Sie lassen Ihre<br />
Piloten auch im Regen auf die Strecke, wenn<br />
andere an der Box Däumchen drehen...<br />
Ein Fahrer kann nur etwas lernen, wenn er mit<br />
dem Auto unterwegs ist. Ein Crash gehört dazu.<br />
Das ist Teil des Spiels. Wenn ein Fahrer nie<br />
abseits der Strecke ist, fährt er auch nicht am<br />
Limit. Wie soll ein junger Fahrer das Limit<br />
herausfinden, wenn du ihm verbietest, dass er<br />
abfliegt? Wenn er abfliegt, fliegt er eben ab.<br />
Dann kommt das Auto an die Box, wird zerlegt<br />
EIN CRASH GEHÖRT DAZU. DAS IST TEIL DES SPIELS. WENN EIN<br />
FAHRER NIE ABSEITS DER STRECKE IST, FÄHRT ER AUCH NICHT AM<br />
LIMIT. WIE SOLL EIN JUNGER FAHRER DAS LIMIT HERAUSFINDEN,<br />
WENN DU IHM VERBIETEST, DASS ER ABFLIEGT? WENN ER AB-<br />
FLIEGT, FLIEGT ER EBEN AB.<br />
54 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Tost verlangt von<br />
seinen Fahrern,<br />
dass sie die<br />
<strong>Formel</strong> 1 leben<br />
- rund um die Uhr<br />
und neu aufgebaut. Ich sehe da keine Probleme.<br />
Deswegen habe ich auch noch nie einem Fahrer<br />
einen Vorwurf gemacht. Wenn er schnell ist,<br />
darf er auch abfliegen.<br />
In Silverstone hat Daniil Kvyat einige starke<br />
Reaktionen auf nasser Strecke gezeigt. So können<br />
junge Fahrer sich auch beweisen.<br />
Er hat das Auto in Silverstone zweimal aus sehr<br />
brenzligen Situationen sensationell gut abgefangen.<br />
Andere sind mit einem ähnlich querstehenden<br />
Auto ordentlich abgeflogen. Das<br />
spricht für sein Talent und seine Klasse. Damit<br />
hat er bei vielen Leuten Eindruck gemacht.<br />
Sie haben viel mit jungen Fahrern zu tun. Was<br />
kann man ihnen noch beibringen, sobald sie in<br />
der <strong>Formel</strong> 1 angekommen sind?<br />
Die Arbeit mit einem jungen Fahrer ist natürlich<br />
wesentlich intensiver, als wenn ein Pilot<br />
schon längere Zeit in der <strong>Formel</strong> 1 gewesen ist.<br />
Es beginnt bei Gesprächen über seine Tagesplanung,<br />
das Training, die Ernährung, der<br />
Umgang mit Jetlag bei Überseerennen. Kurzum:<br />
Man muss die Fahrer auf alle Eventualitäten<br />
vorbereiten. Wenn ein neuer Fahrer ins Team<br />
kommt, treffe ich mich öfter mit ihm. Dann<br />
gehen wir zusammen essen und unterhalten<br />
uns über verschiedene Themen. Im Zuge dieser<br />
Gespräche gebe ich Erfahrungswerte weiter und<br />
hoffe, dass der Fahrer diese optimal umsetzen<br />
kann.<br />
Was gehört zu diesen Erfahrungswerten?<br />
Die Grundvoraussetzung ist, dass der Fahrer<br />
Talent mitbringt. Der zweite wichtige Punkt ist,<br />
dass er 24 Stunden am Tag und 365 Tage im<br />
Jahr an die <strong>Formel</strong> 1 denkt. Es darf nichts<br />
anderes geben. Er muss eine hundertprozentige<br />
Leidenschaft dafür mitbringen. Der dritte<br />
Punkt ist die Disziplin. Es ist ganz wichtig, den<br />
Fahrern diese Disziplin einzuimpfen. Damit<br />
meine ich nicht, dass er pünktlich zu einem<br />
Meeting erscheint. Das ist sowieso eine Grundvoraussetzung.<br />
Vielmehr geht es darum, im<br />
Qualifying das Auto nicht zu überfahren, die<br />
Kerbs im richtigen Winkel anzufahren oder den<br />
Grenzbereich nicht zu überschreiten, weil er<br />
dann langsamer wird. Vieles kann man aber<br />
hundertmal sagen. Letztlich muss es der Fahrer<br />
selbst erleben. Du kannst noch so oft sagen,<br />
dass er nicht zu spät bremsen darf. Irgendwann<br />
stehen die Räder dann doch im Qualifying, weil<br />
er zu spät gebremst hat. Aber diese Selbsterfah-<br />
rung gehört zum Lernprozess dazu. Sonst<br />
glaubt es der Fahrer nicht.<br />
Es betrifft aber auch die Trainings-Disziplin.<br />
Man muss den Fahrern klar machen, dass das<br />
körperliche und das mentale Training der →<br />
Der Speed im<br />
Auto ist nur ein<br />
kleiner Teil des<br />
Gesamtpakets<br />
F1-Rennfahrer<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 55
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
TORO ROSSO: AUFSTEIGER<br />
Wechsel zum<br />
Schwesterteam<br />
DANIEL RICCIARDO<br />
Daniel Ricciardo ist in dieser Saison der härteste<br />
Verfolger der beiden Mercedes-Piloten. Für seinen<br />
früheren Boss Franz Tost kommt die Performance<br />
des Australiers nicht überraschend. Für<br />
den Österreicher zählt Ricciardo zu den besten<br />
Piloten, was das technische Verständnis angeht,<br />
die je für seinen Rennstall gefahren sind. »Und<br />
er hat sich von Jahr zu Jahr gesteigert«, betont<br />
Tost. Auch Ricciardo weiß, das er seinem früheren<br />
Rennstall viel zu verdanken hat. Abseits des<br />
Scheinwerferlichts konnte er bei Toro Rosso<br />
Schritt für Schritt zu einem Rennfahrer reifen<br />
- und noch eine wichtige Sache haben ihn die<br />
39 Rennen für den Rennstall von Tost gelehrt:<br />
Demut. »Ich bin heute viel dankbarer für das,<br />
was ich habe«, betont Ricciardo.<br />
Sebastian Vettels<br />
erster GP-Sieg<br />
Buemi fährt im<br />
Langstreckensport<br />
SEBASTIAN BUEMI<br />
Talentierter als Scott Speed, konstanter als der<br />
viel erfahrenere Sebastien Bourdais - in seinen<br />
zwei Jahren bei Toro Rosso blitzte das Talent<br />
von Sebastien Buemi mehrfach auf. Gleich in<br />
seinem ersten Grand Prix für das Team in Australien<br />
holte der Schweizer mit italienischen<br />
Wurzeln als Siebter zwei Punkte. Doch häufig<br />
stand sich Buemi durch unnötige Fehler auch<br />
selbst im Weg, was ihn 2011 um eine Vertragsverlängerung<br />
bei Toro Rosso brachte und ihn<br />
in die zweite Reihe verbannte. Dieses Jahr überzeugte<br />
der 25-Jährige beim 24-Stunden-Rennen<br />
in Le Mans, wo er nach einer spektakulären<br />
Aufholjagd von Platz 43 auf das Podest fuhr.<br />
SEBASTIAN VETTEL<br />
»Erst als ich die Flagge gesehen habe, habe ich es geglaubt.« Dann war Sebastian Vettel sprachlos:<br />
»Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.« Also ließ er erst das Team sprechen, sich noch einmal<br />
von seinem Ingenieur bestätigen, was tags zuvor noch völlig utopisch erschien: er hatte den<br />
Italien GP gewonnen. »Dann habe ich mich ganz benommen beim Team bedankt und losgeschrien.«<br />
Vettel schrieb mit seinem Sieg 2008 <strong>Motorsport</strong>geschichte. Mit Red Bull krönte er sich<br />
zum jüngsten Vierfach-Champion der F1-Geschichte. Ein Erfolg, der ein kleines bisschen auch<br />
seinen Anfängen bei Toro Rosso geschuldet ist. »Das Team hat sicherlich zu Sebastians Erfolg<br />
beigetragen, aber letztendlich kann sich jeder Fahrer den Erfolg nur selbst zuschreiben«, bleibt<br />
Franz Tost gegenüber <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com auf dem Boden der Tatsachen. Für sein Team<br />
blieb Monza bis dato der einzige Siegesjubel.<br />
56 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, RED BULL<br />
ICH SAGE MEINEN FAHRERN IMMER: IHR ZEHRT DIE GANZE SAISON<br />
VON DER SUBSTANZ, DIE IHR EUCH IN DEN WINTERMONATEN AUF-<br />
BAUT. WENN IHR EUCH DA NICHT HUNDERTPROZENTIG REINHÄNGT,<br />
WENN IHR EUCH DA IM TRAINING NICHT EXTREM VERAUSGABT,<br />
WERDET IHR DIE SAISON NICHT GUT ÜBERSTEHEN.<br />
Regeländerungen<br />
gehören<br />
für Tost zum Lauf<br />
der Dinge in der<br />
<strong>Formel</strong> 1<br />
der Saison verboten, mal der F-Duct zum<br />
Beginn des nächsten Jahres gestrichen. Monisha<br />
Kaltenborn sagt, dass dieses Hin und Her<br />
dem Ansehen der <strong>Formel</strong> 1 schadet. Sehen<br />
Sie das genauso?<br />
Die <strong>Formel</strong> 1 wird nie eine hundertprozentige,<br />
für alle akzeptable Stabilität haben.<br />
Sehen wir uns doch mal das FRIC-System an.<br />
Als es vor drei, vier Jahren eingeführt wurde,<br />
war es bereits im Grenzbereich der Legalität.<br />
Aber die Teams entwickeln ja weiter. In der<br />
Zwischenzeit haben sie ein Niveau erreicht,<br />
das genau betrachtet nicht mehr dem Reglement<br />
entsprochen hat - und da schließe ich<br />
Toro Rosso mit ein. Deshalb hat die FIA<br />
gesagt: Was ihr vor drei Jahren gemacht habt,<br />
war noch in Ordnung, aber was ihr jetzt<br />
macht, ist nicht mehr im Geiste des Reglements.<br />
Deswegen wurde es verboten. Das ist<br />
eine ganz normale Entwicklung. In der <strong>Formel</strong><br />
1 sehe ich das als völlig normal an: Die<br />
Teams suchen durch sehr intensive und gute<br />
Arbeit der Techniker das Limit, überschreiten<br />
es und werden dann von der Sporthoheit<br />
zurückgepfiffen.<br />
Ein weiteres Beispiel sind die Testfahrten. Vor<br />
10, 15 Jahren haben wir nach jedem Rennen für<br />
drei Tage mit zwei Autos getestet. Damals sind<br />
wir im Laufe eines Jahres über 50.000 Kilometer<br />
allein bei Tests gefahren. Das Geld dafür war<br />
da, also sind alle gefahren. Dann kam 2009 die<br />
Wirtschaftskrise. Jetzt musste sich die <strong>Formel</strong><br />
1 etwas einfallen lassen, weil sie zu viel Geld<br />
verbrauchte. Als Folge wurden die Testfahrten<br />
verboten. Das war eine ganz normale Reaktion<br />
auf äußere Einflüsse. Wenn weniger Geld vorhanden<br />
ist, muss man darauf reagieren. Sonst<br />
wären alle Teams bald tot gewesen. Danach<br />
beschwerte sich Ferrari darüber, dass es →<br />
Schlüssel zum Erfolg sind. Ich glaube, dass<br />
wird von der Außenwelt gerne unterschätzt.<br />
Wenn ein Fahrer in der Vorbereitungsperiode<br />
zwischen Dezember und Februar nicht täglich<br />
vier bis sechs Stunden trainiert, wird er die<br />
Saison nicht durchstehen. Ich sage meinen<br />
Fahrern immer: Ihr zehrt die ganze Saison von<br />
der Substanz, die ihr euch in den Wintermonaten<br />
aufbaut. Wenn ihr euch da nicht hundertprozentig<br />
reinhängt, wenn ihr euch da im<br />
Training nicht extrem verausgabt, werdet ihr<br />
die Saison nicht gut überstehen. Während der<br />
Saison gibt es so viele Überseerennen, die den<br />
Fahrer aus dem Gleichgewicht werfen können.<br />
Um den Körper und den Geist darauf vorzubereiten,<br />
musst du im Winter intensiv arbeiten.<br />
Nur dann kannst du in einer so guten<br />
Verfassung sein, dass du nicht krank wirst, den<br />
ganzen Stress bewältigst und erfolgreich Rennen<br />
fahren kannst.<br />
Wichtig ist, dass du am Sonntag um 14:00 Uhr<br />
nicht müde bist. Auch das gehört zur Disziplin.<br />
Ebenso die Ernährung. Dafür gibt es keinen<br />
allgemeingültigen Plan. Man kann ihnen nicht<br />
sagen, du musst das essen und du das. Das ist<br />
individuell verschieden. Aber die Fahrer müssen<br />
sich so ernähren, dass sie von der aufgebauten<br />
Substanz das Jahr über zehren können.<br />
Es ist auch ein Gewichtsthema. Jedes Kilo zu<br />
viel bedeutet einen Performance-Verlust. Dabei<br />
ist es entscheidend, das richtige Gleichgewicht<br />
zu finden. Du darfst nicht zu untergewichtig<br />
sein, denn dann verlierst du Substanz und stehst<br />
das Rennen nicht durch. Gleichzeitig darfst du<br />
aber auch nicht zu viel Gewicht haben. Dabei<br />
hilft die richtige Disziplin.<br />
Diese Disziplin scheint der <strong>Formel</strong> 1 manchmal<br />
etwas zu fehlen. Mal sind Testfahrten<br />
erlaubt, mal nicht. Mal wird FRIC während<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 57
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
TORO ROSSO: ABSTEIGER<br />
Scott Speed<br />
enttäuschte<br />
JAIME ALGUERSUARI<br />
Nach dem Rauswurf von Sebastien Bourdais<br />
stieg Jaime Alguersuari zum Stammfahrer auf.<br />
Damals hätte er wohl nicht gedacht, dass ihm<br />
2011 das gleiche Schicksal blühen würde. »Er<br />
ist in der Lage, F1-Rennen zu fahren, aber für<br />
uns ist das nicht genug: Wir brauchen Siegertypen«,<br />
verpasste Dr. Helmut Marko dem Spanier<br />
eine schallende Verbalohrfeige. Der Österreicher<br />
sah in Alguersuari, der 2011 in Italien<br />
und Korea mit Platz sieben seine besten Karriereergebnisse<br />
einfuhr, kein Wachstumspotenzial.<br />
Den Plan in die <strong>Formel</strong> 1 zurückzukehren,<br />
gab Alguersuari im Vorjahr endgültig auf. Im<br />
Moment konzentriert sich der 24-Jährige auf<br />
seine neue Herausforderung - die <strong>Formel</strong> E. Dort<br />
tritt er mit Virgin Racing an.<br />
Alguersuari fährt<br />
nun GT-Rennen<br />
SCOTT SPEED<br />
Zum Leidwesen von Toro Rosso war bei Scott Speed der Name nicht Programm. Statt Speed legte<br />
der US-Amerikaner ein übersteigertes Selbstbewusstsein an den Tag. »Er dachte, er weiß alles.<br />
Aber ich habe noch nie einen Fahrer erlebt, der so deppert ist«, fand Teambesitzer Gerhard Berger<br />
klare Worte. In seiner Toro-Rosso-Karriere blieb ein neunter Platz Speeds bestes Ergebnis in der<br />
<strong>Formel</strong> 1. Laut Speed waren allerdings Berger sowie Tost auf einem persönlichen Feldzug unterwegs.<br />
»Franz und Gerhard wollen mich aus persönlichen Gründen zerstören.« Heute fährt der<br />
US-Amerikaner, inzwischen 31 Jahre alt, im Team von Andretti <strong>Motorsport</strong>, Volkswagen und 7up<br />
in der Global Rallyecross Serie.<br />
VITANTONIO LIUZZI<br />
Für Vitantonio Liuzzi stellte sich sein talentfreier<br />
Teamkollege [Scott Speed] als Glücksgriff<br />
heraus. Denn obwohl der Italiener in seinem<br />
ersten Jahr bei Toro Rosso nicht wirklich überzeugen<br />
konnte, wurde sein Vertrag verlängert.<br />
Doch mit Verlauf der Saison stieg die Unfallrate<br />
von Liuzzi und damit gekoppelt die Unzufriedenheit<br />
der Teambosse. Tost gab öffentlich<br />
sogar zu, Liuzzi am liebsten nicht mehr ins Auto<br />
setzen zu wollen. Aktuell fährt der 33-Jährige<br />
in Japan für das Team von Autobacs Racing<br />
Team Aguri in der SuperGT 500-Klasse.<br />
Tonio Liuzzi nutzte<br />
seine Chance nicht<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, RED BULL<br />
58 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Toro Rosso<br />
möchte ab 2016<br />
zu den besten fünf<br />
<strong>Formel</strong>-1-Teams<br />
zählen<br />
F1 ZU FAHREN BEDEUTET NICHT<br />
NUR, SICH INS AUTO ZU SETZEN<br />
UND GAS ZU GEBEN. F1 ZU FAH-<br />
REN BEDEUTET VIEL MEHR. DES-<br />
HALB MUSS DER FAHRER TAG<br />
UND NACHT AN DIE F1 DENKEN,<br />
SONST IST ER NICHT ERFOLG-<br />
REICH. EINIGE FAHRER MACHEN<br />
DAS UND WER BESSER SEIN<br />
WILL ALS SIE, MUSS SICH NOCH<br />
MEHR ANSTRENGEN.<br />
keine Testfahrten mehr gegeben hat. Aus diesem<br />
Grund wurden wieder begrenzte Testfahrten<br />
eingeführt. Für das kommende Jahr<br />
werden diese nun erneut etwas<br />
eingeschränkt.<br />
Das ist der übliche Zyklus innerhalb der <strong>Formel</strong><br />
1. Es gibt Änderungen, die einmal abgeschwächt<br />
und dann wieder verstärkt werden.<br />
Die <strong>Formel</strong> 1 ist nicht nur bei der Technik die<br />
Spitze des <strong>Motorsport</strong>s, sondern auch beim<br />
Management und Marketing. Du musst schnell<br />
umdenken und dich schnell auf neue Gegebenheiten<br />
einstellen. Wer das nicht kann, bleibt<br />
zurück. Ich sehe das als Herausforderung. Mir<br />
macht das Spaß. Es gibt einige Teams, die alles<br />
so behalten möchten, wie es früher gewesen<br />
ist. Aber das geht nicht. So etwas gibt es in keinem<br />
Sport. In anderen Sportarten sind es eben<br />
Trainingsmethoden, die sich verändern. Selbst<br />
im Fußball spielt keine Mannschaft seit Jahrzehnten<br />
immer das gleiche System. Mal ist ein<br />
4-4-2 in Mode, dann ein 4-3-3. Auf diese Flexibilität<br />
muss man reagieren. Ich sehe das alles<br />
rein positiv.<br />
Sie sehen es also nicht als negatives Hin und<br />
Her, sondern als notwendige Anpassung an die<br />
Gegebenheiten...<br />
Absolut, es ergibt sich daraus, dass die <strong>Formel</strong><br />
1 sich immer weiter entwickelt. Wir haben Gott<br />
sei Dank viele kluge Köpfe, die sich immer<br />
wieder etwas Neues einfallen lassen. Dabei<br />
gehen sie an die Grenzen und vielleicht auch<br />
ein bisschen darüber hinaus. Dann werden sie<br />
eben wieder ein bisschen zurückgepfiffen. Im<br />
Grunde ist das die ganz normale Weiterentwicklung,<br />
die ich absolut akzeptiere. Mir gefällt<br />
so eine neue Herausforderung. Denn dann<br />
muss man sich etwas einfallen lassen, wie man<br />
sich wieder verbessern kann. Das ist ein wichtiger<br />
Punkt, den ich auch stets meinen Fahrern<br />
klarmache: Sie müssen innovativ sein. Nur so<br />
können sie herausfinden, wie sie ihren Gegner<br />
schlagen können. Wer sich keine Gedanken<br />
macht, wer nicht stundenlang die Daten oder<br />
die Onboard-Aufnahmen studiert, wird das<br />
nicht schaffen. Denn die anderen machen es.<br />
Wenn mehrere Fahrer das gleiche Level an<br />
Talent haben, wird immer derjenige erfolgreich<br />
sein, der mehr arbeitet. So wie überall im<br />
Leben. <strong>Formel</strong> 1 zu fahren bedeutet nicht nur,<br />
sich ins Auto zu setzen und ein bisschen Gas<br />
zu geben. <strong>Formel</strong> 1 zu fahren bedeutet viel, viel<br />
mehr. Deshalb muss der Fahrer Tag und Nacht<br />
an die <strong>Formel</strong> 1 denken, sonst ist er nicht<br />
erfolgreich. Einige Fahrer machen das und wer<br />
besser sein will als sie, muss sich noch mehr<br />
anstrengen.<br />
Jean-Eric hat erzählt, dass da bei ihm und dem<br />
Team ein gewisses Umdenken stattgefunden<br />
hat. Es reicht nicht mehr, nur ins Q3 gekommen<br />
zu sein. Stattdessen möchte man hinterher<br />
auch ein nachhaltiges Ergebnis in Händen<br />
halten...<br />
Die Nachhaltigkeit ist so ein neues Modewort.<br />
Letztlich zählt einzig und allein das Resultat.<br />
Das Schöne an der <strong>Formel</strong> 1 ist: man sieht alle<br />
zwei Wochen, ob man gut oder schlecht gearbeitet<br />
hat. Wir haben bei einigen Rennen gut<br />
gearbeitet. Aber leider gab es zu viele Rennen,<br />
bei denen wir schlecht gearbeitet haben.<br />
Manchmal kamen wir noch nicht einmal mit<br />
beiden Autos ins Ziel. Hier gibt es also ein<br />
gewaltiges Verbesserungspotential. Auf diesen<br />
Gebieten haben wir hoffentlich den richtigen<br />
Weg eingeschlagen, um die Haltbarkeit zu verbessern<br />
und die Performance zu steigern.<br />
Toro Rosso gehört eher zu den kleineren<br />
Teams. Bei Top-Teams wie Red Bull werden<br />
noch am Rennwochenende neue Teile in<br />
unzähligen Kisten angeliefert. Wie kann Ihr<br />
Team mit diesem Entwicklungstempo<br />
mithalten?<br />
Das ist richtig. Toro Rosso ist ein kleines Team.<br />
Wir sind im Mittelfeld platziert. Natürlich entwickeln<br />
auch wir weiter, aber wir besitzen bei<br />
weitem nicht das Entwicklungstempo der Top-<br />
