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»Ich werde dich nicht umbringen.«<br />

Der Junge führte Richards an der Hand die gewundene,<br />

mit Abfall übersäte Gasse entlang und von dort in einen weiteren<br />

Seitenweg. Kurz bevor der Weg in einen Lichthof zwischen<br />

zwei fensterlosen Hochhäusern mündete, zeigte der<br />

Kleine ihm eine aus geklauten Brettern und Ziegelsteinen zusammengezimmerte<br />

Bretterbude. Sie war nur circa einen Meter<br />

zwanzig hoch, und Richards stieß sich den Kopf, als er<br />

hineinkroch.<br />

Der Junge zog einen dreckigen Lappen vor den Eingang<br />

und fummelte in der Dunkelheit an irgend etwas rum. Einen<br />

Augenblick später fiel ein schwacher Lichtschein auf ihre Gesichter.<br />

Der Junge hatte eine Glühbirne an eine alte ausgediente<br />

Autobatterie angeschlossen.<br />

»Die Batterie hab' ich selbst geklaut«, verkündete er stolz.<br />

»Bradley hat mir gezeigt, wie man sie repariert. Er hat Bücher.<br />

Ich hab' auch noch eine Geldbörse. Die geb' ich dir,<br />

wenn du mich nicht umbringst. Aber das läßt du besser bleiben.<br />

Bradley gehört nämlich zu der Messerstecherbande.<br />

Wenn du mich umbringst, läßt er dich in deinen Stiefel scheißen<br />

und die Scheiße auffressen.«<br />

»Ich bringe niemanden um«, sagte Richards ungeduldig.<br />

»Jedenfalls keine kleinen Kinder.«<br />

»Ich bin kein kleines Kind! Ich hab' mir diese verdammte<br />

Batterie selbst geklaut!«<br />

Sein beleidigtes Gesicht ließ Richards nun doch etwas lächeln.<br />

»Na gut. Wie heißt du denn, Kind?«<br />

»Ich bin kein Kind!« Und dann, maulend: »Stacey.«<br />

»In Ordnung, Stacey. Hör zu, ich bin auf der Flucht.<br />

Glaubst du mir das?«<br />

»Klar, du bist auf der Flucht. Du bist ja nicht aus dem Gully<br />

gestiegen, um dir Pornopostkarten zu kaufen.« Er musterte<br />

Richards abschätzig. »Bist du ein Weißer? Is 'n bißchen<br />

schwierig zu erkennen bei all dem Dreck.«<br />

»Stacey, ich...« Er schwieg und fuhr sich mit der Hand<br />

durch die Haare. Als er weitersprach, schien er eher mit sich<br />

selbst zu reden. »Ich muß mich jemandem anvertrauen, auch<br />

wenn es nur ein Kind ist. Ein Kind. Junge, du bist ja noch<br />

nicht einmal sechs.«<br />

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