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Rede von Prof. Dr. Susanne Baer als PDF-Datei - Stiftung Denkmal ...

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Verurteilungen. 6 Manche Gerichte agierten auch deutlich homophob 7 , wenige<br />

andere hatten erhebliche ethische, eben substanzielle Bedenken.<br />

1957 entschied dann das Bundesverfassungsgericht, dass „Strafvorschriften<br />

gegen die männliche Homosexualität (§§ 175 f. StGB)“ 8 nicht <strong>als</strong> NS-Unrecht<br />

unanwendbar seien 9 . Zwei Männer, , die 1952 und 1953 zu Haftstrafen<br />

verurteilt worden waren, wollten rehabilitiert werden, da NS-Recht ihre Strafen<br />

trage. Das blieb ihnen verwehrt.<br />

Diese Entscheidung ist ein Lehrstück, in vielfacher Hinsicht.<br />

Die Beschwerdeführer hatten auch argumentiert, sie seien benachteiligt, weil<br />

lesbische Frauen nicht <strong>von</strong> Strafverfolgung bedroht seien. Das<br />

Verfassungsgericht meinte, , „weil der biologische Geschlechtsunterschied den<br />

Sachverhalt hier so entscheidend prägt,“ läge keine Ungleichbehandlung vor.<br />

Hier deutet sich nur an, wie problematisch solche Vergleiche zwischen<br />

Schwulen und Lesben sind. Sie lancieren - oft auch im Erinnern - eine<br />

Hierarchisierung der Opfer 10 und imitieren dann genau die<br />

Geschlechterpolitiken, die Homophobie tragen. Lesbisch – das war in der<br />

rigiden Heteronormativität - gerade auch des NS - einfach nicht wichtig genug,<br />

6 Vgl. Elmar Kraushaar: Unzucht vor Gericht. Die „Frankfurter Prozesse“ und die Kontinuität des<br />

§ 175 in den fünfziger Jahren. In: Elmar Kraushaar (Hrsg.): Hundert Jahre schwul – Eine<br />

Revue, 1997, S. 60–69. S.a. Christian Schäfer: Widernatürliche Unzucht (§§ 175, 175a, 175b,<br />

182 a. F. StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1945, 2006; auch Rahe in<br />

Eschebach (Hrsg.): Homophobie und Devianz, aaO., S. 141 ff.<br />

7 Sehr gespalten war auch die Haltung beim 39. Deutschen Juristentag in Stuttgart, wo eine<br />

knappe Mehrheit für die Straflosigkeit nach § 175 StGB und für eine Neufassung des § 175a<br />

votierte; vgl. Andreas Pretzel: NS-Opfer unter Vorbehalt: Homosexuelle Männer in Berlin nach<br />

1945, 2002, S. 306 f.<br />

8 Diese Kennzeichnung ist entlarvend: das Recht richtet sich gegen Homosexualität, bestraft<br />

werden aber bestimmte Handlungen. Die Entscheidung ist in der Sammolung der Urteile des<br />

Gerichts veröffentlicht: BVerfGE 6, 389. Sie findet sich online z.B. unter<br />

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv006389.html.<br />

9 Zudem verstießen sie nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht gegen den<br />

speziellen Gleichheitssatz der Abs. 2 und 3 des Art. 3 GG. Der Grundsatz der<br />

Gleichberechtigung sei nicht verletzt, weil Frauen biologisch anders seien <strong>als</strong> Männer,<br />

insbesondere sexuell; Lesben seien seltener und anders <strong>als</strong> Schwule und könnten deshalb<br />

auch unterschiedlich behandelt werden. Es sind krude Aussagen zu Sexualität und<br />

Geschlechterstereotypen, die dam<strong>als</strong> prägend waren. Sie lasen sich persiflierend lesen. Doch<br />

das scheint – nicht nur heute – unangemessen, denn es ging und geht um die Ausgrenzung<br />

<strong>von</strong> Menschen, und um die langen Schatten.<br />

10 Diese findet sich auch im Recht; dazu S. <strong>Baer</strong>, Ungleichheit der Gleichheiten? Zur<br />

Hierarchisierung <strong>von</strong> Diskriminierungsverboten, in: Eckart Klein/ Christoph Menke (Hrsg.),<br />

Universalität - Schutzmechanismen - Diskriminierungsverbote, 2008, S. 421-450.<br />

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