Teams. Wir haben aber auch bei weitem nicht<br />
deren Budget. Toro Rosso ist auf einem recht<br />
guten Weg nach vorne. Unser Ziel ist es, die<br />
Infrastruktur aufzubauen und zu festigen. Man<br />
darf nicht vergessen: Toro Rosso besteht als<br />
reiner Constructor erst seit 2009/2010. Somit<br />
befinden wir uns erst in der vierten Saison, in<br />
der wir unser eigenes Auto komplett designen.<br />
Das nimmt Zeit in Anspruch. In unserem Werk<br />
in Faenza ist nun die erste Baustufe mit der<br />
Kunststoffabteilung abgeschlossen. Vor zwei<br />
Monaten haben wir mit dem zweiten Bauabschnitt<br />
begonnen, der im nächsten Jahr um<br />
diese Zeit fertig gestellt werden soll. Der zweite<br />
Teil der Infrastruktur ist die Mannschaft an<br />
sich. Wir haben mittlerweile 350 Mitarbeiter.<br />
Als ich zu Toro Rosso gekommen bin, waren<br />
es nur 85. Jetzt gilt es, die einzelnen Abteilungen<br />
richtig zu ordnen und die richtigen<br />
Verstärkungen zu finden. Auf diesem Gebiet<br />
werden in den kommenden Monaten einige<br />
neue Ingenieure zu uns stoßen. Auch hier sehe<br />
ich uns auf dem richtigen Weg. Deshalb<br />
erwarte ich in der zweiten Saisonhälfte eine<br />
Steigerung. Eine weitere Verbesserung sollte<br />
es dann 2015 geben. Ab 2016 müssten wir unter<br />
den besten fünf Teams sein. Das ist unsere<br />
Zielsetzung.<br />
Das klingt auf jeden Fall gut.<br />
Es klingt gut. Aber zwischen gut klingen und<br />
dies auch umzusetzen ist immer noch ein<br />
Unterschied. Daran müssen wir in den kommenden<br />
beiden Jahren hart arbeiten.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 59
SLIDESHOW | MOTORRAD | #38 | 2014<br />
60 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
❱ AUF DER<br />
ERFOLGSWELLE<br />
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
Marc Marquez fegt 2014 wie ein Tsunami durch die MotoGP. Nichts<br />
und niemand kann sich dem Überflieger in den Weg stellen, die Sommerpause<br />
trat er ungeschlagen und mit jeder Menge neuer Rekorde<br />
im Gepäck an. Der WM-Titel ist ihm sicher, wenn er sich nicht noch<br />
verletzen sollte. Daher stellt sich bereits die Frage, wer den 21-Jährigen<br />
überhaupt in den nächsten zehn Jahren schlagen soll? Vielleicht<br />
sein um drei Jahre jüngerer Bruder? In Barcelona und Assen gewannen<br />
Alex und Marc die Rennen ihrer Klassen und sorgten damit für die<br />
ersten beiden Brüder-Siege an einem Wochenende in der Geschichte<br />
der Motorrad-WM. Der Name Marquez wird die MotoGP jedenfalls<br />
nicht so schnell loslassen.<br />
FOTO: MILAGRO<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 63
FOTOS: MILAGRO<br />
LACH-GAS<br />
IM EXKLUSIVEN INTERVIEW VERRÄT MARC MARQUEZ MOTORSPORT-<br />
MAGAZIN.COM, WAS IHN SO STARK MACHT, WER DER WICHTIGSTE<br />
MENSCH IN SEINEM LEBEN IST UND WAS ER MIT EINEM VOLLEYBALL<br />
AUF EINER EINSAMEN INSEL ANSTELLEN WÜRDE.<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
62 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 63
Marc Marquez<br />
ist der MotoGP-<br />
Dominator 2014<br />
MSM: Ist es gut für dich, Dani Pedrosa auch<br />
in den nächsten zwei Jahren als Teamkollegen<br />
zu haben?<br />
MARC MARQUEZ: Ja, für mich ist das gut<br />
und es ist wichtig für Honda. Ich habe schon<br />
oft gesagt, dass ich denke, dass wir jetzt<br />
ein sehr gutes Team haben und das haben<br />
wir auch in den kommenden zwei Jahren.<br />
Dani ist ein Fahrer, der sehr gefühlvoll mit<br />
dem Bike umgeht. Er ist aber auch wirklich<br />
schnell. Ich denke, es ist wichtig, zwei starke<br />
Fahrer bei Honda zu haben.<br />
Was macht dich so stark?<br />
Das ist schwer zu sagen. Du versuchst immer,<br />
schneller zu sein; auf der Strecke mit<br />
dem Team und allen zu arbeiten. An sich<br />
kann man das aber nicht unbedingt auf den<br />
Punkt bringen. Einer der Schlüsselpunkte ist<br />
die Familie an der Rennstrecke - nicht nur<br />
ich, sondern auch das Team, Honda und das<br />
Bike müssen gut zusammenpassen und das<br />
ist uns sehr gut gelungen.<br />
Bist du aufzuhalten?<br />
[lacht] Natürlich bin ich aufzuhalten. Ich<br />
bin mir sicher, dass ein Rennen kommen<br />
wird, in dem es unmöglich ist, zu gewinnen,<br />
weil ein anderer Fahrer schneller sein wird<br />
als wir. Dann wird es wichtig, den zweiten<br />
oder dritten Platz zu sichern, weil die Punkte<br />
für die Weltmeisterschaft wichtig sind. Das<br />
reicht dann aber auch. Aktuell stehen wir<br />
sehr gut da, also werden wir versuchen, weiter<br />
zu pushen und so fortzufahren.<br />
Denkst du, es ist möglich, alle Rennen einer<br />
Saison zu gewinnen?<br />
Ich denke nicht, dass es zu 100 Prozent unmöglich<br />
ist, aber zu 95 Prozent. In 18 Rennen<br />
kann richtig viel passieren. Wie in Holland:<br />
Wir konnten es gut retten und gewinnen.<br />
Aber natürlich stehen noch Rennen im Kalender,<br />
in denen wir aus irgendeinem Grund<br />
- sei es das Team, das Bike oder ich selbst<br />
- nicht bei 100 Prozent sind. Dann wird es<br />
unmöglich sein. Wir dürfen nicht vergessen,<br />
dass Valentino Rossi, Dani Pedrosa und<br />
Jorge Lorenzo unsere Gegner sind. Das sind<br />
richtig starke Fahrer.<br />
Du brichst momentan einen Rekord nach<br />
dem anderen. Was bedeutet dir das?<br />
Natürlich sind die Rekorde wichtig. Das ist<br />
eine weitere Motivation. Mir gefällt es sehr,<br />
Rekorde zu brechen, weil das bedeutet, dass<br />
wir auf einem guten Weg sind. Ich fahre<br />
aber nicht und denke immer nur an die Rekorde.<br />
Ich fahre für die Fans, das Team, für<br />
meine Familie und für mich, weil ich es sehr<br />
genieße. Wenn du es genießt, kommen die<br />
Rekorde von ganz alleine. Wenn du nur an<br />
BEI DIESEN RENNEN WIE IN MUGELLO ODER MONTMELO GENIESST DU<br />
DEN SIEG ODER DAS ERGEBNIS EINFACH EIN BISSCHEN MEHR, WENN DU<br />
ÜBER DIE ZIELLINIE FÄHRST.<br />
die Ergebnisse denkst, dann wirst du keine<br />
Rekorde brechen.<br />
Welches Rennen war dein Bestes?<br />
Das ist so schwierig! Am coolsten war wohl<br />
das Rennen letztes Jahr in Valencia. Natürlich<br />
war das nicht mein bestes Rennen. Ich war<br />
nur Dritter und habe nicht 100 Prozent gegeben,<br />
aber für mich war es extrem wichtig. Das<br />
war eines der Rennen, in denen du aufgeregt<br />
bist, mehr Druck spürst und intelligent fahren<br />
musst, indem du nur an den Titel und nicht<br />
an das Rennen selbst denkst. Das war wirklich<br />
nicht mein bestes Rennen, aber wahrscheinlich<br />
das bisher wichtigste meiner Karriere.<br />
In Mugello hast du gesagt, dass du am Limit<br />
warst. In Barcelona meintest du dann,<br />
in Mugello warst du nicht am Limit, aber in<br />
Montmelo. Wo ist dein Limit?<br />
Ich denke, jedes Rennen ist unterschiedlich.<br />
In einigen Rennen bist du dank dem<br />
Setup des Bikes oder anderen Dingen - wie<br />
zum Beispiel in diesem Jahr in Austin und<br />
Argentinien - möglicherweise einen kleinen<br />
Schritt voraus. Dann ist das Rennen ein<br />
bisschen leichter. Aber in Rennen wie Mugello<br />
und Montmelo bist du ab der ersten<br />
Runde am Limit. Beim Kampf in den letzten<br />
Runden kann alles passieren und du musst<br />
wirklich alles geben, um das Rennen zu gewinnen.<br />
Bei diesen Rennen wie in Mugello<br />
oder Montmelo genießt du den Sieg oder das<br />
Ergebnis einfach ein bisschen mehr, wenn du<br />
über die Ziellinie fährst. Du bist aufgeregter<br />
und das Adrenalin steigt extrem hoch.<br />
Welcher deiner Verfolger ist am gefährlichsten?<br />
64 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: MILAGRO, REPSOL HONDA<br />
Die Nähe zu seinen<br />
Fans ist Marquez<br />
enorm wichtig<br />
VON DIESEM PLANETEN?<br />
JOHN MCGUINNESS: Marc ist unglaublich.<br />
Das Schöne daran ist, dass er ein so glücklicher<br />
Mensch ist. Er lacht immer. Er erinnert mich an<br />
ein junges, enthusiastisches Kind, das einfach<br />
auf ein Motorrad steigen und Spaß haben will<br />
- egal ob Trial, Flat-Track oder sonst etwas. Er<br />
brach sich ja sogar das Bein beim Flat-Track-<br />
Training. Er ist einfach etwas Besonderes auf<br />
dem Motorrad. Es ist gut zu sehen, dass er etwas<br />
frischen Wind reinbringt. Natürlich würde<br />
ich auch gerne sehen, dass ihn jemand schlägt.<br />
Er muss gestoppt werden, aber er macht es<br />
auch interessant, kreiert richtig guten Rennsport.<br />
Er ist ein fantastischer Charakter. Davon<br />
brauchen wir definitiv mehr!<br />
MIKA KALLIO: Ich denke, jeder weiß, dass<br />
Marc momentan der schnellste Fahrer in der<br />
MotoGP und sehr talentiert ist. Wenn alles<br />
passt: das beste Team, das beste Bike, der<br />
beste Fahrer - dann sehen die Ergebnisse so<br />
aus. Ich glaube, dass sich für ihn momentan<br />
alles sehr leicht anfühlt. Er kommt zur Strecke<br />
und ist Knall auf Fall der Schnellste. Natürlich<br />
werden wir den Tag erleben, an dem er geschlagen<br />
wird, er Probleme bekommt und sich<br />
nicht mehr so gut fühlt. Im Rennsport geht es<br />
immer ein bisschen auf und ab. Momentan ist<br />
er an der Spitze und er ist der Typ, den jeder<br />
schlagen will.<br />
CAL CRUTCHLOW: Marc Marquez - wer? ...<br />
Ich denke, er sollte am Ende der Saison aufhören<br />
und jemandem ein paar Siege schenken.<br />
Nein, ernsthaft. Er ist fantastisch. Ein wirklich<br />
netter Kerl, glücklich, er lacht immer und<br />
deshalb gewinnt er. Natürlich hat er auch ein<br />
gutes Bike und ist ein Naturtalent. Er hat keinen<br />
Druck, macht, was er will und gewinnt.<br />
Momentan ist er unaufhaltsam. Ich hoffe, dass<br />
schon bald irgendwer ihn stoppen kann, denn<br />
wir wollen gute Rennen. Und trotzdem sehen<br />
wir gute Rennen und er gewinnt am Ende. Er<br />
fährt sehr, sehr gut.<br />
BRADLEY SMITH: Ich weiß nicht, was ich von<br />
ihm halten soll. Ich wollte nicht, dass er acht<br />
Rennen gewinnt und auch nicht, dass er neun<br />
gewinnt. Was er aktuell macht, ist sehr beeindruckend<br />
und man muss respektieren, was er<br />
tut. Aber ich will ihn einfach nicht mehr siegen<br />
sehen. [lacht]<br />
KAREL ABRAHAM: Er ist ein wirklich, wirklich<br />
schneller Typ. Er ist sehr talentiert und sehr gut.<br />
Ich mag es aber nicht, ihn immer gewinnen zu<br />
sehen. Am Anfang war das ja ganz gut, aber<br />
wenn das so weitergeht, dass er immer gewinnt,<br />
wird es für die WM nicht so interessant.<br />
Es wäre schon besser, wenn es an der Spitze<br />
noch ein paar mehr Kämpfe geben würde.<br />
JORGE LORENZO: Ich habe schon im letzten<br />
Jahr gesagt, dass er phänomenal ist. Er ist ein<br />
starker Fahrer wie Valentino oder Dani. Bei ihm<br />
passt einfach alles zusammen: Das Bike, das<br />
Team und das Glück. Manchmal stürzt er zwar<br />
im Training, aber nie im Rennen.<br />
ALEIX ESPARGARO: Jeder ist irgendwie aufzuhalten.<br />
Aber er fährt eine richtig starke Saison.<br />
Er ist auf einem wirklich hohen Niveau. Er<br />
ist extrem stark und macht keine Fehler. Es ist<br />
schwer, einen Fahrer zu schlagen, der keinen<br />
Fehler macht und jedes Training und jedes<br />
Rennen anführt. Aber ich denke schon, dass er<br />
irgendwann aufgehalten wird.<br />
ANDREA DOVIZIOSO: Jeder ist aufzuhalten.<br />
Marc hat viele positive Eigenschaften,<br />
das Beste ist aber, dass er keine wirklich<br />
negative hat. Er ist jung, schnell, intelligent.<br />
Er geht Trainings, Rennen und alles mit einer<br />
kindlichen Mentalität an. Es ist sehr schwierig,<br />
einen negativen Punkt zu finden, um ihn<br />
anzugreifen.<br />
POL ESPARGARO: Marc ist wirklich gut und<br />
zeigt eine unglaubliche Saison. Er hat schon im<br />
letzten Jahr gezeigt, dass er richtig schnell ist.<br />
Mit einem Jahr Erfahrung auf diesem Bike ist<br />
er dieses Jahr in der Lage, brillant zu sein. Er<br />
zeigt sein Talent. Ein Werksfahrer kann sicherlich<br />
gegen ihn und sein Bike kämpfen. Für mich<br />
ist es aber schwierig, darüber nachzudenken.<br />
Mit dem, was wir haben, können wir ihn wohl<br />
nicht schlagen. Eines Tages ändert sich das<br />
aber vielleicht.<br />
ESTEVE RABAT: Er ist ein sehr guter Fahrer,<br />
ein besonderer Fahrer, vielleicht bisher der<br />
Beste aller Zeiten. Die anderen Fahrer können<br />
aber natürlich gewinnen. Er ist auch nur von<br />
diesem Planeten, sicherlich können sie ihn in<br />
einem Rennen schlagen.<br />
Für mich ist das in diesem Jahr im Kampf<br />
um die WM Dani. Er hat sich im Laufe dieser<br />
Saison schon operieren lassen, war aber<br />
direkt wieder vorne an zweiter oder dritter<br />
Position in der Gesamtwertung - wie Valentino.<br />
Auch Valentino ist extrem konstant,<br />
aber ich denke, Dani wird stärker sein. Wir<br />
werden es sehen. Ich würde sagen, Dani und<br />
Valentino sind am gefährlichsten. Ich hatte<br />
erwartet, dass es Lorenzo sein würde, aber<br />
aus irgendeinem Grund ist er nicht auf seinem<br />
vollen Niveau.<br />
Was geht dir durch den Kopf, wenn du in<br />
der Startaufstellung stehst? Bist du manchmal<br />
aufgeregt?<br />
Das hängt vom Rennen und von Qualifying<br />
und Warm-Up ab. Normalerweise versuche<br />
ich, nur über das Training nachzudenken:<br />
In welchen Kurven war ich dicht am Limit,<br />
in welchen Kurven fühlte ich mich besser.<br />
Ich versuche, mir einen Plan für das Rennen<br />
auszudenken - für die letzten Runden oder<br />
auch für den Start, also die ersten Runden.<br />
Das ist aber sehr schwierig. Es ist auch allgemein<br />
schwer, in der Startaufstellung ruhig<br />
zu bleiben. Meistens bin ich aber ziem- →<br />
Der Weltmeister<br />
freut sich über<br />
jeden Sieg<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 65
lich entspannt.<br />
Warum lachst du immer?<br />
Weil ich es genieße! [lacht] Und weil ich es<br />
genieße, habe ich gute Ergebnisse. Aber ja,<br />
das ist so. Schon als ich jung war, war das genauso.<br />
Manchmal wäre ich sogar gerne etwas<br />
ernster, aber das ist einfach unmöglich. Es<br />
gibt hin und wieder wichtige Augenblicke,<br />
in denen man wirklich ernst sein sollte, aber<br />
ich kann das einfach nicht. Für mich ist es<br />
normal, zu lachen und leicht ist es auch.<br />
Was war der schwierigste Moment deiner<br />
Rennkarriere?<br />
Vielleicht Ende 2011, als ich in Malaysia gestürzt<br />
bin. Ich hatte fünf Monate lang diese<br />
Sichtprobleme und sah alles doppelt. Das<br />
war wirklich hart, denn du rennst ständig<br />
Marquez hat<br />
einfach Spaß...<br />
FOTOS: MILAGRO, HONDA<br />
FOTOS: MILAGRO, REPSOL HONDA<br />
... und<br />
macht Spaß<br />
zu den Ärzten, die dir immer wieder sagen,<br />
dass du abwarten und Geduld haben musst.<br />
Wenn du sie fragst, ob es wieder besser wird,<br />
sagt dir jeder, dass er es nicht weiß. Für ein<br />
normales Leben wäre das okay gewesen,<br />
aber auf dem Motorrad geht das nicht. Sie<br />
sagten mir immer: ‚Du brauchst viel Glück,<br />
dass diese Verletzung wieder zu 100 Prozent<br />
weggeht.‘ Diese fünf Monate waren ziemlich<br />
hart. Ich blieb aber die ganze Zeit stark, habe<br />
weiter gepusht und am Ende ging glücklicherweise<br />
alles gut.<br />
Hattest du in dieser Zeit einen Plan B?<br />
Nein, ich habe nie darüber nachgedacht. Ich<br />
habe darauf vertraut, dass alles wieder gut<br />
wird und ich wieder Rennen fahren kann.<br />
Ich könnte mir nie vorstellen, eines Tages<br />
nicht mehr zu fahren. Das würde mir nie in<br />
den Sinn kommen.<br />
Wer ist der wichtigste Mensch in deinem<br />
Leben?<br />
Natürlich ist meine Familie insgesamt am<br />
Wichtigsten, aber mein Bruder ist etwas<br />
ganz Besonderes. Er ist auch Motorradfahrer,<br />
er versteht alles. Er ist zwar jünger als<br />
ich, aber wir trainieren zusammen, eigentlich<br />
machen wir alles zusammen. Für mich<br />
ist das sehr wichtig, denn das ist immer →<br />
66 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
ICH HABE DARAUF VERTRAUT, DASS ALLES WIEDER GUT WIRD UND ICH<br />
WIEDER RENNEN FAHREN KANN. ICH KÖNNTE MIR NIE VORSTELLEN,<br />
EINES TAGES NICHT MEHR ZU FAHREN.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 67
So sehen Sieger aus:<br />
Sieg Nummer 8<br />
VIELLEICHT IST ES ABER DAS ALLERBESTE, WENN DU JUNGE TALENTE<br />
BEOBACHTEN KANNST, DIE GERADE SELBST MIT DEM FAHREN ANFAN-<br />
GEN UND SAGEN: ‚ICH WILL WIE MARC MARQUEZ SEIN.‘<br />
Im Zeichen der<br />
Ameise: Marquez‘<br />
Anhängerschaft wird<br />
größer<br />
FOTOS: MILAGRO, REPSOL HONDA<br />
68 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
PROTOTYP DES MODERNEN RENNFAHRERS<br />
Alex Hofmann: Was soll man über ihn denken? Es ist einfach beeindruckend,<br />
was er bringt. Ausgehend von seinem fahrerischen Talent scheint<br />
das der nächste Schritt zu sein: das neue Modell, das einfach noch mehr<br />
kann als ein normaler Rennfahrer. Er ist ein Prototyp-Rennfahrer. Die Fahrer<br />
sind alle ein bisschen verrückt und gehen Risiken ein bis zum Limit. Er<br />
macht das aber mit einer solchen Selbstverständlichkeit, die ich so noch<br />
nie gesehen habe. Das Ganze macht er dann noch so abgeklärt und in<br />
einem so jungen Alter, dass es einem schon schwer fällt, alles in Worte zu<br />
fassen. Ich glaube, er ist dafür geboren, genau das zu machen und er lebt<br />
für diesen Moment auf dem Motorrad. Dazu hat er einen extrem wichtigen<br />
Punkt, den auch Rossi immer hatte: verdammt viel Spaß dabei. Genau<br />
das ist die gefährliche Kombination: ein gemischter Cocktail, der brodelt<br />
und alle anderen ein bisschen alt aussehen lässt. Ganz davon abgesehen<br />
macht er einfach viel Spaß: Er ist gut gelaunt, er riskiert alles bei jedem<br />
Wetter, er beschwert sich nie über eine fette, blutende Blase an der Hand<br />
und er beklagt sich auch nie übers Material oder die Reifen. Er passt sich<br />
an jeden und alles an und das ist schon Wahnsinn. Ich weiß nicht, wer als<br />
Nächstes geboren werden muss, um das zu toppen. Eine Schwäche ist<br />
mir noch nicht aufgefallen. Vielleicht hat er eine für Grid-Girls - für einen<br />
21-jährigen, ledigen, erfolgreichen, gut aussehenden Mann ist das aber<br />
wohl ganz normal und dürfte nicht einmal als Schwäche angerechnet<br />
werden.<br />
eine Motivation. Du bist nie alleine, egal ob<br />
im Fitnessstudio oder auf dem Fahrrad und<br />
das ist gut so, weil wenn du alleine bist, ist es<br />
härter ins Fitnessstudio zu gehen oder mit<br />
dem Fahrrad loszufahren. Wenn da noch jemand<br />
