1,8MB PDF - Sternfeld.de
1,8MB PDF - Sternfeld.de
1,8MB PDF - Sternfeld.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
11.01.2005<br />
© Re 2005 39<br />
Erst geschröpft und dann beschimpft<br />
Im Ganzen wur<strong>de</strong>n die Sozialen Sicherungssysteme seit 1990 also in doppelter<br />
Hinsicht misshan<strong>de</strong>lt. Zuerst wur<strong>de</strong>n sie für die Finanzierung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Einheit herangezogen, obwohl für eine solche gesamtstaatliche Aufgabe<br />
ein<strong>de</strong>utig das Steuersystem zuständig gewesen wäre. Zugleich wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n daraus<br />
resultieren<strong>de</strong>n Klagen <strong>de</strong>r Arbeitgeber über zu hohe Lohnnebenkosten willig<br />
nachgegeben, in<strong>de</strong>m man ihnen die Umgehungs-möglichkeiten <strong>de</strong>r Mini-Jobs und<br />
<strong>de</strong>r Scheinselbstständigkeit eröffnete. Dadurch ging die Zahl <strong>de</strong>r Vollzeit-<br />
Versicherten weiter zurück, so dass man wie<strong>de</strong>r höhere Betragssätze benötigte,<br />
was als Ausdruck einer überzogenen sozialen Sicherung interpretiert wur<strong>de</strong>. Im<br />
Laufe <strong>de</strong>r Jahre ist so <strong>de</strong>n Medien und <strong>de</strong>r Politik ein <strong>de</strong>magogisches<br />
Meisterstück gelungen: Der in <strong>de</strong>n neunziger Jahren von <strong>de</strong>r Politik übel<br />
missbrauchte Sozialstaat wur<strong>de</strong> zum Schurken <strong>de</strong>s Gaunerstücks erklärt: Auf <strong>de</strong>r<br />
Anklagebank sitzen nicht die Politiker, die die Besserverdienen<strong>de</strong>n nach 1990 vor<br />
Steuererhöhungen schützten, son<strong>de</strong>rn die geschröpften Arbeitnehmer, <strong>de</strong>nen ein<br />
Mangel an „Eigenverantwortung“ vorgeworfen wird.<br />
Quelle:Bofinger, Peter: Wir sind besser als wir glauben, Pearsons Studium, 2005, S. 73