ist, macht es das leichter.<br />
Ihr konntet in Montmelo und Assen beide<br />
eure Rennen für euch entscheiden. Freust<br />
du dich mehr für Alex oder bist du glücklicher<br />
über deinen eigenen Sieg?<br />
Ehrlich gesagt, habe ich mich mehr für ihn<br />
gefreut - besonders in Montmelo. Dieses<br />
Jahr war er wirklich stark, aber aus verschiedenen<br />
Gründen hat es nie zum Sieg gereicht.<br />
Er hatte Pech, hat auch mal Fehler gemacht,<br />
aber es reichte nie. Als es in Montmelo dann<br />
endlich klappte, war ich richtig glücklich für<br />
ihn, denn er hat vor und zu Beginn der Saison<br />
extrem hart gearbeitet. Nun konnte er<br />
zwei Mal gewinnen, das freut mich wirklich<br />
sehr.<br />
Was ist das Beste daran, Marc Marquez zu<br />
sein?<br />
Pfff... [lacht] Es ist natürlich auf der Strecke<br />
am besten, denn du spürst den Respekt der<br />
anderen Jungs. Vielleicht ist es aber das Allerbeste,<br />
wenn du kleine Kinder mit deinen<br />
Caps siehst, wenn du junge Talente beobachten<br />
kannst, die gerade selbst mit dem Fahren<br />
anfangen und sagen: ‚Ich will wie Marc Mar-<br />
quez sein.‘ Das ist wirklich schön.<br />
Angenommen du schaffst es, dieses und die<br />
kommenden zwei Jahre Weltmeister zu werden:<br />
Wird es dir irgendwann zu langweilig?<br />
Suchst du dir dann eine andere Aufgabe wie<br />
zum Beispiel die <strong>Formel</strong> 1?<br />
Nein, das glaube ich nicht. Die <strong>Formel</strong> 1 ist<br />
die Weltspitze im Autorennsport. Wenn du<br />
<strong>Formel</strong>-1-Fahrer werden willst, dann musst<br />
du im Alter von fünf oder sechs Jahren mit<br />
Go-Kart-Fahren beginnen. Mein Ziel waren<br />
schon immer die Motorräder, also werde ich<br />
sicherlich in dieser Welt bleiben.<br />
Welche drei Dinge würdest du mit auf eine<br />
einsame Insel nehmen?<br />
Personen auch?<br />
Klar, geht alles.<br />
Meinen Bruder! Ich weiß nicht, ob ihm das gefallen<br />
würde, aber ich würde ihn schon gerne<br />
dabei haben. [lacht] Vielleicht ein Motorrad...<br />
Aber ein Motorrad ohne Sprit bringt mir auch<br />
nichts. Dann vielleicht besser ein Fahrrad:<br />
Meinen Bruder, ein Fahrrad und... das Letzte...<br />
ich bin mir nicht sicher. [Zwischenruf seines<br />
Pressesprechers: Ein Mädchen!] Aber ich habe<br />
doch keine Freundin, wen soll ich da nehmen?<br />
[lacht] Ach, ich hab‘s: Ich nehme einen Volleyball<br />
mit. Nicht wie Wilson bei Cast Away, sondern<br />
zum Spielen!<br />
Marquez hat immer<br />
ein Lächeln<br />
auf den Lippen<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 69
TEXT: MARKUS ZÖRWEG & MARIA POHLMANN<br />
AUFER-<br />
STEHUNG<br />
EINER<br />
LEGENDE<br />
SEINE KRITIKER HATTEN IHN BEREITS ABGESCHRIEBEN. ER SEI ZU ALT,<br />
HIESS ES. IHM FEHLE DIE MOTIVATION, MEINTEN ANDERE. ER HABE DIE<br />
ENTWICKLUNG DER LETZTEN JAHRE VERPASST, GLAUBTE DER REST ZU<br />
WISSEN. DOCH VALENTINO ROSSI LIESS ALLE SPEKULATIONEN UM SEIN<br />
WAHRES LEISTUNGSVERMÖGEN REGELRECHT IMPLODIEREN. MOTOR-<br />
SPORT-MAGAZIN.COM BEGIBT SICH AUF URSACHENFORSCHUNG.<br />
70 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: MILAGRO<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 71
Valentino Rossi ist 2014 zurück an der Spitze<br />
- oder zumindest hinter Marc Marquez. Die<br />
Gründe dafür sind vielfältig<br />
V<br />
alentino Rossi ist eine<br />
herausragende Person in<br />
der Welt des Sports. Seine<br />
sensationellen Erfolge und<br />
die denkwürdigen Showeinlagen<br />
in Verbindung<br />
mit einem ebenso verrückten wie liebenswerten<br />
Charakter haben den schlaksigen Jungen<br />
mit Wuschelkopf einst weit über die Grenzen<br />
der Motorrad-WM hinaus bekannt<br />
gemacht. Auch Beobachter und Athleten aus<br />
anderen Bereichen verpassten ihm bereits das<br />
Prädikat ‚Ausnahmekönner‘. Hand in Hand<br />
mit solch verbalen Ritterschlägen zeigen derartige<br />
Sportler oft Leistungen, die für Außenstehende<br />
wie für direkte Konkurrenten gleichermaßen<br />
schwer begreiflich sind. Für einen<br />
derartigen Knalleffekt sorgte der mittlerweile<br />
zum Mann gereifte Rossi in dieser Saison.<br />
Die vergangenen vier Jahre waren nicht leicht<br />
für ‚The Doctor‘. 2009 sicherte er sich noch<br />
seinen siebten Weltmeistertitel in der Königsklasse<br />
und die Fachwelt war sich so gut wie<br />
einig, dass Rossi den Rekord von Giacomo<br />
Agostini, der sich acht Mal zum Champion auf<br />
500ccm krönen<br />
konnte, bald einstellen<br />
oder gar brechen<br />
würde. Doch dann<br />
folgte die Saison<br />
2010. Ausgerechnet<br />
im zweiten Training<br />
zu seinem Heim-GP<br />
in Mugello stürzte er<br />
schwer und erlitt<br />
einen doppelten,<br />
offenen Schienbeinbruch.<br />
Rossi verpasste<br />
vier Rennen<br />
und war in diesem<br />
Jahr gegen die deutlich jüngere Generation<br />
rund um Jorge Lorenzo, Dani Pedrosa und<br />
Casey Stoner chancenlos.<br />
2010 hatte er aber nicht nur eine Weltmeisterschaft<br />
verloren, sondern etwas, das für ihn von<br />
viel größerer Bedeutung war als ein einziger<br />
Titel: seine Ausnahmestellung im Werksteam<br />
von Yamaha. Diese hatte nämlich nun der<br />
frisch gekrönte Weltmeister Lorenzo inne.<br />
Rossi erkannte die Zeichen der Zeit. Er sah,<br />
dass es an der Zeit für einen Tapetenwechsel<br />
war und verließ Yamaha aus freien Stücken.<br />
Eine Rückkehr zu Honda, wo er seine ersten<br />
vier Jahre in der Königsklasse verbracht hatte,<br />
stand nach dem unrühmlichen Ende der<br />
Zusammenarbeit im Jahr 2003 nicht zur<br />
Debatte. So blieb nur der Wechsel zum dritten,<br />
einigermaßen konkurrenzfähigen Werksteam,<br />
nämlich dem von Ducati.<br />
Ein Transfer, der sich als größte Fehlentscheidung<br />
in der langen und erfolgreichen Karriere<br />
des Valentino Rossi herausstellen sollte. Was<br />
SCHON BEIM<br />
SAISONAUFTAKT IN<br />
KATAR LIEFERTE ER<br />
SICH EIN SEHENS-<br />
WERTES DUELL MIT<br />
MARC MARQUEZ<br />
UND VERPASSTE<br />
DEN SIEG NUR<br />
HAUCHDÜNN.<br />
folgte, war nicht die erhoffte Rückkehr zu alten<br />
Erfolgen, sondern die Demontage eines Denkmals.<br />
Gerade einmal<br />
drei Podiumsplatzierungen<br />
konnte Rossi<br />
in zwei Jahren auf der<br />
zickigen Desmosedici<br />
einfahren, ein Sieg<br />
blieb ihm verwehrt.<br />
Logische Folge war<br />
die Flucht aus Bologna<br />
- in der Saison<br />
2013 zog es ihn<br />
zurück zu Yamaha.<br />
Dort ging es für den<br />
ehemals Unbesiegbaren<br />
wieder langsam<br />
bergauf. In Assen konnte er seinen ersten Sieg<br />
seit fast drei Jahren feiern, vom Glanz alter<br />
Tage war er aber nach wie vor weit entfernt.<br />
Zu stark war das spanische Spitzentrio mit<br />
Marc Marquez, Jorge Lorenzo und Dani<br />
Pedrosa, das dem Italiener meist nicht den<br />
Hauch einer Chance ließ.<br />
Doch 2014 meldete sich Valentino Rossi sensationell<br />
zurück! Schon beim Saisonauftakt in<br />
Katar lieferte er sich ein sehenswertes Duell<br />
mit Marc Marquez und verpasste den Sieg nur<br />
hauchdünn. In dieser Tonart ging es für den<br />
mittlerweile 35-jährigen Routinier weiter. In<br />
Jerez, Le Mans, Mugello und Barcelona ließ er<br />
vier weitere Podiumsplatzierungen folgen. Mit<br />
141 Weltmeisterschaftspunkten bestritt er seine<br />
beste erste Saisonhälfte seit 2009, dem Jahr<br />
seines letzten Titelgewinns.<br />
Wie aber schaffte es Rossi, in seinem Alter<br />
innerhalb weniger Monate wieder zum Schreck<br />
seiner um viele Jahre jüngeren Konkurrenz zu<br />
werden? Esteve Rabat, aktuell Führender der<br />
72 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
3<br />
FRAGEN AN<br />
ALEX<br />
HOFMANN<br />
Mit Silvano<br />
Galbusera ist Rossi<br />
wieder vorne dabei<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
MSM: WARUM IST VALENTINO ROSSI DIESES<br />
JAHR WIEDER STARK?<br />
Alex Hofmann: Ich glaube, es war für ihn ganz,<br />
ganz wichtig, neue Impulse zu setzen, um zu<br />
sehen, ob das Feuer noch brennt. Die Grundvoraussetzung<br />
mit all dem Talent, das Rossi hat,<br />
ist die Leidenschaft. Mit der Leidenschaft hast<br />
du auch die Bereitschaft, dich zu quälen, Risiken<br />
einzugehen und den Unterschied als Fahrer zu<br />
machen. Mit Chefmechaniker Jeremy Burgess<br />
hatte er alles erreicht, was es zu erreichen gab.<br />
Damals war nicht garantiert, ob er seinen Vertrag<br />
wie jetzt noch einmal um zwei Jahre verlängert.<br />
Jeremy war auch müde. Ich glaube, das war eine<br />
Situation wie bei einem alten Ehepaar, das sich<br />
neue Impulse geben muss. Ich rede jetzt nicht<br />
von Paarberatung, aber einfach etwas anderes,<br />
neues machen und damit die Liebe neu entdecken.<br />
Da er nicht mit Jeremy verheiratet ist,<br />
hat er jetzt einen neuen Partner an seiner Seite,<br />
ein neuer Chefmechaniker, mit dem er vielleicht<br />
auch gesehen hat, dass es möglich ist, technisch<br />
andere Wege zu gehen. Ich glaube, das hat ihm<br />
wieder diesen Drall gegeben, um zu sagen: ‚Es<br />
geht noch.‘ Wenn wir jetzt auf die Listen schauen,<br />
ist er eigentlich sogar einer derjenigen, die<br />
den außerirdischen Marc Marquez permanent<br />
fordern können. Das bringt ihm natürlich auch<br />
Motivation. Er macht es einfach gern. Ich glaube,<br />
er lebt dafür, er liebt das Ganze - aber nur,<br />
wenn er auch die Chance hat, dabei gut auszusehen<br />
und gut dazustehen. Das war ein wichtiger<br />
Schritt. Wir Fans und Journalisten können einfach<br />
nur froh sein, dass es so gut ausging. Denn einen<br />
Rossi zu haben oder nicht, macht einen riesigen<br />
Unterschied in diesem Sport. Und dass er in diesem<br />
Jahr auch fast noch in jedem Rennen auf<br />
dem Podium steht, ist einfach stark.<br />
WARUM IST ER NOCH IMMER DIE NR. 1?<br />
Sympathien vergibt der Mensch ja nicht nur durch<br />
Leistung, sondern die hat man. Im Fall von Valentino<br />
Rossi können wir auch sagen, dass er nicht<br />
nur ein Ausnahmetalent war und ist, sondern dass<br />
er auch ein extremes Charisma mit sich trägt. Er<br />
verstreut Spaß und Freude an dem Sport, behandelt<br />
die Fans gut und das bekommen sie natürlich<br />
mit. Er ist einfach ein super Sales-Man - das<br />
muss man auch erst einmal hinbekommen. Das<br />
ist eine Geschichte, die man nicht kaufen kann.<br />
Andere Rennfahrer versuchen, ihn zu imitieren,<br />
eine ähnliche Schiene zu fahren, aber denen fällt<br />
es nicht leicht. Das ist meiner Meinung nach der<br />
Unterschied, den der Zuschauer draußen spürt<br />
und weiter die gelben Käppchen kauft anstatt der<br />
roten. Marc Marquez hat ähnliches Potential, ist<br />
aber auch ein anderer Charakter. Rossi ist eben<br />
Rossi und ich glaube, schon wenn er um die Ecke<br />
kommt, haben die meisten beim bloßen Hinsehen<br />
bereits ein breites Lächeln im Gesicht, weil er einfach<br />
ein lustiger Typ ist.<br />
DENKST DU, ER KANN NOCH EINMAL WELT-<br />
MEISTER WERDEN?<br />
Ich habe schon vor zwei Jahren gesagt, dass da<br />
viel zusammenkommen müsste: Marc Marquez<br />
müsste eine schwere Verletzung haben und ein<br />
paar Rennen aussetzen. Unter normalen Bedingungen<br />
- in denen Marc Marquez überall antritt<br />
und fit ist - wird es nicht mehr stattfinden.<br />
Hat Marquez auch einmal Pech und bricht sich<br />
Schien- und Wadenbein - wie es auch Rossi selbst<br />
passiert ist - und fällt für vier, fünf Rennen aus,<br />
dann vielleicht. Aber nur aus der Power der Yamaha<br />
und seinem Talent heraus wird es schwierig.<br />
Es gibt eine neue Generation und da müsste mehr<br />
als alles zusammenkommen.<br />
Moto2-Weltmeisterschft, glaubt, dass Jugend<br />
kein Muss für den Erfolg in der MotoGP ist:<br />
»Bei anderen Sportarten hängt viel vom Alter<br />
ab, bei uns meiner Meinung nach mehr vom<br />
Kopf. Man kann sehen, dass er unbedingt<br />
gewinnen will und deshalb ist er an der Spitze.<br />
Er kämpft, gibt immer alles und lässt nichts<br />
unversucht.«<br />
Für Andrea Dovizioso, einen langjährigen<br />
Kontrahenten Rossis in der MotoGP-Klasse,<br />
liegt die Wahrheit eher auf der Strecke als im<br />
Kopf seines Landsmannes. »Valentino hat<br />
seinen Fahrstil verändert, das hätte ich nicht<br />
erwartet. Er war in der Lage, daran zu arbeiten<br />
und konnte sich an das anpassen, was der<br />
Rennsport gerade braucht. So ist er wieder<br />
konkurrenzfähig geworden«, erklärt Rossis<br />
Nachfolger bei Ducati im Gespräch mit<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com. Dovizioso lobt<br />
jedoch auch das Team hinter dem Superstar:<br />
»Ich denke, dass sich Yamaha im Vergleich<br />
zum letzten Jahr ein wenig verbessert hat. Sie<br />
haben mit dem neuen Spritlimit beim Speed<br />
auf der Geraden keine Einschränkungen<br />
mehr.«<br />
→<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 73
Rossi ist dafür bekannt, ein einzigartiges Talent zu haben,<br />
wenn es darum geht, ein Motorrad auf seine Bedürfnisse hin<br />
zu entwickeln und abzustimmen.<br />
O<br />
b die Yamaha M1 im Vergleich<br />
zur Honda RC213V<br />
in diesem Jahr tatsächlich<br />
ein besseres Motorrad<br />
geworden ist, lässt sich<br />
schwer beurteilen. Wenn<br />
man allerdings die Leistungen Rossis denen<br />
seines strauchelnden Teamkollegen Jorge<br />
Lorenzo gegenüberstellt, drängt sich eher der<br />
Verdacht auf, dass die diesjährige Evolutionsstufe<br />
der M1 einfach dem Fahrstil des Routiniers<br />
besser entgegen kommt.<br />
Rossi ist dafür bekannt, ein einzigartiges Talent<br />
zu haben, wenn es darum geht, ein Motorrad<br />
auf seine Bedürfnisse hin zu entwickeln und<br />
abzustimmen. Das hatte er bereits 2004 unter<br />
Beweis gestellt, als er von Honda kommend<br />
binnen weniger Monate aus der in der Vorsaison<br />
ohne Podiumsplatzierung gebliebenen<br />
Yamaha M1 ein Siegmotorrad machte und sich<br />
zum Weltmeister krönte. Sein neuer Renningenieur<br />
Silvano Galbusera zeigt sich von dieser<br />
Gabe Rossis beeindruckt: »Valentino ist ein<br />
kluger Pilot und macht nichts unüberlegt. Er<br />
versteht sehr gut, was das Motorrad macht.<br />
Sein Gefühl wird immer durch die Daten<br />
bestätigt. Das ist etwas, das nicht viele Fahrer<br />
können. Auch wenn er voll pusht, schafft er es<br />
immer, einen Teil seiner Konzentration abzuzweigen,<br />
um das Verhalten des Bikes zu analysieren.«<br />
Das scheint ihm auch mit seinem<br />
Motorrad für 2014 gelungen zu sein.<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
Eine nicht unwesentliche Rolle dürfte dabei<br />
aber auch Galbusera selbst gespielt haben. Die<br />
Brillanz von Jeremy Burgess, Rossis Renningenieur<br />
in den ersten 14 Jahren seiner MotoGP-<br />
Karriere, ist zwar unbestritten, dennoch überschreitet<br />
fast jede zwischenmenschliche<br />
Partnerschaft im Sport früher oder später ihr<br />
74 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Ablaufdatum. Daraus machte Rossi auch keinen<br />
Hehl: »Es war okay mit Jeremy, aber mit<br />
Silvano ist es sehr gut.« Ein wichtiges Detail<br />
sei dabei die gemeinsame Sprache. »Manchmal<br />
ist es sehr wichtig, Italienisch zu sprechen. Man<br />
kann schneller eine Entscheidung treffen, wenn<br />
man dieselbe Sprache spricht.«<br />
So geht Rossi als großer Jäger der Repsol Hondas,<br />
allen voran natürlich von Marc Marquez,<br />
in die zweite Saisonhälfte. Die Rahmenbedingungen<br />
könnten für ihn aktuell nicht besser<br />
sein. Nachdem er seine<br />
Vertragsverlängerung bis<br />
2016 unter Dach und Fach<br />
gebracht hat, muss er sich<br />
um eine Baustelle weniger<br />
kümmern: »Ich musste bei<br />
so vielen Rennen in letzter<br />
Zeit immer sagen, dass wir<br />
kurz vor einer Unterschrift<br />
stehen und nun haben wir<br />
es endlich geschafft. Das ist<br />
mir sehr wichtig und ich<br />
bin äußerst glücklich darüber.«<br />
Außerdem scheint<br />
ihm die momentane Führung<br />
im Stallduell gegen<br />
Jorge Lorenzo zusätzliche<br />
Lockerheit und das Überlegenheitsgefühl,<br />
welches<br />
er in den letzten Jahren oft<br />
vermissen ließ und das ihn<br />
einst so stark machte, zu verleihen. So sprach<br />
er sich zuletzt sogar ausdrücklich für einen<br />
Verbleib des Mallorquiners im Werksteam aus.<br />
Gegen Lorenzo hatte sich Rossi in seiner ersten<br />
Yamaha-Phase noch ein erbittertes Duell auf<br />
und abseits der Strecke geliefert. Trotz dem<br />
wieder gefundenen Selbstvertrauen führt er<br />
wohl einen aussichtlosen Kampf gegen Überflieger<br />
Marc Marquez. Das meint auch Andrea<br />
Dovizioso: »Auf dem Motorrad kann alles passieren.<br />
Wenn ich aber realistisch sein will, muss<br />
ich sagen, dass momentan niemand gegen<br />
Marquez ankämpfen kann.«<br />
Während also doch Zweifel daran herrschen,<br />
ob Rossi noch einmal einen Weltmeistertitel<br />
einfahren kann, gibt es zu einem anderen<br />
Thema keine zweite Meinung: ‚The Doctor‘ ist<br />
die Nummer eins bei den Fans. Kein Pilot wird<br />
derart verehrt, ja beinahe vergöttert. Aleix<br />
Espargaro versucht<br />
DENN WAS MICHAIL<br />
GORBATSCHOW FÜR<br />
GLASNOST, MADONNA<br />
FÜR POPMUSIK ODER<br />
PAPST JOHANNES<br />
PAUL II. FÜR DIE KA-<br />
THOLISCHE KIRCHE<br />
SIND, IST DER MANN<br />
MIT DER GELBEN NUM-<br />
MER 46 FÜR DEN MO-<br />
TORRADRENNSPORT:<br />
EIN UNVERGLEICH-<br />
LICHES LEITSYMBOL.<br />
für <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>.com den<br />
Mythos Rossi zu<br />
beschreiben: »Er ist<br />
ein sehr charismatischer<br />
Fahrer. Er<br />
lacht immer und hat<br />
stets Spaß mit den<br />
Leuten. Wenn er<br />
seinen Helm vom<br />
Kopf nimmt, ist er<br />
genauso besonders<br />
wie davor. Für die<br />
Fans ist es wichtig,<br />
sich dem Fahrer<br />
nahe zu fühlen und<br />
Valentino ist dabei<br />
einfach der Beste.«<br />
Dieses einzigartige<br />
Standing macht Rossis Rückkehr auf die Straße<br />
des Erfolgs auch zu deutlich mehr, als dem<br />
einfachen Comeback eines Piloten. Denn was<br />
Michail Gorbatschow für Glasnost, Madonna<br />
für Popmusik oder Papst Johannes Paul II. für<br />
die katholische Kirche sind, ist der Mann mit<br />
der gelben Nummer 46 für den Motorradrennsport:<br />
ein unvergleichliches Leitsymbol.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 75
Valentino Rossi hält sein<br />
Wohnzimmer sauber<br />
TOP<br />
ROSSI SHOWS<br />
TEXT: NICO PAPPELAU<br />
VALENTINO ROSSI IST FÜR SEINE SPÄSSE NACH RENNENDE BEKANNT. EGAL OB BIZARRE<br />
VERKLEIDUNG, GEFIEDERTES MASKOTTCHEN ODER VERHAFTUNG: DER DOKTOR IST IM-<br />
MER FÜR EINEN SPASS ZU HABEN.<br />
5. LA RAPIDA - DIE SCHNELLSTE PUTZKOLONNE DER WELT<br />
Protest: Beim Großen Preis von Katar 2004 musste<br />
Valentino Rossi nach Beschwerde von Honda in die<br />
letzte Startreihe, nachdem sein Cheftechniker<br />
Jeremy Burgess den Startplatz des Italieners markiert<br />
hatte. Rossi hätte im Warm-Up häufiger darüber<br />
fahren sollen, um ihn von dem lästigen Wüstenstaub<br />
zu säubern und so am Start besseren Grip<br />
zu haben. Honda protestierte gegen diese »Vorteilnahme«<br />
und bekam Recht. Rossi schwor Rache,<br />
nachdem er in Katar auf seiner verzweifelten Aufholjagd<br />
gestürzt war und nahm diese eine Woche<br />
später in Malaysia. Er siegte überlegen und putzte<br />
dann mit einem eigens mitgebrachten Besen den<br />
Sepang International Circuit. Diese Episode bedeutete<br />
auch das Ende der Freundschaft zwischen<br />
Rossi und Sete Gibernau. In den Augen Rossis<br />
steckte der Spanier hinter dem Theater von Katar.<br />
»Sete ist an allem schuld. Er benimmt sich wie ein<br />
Kind«, ließ Rossi verlauten. Er schwor, Gibernau<br />
würde nie wieder ein Rennen gewinnen, was<br />
genauso eintrat.<br />
76 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: MILAGRO<br />
4. STOPP, SIE SIND VERHAFTET!<br />
2002 in Mugello bekam Rossi erstmals Ärger mit der Polizei. Nach dem Rennen zogen<br />
ihn die Carabinieri am Ende der Zielgeraden wegen zu schnellen Fahrens aus dem Verkehr.<br />
Hinzu kam, dass Rossi auf abgefahrenen Reifen und ohne Nummernschild unterwegs<br />
war und auch noch in der Kurve überholt hatte. Was für ein Skandal! 2003 wurde Rossi<br />
erneut nach Rennende festgesetzt. Dieses Mal ketteten ihn die vermeintlichen Ordnungshüter<br />
an und verdonnerten ihm zum Steineklopfen. Allerdings war inzwischen aus Spaß<br />
bitterer Ernst geworden: Rossi fühlte sich wie ein Gefangener bei Honda, da das Team<br />
das Bike wichtiger als den Fahrer ansah. Die meisten Fans hielten den versteckten Hilferuf<br />
allerdings nur für einen weiteren spaßigen Gag nach dem starken Duell mit Gibernau,<br />
den Rossi erst auf der Ziellinie schlagen konnte. Als der Italiener in Sepang erneut Weltmeister<br />
wurde, ließ ihn sein Fanclub wieder »frei« und mit einem neuen Vertrag bei Yamaha<br />
legte Rossi auch seine Ketten von Honda endlich ab.<br />
Ein Mann, ein<br />
Wort: Rossi als<br />
Kellner<br />
3. AUFS WOHL DES KELLNERS!<br />
Im Qualifying zum Grand Prix von Tschechien 2005 in Brünn landete Rossi abgeschlagen<br />
auf Platz fünf. 0.371 Sekunden trennten ihn und seinen Rivalen Sete Gibernau. Im<br />
Rennen schlug Rossi zurück und rang den Spanier nieder, bevor Gibernaus Gresini-<br />
Honda auf dem Weg in die letzte Kurve wegen Spritmangels stehen blieb. Dem Spanier<br />
blieb nur der Fußweg zurück zur Box. Auf dem Podium fanden sich mit Rossi, Loris<br />
Capirossi und Max Biaggi drei Italiener wieder. Während Biaggi seinen Pokal polierte,<br />
rannte Rossi mit der Champagner-Flasche zu seinem Team und ließ sich von ihnen in<br />
ein Kellner-Jackett stecken. Nach dem schwierigen Qualifying hatte er seiner Crew<br />
versprochen, im Falle eines erneuten Sieges einen auszugeben. Der größte Teil des<br />
Flascheninhalts floss allerdings trotz allem in Rossis Kehle. Na dann: Prost!<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 77
FOTOS: MILAGRO<br />
Dr. Rossi ist<br />
auch einmal<br />
Patient<br />
2. KLEIDER MACHEN LEUTE<br />
Schon 1997 war Rossi für seine verrückten Kopfbedeckungen bekannt. Auf dem<br />
Podium erschien er nach seinem Sieg in Sentul mit einem blauen Kopfverband. Der<br />
Grund: Einige Tage zuvor hatte sein Vater Graziano einen kapitalen Autounfall gebaut,<br />
den Rossi selbst auf dem Beifahrersitz miterlebte. Wegen seiner Gehirnerschütterung<br />
wurde Valentino auf dem Flug nach Indonesien von Doktor Costa begleitet, war bis<br />
zum Rennen aber längst wieder wohlauf. »Tut mir leid, wenn ich Unsinn rede, ich<br />
wurde kräftig durchgeschüttelt«, ulkte er dennoch nach seinem Sieg, der lange kein<br />
witziger Einzelfall blieb. Auch 2009 in Misano tauchte Rossi verkleidet auf dem Podest<br />
auf. Im Rennen zuvor in Indianapolis war er wegen eines Fehlers gestürzt und deshalb<br />
ohne Punkte geblieben. Vor seinem Heimrennen benannte er sich von »The Doctor«<br />
in »The Donkey« um, weil er der Meinung war, so einen dummen Fehler könne nur<br />
ein Esel machen. Auf heimischem Terrain bügelte er den Patzer allerdings mit einem<br />
Sieg wieder aus. Natürlich war es dennoch ein willkommener Anlass für ein neues<br />
Helmdesign und einen entsprechenden Gag.<br />
78 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: HONDA<br />
Ein Italiener<br />
fährt im<br />
Hühnerstall<br />
Motorrad...<br />
1. EIN HÜHNCHEN MIT OSVALDO RUPFEN<br />
1998 tauchte ein neuer Sponsor von Rossi auf: Die Polleria<br />
Osvaldo. Was nur wenige wussten: Diese Hühnerfarm<br />
existierte nur in der Fantasie des italienischen<br />
250ccm-Piloten. Rossi spann die Geschichte immer<br />
weiter und nahm auf der Auslaufrunde in Barcelona ein<br />
entsprechendes Maskottchen auf der Aprilia mit. Der<br />
Sponsor, der gar keiner war, wurde unter Rossis Fans<br />
immer populärer, bis das italienische Fernsehen eine<br />
Dokumentation über den vermeintlichen Farmbesitzer<br />
Osvaldo drehen wollte. Diese Gelegenheit konnte sich<br />
Rossi nicht entgehen lassen: Er suchte einen alten Hof,<br />
bevölkerte ihn mit Hühnern, malte den Slogan »Jedes<br />
Hühnchen kennt Osvaldo« an die Wand und trieb einen<br />
alten Kauz aus Tavullia auf, der sich als Osvaldo ausgab.<br />
Ohne zu ahnen, dass sie einer Fälschung gegenüberstand,<br />
drehte die Crew vom italienischen Fernsehsender<br />
RAI die Dokumentation über Osvaldo und strahlte sie<br />
sogar aus.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 79
ALEIX<br />
ESPARGARO<br />
POL<br />
BRÜDER, BESTE FREUNDE UND HARTE KONKURRENTEN<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
2014 TRETEN ALEIX UND POL ESPARGARO IN DER MOTOGP GEGENEINAN-<br />
DER AN. WER HILFT WEM? WIE STARK IST DIE KONKURRENZ UND WAS<br />
WAR IHRE WITZIGSTE KINDHEITSGESCHICHTE?<br />
MOTORSPORT-MAGAZIN.COM SPRACH MIT DEM GESCHWISTERPAAR.<br />
80 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 81<br />
FOTOS: MIALGRO
Aleix<br />
Espargaro<br />
dominiert die<br />
Open-Klasse<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
MSM: Ihr seid immer glücklich. Wie geht das?<br />
ALEIX ESPARGARO: Ich versuche es. Wenn ich<br />
die Tür zum Motorhome hinter mir schließe, bin<br />
ich sauer. Aber den Leuten muss man ein Lächeln<br />
schenken, das ist wirklich wichtig. Das Leben ist<br />
nicht leicht und ich muss mich so bedanken. Ich<br />
fahre Motorradrennen, das ist meine Leidenschaft<br />
und ich werde dafür bezahlt, Motorräder zu<br />
fahren. Also muss ich jeden Tag glücklich sein.<br />
POL ESPARGARO: Ich tue, was ich will. Ich<br />
arbeite mit meiner Leidenschaft. Ich bin glücklich<br />
und ich kann das tun, was ich liebe. Ich fahre<br />
Motorräder und kann mich nicht beschweren. Das<br />
ist perfekt.<br />
Wie ist das Gefühl auf einem MotoGP-Bike zu<br />
fahren?<br />
Aleix: Ich fühle mich großartig und wirklich wohl<br />
auf dem Bike und im Team. Sie helfen mir so sehr.<br />
Das Wichtigste ist, dass die Ergebnisse gut sind,<br />
aber ich genieße es auch sehr, das Motorrad zu<br />
fahren. Das ist das Beste.<br />
Pol: Ich fühle mich gut. Ich fühle mich noch<br />
immer wie ein Rookie und weiß, dass ich viel lernen<br />
muss, aber Rennen für Rennen genieße ich<br />
die Kategorie und das Bike mehr. Wenn es regnet,<br />
habe ich momentan noch ein paar Probleme, aber<br />
das ist okay.<br />
Hast du Pol zum Start in der MotoGP-Tipps gegeben?<br />
Hat Aleix dir geholfen?<br />
Aleix: Am Anfang habe ich ihm ein bisschen über<br />
die Motorbremse, die Elektronik und so erklärt.<br />
Er hatte zu Beginn ein paar Probleme mit den<br />
Bremsen, weil es jetzt Karbon-Bremsen sind, aber<br />
er war direkt schnell. Schon beim ersten Test in<br />
Valencia war er schneller als ich. Also habe ich<br />
ihm nach dem Test in Valencia nichts mehr verraten,<br />
denn er schafft das schon alleine.<br />
Pol: Ja, ein bisschen. Nicht allzu sehr, aber ein<br />
ICH MUSSTE MEINEN FAHRSTIL EIN WENIG ÄNDERN, ALS ICH<br />
DAS BIKE ZUM ERSTEN MAL GEFAHREN BIN. AUF DER APRILIA<br />
BREMST DU RICHTIG TIEF IN DER KURVE HINEIN. AUF DER<br />
YAMAHA MUSST DU FRÜHER BREMSEN, DAS BIKE EINLENKEN<br />
UND KANNST DEN KURVEN-SPEED MITNEHMEN.<br />
bisschen. Besonders zu Beginn der Saison war er<br />
für mich da. Jetzt etwas weniger, aber er unterstützt<br />
mich dennoch sehr.<br />
War es schwierig, dich an die Yamaha zu gewöhnen?<br />
Was war das Schwerste für dich in der neuen<br />
Kategorie?<br />
Aleix: Nicht wirklich. Ich musste meinen Fahrstil<br />
ein wenig ändern, als ich das Bike zum ersten Mal<br />
gefahren bin. Auf der Aprilia bremst du richtig tief<br />
in der Kurve hinein. Auf der Yamaha musst du<br />
früher bremsen, das Bike einlenken und kannst<br />
den Kurven-Speed mitnehmen. Es ist recht anders,<br />
aber es war leicht, weil sich das Bike gut fahren<br />
lässt.<br />
Pol: Ich denke, die Traktionskontrolle und die<br />
ganzen Elektronik-Systeme waren wirklich schwer<br />
zu erlenen. Ich kannte das aus den anderen Kategorien<br />
nicht und hier sind die Motorräder voller<br />
elektronischer Hilfen und das war das größte Problem<br />
für mich.<br />
Sprecht ihr an den Rennwochenenden über das<br />
Motorrad, Linien oder andere Besonderheiten?<br />
Aleix: Nicht wirklich, weil die Bikes ziemlich verschieden<br />
sind. Nach dem Qualifying und vor dem<br />
Rennen reden wir oft über die Reifen, also welchen<br />
Reifen er für das Rennen wählt, welchen ich wählte.<br />
Das ist das Einzige, was wir gemeinsam haben. Der<br />
Rest ist sehr unterschiedlich.<br />
Pol: Wir sprechen ein bisschen darüber, aber wir<br />
können nicht allzu viele Informationen teilen.<br />
Schließlich sind wir in verschiedenen Teams und<br />
müssen das respektieren. Wir versuchen aber, unsere<br />
Gefühle nach dem Training und allem zu teilen, um<br />
zu wissen, wie wir uns verbessern oder ob wir etwas<br />
anders machen können. Aleix hilft mir sehr, manchmal<br />
helfe ich ihm aber auch ein bisschen.<br />
82 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Bist du glücklich, dass ihr dieses Jahr gegeneinander<br />
in einer Kategorie antretet?<br />
Aleix: Ja, sehr! Das Wochenende ist damit viel<br />
leichter für mich. Ich bin entspannter. Letztes Jahr<br />
sah ich mir immer ganz aufgeregt seine Moto2-<br />
Rennen an. Dieses Jahr kann ich mich da entspannen.<br />
Wenn ich ihn auf der Strecke treffe, ist es toll,<br />
gegen ihn zu kämpfen. Ihn vor mir fahren zu<br />
sehen, ist etwas Besonderes.<br />
Pol: Ich mag es nicht wirklich, denn es ist einfach<br />
ein anderes Rennen, wenn dein Bruder mitfährt.<br />
Das ist ziemlich schwierig. Aber das ist unser Job,<br />
wir müssen das für unsere Teams und Sponsoren<br />
machen.<br />
Aleix, ist es für dich auch manchmal schwierig,<br />
gegen ihn zu kämpfen?<br />
Aleix: Das ist schwierig. Er ist Weltmeister und<br />
extrem stark. Er hat die Satelliten-Yamaha und ist<br />
verdammt schnell. Es ist schwierig, aber schön.<br />
Obwohl er wirklich schnell ist, muss ich ihn ab<br />
und an natürlich auch überholen und ich kann<br />
nicht an ihm vorbeifahren wie an einem anderen<br />
Fahrer. Er ist mein kleiner Bruder, also muss ich<br />
vorsichtiger sein und darf nicht aggressiv herangehen.<br />
Das ist nicht leicht.<br />
Wie würde euer Leben an der Strecke aussehen,<br />
wenn ihr im gleichen Team fahren würdet?<br />
Aleix: Das wäre toll. Eine großartige Idee! Das<br />
würde mir sehr gefallen. Denn abgesehen davon,<br />
dass er mein Bruder ist, sind wir auch beste<br />
Freunde. Wir haben die gleichen Freunde und<br />
verbringen viel Zeit miteinander. Ich denke aber<br />
auch, dass das Team richtig stark wäre, weil jeder<br />
von uns immer besser sein will als der andere. Das<br />
wäre fantastisch.<br />
Pol: Ich denke, das wäre nicht wirklich gut und<br />
vor allem nicht ernst. Das wäre ein starker Konkurrenzkampf.<br />
Meinen Bruder als Teamkollegen<br />
zu haben, wäre für mich sehr schwierig. Das ist<br />
nicht die beste Idee, aber vielleicht ist es eine<br />
Option für die Zukunft.<br />
Hat sich euer Verhältnis verändert, seit Pol in der<br />
MotoGP fährt, also seitdem ihr direkte Gegner<br />
seid?<br />
Pol: Nein, nie! Ich hoffe, dass sich das nie verändert.<br />
Unser Verhältnis ist momentan wirklich<br />
wundervoll. Wir sind immer zusammen und nicht<br />
nur an den Rennwochenenden. Wenn sich das<br />
verändern würde, wäre ich nicht glücklich. Aktuell<br />
ist es toll.<br />
Aleix: Vielleicht waren wir im letzten Jahr etwas<br />
enger zusammen, weil ich während seiner Trainings<br />
immer in seiner Box war und er während<br />
meiner Trainings in meiner. Wir sprachen etwas<br />
mehr. Ich versuchte, ihm im letzten Jahr ein bisschen<br />
mehr zu helfen, weil er um den Titel gekämpft<br />
hat. Sicherlich sind wir in dieser Saison eher Rivalen.<br />
Aber wenn wir Zeit miteinander verbringen,<br />
ist nichts anders.<br />
Angenommen ihr beide hättet die Chance auf den<br />
WM-Titel und die Meisterschaft würde sich erst<br />
im letzten Rennen in Valencia entscheiden: Wie<br />
würde dieses Rennen aussehen?<br />
Aleix: Puh... Auf jeden Fall unglaublich! Das<br />
wären sicherlich ein paar schlaflose Nächte. Natür-<br />
Pol Espargaro<br />
tut, was er<br />
liebt<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 83
FOTOS: MILAGRO<br />
Eine Familie voller Sonnenschein: Die<br />
Espargaro-Brüder sind immer gut drauf<br />
und genießen jeden Moment<br />
84 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
lich ist es das oberste Ziel, Weltmeister zu werden,<br />
aber dafür deinen Bruder besiegen? Das wäre<br />
etwas Besonderes, aber ich kann es mir nicht vorstellen.<br />
Ich will es mir gar nicht vorstellen. [lacht]<br />
Pol: Ja, das wäre auf jeden Fall schwierig. Ich hoffe<br />
einfach, dass das nie passieren wird. Sollte es passieren,<br />
weiß ich wirklich nicht, wie es aussehen<br />
soll.<br />
Habt ihr euch schon als Kinder gegenseitig<br />
herausgefordert?<br />
Aleix: Ja, immer! In den Rennen nicht allzu sehr,<br />
weil ich zwei Jahre älter bin als Pol und ich meistens<br />
in einer höheren Klasse gefahren bin. Aber<br />
wir sind zusammen in der 125er gefahren, in der<br />
Moto2 und es war schön, dass wir uns gegenseitig<br />
herausfordern konnten, aber MotoGP ist da natürlich<br />
das Beste.<br />
Pol: Wir begannen mit dem Fahren als wir noch<br />
Kinder waren. Er hatte immer ein größeres Bike<br />
als ich und schlug mich damit immer. Als ich dann<br />
aber auf das größere Bike kam, war ich immer<br />
schneller als er, weil ich seine und meine Erfahrungen<br />
hatte. Wir sind immer in verschiedenen<br />
Kategorien gefahren, zusammen anzutreten war<br />
schwer, aber wir haben immer gegeneinander<br />
gekämpft.<br />
Fühlst du dich verantwortlicher, weil du der<br />
Ältere bist?<br />
Aleix: Ja, ein bisschen. Ich meine, wenn du der<br />
Große bist, dann musst du dem Kleinen immer<br />
etwas beibringen und ihm helfen. Letztes Jahr<br />
habe ich das die ganze Zeit gemacht, aber dieses<br />
Jahr will ich das nicht mehr machen, weil er von<br />
ganz allein so schnell ist.<br />
Glaubst du Aleix nimmt etwas mehr Rücksicht,<br />
weil du der jüngere Bruder bist?<br />
Pol: Ja, das scheint so. Der große Bruder verteidigt<br />
immer den kleinen Bruder. Das ist normal und<br />
ich denke, das sollte in jeder Familie so sein.<br />
Manchmal kann ich ihm aber sogar etwas mehr<br />
helfen als er mir, das hängt aber immer von der<br />
jeweiligen Situation ab.<br />
Was ist die lustigste Erinnerung aus eurer<br />
Kindheit?<br />
Aleix: Da gab es viele Abenteuer! Als wir noch richtig<br />
klein waren, hatten wir einen Kaktus zu Hause. Ich<br />
habe zu ihm gesagt: ‚Los, fass den an, das ist cool!‘<br />
Er hat es natürlich gemacht und die ganzen Stacheln<br />
in den Händen gehabt. Meine Mum erzählt das<br />
immer all unseren Freunden. Ich war da sechs oder<br />
sieben Jahre alt, er zwei Jahre jünger.<br />
Pol: Da gibt es viele Erinnerungen. Die Kaktus-<br />
Geschichte war schon etwas gemein. Er sagte mir:<br />
‚Du musst ihn anfassen! Du wirst sehen, das macht<br />
Spaß.‘ Ich war total jung und habe das natürlich<br />
gemacht. Ich habe den Kaktus sogar umarmt. Verdammt,<br />
das tat so sehr weh! Aber im Nachhinein<br />
war das wirklich lustig.<br />
Könnt ihr erklären, warum euer Verhältnis so<br />
eng ist?<br />
Aleix: Ich denke, das ist weil wir komplett verschieden<br />
sind: Ich bin gerne mit Freunden<br />
zusammen, er ist gerne mal allein, ich bin total<br />
pünktlich, er ist eine Katastrophe, er schläft viel,<br />
ich schlafe nicht viel, ich bin immer total aufgeregt<br />
und er ist die Ruhe selbst. Da gibt es tausend<br />
Dinge. Jeder macht sein Ding, aber weil der eine<br />
den anderen ergänzt sind wir total verbunden<br />
und wirklich gute Freunde.<br />
Pol: Ich denke, wir sind mehr als Brüder. Wir<br />
fahren hier Rennen, unterstützen uns gegenseitig,<br />
wir fahren zu Hause Dirt-Bike, Supermoto, wir<br />
machen alles zusammen. Wir sind Freunde und<br />
mehr oder weniger im gleichen Alter. Dadurch<br />
haben wir die gleichen Freunde, gehen zusammen<br />
auf Partys, zum Essen und alles. Das macht<br />
unser Verhältnis noch ein bisschen besser. Wir<br />
sind mehr als Brüder, denn wir sind auch richtig<br />
gute Freunde.<br />
Wie sieht euer Leben zu Hause aus?<br />
Aleix: Wir trainieren fast jeden Tag zusammen.<br />
Er ist fast die ganze Zeit in meinem Haus. Wir<br />
fahren gemeinsam Fahrrad, seit wir in Andorra<br />
leben sind wir auch immer mit meinem Hund<br />
unterwegs - also alle Drei zusammen. Fast jeden<br />
Tag essen und trainieren wir gemeinsam.<br />
Pol: Meistens trainieren wir zusammen. Er fährt<br />
Aleix passt oft<br />
auf seinen<br />
kleinen Bruder<br />
Pol auf<br />
ICH BIN GERNE MIT FREUNDEN ZUSAMMEN, ER IST GERNE MAL<br />
ALLEIN, ICH BIN TOTAL PÜNKTLICH, ER IST EINE KATASTROPHE, ER<br />
SCHLÄFT VIEL, ICH SCHLAFE NICHT VIEL, ICH BIN IMMER TOTAL<br />
AUFGEREGT UND ER IST DIE RUHE SELBST.<br />
lieber Dirt-Bike, ich lieber Supermoto und da ist<br />
es schwer, zusammenzukommen. Wir versuchen<br />
aber immer, zusammen zu fahren, denn wir lernen<br />
dabei einfach mehr, wenn wir uns gegenseitig<br />
haben, als wenn einer von uns allein trainiert.<br />
Das ist gut.<br />
Was ist dein Ziel dieses Jahr?<br />
Aleix: Mein Ziel ist es, unter den Top-6 in der<br />
MotoGP zu landen. Das wird wirklich sehr schwer,<br />
denn das Niveau ist sehr hoch und vor uns fahren<br />
viele MotoGP-Werksbikes. Aber das ist mein Ziel<br />
und ich werde dafür kämpfen.<br />
Pol: Die Top-5 sind mein Ziel, also Fünfter zu<br />
werden. Ich denke, das ist der beste Platz, den ich<br />
holen kann. Diese Meisterschaft als Fünfter zu<br />
beenden, wäre für mich im ersten MotoGP-Jahr<br />
wunderbar. Jetzt sind wir Siebter, das ist nicht<br />
schlecht, aber wir sind dicht an Aleix und Dovi<br />
dran. Bis zum Ende der Saison gibt es noch viele<br />
Rennen. Das wird sicher hart und wir müssen<br />
kämpfen, aber ich denke, dass wir das schaffen<br />
können.<br />
Was würdest du dir wünschen, wenn du einen<br />
Wunsch frei hättest?<br />
Aleix: Natürlich MotoGP-Weltmeister zu sein!<br />
Pol: In einem Werksteam zu sein. Ich denke, das<br />
ist das Beste, was mir passieren kann. Wir hoffen,<br />
eines Tages dort zu sein.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 85
FOTOS: MILAGRO<br />
86 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
DOPPELLEBEN<br />
STUDENT<br />
UND<br />
MOTORRADPROFI<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
VON DER UNI AUF DIE RENNSTRECKE: KAREL ABRAHAM BEKOMMT ALLES UNTER EINEN HUT<br />
UND DARF SICH SEIT KURZEM SOGAR ALS JURIST BEZEICHNEN. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM<br />
SPRACH MIT DEM MASTER OF LAWS.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 87
P<br />
aragraphen, Pamphlete, Papierkram<br />
- statt Partys aber eher Strecken,<br />
Setups und Schikanen. So<br />
sah das Leben von Karel Abraham<br />
bis Ende April 2014 aus. Denn der MotoGP-<br />
Fahrer startete nicht nur in der Königsklasse,<br />
sondern studierte zu Hause auch noch Jura. Nun<br />
darf er sich über einen Master-Abschluss freuen.<br />
»Ich bin ehrlich gesagt nicht der Typ, der die<br />
ganze Woche zu Hause sitzt und lernt oder überhaupt<br />
regelmäßig in die Bücher schaut. Was das<br />
Lernen angeht, nehme ich es nicht so genau. Ich<br />
bin kein Streber«, verrät er.<br />
Zur Prüfungszeit im Winter und im Sommer sah<br />
es jedoch etwas anders aus. »Ich lerne da natürlich<br />
auch nicht eineinhalb Monate durchgängig,<br />
aber eine Woche vor der Prüfung setze ich mich<br />
dann schon mal hin, schlage die Bücher auf, gehe<br />
alles durch und lerne, damit ich die Prüfungen<br />
bestehe. Ich habe nicht nur Einsen oder so. Ich<br />
bekomme meist nur irgendeine Note, mit der ich<br />
gerade so bestehe.« Der Tscheche fiel sogar schon<br />
oft durch Prüfungen durch und musste diese<br />
wiederholen. »Das hat mich so geärgert. Ich habe<br />
zwar nicht so viel dafür gelernt, aber ich habe<br />
zumindest gelernt und dann schaffte ich es<br />
nicht.«<br />
Aber Ende gut, alles gut. »Für die Abschlussprüfung<br />
habe ich wirklich viel gemacht. Das ist nicht<br />
in jedem Land gleich, aber in der Tschechischen<br />
Republik musst du ein zweites Staatsexamen<br />
ablegen und dafür musste ich wirklich extrem<br />
viel lernen. Das waren 500 Seiten voller Fakten,<br />
die du nicht nur grob, sondern Wort für Wort<br />
wiedergeben musstest. Das war wirklich, wirklich<br />
hart. Aber bei der Abschlussprüfung hatte ich<br />
Glück und zog eine relativ einfache Frage. Eine<br />
andere war dafür schwer, aber ich hatte einen<br />
super Prüfer, der jung und sehr nett zu mir war.<br />
Ich habe am Ende alles bestanden - nicht mit den<br />
perfekten Noten, aber ich habe es geschafft und<br />
den Master-Abschluss in der Tasche«, sagt Abraham<br />
strahlend.<br />
Doch der Weg zum Abschluss war für den<br />
24-Jährigen nicht leicht. Besonders nach Le Mans<br />
war der Neid auf die Kollegen groß, die lediglich<br />
trainieren und nicht nach Hause zurückkehren<br />
mussten, um vor ihrer großen Prüfung Gesetzestexte<br />
zu lernen. »Ich musste die ganzen Informationen<br />
in kurzer Zeit in meinen Kopf bekommen.<br />
Das war kein gutes Gefühl«, erklärt er offen.<br />
»Als ich es geschafft hatte, war ich aber wirklich<br />
glücklich und es war eine Erleichterung.« Den<br />
MotoGP-Rennen räumte er aber immer den Vorrang<br />
ein. »Wären die Abschlussprüfungen an<br />
einem Renntermin gewesen, wäre ich auch nicht<br />
hingegangen. Dann hätte ich es später gemacht.<br />
Es war mir aber auch wichtig, den korrekten Weg<br />
zu gehen und das hat am Ende geklappt.«<br />
Damit es auf und abseits der Rennstrecke demnächst<br />
nicht allzu langweilig wird, will der Pilot<br />
aus Brünn sogar noch einen Doktor anhängen.<br />
Die Bewerbungsphase läuft bereits. Als Rechtsanwalt<br />
will er dennoch auch später nicht arbeiten.<br />
»Das ist eine Menge Papierkram und du musst<br />
die Worte verdrehen können. Das möchte ich<br />
nicht unbedingt machen. Ich habe Jura studiert,<br />
weil ich nur zwei Möglichkeiten hatte, nachdem<br />
du im Grunde alles machen kannst, was du willst:<br />
das war Wirtschaft oder eben Gesetzgebung. Und<br />
Jura kannst du für fast alles anwenden, dann<br />
kannst du auch Manager oder Besitzer von<br />
irgendwas sein. Ich war aber wirklich schlecht in<br />
Mathe und deshalb habe ich Wirtschaft nicht<br />
gewählt. Dann gab es noch ein anderes Thema,<br />
das ich gern gemacht hätte, aber da gab es eine<br />
tägliche Anwesenheitspflicht, was in meinem<br />
Falle natürlich nicht ging«, erklärt er.<br />
Der Motorradrennsport stand für Abraham dennoch<br />
immer auf Platz eins. »Es hilft, wenn man<br />
sich das Studium nicht so zu Herzen nimmt, dass<br />
es einen auf der Strecke behindert«, verrät er sein<br />
Erfolgsrezept. »Manchmal ist es besser, bei den<br />
Rennen zu sein. Nur Rennen zu fahren, wäre aber<br />
nichts für mich. Wenn Rennsport mein ganzes<br />
Leben wäre, würde mich das wohl nicht wirklich<br />
erfüllen. Dann würde mir etwas fehlen, das wäre<br />
nicht genug. Ich muss etwas anderes tun.«<br />
Karel Abraham gibt<br />
nicht nur auf der<br />
Strecke Gas<br />
ICH HATTE ZUR DUCATI KEIN VERTRAUEN. IM ERSTEN JAHR<br />
SCHON, ABER IM ZWEITEN JAHR NICHT MEHR, DA ICH OFT<br />
GESTÜRZT BIN. ICH WAR MIR NICHT SICHER, OB ICH IN DER<br />
MITTE DER KURVE STÜRZE ODER NICHT.<br />
Sobald die Gesetzestexte ausgeblendet sind, gibt<br />
Abraham einfach nur Gas und es funktioniert:<br />
2014 erlebte er bis Assen erst zwei Ausfälle und<br />
konnte in sechs Rennen punkten. »Ich denke, das<br />
liegt am Bike. Ich hatte zur Ducati kein Vertrauen.<br />
Im ersten Jahr schon, aber im zweiten<br />
Jahr nicht mehr, da ich oft gestürzt bin. Ich war<br />
mir nicht sicher, ob ich in der Mitte der Kurve<br />
stürze oder nicht. Ich hatte also wirklich Angst<br />
und pushte nicht so hart«, sagt er. Auch auf der<br />
Aprilia im letzten Jahr sei er oft aus unerklärlichen<br />
Gründen abgeflogen.<br />
Dank gestiegenem Vertrauen kann der Tscheche<br />
in dieser Saison endlich ohne Angst fahren. »Ich<br />
weiß, dass ich von der Strecke abkommen kann<br />
oder sich etwas bewegt. Aber ich weiß auch, dass<br />
ich nicht zehn Mal durch eine Kurve fahre und<br />
beim elften Mal genauso fahre und grundlos<br />
stürze. Das passiert mit der Honda nicht. Bei all<br />
meinen Stürzen bisher, kann man bei der Honda<br />
sehen, woran es lag. Das ist wirklich wichtig. Ich<br />
erinnere mich, dass ich mit der Aprilia und mit<br />
der Ducati manchmal gestürzt bin und nicht<br />
wusste, warum. Wir überprüften die Telemetrie-<br />
Daten und suchten einen Grund, aber es gab<br />
einfach keinen. Das war verwirrend und passiert<br />
dieses Jahr nicht mehr.«<br />
Abraham beschreibt die Honda als gutes Bike -<br />
88 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
esonders in den Kurven, denn das Chassis sei<br />
sehr angenehm zu fahren. Allerdings könnte der<br />
Motor etwas besser sein. »Ich denke, der Fortschritt<br />
des Motors ist sehr gut, aber der Top-<br />
Speed ist nicht wirklich perfekt - besonders im<br />
Vergleich zu Ducati. Natürlich ist das ein ganz<br />
anderes Bike, aber ich glaube, dass auf der Ducati<br />
Leute sitzen, gegen die wir kämpfen können, weil<br />
wir gut genug sind, aber ihr Motor ist so viel<br />
besser. Genauso ist es mit Yamaha - mit Colin<br />
Edwards und Aleix Espargaro. Aleix fährt die<br />
Yamaha zur Perfektion, er ist wirklich unglaublich<br />
gut, aber ich denke dennoch, dass ihr Bike<br />
ein kleines bisschen mehr Power hat.« Der<br />
24-Jährige glaubt, dass alle Honda-Production-<br />
Piloten in der Lage wären, gegen die Open-Konkurrenten<br />
zu kämpfen. Wenn nur das Aggregat<br />
etwas besser wäre.<br />
Nichts Neues für HRC-Boss Shuhei Nakamoto.<br />
Schließlich ist Abraham nicht der erste ‚Kunde‘<br />
mit Beschwerden. In Japan wird bereits fleißig<br />
an einem Update des Production Racers gearbeitet.<br />
Der Pilot des Cardion AB Motoracing Teams<br />
erklärt: »Honda und Dorna handeln da gerade<br />
irgendetwas aus. Honda arbeitet an einem neuen<br />
Bike für nächstes Jahr, das vielleicht wieder etwas<br />
besser sein könnte. Nicky Hayden, Scott Redding<br />
und ich, wir beschweren uns alle ein bisschen<br />
über den Speed. Natürlich muss Honda daran<br />
arbeiten und das machen sie momentan auch.«<br />
Mit möglichst guten Ergebnissen plant Abraham<br />
auch für 2015, wieder einen Vertrag mit Honda<br />
zu unterzeichnen. »Ich freue mich aber noch<br />
etwas mehr auf 2016 - und es ist sehr schade, dass<br />
es noch nicht in der nächsten Saison so weit ist:<br />
die Elektronikregeln, die meiner Meinung nach<br />
ein großer Schritt sein werden«, erzählt er.<br />
»Wenn wir die gleichen Motoren wie die<br />
MotoGP-Bikes haben und sie die gleiche Elektronik<br />
haben wie wir, dann könnten wir vielleicht<br />
wieder in der Lage sein, um eine gute Position<br />
zu kämpfen. Denn momentan liegen die Top-10<br />
dicht zusammen, direkt dahinter kommen zwei<br />
Fahrer, die nicht weit zurück liegen und genau<br />
eine Sekunde dahinter kommen wir.« Frustrierend<br />
seien besonders die Geraden, auf denen er<br />
etwa 50 Meter auf die Werksbikes verliert.<br />
Grundsätzlich liegt zwischen den MotoGP- und<br />
den Open-Bikes eine ganze Sekunde, was Abraham<br />
etwas grämt. »Ich möchte gerne mit den<br />
anderen kämpfen, habe aber einfach nicht die<br />
Chance. Ich habe versucht, jemanden auf einem<br />
MotoGP-Bike zu folgen. In den Kurven verliere<br />
ich nicht wirklich auf sie, sondern mache manchmal<br />
sogar Meter gut und bin noch dran. Wenn<br />
es dann auf eine Gerade geht - und selbst wenn<br />
diese nur kurz ist - fährt der MotoGP-Fahrer<br />
direkt eine Lücke von 50 Metern auf, dann<br />
kommt die nächste Gerade und er ist so gut wie<br />
weg.« Dennoch steckt der erfahrene MotoGP-<br />
Pilot und Jurist den Kopf nicht in den Sand. »Wir<br />
versuchen, uns in jedem Rennen zu steigern, was<br />
wirklich hart ist, weil der Wettbewerb da draußen<br />
echt stark ist. Aber ich bin happy.«<br />
Mit der Honda<br />
kommt der Tscheche<br />
gut zurecht<br />
FOTOS: MIALGRO<br />
Ursachen für einen<br />
Sturz findet Abraham<br />
2014 schnell<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 89
FOTOS: MILAGRO, DUCATI<br />
90 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
AUF DEM<br />
RICHTIGEN WEG<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
EIN LICHT AM ENDE DES TUNNELS? ANDREA DOVIZIOSO FEIERTE 2014 BEREITS ZWEI<br />
PODESTPLÄTZE. CAL CRUTCHLOW KOMMT NICHT RICHTIG IN FAHRT. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM<br />
SPRACH MIT DEN DUCATI-PILOTEN.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 91
S<br />
chwierigste Bedingungen: Regenund<br />
Trockenphasen wechseln sich<br />
ab. Der TT Circuit ist vor dem Start<br />
der MotoGP fast abgetrocknet. Die<br />
Piloten fahren mit Slicks auf den Kurs und noch in<br />
der Sichtungsrunde setzt der Regen wieder ein. Ein<br />
Poker vom allerfeinsten, den nur die Cleversten<br />
gewinnen können. Zur Freude des Ducati-Teams<br />
zählt auch Andrea Dovizioso zu den vorsichtigen,<br />
aber schnellen Piloten. Nach einem grandiosen<br />
Kampf gegen den Weltmeister führt der Ducati-<br />
Pilot sogar einige Runden, bis er sich schließlich<br />
Marc Marquez geschlagen geben muss. Dennoch<br />
feiert das Team aus Bologna in den Niederlanden<br />
schon das zweite Podest der Saison.<br />
Cal Crutchlow<br />
erlebt einen<br />
schwierigen<br />
Ducati-Einstieg<br />
FOTOS: MIALGRO, DUCATI<br />
»Das hätte ich nicht erwartet«, gibt Dovizioso im<br />
Gespräch mit <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com zu.<br />
»Eigentlich sind wir nicht schnell genug, um auf<br />
dem Podium zu stehen. Wir haben es aber<br />
geschafft, weil wir besser arbeiten als die anderen.<br />
Wir sind zwar dichter dran, als in der Vergangenheit,<br />
aber eben nicht schnell genug, um wirklich<br />
um einen Podestplatz zu kämpfen. Daher bin ich<br />
sehr glücklich.« Insgesamt begann die zweite<br />
Ducati-Saison für den Italiener besser. »Ich fühle<br />
mich wirklich gut. Aber ich denke, unsere Situation<br />
ist noch immer sehr schwierig.«<br />
Die Desmosedici habe sich über den Winter verbessert.<br />
Dovizioso konnte mit seiner Crew einen<br />
Schritt nach vorne machen, hat aber noch immer<br />
das Gefühl, zu weit hinter den Konkurrenten<br />
zurückzuliegen. »Aber wir liegen an vierter Position<br />
der WM. Das ist unglaublich. Ich hatte das<br />
nicht erwartet. Wir bekamen alles, was wir bis jetzt<br />
holen konnten. Ich bin so glücklich darüber, wie<br />
wir mit der Situation umgehen. Denn wir haben<br />
das Tempo nicht, um auf Platz vier in der WM zu<br />
stehen, aber unsere Arbeit war perfekt - und das<br />
mit dem Bike, das wir aktuell haben. Mein Gefühl<br />
ist wirklich gut.«<br />
Auf der anderen Seite der Box herrscht dagegen<br />
Frustration. »Es ist schwierig«, so Cal Crutchlow,<br />
der nach dem sechsten Platz beim Auftakt in Katar<br />
nicht mehr viele Punkte holen konnte. »Wir hatten<br />
einen schlechten Start ins Jahr. Ich denke, ich hatte<br />
von Bike und Team mehr erwartet.« Jetzt weiß der<br />
Brite, wie die Realität bei den Italienern aussieht.<br />
Daraus zieht er seine Schlüsse: »Es gibt keinen<br />
Grund mehr, an mein Limit zu gehen, denn das<br />
war bisher bei allen bei Ducati im ersten Jahr nutzlos.<br />
Danach werden sie besser, also gehe ich im<br />
Moment keine Risiken ein. Ich fahre einfach, leiste<br />
die beste Arbeit, die ich leisten kann und gebe<br />
ihnen Informationen für die Zukunft.«<br />
Mit seinen bisherigen Ergebnissen ist Crutchlow<br />
ganz und gar nicht zufrieden, aber die harte Arbeit<br />
seines Teams gibt ihm Vertrauen. »Meine Jungs<br />
arbeiten härter für mich, als es jemals jemand getan<br />
hat. Bei Tech 3 war es leicht. Wenn du da mit einem<br />
Bike gestürzt bist, war es in einer Stunde wieder<br />
zusammengebaut, weil alle Teile schon längst hergestellt<br />
waren. Das Bike wird auf fünf Jahre entwickelt.<br />
Die Arbeit für das 2014er Bike begannen sie<br />
vielleicht vor fünf Jahren. Ducati arbeitet hingegen<br />
konstant. Ich bin sehr glücklich mit der Arbeit, die<br />
die Jungs für mich machen, aber wir müssen das<br />
Bike konkurrenzfähig machen«, hält Crutchlow<br />
fest, der sich lange nach einem Werksteam sehnte.<br />
Damit das Duo überhaupt dorthin kommen<br />
konnte, wo es jetzt ist, musste sich das Team vor<br />
der Saison vielen Diskussionen stellen. »Das war<br />
sehr seltsam. Die Regeln standen schon im November<br />
fest und zwei Wochen vor Saisonbeginn<br />
beschwerten sich plötzlich viele Leute. Dennoch<br />
denke ich, dass Gigi [Luigi Dall‘Igna Hauptgeschäftsführer]<br />
in der Lage war, einen guten Kompromiss<br />
mit den Konkurrenten zu finden«, sagt<br />
Dovizioso. Bringt das verbesserte Elektronik-System<br />
überhaupt einen Vorteil? Laut Crutchlow ist<br />
das Privileg keine große Hilfe. »Die Systeme sind<br />
sehr ähnlich. Was wir haben, ist auf keinen Fall<br />
besser, als die Software von irgendwem anders und<br />
auch nicht besser als die der Open-Kategorie. Wir<br />
müssen die Elektronik noch verbessern.«<br />
Dovizioso verriet allerdings, dass die Sonder-Elektronik<br />
doch gewisse Vorzüge habe. »Du kannst die<br />
Elektronik verbessern und entwickeln. Das geht<br />
bei den Open-Teams nicht. Natürlich kannst du<br />
ein wenig mit Magneti Marelli arbeiten, aber wenn<br />
du die Elektronik im Haus herstellst, kannst du<br />
machen, was du willst.« Schon auf dem Sachsenring<br />
wollte Dall‘Igna seinen Schützlingen ein Update<br />
bringen. Laut dem Italiener sei das allerdings keine<br />
signifikante Steigerung, lediglich eine kleine Hilfe<br />
bei der Einstellung der Traktionskontrolle.<br />
Um die Desmosedici aber endlich zu einer siegfähigen<br />
Maschine zu machen, versuchen die Techniker<br />
bei Ducati - allen voran Dall‘Igna - noch<br />
immer, die Grundprobleme auszumerzen. »Das<br />
Hauptproblem ist meiner Meinung nach noch<br />
immer das Umlegen. Das ist noch genauso, hat sich<br />
nie geändert und ist ein wirklich, wirklich großes<br />
Problem«, erklärt Dovizioso, der sich schon seit<br />
eineinhalb Jahren mit den Sorgen der Roten<br />
herumplagt. »Das ist zwar nicht das Einzige, was<br />
uns davon abhält, anständig gegen die anderen zu<br />
kämpfen, aber solange das nicht gelöst ist, wird es<br />
sehr schwierig.«<br />
Für Crutchlow steht fest: die Probleme sind vielfältig.<br />
»Es gibt zu viele. Es gibt ein Problem mit dem<br />
Chassis, ein Problem mit dem Motor, ein Problem<br />
mit der Elektronik...« Der 28-Jährige gibt so viele<br />
Informationen weiter, wie er sammeln kann. »Das<br />
Team arbeitet immer«, lobt er. »Momentan haben<br />
sie es noch nicht komplett raus, aber wenn sie es<br />
Bradl wurde in<br />
Jerez von<br />
Problemen<br />
gehemmt<br />
92 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
DAS IST EINES DER PROBLEME: ICH WEISS NICHT GENUG. ANDREA WEISS VIEL<br />
MEHR ALS ICH, WEIL ER ITALIENER IST. ES IST SEHR SCHWIERIG, AN INFORMATIONEN<br />
ZU KOMMEN, DENN SIE ARBEITEN HART AN DER ZUKUNFT.<br />
schaffen, wird das Bike auf jeden Fall konkurrenzfähig.<br />
Sie haben starke Fahrer. Deshalb ist es so<br />
wichtig, ihnen die richtigen Informationen zur<br />
Verbesserung zu stellen. Ich könnte mir vorstellen,<br />
dass sie mehr arbeiten als alle anderen Leute in<br />
diesem Fahrerlager.«<br />
F<br />
olgt für den Fleiß auch bald der<br />
Preis? Dall‘Igna tüftelt bereits an<br />
einer komplett neuen Maschine für<br />
2015. »Gigi hat schon entschieden,<br />
wie das neue Bike aussehen soll, es kommt aber<br />
erst am Ende des Jahres oder Anfang des nächsten.<br />
Es ist eine große Frage, wie das Bike sein wird. Ich<br />
glaube aber an das Projekt, weil ich denke, dass<br />
Gigi binnen weniger Monate in diesem Winter<br />
schon gut gearbeitet hat«, äußert Dovizioso, der<br />
seinen Vertrag zur World Ducati Week in Misano<br />
um zwei weitere Jahre verlängerte.<br />
Crutchlow versteht die Italiener nicht. Auf die<br />
Frage, ob er weiß, wie das neue Bike aussehen<br />
wird, sagte er entrüstet: »Nein, das ist eines der<br />
Probleme: Ich weiß nicht genug. Andrea weiß viel<br />
mehr als ich, weil er Italiener ist. Es ist sehr<br />
schwierig, an Informationen zu kommen, denn<br />
sie arbeiten hart an der Zukunft. Hoffentlich weiß<br />
ich bald etwas, aber ich weiß nicht wann.« Zudem<br />
sieht der Brite das Unternehmen einer komplett<br />
neuen Maschine mit Blick auf 2016 kritisch. »Ich<br />
denke, das wird sehr schwer für Ducati, denn jetzt<br />
bauen wir ein Bike für nächstes Jahr mit den<br />
Bridgestone-Reifen und dann müssen wir ein<br />
weiteres Bike für die Michelin-Reifen bauen. Wir<br />
sollten uns wohl eher darauf konzentrieren, ein<br />
Motorrad für die Michelin-Reifen und nicht für<br />
die Bridgestone-Reifen zu bauen. Am Ende wird<br />
das schließlich die Zukunft sein.«<br />
ist ziemlich jung, also müssen wir sehen, ob er sich<br />
noch stärker verbessern kann, aber er ist auf jeden<br />
Fall ein sehr schneller Fahrer«, lobt sein Landsmann<br />
Dovizioso.<br />
Crutchlow ist sogar überzeugt, dass der Pramac-<br />
Pilot der beste Fahrer auf der Desmosedici ist.<br />
Gleichzeitig ärgert es ihn aber auch, wenn der junge<br />
Italiener an ihm vorbeizieht. »Natürlich pisst mich<br />
das an. Aber so ist das Leben nun einmal. Andrea<br />
Iannone ist im Moment der beste Ducati-Fahrer.<br />
Ich bin mir sicher, dass er besser als Dovizioso ist.<br />
Obwohl er viel weniger Erfahrung als Dovizioso<br />
hat, ist sein Fahrstil besser und sie kommen<br />
gemeinsam im Ziel an. Ich glaube, dass er aktuell<br />
der stärkste Ducati-Fahrer ist. Setz ihn auf ein gutes<br />
Bike und ich garantiere dir, dass er extrem schwer<br />
zu schlagen sein wird, denn er hat einen fantastischen<br />
Fahrstil«, schwört der Brite.<br />
Crutchlow<br />
kam nicht oft<br />
vor Andrea<br />
Iannone an<br />
Die<br />
Ducati-Crew<br />
gibt immer<br />
alles<br />
FOTO: MILAGRO<br />
Bis dahin hofft Crutchlow aber, dass er es wie sein<br />
Teamkollege in dieser Saison auch noch aufs Treppchen<br />
schafft. »Ich werde es versuchen«, verspricht<br />
er. Dovizioso rechnet hingegen weniger damit,<br />
seinen zweiten Platz noch steigern zu können. »Auf<br />
dem Motorrad ist ja glücklicherweise alles möglich.<br />
In Assen war ich nicht so weit weg, aber realistisch<br />
gesehen haben wir den Speed dazu einfach nicht.«<br />
Einer, der richtigen Speed im Hause Ducati hat, ist<br />
Andrea Iannone - wie er mit einem neuen<br />
Geschwindigkeitsrekord in Mugello bewies. »Er ist<br />
ein sehr schneller Fahrer, wie jeder sehen kann. Er<br />
Von zwei Podestplätzen<br />
überrascht:<br />
Andrea Dovizioso<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 93
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
ERFOLGSGEHEIMNIS<br />
ESTEVE RABAT FÜHRT DIE MOTO2 ZUR SOMMERPAUSE MIT 19 PUNKTEN VORSPRUNG AN. GEGENÜBER MOTORSPORT-<br />
MAGAZIN.COM VERRÄT ER, WAS IHM ZUM SIEGEN VERHILFT UND WARUM ER 2014 SO DOMINANT IST.<br />
MSM: Bist du mit deiner bisherigen Saison<br />
zufrieden?<br />
ESTEVE RABAT: Ja, ich bin zufrieden, außer mit<br />
Assen. In Mugello, Montmelo und überall war ich<br />
richtig stark. In Assen war ich enttäuscht, weil<br />
ich im Rennen nicht konkurrenzfähig war. Zu<br />
Beginn war ich im Nassen relativ stark, was mich<br />
ein wenig überrascht hat. Das ist gut für uns,<br />
denn zuvor war ich im Nassen nie wirklich<br />
schnell. Aber danach, als es begann abzutrocknen,<br />
konnte ich die Linie nicht mehr halten. Ich<br />
weiß nicht, warum ich nicht mehr schnell fahren<br />
konnte. Vielleicht habe ich mir zu viele Gedanken<br />
gemacht. Ich wollte immer spät bremsen und<br />
mein Kurven-Speed war zu langsam. Das müssen<br />
wir verbessern, damit es nicht noch einmal<br />
passiert.<br />
kurrenten an, obwohl es auch noch viel mehr<br />
Fahrer gibt, die in dieser Saison richtig stark sind.<br />
Natürlich will ich aber gewinnen und dafür gebe<br />
ich mein Bestes.<br />
Was macht dich in dieser Saison so<br />
dominant?<br />
Ich denke, ich bin stark, weil ich konstant bin. Ich<br />
versuche immer, in den Trainings viele Runden<br />
zurückzulegen, um die Strecke zu verstehen und<br />
mich an die jeweiligen Bedingungen anzupassen.<br />
Außerdem habe ich ein gutes Gefühl in meinem<br />
Team, auf dem Motorrad und mit den Reifen. Da<br />
spielen viele Faktoren zusammen. Ich bin glücklich<br />
und deshalb denke ich, dass ich vorne bin.<br />
Gibt es etwas, das du noch besser machen<br />
kannst?<br />
Ja, natürlich, das gibt es immer. Ich muss mich<br />
besonders im Regen steigern. Wenn die Bedingungen<br />
nicht gut sind, muss ich mich<br />
verbessern.<br />
Was macht euer Marc VDS Team in<br />
dieser Saison so stark?<br />
Ich denke, das liegt daran, dass<br />
es ein sehr gutes Team ist -<br />
vielleicht sogar das Beste<br />
Gibt es jemanden, der dich in diesem Jahr<br />
aufhalten kann?<br />
Natürlich gibt es immer jemanden. Angefangen<br />
bei meinem Teamkollegen. Mika [Kallio] ist ein<br />
sehr starker Fahrer. Er ist unter allen Bedingungen<br />
gut: im Regen, im Trockenen, bei gemischten<br />
Bedingungen. Er ist immer da. Er ist ein sehr<br />
starker Rivale und gleichzeitig auch mein Teamkollege.<br />
Aber auch Maverick Vinales ist richtig<br />
stark. Ich sehe die beiden als meine Hauptkonin<br />
der Moto2. Dazu haben wir sehr gute Fahrer.<br />
Mika ist ein sehr erfahrener Pilot und extrem stark.<br />
Für mich ist es das vierte Jahr. Letztes Jahr wurde<br />
ich Dritter, Mika wurde Vierter. Wir haben in diesem<br />
Jahr einfach das beste Team mit den besten<br />
Fahrern.<br />
Du trainierst oft mit den Marquez Brüdern.<br />
Denkst du, dass auch das Teil deines<br />
Erfolges ist?<br />
Ja, wir trainieren oft zusammen und haben viel<br />
Spaß. Wir fahren Motocross, Dirt-Track und sämtliche<br />
anderen Sachen auf zwei Rädern.<br />
Das ist immer lustig. Alle lachen,<br />
haben Spaß. Deshalb<br />
gewinnen wir auch<br />
die Rennen.<br />
FOTOS: HONDA<br />
94 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: MILAGRO<br />
Esteve Rabat dominiert die Saison 2014 und ist konstant stark. Der einzige Pilot, der ihm nahe kommen kann, ist sein Teamkollege Mika Kallio. Zur Saisonmitte liegt Rabat nach vier<br />
Siegen ganze 19 Punkte vor dem finnischen Urgestein.<br />
ICH DENKE, ICH BIN STARK, WEIL<br />
ICH KONSTANT BIN. ICH VERSUCHE<br />
IMMER, IN DEN TRAININGS VIELE<br />
RUNDEN ZURÜCKZULEGEN, UM DIE<br />
STRECKE ZU VERSTEHEN UND MICH<br />
AN DIE JEWEILIGEN BEDINGUNGEN<br />
ANZUPASSEN.<br />
Aber mein Erfolg beruht auf vielen Komponenten:<br />
Ich habe ein gutes Team, trainiere zusätzlich auf<br />
dem Circuit de Almeria, dazu kommt mein Training<br />
mit ihnen, mein Training im Fitnessstudio und mit<br />
meinem Mental-Coach. Das sind viele Dinge, die<br />
zusammenkommen, um Rennen zu gewinnen.<br />
Weißt du irgendetwas über die MotoGP-Pläne<br />
deines Teams?<br />
Das weiß ich momentan nicht. Ich würde gerne<br />
aufsteigen, aber nur mit einem guten Bike. Mit<br />
einem Bike, das maximal auf Platz zehn ankommen<br />
kann, will ich nicht fahren. Ich steige nur auf,<br />
wenn ich ein Motorrad bekomme, das auch siegfähig<br />
ist.<br />
Hast du schon Angebote von MotoGP-Teams?<br />
Natürlich spricht mein Manager mit einigen Leuten,<br />
aber ich weiß das nicht so genau. Es steht<br />
aktuell auch noch nichts fest. Ich will mich<br />
zunächst auf die Saison in der Moto2 konzentrieren<br />
und versuchen, den Titel zu gewinnen. Dann<br />
sehen wir weiter.<br />
Was denkst du über Rookies wie Jonas<br />
Folger, Maverick Vinales und Luis Salom?<br />
Sie sind sehr stark, aber ich denke, das liegt an<br />
den Motorrädern. Wenn du früher von der 125er<br />
Klasse in die Moto2 gekommen bist, war das eine<br />
starke Umstellung von den Zwei- auf die Viertakt-<br />
Bikes. Auch das Gewicht war unterschiedlich. Der<br />
Schritt von Moto3 zu Moto2 ist jetzt nicht mehr so<br />
groß. Die Größe des Motors ist sehr ähnlich, das<br />
Gewicht ist ähnlich, beides sind Viertakt-Maschinen<br />
und auch die Rundenzeiten liegen nicht allzu<br />
weit auseinander. Ich denke, deshalb sind sie von<br />
Anfang an so stark.<br />
Welche drei Dringe würdest du auf eine<br />
einsame Insel mitnehmen?<br />
Ein Mädchen, das ist das Wichtigste, denn allein<br />
wird es langweilig. Ein Bike und... eigentlich habe<br />
ich damit genug. Vielleicht noch gutes Essen.<br />
Was ist denn gutes Essen?<br />
Ich mag Pasta. Das ist zwar etwas sehr normales,<br />
aber mir schmeckt es.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 95
SAM LOWES<br />
LUIS SALOM<br />
MAVERICK VINALES<br />
FOTOS: MILAGRO
0<br />
VON<br />
DIE AUF- UND UMSTEIGER IN DER MOTO2-SAISON 2014<br />
SORGTEN BEREITS FÜR EINIGE SENSATIONEN. MOTOR-<br />
SPORT-MAGAZIN.COM SPRACH MIT SAM LOWES, LUIS<br />
SALOM UND MAVERICK VINALES, UM IHR GEHEIMNIS DER<br />
SCHNELLEN ANPASSUNG ZU LÜFTEN.<br />
AUF<br />
100<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
Blutjung, brandneu und kaum zu<br />
stoppen: die Rookies in der Moto2<br />
sind 2014 eingeschlagen wie eine<br />
Bombe, feierten zur Saisonhälfte<br />
schon Podestplätze und sogar Siege.<br />
Nicht nur Jonas Folger kam aus der<br />
Moto3 und hinterließ in der mittleren Kategorie<br />
direkt Spuren, sondern auch Luis Salom und<br />
Maverick Vinales taten ihr Übriges. Dazu kam zu<br />
Beginn des Jahres mit Sam Lowes ein weiterer<br />
starker Neuling in die Moto2: anders als seine<br />
Konkurrenten wechselte der Brite allerdings als<br />
amtierender Supersport-Weltmeister ins<br />
GP-Lager.<br />
»Es wird besser. Das war ein großer Schritt vom<br />
Superbike-Paddock hierher. Ich bin aber glücklich.<br />
Jetzt beginnen wir, näher an der Spitze zu sein und<br />
das ist richtig gut«, erklärte er <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com.<br />
Für Lowes veränderte sich im Vergleich<br />
zu den Moto3-Aufsteigern aber noch viel mehr.<br />
»Die Pirelli-Reifen in der Supersport sind ganz<br />
anders, viel weicher. Mit der Elektronik kann man<br />
schnell in die Kurve fahren, stoppen und dann<br />
rausfahren. In der Moto2 müssen wir flüssiger auf<br />
dem Bike fahren und den Speed die ganze Runde<br />
lang mitnehmen. Es ist technisch anspruchsvoller<br />
als die Supersport, aber gut.«<br />
Zur Saisonhalbzeit liegt der 23-Jährige auf Platz 13.<br />
»Bisher lief es nicht allzu schlecht. Nicht fantastisch,<br />
aber es ist zufriedenstellend. Wir wollen aber noch<br />
mehr«, fasst Lowes die erste Hälfte zusammen.<br />
Zufrieden kann auch Salom sein, der sich nach<br />
seinen ersten neun Rennen in der mittleren GP-<br />
Kategorie auf Position sieben hält. Die Saison<br />
begann für den Spanier aber mit Problemen. »Katar<br />
war schwierig. Im ersten Rennen wollte ich unbedingt<br />
ein Ergebnis unter den Top-10, aber schon in<br />
der ersten Runde kam ich von der Strecke ab und<br />
war dann Letzter. Also musste ich wieder Zeit gutmachen<br />
und war am Ende Vierzehnter.«<br />
Schade, aber dennoch zufriedenstellend. Schließlich<br />
wusste Salom schon nach dem Auftakt, dass<br />
er das richtige Tempo hatte. So konnte er aus seinen<br />
Fehlern lernen. »In Mugello war ich Zweiter.<br />
Das war wieder ein sehr, sehr gutes Rennen.«<br />
Etwas schlechter lief es in Barcelona: Folger konnte<br />
dem 23-Jährigen nach einem Sturz gerade so ausweichen.<br />
Doch der Rookie verletzte sich bei dem<br />
Crash am Finger. »Das war schon das zweite Mal,<br />
dass ich mir die Fingerkuppe abgerissen habe.« In<br />
Assen hatte Salom dann kaum eine Chance. »Dort<br />
waren schon die Trainings richtig hart, weil ich<br />
wirklich Schmerzen am Finger hatte. Im Rennen<br />
fühlte ich mich ein bisschen besser, insgesamt war<br />
es aber eine reine Katastrophe. Der Sachsenring<br />
ist eine Strecke, die mir sehr gefällt, aber die Rennen<br />
in der Moto2 sind nun einmal anders als die<br />
in der Moto3.«<br />
Dass die Moto2-Rennen anders sind, hat auch<br />
Vinales längst bemerkt. Doch die große Maschine<br />
scheint dem amtierenden Moto3-Weltmeister<br />
bestens zu liegen. »Die ersten Rennen waren richtig<br />
gut. Ich begann mit einem vierten Platz in Katar, in<br />
Texas konnte ich zum ersten Mal gewinnen und<br />
danach waren wir auch immer Vierter, Zweiter, Fünfter<br />
- ich kann wirklich glücklich sein.« Um dahin zu<br />
kommen, wo er jetzt ist - an die dritte Position in der<br />
WM - musste Vinales im Winter hart arbeiten. »Ich<br />
wollte mich so schnell wie möglich an das neue Bike<br />
Die Rookies konnten sich extrem schnell eingewöhnen<br />
gewöhnen. Damit uns das gelingt, haben wir viele<br />
Testfahrten angesetzt, um schon in Katar richtig gut<br />
vorbereitet anzukommen.«<br />
Salom gelang der starke Umstieg ebenso mit<br />
hartem Training im Winter. »Das Tempo auf dem<br />
Motorrad hat sich nicht wirklich verändert. Was<br />
sich verändert hat, ist, wie man mit dem Motorrad<br />
schnell fährt. Die Moto3-Maschine war einfach<br />
leichter, körperlich weniger anstrengend zu fahren.<br />
Sie hatte aber auch weniger Power, die Reifen sind<br />
kleiner und es war bedeutend einfacher, die Richtung<br />
zu wechseln. In der Moto2 sind jetzt die<br />
Reifen größer, die Kraftentfaltung ist ganz anders.<br />
Du brauchst viel Vertrauen zum Bike, um damit<br />
richtig schnell sein zu können. Die Tests im Winter<br />
haben mir dabei sehr geholfen.«<br />
Bei Lowes sah das Ganze noch etwas anders aus:<br />
»Beim Test habe ich nicht versucht, die Moto2 wie<br />
die Supersport-Maschine zu fahren, sondern einfach<br />
probiert, neu zu starten. Ich habe versucht,<br />
die anderen Wege so gut es geht zu lernen und ich<br />
habe noch immer viel zu lernen. Ich denke, ich<br />
fahre momentan bei 80 Prozent und glaube, dass<br />
da noch mehr kommen kann. Hoffentlich wird es<br />
das Letzte, was uns fehlt, um an der Spitze anzukommen.«<br />
Mit etwas mehr Eingewöhnungszeit<br />
dürften die Rookies dann kaum noch zu schlagen<br />
sein - es sei denn, sie schlagen sich selbst.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 97
Bei der TT lauert<br />
die Gefahr hinter<br />
jeder Kurve<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
RAUSCH,<br />
ADRENALIN<br />
UND<br />
ANGST<br />
DIE TOURIST TROPHY AUF DER ISLE<br />
OF MAN ZÄHLT ZU DEN ÄLTESTEN UND<br />
GEFÄHRLICHSTEN MOTORRADRENNEN<br />
DER WELT. WIE STEHEN DIE PILOTEN<br />
DAZU? MOTORSPORT-MAGAZIN.COM<br />
HAT SICH UMGEHÖRT UND TRAF DABEI<br />
SOGAR AUF EINE TT-LEGENDE.<br />
FOTOS: TOURIST TROPHY<br />
Glück und<br />
Unglück liegen<br />
nah beieinander<br />
98 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fast jedes Jahr<br />
fordert das<br />
Straßenrennen<br />
ein Todesopfer<br />
Rennen auf<br />
öffentlicher<br />
Straße<br />
Das älteste<br />
Motorradrennen<br />
der Welt<br />
Die TT-Fahrer<br />
wissen, worauf<br />
sie sich einlassen<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 99
»<br />
I<br />
ch liebe die TT. Nicht nur, weil<br />
ich auf der Isle of Man lebe, sondern<br />
auch weil ich eine große<br />
Leidenschaft für die Rennen auf<br />
der Straße habe. Ich liebe die Atmosphäre, das<br />
Adrenalin und ich denke, für die Fahrer ist es<br />
unglaublich, Teil davon zu sein. Ich kann mir<br />
vorstellen, dass es eine fantastische Erfahrung<br />
ist«, schwärmt Cal Crutchlow.<br />
»Es ist das beste Rennen auf der Welt, liefert<br />
dir den besten Nervenkitzel. Besonders für die<br />
Zuschauer ist es einfach wundervoll anzusehen«,<br />
sagt einer, der es wissen muss: John<br />
McGuinness.<br />
Die Faszination der Tourist Trophy auf der britischen<br />
Isle of Man ist kaum zu beschreiben.<br />
Wahre Leidenschaft für Motorradrennsport,<br />
Adrenalin, Gänsehaut - das sind nur einige<br />
Worte, die TT-Fans mit strahlenden Augen<br />
nutzen, um das älteste Motorradrennen der<br />
Welt zu beschreiben. »Ich denke, es ist einfach<br />
etwas anderes, etwas ganz anderes als der ‚normale‘<br />
Rennsport. Der Fakt, dass die Piloten dort<br />
überall mit Vollgas fahren und an den Häusern<br />
vorbeirasen, macht es schon zu etwas Besonderem.<br />
Viele Fahrer, die in England aufwachsen,<br />
träumen von der Isle of Man wie ich von<br />
der GP. Für sie ist es eine andere Lebensart. Für<br />
viele junge Fahrer in Großbritannien ist die TT<br />
die Welt«, erklärt Sam Lowes.<br />
Die Isle of Man<br />
gilt als das<br />
gefährlichste<br />
Rennen<br />
Die Begeisterung für die TT ist vielfach ungebrochen.<br />
Doch gleichzeitig gilt das Event seit<br />
1907 als das gefährlichste und umstrittenste<br />
Rennereignis weltweit. Nach den Rennen in<br />
diesem Jahr ist die Liste der Opfer seit 1911<br />
bereits auf 242 angestiegen. Bob Price und Karl<br />
Harris ließen 2014 ihr Leben. »Natürlich ist die<br />
100 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Isle of Man gefährlich, wenn man sie mit den<br />
Rennen auf der Strecke vergleicht«, meint Bradley<br />
Smith. »Aber die TT hat eine außergewöhnliche<br />
Atmosphäre, nicht zuletzt, weil die Fans<br />
extrem nah dran sein können. Ich genieße es,<br />
dort zu sein, aufgrund der Atmosphäre und der<br />
Leidenschaft der Fans - der Leidenschaft für<br />
den <strong>Motorsport</strong>.«<br />
Moto2-Pilot Lowes mag die Rennen auf der Isle<br />
of Man ebenso. »Im britischen Rennsport gibt<br />
es zahlreiche Fans und ich bin dort aufgewachsen.<br />
Für mich ist es aber auch nicht leicht, denn<br />
es ist sehr gefährlich. Wenn die Fahrer aber<br />
entscheiden, dort zu fahren, müssen wir das<br />
meiner Meinung nach respektieren. Sie haben<br />
definitiv die dickeren Eier«, lacht er.<br />
Während alle britischen Fahrer die Begeisterung<br />
der TT-Fans teilen, sind Grand-Prix-<br />
Fahrer, die nicht aus England kommen, oft<br />
anderer Meinung. »Ich sah einige Rennen und<br />
Bilder von der Isle of Man, aber ich verfolge es<br />
nicht wirklich genau«, gibt Mika Kallio zu. »Ich<br />
glaube, dass jeder sehen kann, dass es ganz<br />
schön gefährlich ist. Jedes Jahr sterben dort<br />
Fahrer.« Dennoch glaubt der Finne, dass jeder<br />
Fahrer, der auf der berühmten Insel startet,<br />
genau weiß, worauf er sich einlässt. »Sie kennen<br />
die Gefahren. Es ist ihre Entscheidung, dort zu<br />
starten.«<br />
Smith und Crutchlow fuhren 2014 eine Paraderunde.<br />
»Um ehrlich zu sein: Die Strecke ist<br />
technisch extrem anspruchsvoll! Die Runde ist<br />
etwa 60 Kilometer lang und sie müssen sechs<br />
davon fahren und das bei durchschnittlich<br />
240km/h. Viele Leute sagen ‚Die sind verrückt!‘<br />
und natürlich sind sie das ein bisschen, aber<br />
die Geschicklichkeit, die Konzentration und<br />
die technischen Fähigkeiten dieser Jungs sind<br />
Wahnsinn«, bewundert Smith die Piloten.<br />
»Nun, nachdem ich dort war und alles gesehen<br />
habe, habe ich viel mehr Respekt vor diesen<br />
Fahrern und allen, die dabei sind. Auf der Isle<br />
VIELE LEUTE SAGEN ‚DIE<br />
SIND VERRÜCKT!‘ UND<br />
NATÜRLICH SIND SIE DAS<br />
EIN BISSCHEN, ABER DIE<br />
GESCHICKLICHKEIT, DIE KONZEN-<br />
TRATION UND DIE TECHNISCHEN<br />
FÄHIGKEITEN DIESER JUNGS<br />
SIND WAHNSINN<br />
of Man ist jede Kurve anders, du bewegst das<br />
Bike lange Zeit bei Vollgas, das Rennen dauert<br />
eine Stunde und 40 Minuten, das ist enorm viel<br />
Stress. Dazu ist das Event drei Wochen lang.«<br />
Aber ist die Tourist Trophy nun zu gefährlich?<br />
Crutchlow ist sich sicher: »Nein. Ich denke, die<br />
Fahrer haben die Kontrolle über ihre eigene<br />
Wahl. Am Ende haben sie die Wahl, dort zu<br />
fahren oder nicht.« Der Ducati-Pilot glaubt,<br />
dass alle Fahrer, die bei der TT starten, eine<br />
extrem starke Leidenschaft besitzen. »Sie lieben<br />
die Straße, ansonsten würden sie die Rennen<br />
nicht fahren. Genauso ist es bei mir in der<br />
MotoGP. Wenn ich hier nicht fahren wollen<br />
würde, dann würde ich nicht kommen. Niemand<br />
schnappt sie sich und setzt sie aufs<br />
Motorrad.«<br />
Vor vielen Jahren war auch die MotoGP in der<br />
TT integriert. Ein Werksfahrer musste bis 1976<br />
auf der Isle of Man starten. »Ich denke aber,<br />
dass die Piloten es trotzdem geliebt haben. Die<br />
Fahrer, die es nicht gemocht haben, sind dann<br />
eben nicht noch einmal gefahren«, so<br />
Crutchlow. »Bevor die Leute nicht dort waren<br />
und die TT gesehen haben, können sie meiner<br />
Meinung nach nichts dazu sagen.« Crutchlow<br />
sah sich das <strong>Spektakel</strong> zwar schon oft an, fuhr<br />
selbst aber noch nie auf öffentlichen Straßen<br />
ein Rennen. »Also kenne ich das Gefühl nicht,<br />
das die Fahrer dort haben müssen. Ich glaube<br />
aber, dass es fantastisch ist. Ich bin ein großer<br />
Unterstützer der Isle of Man TT.«<br />
Mit dem Gedanken, selbst bei der TT anzutreten<br />
hat der 28-Jährige oft gespielt. »Ich würde<br />
fahren, wenn meine Frau mich lassen würde.<br />
Das wird aber nie passieren. Ich glaube nicht,<br />
dass ich das nötig habe. Ich muss da nichts<br />
beweisen, dort fahren und gewinnen. Ich bin<br />
jetzt schon drei Mal die Parade-Runde gefahren<br />
und es macht so viel Spaß. Ein Teil von mir<br />
denkt immer, dass es angsteinflößend ist. Aber<br />
genau darum fahren die Piloten dort. Sie genießen<br />
den Rausch, das Adrenalin, die Angst. Ich<br />
bin dort gefahren. Wenn ich könnte, würde ich,<br />
aber das wird mit Sicherheit nicht passieren.«<br />
Auch Lowes hat ein striktes Verbot. »Für mich<br />
persönlich wäre es zu gefährlich mit den Bikes<br />
und allem. Als ich mit dem Rennsport begonnen<br />
habe, sagten mir meine Eltern: Du darfst<br />
fahren, aber du startest nie bei der TT! Also<br />
habe ich eine gute Ausrede.« Smith ist hingegen<br />
der Meinung, dass es ihm an Erfahrung fehlen<br />
würde. »Ich könnte dort nicht fahren. Ich habe<br />
diese Fähigkeit nicht. Aber ich sammle Erfahrungen.<br />
Ich muss jede Kurve einsehen können,<br />
dort geht das nicht. Da fehlt es mir einfach an<br />
Talent und Fähigkeit.« Kallio hat hingegen gar
kein Interesse: »Ich persönlich möchte dort<br />
nicht unbedingt fahren. Das überlasse ich gerne<br />
den anderen.«<br />
Einer dieser Anderen ist John McGuinness. ‚Mr.<br />
TT‘ startet seit 1996 auf der legendären Insel<br />
und ist heute mit 21 Siegen hinter Joey Dunlop<br />
der zweiterfolgreichste Fahrer der Tourist Trophy.<br />
Doch wie schätzt er die Gefahr nach 18<br />
Jahren ein. Ist es zu riskant, bei der TT zu starten?<br />
»Das ist eine sehr schwierige Frage«, gibt<br />
er zu. »Natürlich ist es sehr gefährlich und in<br />
den vielen Jahren habe ich ziemlich viele<br />
Freunde verloren. Ich persönlich denke aber<br />
nie über die Gefahren nach. Ich denke nur<br />
darüber nach, wie wundervoll es ist, dort zu<br />
fahren. Ich denke daran, dass es das längste,<br />
älteste Rennen der Welt ist. Wir kennen die<br />
Gefahren. Wir sind irgendwie einfach in der<br />
Lage, es wegzudenken.«<br />
Der Brite bestätigt, dass keiner der Teilnehmer<br />
Druck hat, zu starten oder gar dazu gezwungen<br />
wird. »Es ist keine Weltmeisterschaft mehr, sondern<br />
nur ein altes, ikonisches Event. Die Fahrer<br />
kommen jedes Jahr dahin und wir denken einfach<br />
nicht darüber nach. Sicherlich könnte es<br />
uns jederzeit passieren. Aber ich denke nie, dass<br />
es zu gefährlich ist. Vielleicht ist man da als<br />
Fahrer auch etwas egoistisch«, sagt McGuinness,<br />
auf den zu Hause Frau und Kinder warten.<br />
»Meine Familie kommt damit zurecht. Ich bin<br />
nun 25 Jahre lang mit meiner Frau zusammen.<br />
Sie war von Anfang an dabei und auch bei der<br />
Entscheidung, dass ich die TT fahre. Sie stand<br />
immer an meiner Seite.«<br />
Seine beiden Kinder seien nichts anderes<br />
gewöhnt. »Es ist wirklich schwierig. Ich muss<br />
schließlich auch meine Kinder ernähren, denn<br />
es ist nicht nur Spaß, sondern auch mein Job.<br />
Meine Familie hat nie von mir verlangt, aufzuhören.<br />
Sie haben mich immer ermutigt. Ich<br />
denke, wenn die Zeit kommt, da ich aufhören<br />
werde, ist meine Familie sicher glücklich. Ich<br />
bin nicht allzu weit weg von diesem Tag.<br />
Schließlich bin ich schon alt«, eröffnet er gegenüber<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com schmunzelnd.<br />
»Ich bin jetzt schon lange dabei und habe hohen<br />
Respekt. Ich pushe noch immer hart und gehe<br />
an mein Limit, aber ich will nicht mehr über<br />
mein Limit gehen«, erklärt die TT-Legende<br />
weiter. McGuinness weiß, dass es bei jeder Isle<br />
of Man TT um Leben und Tod geht. Richtig<br />
verzichten will dennoch niemand. Kallio meint<br />
den Grund zu kennen: »Ich glaube, wir brauchen<br />
diese Art von Veranstaltung auf der Welt<br />
einfach. Denn die Leute sind aus irgendeinem<br />
Grund immer begeistert, wenn es gefährlich<br />
wird.«<br />
Guy Martin<br />
startete 2004<br />
zum ersten Mal<br />
auf der Isle of<br />
Man<br />
FOTOS: TOURIST TROPHY<br />
Die Gefahr bei<br />
der Tourist Trophy<br />
zieht die<br />
Zuschauer an<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 101
SLIDESHOW | MOTORSPORT | #38 | 2014<br />
❱ EIN UNDERDOG<br />
SIEGT BEI<br />
HUNDEWETTER<br />
TEXT: STEPHAN VORNBÄUMEN<br />
FOTO: NASCAR<br />
Das zweite Daytona-Rennen im NASCAR Sprint Cup war an Zwischenfällen<br />
kaum zu überbieten. Wegen heftiger Regenschauer wurde aus einem<br />
Saturday-Night-Race ein V8-<strong>Spektakel</strong> um die Mittagszeit am Sonntag.<br />
In der 21. Runde gab es einen Massencrash mit 16 Fahrern. Nach 99<br />
Runden folgte der nächste rekordverdächtige Big One mit 26 involvierten<br />
Piloten. Nach 112 von 160 Rennrunden musste der 18. Saisonlauf wegen<br />
einer Gewitterfront abgebrochen werden. Nur 22 Fahrzeuge waren mit<br />
teilweise heftigen Kaltverformungen noch auf der Strecke. Aric Almirola<br />
lag zu diesem Zeitpunkt in Führung und wurde zum Sieger erklärt. So<br />
kam Almirola im Petty-Ford zu seinem ersten Sieg im Sprint Cup.<br />
102 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 103
104 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: FIA FORMULA E<br />
AUFBRUCH IN EIN NEUES ZEITALTER<br />
FORMEL<br />
DIE FORMEL E STARTET IM SEPTEMBER IN IHRE ERSTE SAISON. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM BESUCHTE DIE<br />
TESTFAHRTEN IN DONINGTON UND HAT SICH EIN BILD VOM FORMEL-E-VALLEY GEMACHT. DOCH DIE HOFFNUNGEN<br />
DER NEUEN RENNSERIE RUHEN NICHT AUF DER TECHNIK - UND ERST RECHT NICHT AUF DONINGTON.<br />
TEXT: CHRISTIAN MENATH<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 105
Bereit für die Stadtrundfahrt:<br />
So sieht der neue FIA <strong>Formel</strong><br />
E Rennwagen aus<br />
montag, 07. Juli 2014: Der Großbritannien GP ist soeben<br />
Geschichte, da treibt es <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 100<br />
Kilometer weiter in den Norden Englands. Donington Park:<br />
Heart of British <strong>Motorsport</strong>, wie man stolz von sich sagt.<br />
Petrolheads kennen die charmante Strecke bestens: 1993<br />
wurde dort zum einzigen Mal ein <strong>Formel</strong>-1-Rennen ausgetragen,<br />
damals als Großer Preis von Europa. Doch Donington Park ist mehr als die<br />
bekannten 4,023 Kilometer Asphalt.<br />
Direkt an der Strecke haben sich zahlreiche <strong>Motorsport</strong>betriebe angesiedelt.<br />
Eigentlich nichts Ungewöhnliches. In diesen Ausmaßen jedoch schon. Seit<br />
Januar 2014 ist in Donington auch eine ganze Rennserie beheimatet. Am 2.<br />
Januar begann der Bau des <strong>Formel</strong>-E-Valleys, schon im Mai konnten die ersten<br />
Hallen bezogen werden. Wer es an den Wachleuten an der Pforte vorbei schafft<br />
- ein gemurmeltes Formula E genügt meist -, der kommt über verstaubte<br />
Zufahrtswege und unzählige Geschwindigkeitsschwellen zur Zentrale des<br />
Neuen, zum Mekka des elektrischen <strong>Motorsport</strong>s.<br />
Die Zentrale ist ein Bau mit schön anzusehender Glasfront, im Showroom steht<br />
einer der ersten Show-Boliden. Dahinter geht es wenig prunkvoll zu: alle zehn<br />
Teams arbeiten Tür an Tür in kleinen Hallen. In jeder Halle werden vier Fahrzeuge<br />
aufgebaut, zwei pro Fahrer. Die Hallen sind genauso wie die Autos von<br />
vorne bis hinten einheitlich. Gleiche Größe, gleicher Grundriss, gleicher Bodenbelag.<br />
Es ist nicht wie in der <strong>Formel</strong> 1, wo die McLaren-Mitarbeiter im von Sir<br />
Norman Foster erbauten Ingenieurs-Tempel arbeiten, während Toro Rosso in<br />
der beschaulichen Firmenzentrale in Faenza die Boliden entwickelt, herstellt<br />
und fahrbereit macht. In Donington sind alle gleich - gleich bescheiden. Dafür<br />
kann ein Rennstall für rund drei Millionen Euro eine ganze Saison bestreiten.<br />
Eine Summe, die in der <strong>Formel</strong> 1 für ein müdes Lächeln sorgen würde.<br />
»Wir dürfen aber keinen Vergleich zur <strong>Formel</strong> 1 ziehen, sondern müssen<br />
beide Serien getrennt voneinander betrachten«, sagt Alain Prost gegenüber<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com. Der viermalige <strong>Formel</strong>-1-Weltmeister ist selbst<br />
beim eDams-Team in der <strong>Formel</strong> E involviert. Mehr als die schmucklosen<br />
zehn Hallen sind in der <strong>Formel</strong> E auch nicht nötig: die Batterien kommen<br />
von Williams Advanced Engineering aus Grove, Motor und Getriebe liefert<br />
McLaren aus Woking, die Chassis stammen von Dallara aus Italien. Zum<br />
ersten Mal treffen die Teile 100 Kilometer südöstlich von Paris aufeinander.<br />
Dort werden sie von Spark Racing Technology zusammengebaut. In Donington<br />
werden die Boliden von den jeweiligen Teams einsatzbereit gemacht<br />
und getestet - alle offiziellen <strong>Formel</strong>-E-Testfahrten finden in der Grafschaft<br />
Leicestershire statt. Danach geht es auf Welttournee.<br />
Die Rennen finden nicht in Donington, sondern direkt in den Zentren<br />
von Miami, London, Berlin und in sechs weiteren Mega-Metropolen statt.<br />
»Man weiß gar nicht so wirklich, was auf einen zukommt, da die Strecken<br />
komplett neu sind«, sagt <strong>Formel</strong>-E-Pilot Daniel Abt zu <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
bei seinem Besuch in Donington. Die Testfahrten sind deshalb<br />
kein wirklicher Gradmesser, es kommt auf andere Dinge an. »Deshalb ist<br />
es wichtig, sich eine gute Basis zu erarbeiten und zu wissen, wie man das<br />
Auto auf gewisse Dinge einstellen kann«, so Abt, der gemeinsam mit Lucas<br />
di Grassi für Audi Sport Abt an den Start geht.<br />
»WIR DÜRFEN KEINEN VERGLEICH ZUR FORMEL 1<br />
ZIEHEN, SONDERN MÜSSEN DIE BEIDEN RENNSERIEN<br />
GETRENNT VONEINANDER BETRACHTEN«, SAGT<br />
EX-FORMEL-1-WELTMEISTER ALAIN PROST<br />
GEGENÜBER MOTORSPORT-MAGAZIN.COM.<br />
Was auf Stadtkursen ebenso funktionieren wird wie in Donington ist die<br />
spezielle Fahrweise, die ein reines Elektroauto erfordert. Daniel Abt fährt<br />
derzeit in der GP2. Benzinsparen ist dort kein entscheidendes Thema. Benzin<br />
kann man in der <strong>Formel</strong> E schlecht sparen - dafür elektrische Energie. Die<br />
Lithium-Ionen-Akkus haben eine Kapazität von 30 Kilowattstunden. 20<br />
Minuten Rennbetrieb sollen damit machbar sein, dann wird das Auto gewechselt.<br />
»Auf der einen Seite versucht man zu lernen, wie man das Auto im<br />
Qualifying am schnellsten bewegen kann. Und dann kommt der viel wichtigere<br />
Punkt: man muss herausfinden, wie man am schnellsten fährt und dabei am<br />
wenigsten verbraucht. Das ist für das Rennen enorm wichtig und wird wahrscheinlich<br />
auch mitentscheidend sein«, sagt Abt. <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com-<br />
106 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Experte Christian Danner konnte sich bereits selbst ein Bild von der <strong>Formel</strong> E<br />
machen. Er durfte ebenfalls einige Runden in Donington fahren. Danners erstes<br />
Fazit fällt positiv aus: »Ein <strong>Formel</strong>-E-Rennauto? Da habe ich mich zunächst<br />
schon gefragt, wie das ist. Es hätte auch ein Golfwagen mit Verkleidung sein<br />
können. Aber es ist tatsächlich ein Rennauto: es fährt sich wie ein Rennauto, es<br />
fühlt sich wie ein Rennauto an und das ist grundsätzlich schon mal gut.« Doch<br />
das ist die eine Seite: »Wenn man das ganze Revue passieren lässt, dann muss<br />
man schon sagen, dass die Batteriekapazität ein limitierender Faktor ist. Wenn<br />
man mit maximaler Leistung fährt, dann ist die Batterie relativ schnell leer. Das<br />
heißt, man muss den richtigen Kompromiss finden, damit du als Fahrer über<br />
die 20 Minuten kommst, die das Rennen dauert.«<br />
Bei der Technik gibt es einige Kompromisse, nicht nur die Reichweite. Dass<br />
in die Entwicklung nicht übermäßig viel Geld geflossen ist, sieht man den<br />
Boliden an. Auch sollen die Anschaffungskosten recht niedrig gehalten werden,<br />
ein Auto kostet rund 350.000 Euro. Bedenkt man, dass alleine der Akku<br />
schon mehr als die Hälfte kostet, braucht es kein abgeschlossenes Mathestudium,<br />
um zu erkennen, dass für Chassis und Co. nicht mehr viel übrig bleibt.<br />
Und nicht nur bei der Kapazität bereitet der Akku noch Sorgen: ein Ladevorgang<br />
dauert je nach Ladestrom zwischen 40 und 80 Minuten. Weil bei<br />
der Ladung allerdings Wärme entsteht und diese den Aufladeprozess stört,<br />
muss der Akku dabei gekühlt werden.<br />
Das Gesamtkonzept ist jedoch stimmig. Die Fans müssen nicht zur <strong>Formel</strong> E<br />
kommen, die <strong>Formel</strong> E kommt zu den Leuten. Statt zu versuchen, die Petrolheads<br />
an die Nordschleife zu locken, sie für etwas zu begeistern, wofür die Masse der<br />
alteingesessenen <strong>Motorsport</strong>fans nicht zu begeistern ist, will die <strong>Formel</strong> E ein neues,<br />
junges Publikum ansprechen. Dieser Ansatz findet auch bei <strong>Motorsport</strong>puristen<br />
wie Danner Anklang: »Ich finde das alles supergeil, weil es ein moderner Ansatz<br />
ist! Es ist eine große Chance, ein neues Publikum zu finden.«<br />
Jarno Trulli ist von<br />
der neuen <strong>Formel</strong> E<br />
fasziniert<br />
KALENDER 2014<br />
13. September 2014: Peking (China)<br />
22. November 2014: Putrajaya (Malaysia)<br />
13. Dezember 2014: Punta del Este (Uruguay)<br />
10. Januar 2015: Buenos Aires (Argentinien)<br />
14: Februar 2015: Tba<br />
14. März 2015: Miami (USA)<br />
04. April 2015: Long Beach (USA)<br />
09. Mai 2015: Monte Carlo (Monaco)<br />
30. Mai 2015: Berlin (Deutschland)<br />
27. Juni 2015: London (Großbritannien)<br />
Danner steht mit seiner Meinung nicht alleine da: zahlreiche prominente Namen<br />
sind bereits dem Lockruf der <strong>Formel</strong> E gefolgt. Prominente Teams und bekannte<br />
Fahrer wohin man nur schaut. Sogar Hollywoodstar Leonardo DiCaprio ist<br />
involviert. Er ist Mitbesitzer des Venturi-Teams, für das Ex-<strong>Formel</strong>-1-Pilot Nick<br />
Heidfeld an den Start geht. Online können Fans darüber abstimmen, welcher<br />
Pilot im Rennen kurzzeitig mehr Leistung zur Verfügung hat. Ein weiterer Versuch,<br />
junges Publikum einzubeziehen.<br />
»Wenn du Erfolg im <strong>Motorsport</strong> haben willst, benötigst du unbedingt eine<br />
Marketingplattform. Es muss aber auch eine sehr gute Show mit Blick auf den<br />
sportlichen Aspekt sein, das ist wichtig«, mahnt Prost. »Wenn es nur um Marketing<br />
und Technologie geht, funktioniert es nicht. Wenn nur der Sport im<br />
Vordergrund steht, ebenso wenig.« Die <strong>Formel</strong> E macht vieles richtig. Dass<br />
keine High-End-Produkte durch die Straßen fahren werden, dürfte für die<br />
neue Zielgruppe kein entscheidender Faktor sein. Die Show zählt. Doch langfristig<br />
muss sich die Serie etablieren. Technisch wie finanziell. »Wie werden<br />
die Batterien beispielsweise in drei, vier Jahren aussehen?«, fragt sich Prost. Es<br />
sollen nicht immer Einheitsautos bleiben. Schon in der zweiten Saison dürfen<br />
Komponenten selbst entwickelt werden. »Dann gibt es nicht nur Hersteller,<br />
sondern auch Unternehmen, die ihr Interesse bekunden werden«, ist sich der<br />
Professor sicher. Doch es gibt auch einen Haken: entwickelt ein Hersteller neue<br />
Teile, dürfen diese nicht einem Team vorbehalten sein. Mindestens drei Teams<br />
muss die Möglichkeit gegeben werden, das Teil zum festgelegten Preis zu kaufen.<br />
Unsummen wird so wohl niemand in die Entwicklung stecken.<br />
FOTOS: FIA FORMULA E<br />
Während sich die Teams leicht tun, ihre Budgets durch Sponsoreneinnahmen zu<br />
decken, sehen nicht wenige Experten ein Fragezeichen bei der Serie selbst. »Denn<br />
eine stabile Plattform ist die Grundvoraussetzung dafür, dass eine Meisterschaft<br />
existieren kann und auch für uns alle sichtbar bleibt«, weiß Danner. »Ich halte die<br />
<strong>Formel</strong> E aber für eine tolle Idee, sie haben tolle Einsätze, aber warten wir einmal<br />
ab, wie sie sich entwickelt.«<br />
Sebastien Buemi startet<br />
für das Team e.dams<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 107
ELEKTRO-<br />
BOMBER<br />
TEXT: CHRISTIAN MENATH<br />
DAS AUTO: Kein Geringerer als ART-Teamchef<br />
Frédéric Vasseur zeichnet für den Aufbau der<br />
Forme-E-Boliden verantwortlich. Vasseur leitet<br />
Spark Racing Technologies in einem kleinen Städtchen<br />
rund 100 Kilometer südöstlich von Paris. 40<br />
Fahrzeuge baut Spark für die erste Saison auf. Für<br />
die Integration aller Systeme ist Serienpartner Renault<br />
verantwortlich.<br />
CHASSIS: Wie alle anderen Teile eines <strong>Formel</strong>-<br />
E-Boliden ist auch das Chassis ein Einheitsbauteil.<br />
Es stammt vom bekannten italienischen Chassisbauer<br />
Dallara. Das Monocoque besteht aus Kohlefaser<br />
mit einem Honigwaben-Kern aus Aluminium.<br />
Auch für das Bodywork ist Dallara zuständig. Es<br />
besteht ebenfalls aus Karbon und ist darauf ausgelegt,<br />
Überholmanöver zu ermöglichen. Die sogenannte<br />
dirty air soll also so gering wie möglich<br />
gehalten werden.<br />
FAHRWERK: Der Ansatz der <strong>Formel</strong> E wird beim<br />
Fahrwerk deutlich. Die Fahrzeuge sollen nicht nur<br />
spektakulär aussehen, sondern auch kosteneffizient<br />
sein. So kommen Doppelquerlenker aus Stahl zum<br />
Einsatz, die deutlich günstiger und auch robuster<br />
sind als Karbonquerlenker. Vorne und hinten steht<br />
das Fahrzeug auf Druckstreben, sogenannten Pushrods.<br />
Die Vorderachse ist mit Drehstabfedern ausgestattet,<br />
die Hinterachse mit herkömmlichen<br />
Federelementen. Die Dämpfer stammen von Koni<br />
und bieten gemeinsam mit den Stabilisatoren maximale<br />
Einstellmöglichkeiten.<br />
MOTOR & GETRIEBE: Der Antrieb wird von<br />
McLaren geliefert. Im Qualifying-Trimm liefert die<br />
MGU bis zu 270 Pferdestärken. Im Rennmodus<br />
sind es immerhin noch 180 PS, mit Push-to-Pass-<br />
Button, also dem Überholknopf, sind es entsprechend<br />
wieder 90 mehr. Motor und Getriebe wiegen<br />
108 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
DER MOTOR IST TOT, LANG LEBE DIE POWER UNIT - SO HIESS ES ANFANG DES<br />
JAHRES IN DER FORMEL 1. DIE FORMEL E BESCHREITET NOCH EINMAL ANDE-<br />
RE UND BISHER UNERGRÜNDETE WEGE. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM STELLT<br />
DEN ELEKTRORENNER VOR.<br />
FOTOS: FIA FORMULA E<br />
zusammen gerade einmal 82 Kilogramm. Das<br />
sequentielle 5-Gang-Getriebe von Hewland wird<br />
vom Fahrer mittels Wippen betätigt. Um weiter<br />
Kosten zu sparen, ist die Getriebeübersetzung<br />
festgelegt.<br />
BATTERIE: Das Herzstück eines Elektroautos ist<br />
die Batterie. So ist es auch bei einem <strong>Formel</strong>-E-<br />
Boliden. Nicht nur von den räumlichen Ausmaßen<br />
ist der Energiespeicher gigantisch. Fast der gesamte<br />
Heckbereich des Fahrzeugs besteht praktisch aus<br />
der Batterie, die direkt an das Monocoque angeflanscht<br />
ist. Hinter der Batterie, die Williams<br />
Advanced Engineering liefert, befinden sich nur<br />
noch der überschaubare Motor sowie das Getriebe.<br />
Offiziell wiegt der Speicher nur 200 Kilogramm,<br />
die Realität ist aber weiter von diesem Wert entfernt.<br />
Über die Hinterachse kann beim Bremsen Energie<br />
rekuperiert und direkt in die Batterie eingespeist<br />
werden. Das Aufladen benötigt je nach Ladestrom<br />
zwischen 40 und 80 Minuten. Die Batterie liefert<br />
Energie für etwas mehr als 20 Minuten Fahrspaß.<br />
Sie ist mit Abstand das teuerste Bauteil eines <strong>Formel</strong>-E-Fahrzeugs<br />
und macht gut die Hälfte des<br />
gesamten Fahrzeugpreises aus, der rund 350.000<br />
Euro beträgt.<br />
REIFEN: Bei den Pneus nimmt die <strong>Formel</strong> E eine<br />
Vorreiterrolle ein. Während die <strong>Formel</strong> 1 noch<br />
über den Umstieg von 13 Zoll auf deutlich größere<br />
Reifen diskutiert, steht in der <strong>Formel</strong> E schon länger<br />
fest, dass Michelin 18-Zöller liefert. 305/40<br />
R18 auf der Hinterachse, die Vorderachse ist mit<br />
245/40 R18 besohlt. Das Besondere daran: Der<br />
französische Reifenhersteller liefert Allwetter-<br />
Reifen. Die Piloten waren nach den ersten Tests<br />
begeistert: Deutlich mehr Grip als erwartet und<br />
gleichzeitig kaum Verschleiß. Geringer Rollwiderstand<br />
soll zudem die Batterielebensdauer<br />
erhöhen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 109
FOTOS: ATS FORMEL 3 CUP/ALEXANDER TRIENITZ<br />
FRAGEN AN<br />
TEXT: ROBERT SEIWERT<br />
MARKUS POMMER<br />
DER ATS FORMEL 3 CUP IST DAS ABITUR DES MOTORSPORTS. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM WIRFT<br />
EINEN GENAUEN BLICK INS FAHRERLAGER UND PRÄSENTIERT HOFFNUNGSVOLLE TALENTE UND<br />
SPANNENDE GESCHICHTEN. DIESMAL: HALBZEITMEISTER MARKUS POMMER.<br />
Markus, die Startnummer 27 begleitet dich seit<br />
vielen Jahren. Wie kam es dazu?<br />
Da steckt keine große Geschichte dahinter: Das ist<br />
einfach mein Geburtsdatum. Die 27 hatte ich schon<br />
im Kartsport und meist hat sie mir Glück gebracht.<br />
Dieses Jahr hätte ich die Startnummer 1 im ATS<br />
<strong>Formel</strong> 3 Cup haben können, doch ich habe mich<br />
wieder für die 27 entschieden. In der AutoGP fahre<br />
ich aber mit der 1 auf dem Auto. Dadurch entstehen<br />
zwar hohe Erwartungen, aber das interessiert mich<br />
nicht.<br />
Mit einer Live-Strip-Webseite hast du einen eher<br />
ungewöhnlichen Sponsor auf deinem Auto...<br />
Ja, das stimmt! Damit falle ich im Fahrerlager sofort<br />
auf, und die Fans finden das super. Das ist wirklich<br />
mal kein langweiliger Sponsor, sondern eine coole<br />
Geschichte. Einer der Inhaber der Website wohnt bei<br />
uns im Dorf und wir kennen uns schon seit vielen<br />
Jahren - so kam diese Partnerschaft zustande. Am<br />
Ende ist es aber entscheidend, überhaupt einen<br />
Sponsor zu haben.<br />
Mit dem ATS <strong>Formel</strong> 3 Cup und der AutoGP hast<br />
du dieses Jahr ein anspruchsvolles Doppelprogramm.<br />
Wie gehst du damit um?<br />
Dieses Jahr starte ich an insgesamt 16 Rennwochenenden.<br />
Zu Beginn des Jahres mit all den Testfahrten<br />
war es ziemlich stressig, da war ich fast nur unterwegs.<br />
Der <strong>Motorsport</strong> nimmt schon einen sehr großen<br />
Teil meines Lebens ein, das stimmt. Aber der Erfolg<br />
ist da, und dann macht es gleich noch viel mehr Spaß.<br />
Außerdem fühle ich mich bei meinen Teams sehr wohl,<br />
das ist wichtig für einen jungen Rennfahrer.<br />
Du fährst dieses Jahr deine vierte Saison im ATS<br />
<strong>Formel</strong> 3 Cup. Welche Vorteile hast du gegenüber<br />
den anderen Fahrern?<br />
Das Zauberwort lautet ‚Konstanz‘. Die ist dank meiner<br />
Erfahrung viel höher als bei einigen anderen Fahrern.<br />
Ich kenne das <strong>Formel</strong>-3-Auto perfekt, kann konstant<br />
schnelle Runden abspulen und mache nur wenige<br />
Fehler. 2009, in meinem ersten Jahr in der Deutschen<br />
<strong>Formel</strong> 3, hatte ich zwar die Basics, um schnell zu<br />
fahren. Ich konnte den Speed aber nicht immer abrufen.<br />
Jetzt ist es für mich viel stressfreier, und mit dem<br />
Gewinn der Halbzeitmeisterschaft ging es ja auch<br />
gut los.<br />
Wie geht es für dich weiter im <strong>Motorsport</strong>?<br />
Eigentlich hätte ich dieses Jahr in der GP3-Serie<br />
fahren sollen, doch das hat leider nicht geklappt. Am<br />
liebsten würde ich nächstes Jahr in einer großen<br />
<strong>Formel</strong>serie fahren, aber auch die Indy Lights-Serie<br />
reizt mich. Der Seriensieger bekommt drei Rennen<br />
in der Hauptserie sowie die Teilnahme beim Indy<br />
500-Rennen gesponsert - das wäre natürlich der<br />
Hammer! Sollte es im <strong>Formel</strong>sport nicht weitergehen,<br />
könnte ich mir auch einen Wechsel in den GT3- oder<br />
Sportwagenbereich vorstellen.<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com ist offizieller Medien-Partner des ATS <strong>Formel</strong> Cup.<br />
110 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
ABENTEUER NORDSCHLEIFE<br />
EINMAL RUND UM DIE UHR IN DER GRÜNEN HÖLLE. WAS FÜR EINE AUFGABE! SO MEISTERTEN DAVID SCHIWIETZ UND<br />
BILLIGER.DE/RACING – POWERED BY KREMER RACING DIE GROSSEN HERAUSFORDERUNGEN IM RAHMEN DES<br />
LEGENDÄREN 24-STUNDENRENNENS AUF DEM NÜRBURGRING.<br />
TEXT: SÖNKE BREDERLOW<br />
DAS RENNEN: billiger.de/racing - powered by Kremer<br />
Racing erlebte kein einfaches 24-Stunden-Rennen:<br />
Nachdem die erste Hälfte problemlos verlief und sich<br />
der Porsche sukzessive nach vorne arbeiten konnte,<br />
folgte am Sonntag das Pech. Bereits am frühen Morgen<br />
wechselte das Team das Getriebe, wenig später<br />
mussten auch Teile am Motor getauscht werden. Kurz<br />
vor dem Ende sorgte schließlich auch noch ein Reifenschaden<br />
für Hektik. »Das Team hat großen Kampfgeist<br />
bewiesen und sich jeder Herausforderung<br />
gestellt«, war David Schiwietz nach der Zielankunft<br />
dankbar. »Dieser Erfolg ist nicht zuletzt den fleißigen<br />
Mechanikern zu verdanken!«<br />
VORBEREITUNG: Als Vorbereitung auf das Saisonhighlight<br />
nahm das Team zu Saisonbeginn bereits<br />
an einigen VLN-Rennen teil. Darüber hinaus stand<br />
für David Schiwietz intensives Training auf dem Programm.<br />
»Kraft- und Ausdauersport zählen zu meinem<br />
täglichen Programm«, so Schiwietz. Und auch die<br />
Mechaniker haben schon vor dem Langstreckenklassiker<br />
einen wahren Marathon hinter sich. »Der Porsche<br />
wurde bis ins kleinste Detail kontrolliert und<br />
komplett revidiert«, verrät der 25-Jährige.<br />
NACHTFAHRT: Die Dunkelheit stellt beim 24-Stunden-Rennen<br />
auf dem Nürburgring eine besondere<br />
Herausforderung dar. »Die Strecke ist nicht beleuchtet,<br />
lediglich die eigenen Scheinwerfer können einem<br />
helfen«, berichtet David Schiwietz. Dazu kommen<br />
die zahlreichen Fans an der Strecke, die in jedem<br />
Jahr eine riesige Party an der Nordschleife feiern.<br />
»Die farbigen Lichter und Scheinwerfer können irritieren.<br />
Da ist vollste Konzentration gefordert!«<br />
SCHLAF: Während zahlreiche Fans um die Nordschleife<br />
die Nacht zum Tag machen und auf Schlaf<br />
verzichten, kommen die Fahrer um eine kleine Erholung<br />
nicht herum. »Man kann für ein paar Minuten<br />
die Augen schließen und ein bisschen entspannen«,<br />
berichtet Schiwietz. »Dann geht es aber auch gleich<br />
wieder zurück ins Auto.«<br />
NORDSCHLEIFE: Keine Rennstrecke ist länger und<br />
gefährlicher als die legendäre Nordschleife des Nürburgrings.<br />
Im Gegensatz zu den modernen Rundkursen<br />
aus der <strong>Formel</strong> 1 eine große Herausforderung.<br />
»Die Nordschleife verzeiht keine Fehler«, weiß Schiwietz.<br />
»Auslaufzonen gibt es nicht, jede Unaufmerksamkeit<br />
endet in der Leitplanke.« Dazu kommt der<br />
Geruch nach frischen Bratwürsten, der nahezu 24<br />
Stunden lang über der Strecke hängt...<br />
David Schiwietz startet<br />
in einem Porsche auf<br />
der Nordshcleife<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 111
Wie meistern die Piloten des ADAC GT<br />
Masters die Regenmassen? Unser<br />
Kolumnist Maxi Buhk klärt auf<br />
TALENT - TIM GEORGI<br />
DAS NASSE ELEMENT<br />
TEXT: MARION ROTT<br />
WORAUF MUSS EIN RENNFAHRER BEI EINEM REGENRENNEN ACHTEN? JEDE MENGE! MOTORSPORT-<br />
MAGAZIN.COM KOLUMNIST MAXIMILIAN BUHK HAT IM ADAC GT MASTERS SCHON VIEL ERFAHRUNG MIT<br />
DEM NASSEN ELEMENT GEMACHT.<br />
DIE EINSTELLUNG:<br />
„Regenrennen sind spektakulär für die Zuschauer,<br />
aber ein Kraftakt für uns Fahrer. Natürlich versuche<br />
ich, jedes Regenrennen positiv anzugehen. Ich sage<br />
mir: Super, ein Regenrennen, klasse, das wird ein<br />
Spaß! In ein Regenrennen gehst du mit etwas mehr<br />
Anspannung. Du weißt nie, was passiert und ob dir<br />
der Regen diesmal hilft oder dich in die Pfanne haut.<br />
Regen ist eine echte Herausforderung. Sobald du<br />
einen kleinen Tropfen auf der Windschutzscheibe<br />
siehst, bist du sofort der Meinung, dass das Auto<br />
komplett quer kommt und du hast das Gefühl, die<br />
Strecke steht schon unter Wasser. Das ist natürlich<br />
Quatsch. Davon musst du dich frei machen, denn bei<br />
ein paar Tropfen kannst du normal weiterfahren.“<br />
DIE BODENHAFTUNG:<br />
„Erst wenn es dauerhaft regnet und die Feuchtigkeit<br />
stärker wird, beginnt das Auto zu rutschen. Der Grip<br />
wird weniger und du musst versuchen, die Ideallinie<br />
zu kreuzen. Dort ist der meiste Gummi und daher<br />
wird es dort rutschiger. Das heißt: Neben der Linie<br />
bremsen, außen die Kurven fahren und auch am<br />
Kurvenausgang weg von der Linie, um eine bessere<br />
Traktion zu haben.“<br />
DAS GEFÜHL:<br />
„Je heftiger der Regen wird, desto mehr gilt es<br />
natürlich, auf nasse Stellen auf der Strecke zu achten.<br />
Da kommt das Gefühl ins Spiel. Du musst einschätzen,<br />
ob du schneller durch die nasse Stelle<br />
oder über die rutschige Ideallinie bist. Richtig<br />
schwierig wird es auf Slicks. Dann ist Längshangeln<br />
und Gripsuchen angesagt. Dabei benutzt du schon<br />
mal die Kerbs der Schikanen, weil das Auto dann<br />
besser dreht und du es besser bewegt bekommst.<br />
Natürlich musst du auch immer die verschobenen<br />
Bremspunkte im Blick haben - glücklicherweise hilft<br />
uns das ABS da sehr. Auch das Herunterschalten<br />
verändert sich. Du versuchst, weniger aggressiv zu<br />
schalten und nicht so viel Motorbremse zu nutzen,<br />
weil das das Heck nervöser macht.“<br />
DER TEAMKOLLEGE:<br />
„Wir versuchen natürlich, uns als Teamkollegen<br />
untereinander zu helfen. Wenn Maximilian Götz und<br />
ich die gleichen Bedingungen haben, sagt er mir<br />
trotz der Hektik des Fahrerwechsels schon, dass ich<br />
in einem Sektor oder den Kurven drei bis fünf aufpassen<br />
muss, weil es nass ist. Wir geben uns gegenseitig<br />
Hinweise, auf was wir achten müssen. Sobald<br />
ich im Auto sitze und selbst fahre, wird alles Routine<br />
und meine Denkweise ist im Rennmodus. Wenn ich<br />
ihm aber von außen zuschauen muss, bin ich viel<br />
nervöser. Ich weiß nicht, was gerade in seinem Kopf<br />
oder dem Cockpit vorgeht und mir fallen immer<br />
Dinge ein, die schiefgehen könnten. Ich stehe einfach<br />
nur hilflos da und muss vielleicht sogar zusehen,<br />
wie ihm einer ins Auto fährt. Maximilian geht<br />
es da nicht anders, wenn er zum Zusehen verdammt<br />
ist. Aber letztlich gilt: Ob Sonne oder Regen - gewinnen<br />
können wir nur gemeinsam.“<br />
Als Rennfahrer<br />
muss man für alle<br />
Eventualitäten<br />
gerüstet sein<br />
112 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
DIE ZUKÜNFTIGEN<br />
CHAMPIONS<br />
Welche Linien sind die Besten? Wie fahre ich am besten bei Regen?<br />
Wie hat deine Karriere begonnen? - Colin Edwards stellte sich auf<br />
dem Sachsenring geduldig allen Fragen der Nachwuchstalente des<br />
ADAC Junior Cup powered by KTM. Fast zeitgleich vergas ADAC Pocket<br />
Bike Cup Fahrer Noah Paricio Rahe vor Aufregung alles, was er von<br />
seinem großen Vorbild Jorge Lorenzo wissen wollte. Doch der Mallorquiner<br />
begrüßte ihn mit offenen Armen und unterschrieb auf seinem<br />
Helm mit den Worten: Für den zukünftigen Champion Noah.<br />
Die ADAC MX Academy<br />
legte 2013 einen<br />
fulminanten Start hin<br />
FOTOS: ADAC MOTORSPORT<br />
Wie süß! Jorge<br />
Lorenzo und sein<br />
treuer Fan<br />
Team Deutschland<br />
greift erneut an<br />
ANGRIFF IN LETTLAND<br />
Neuigkeiten vom Motocross der Nationen: Ab 2014 ist der ADAC<br />
auf Wunsch des DMSB-Präsidiums für die Betreuung der besten<br />
deutschen MX-Fahrer verantwortlich. Hubert Nagl bleibt Teammanager.<br />
Nachdem die erfolgreiche Truppe aus Ken Roczen, Max<br />
Nagl und Marcus Schiffer mit Dennis Ullrich als Ersatzmann 2012<br />
im belgischen Lommel zum ersten Mal ganz oben auf dem<br />
Treppchen der Nationen stand, soll der Weltmeisterschafts-Pott<br />
2014 in Lettland zurückerobert werden.<br />
2015<br />
KOMMT DIE ADAC FORMEL 4<br />
Das ADAC <strong>Formel</strong><br />
Masters wird zur<br />
ADAC <strong>Formel</strong> 4<br />
Die Stars von morgen starten ab 2015 in der ADAC <strong>Formel</strong> 4! Die<br />
neue <strong>Formel</strong>-Nachwuchsserie soll ab der kommenden Saison<br />
das ADAC <strong>Formel</strong> Masters ersetzen. Dadurch soll ein durchgängiger<br />
Weg für junge Talente geschaffen werden – von der <strong>Formel</strong><br />
4 über die <strong>Formel</strong> 3 bis in die <strong>Formel</strong> 1. „Ich bin überzeugt, dass<br />
durch diese Meisterschaft der Grundstein für einige zukünftige<br />
F1-Fahrer gelegt wird“, sagt Gerhard Berger.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 113
IMPRESSUM<br />
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NÄCHSTE AUSGABE:<br />
MOTORSPORT-MAGAZIN #39 ERSCHEINT<br />
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