01.08.2014 Aufrufe

o_18u9lh92jqapqna13co93314sju.pdf

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Sein Vater hatte sich bei Nacht und Nebel davongeschlichen,<br />

als Richards fünf Jahre alt gewesen war. Er war damals<br />

zu jung gewesen, um sich jetzt noch an ihn zu erinnern. Aber er<br />

hatte ihn deswegen nie gehaßt. Er konnte es sehr gut verstehen,<br />

daß ein Mann, der zwischen Stolz und Verantwortung<br />

wählen mußte, sich für seinen Stolz entschied - wenn<br />

die Verantwortung ihm seine Männlichkeit raubte. Ein Mann<br />

kann nicht einfach herumsitzen und mitansehen, wie seine<br />

Frau das tägliche Brot auf ihrem Rücken verdient. Wenn ihm<br />

nichts mehr bleibt, als sich von der Frau aushalten zu lassen,<br />

die er geheiratet hat, kann er ebensogut gleich aus dem Fenster<br />

springen.<br />

Die Jahre zwischen sechs und sechzehn hatten sie sich mit<br />

Prostitution durchgebracht - er und sein Bruder Todd. Als er<br />

zehn war, war seine Mutter an Syphilis gestorben. Todd war<br />

damals sieben gewesen. Fünf Jahre später war auch er bei einem<br />

Unfall ums Leben gekommen. Er war von einem Zeitungslastwagen<br />

überfahren worden, dessen Bremsen sich<br />

gelöst hatten, während er ihn beladen hatte. Die Stadtbehörde<br />

hatte sowohl Todd als auch seine Mutter im städtischen<br />

Krematorium verbrennen lassen. Die Straßenkinder<br />

nannten es die Aschen- oder auch die Seifenfabrik. Sie wußten<br />

ja alle, daß sie höchstwahrscheinlich eines Tages auf dieselbe<br />

Weise die ohnehin schon verschmutzte Stadtluft noch mehr<br />

verpesten würden. Es machte sie bitter und zugleich hilflos.<br />

Mit sechzehn war Richards also ganz allein gewesen. Er<br />

arbeitete nach der Schule volle acht Stunden als Maschinenputzer.<br />

Trotz seines mörderischen Stundenplans hatte er<br />

noch Zeit, sich Gedanken zu machen. Er empfand eine permanente<br />

Angst, die von dem Gefühl herrührte, völlig verlassen<br />

und auf sich selbst gestellt zu sein. Manchmal schreckte er<br />

nachts um drei aus einem Alptraum hoch, roch den Abfallgestank<br />

seines Einzimmerapartments und verspürte tief in<br />

seinem Herzen nichts als Furcht und Entsetzen.<br />

Also hatte er geheiratet. Sheila hatte die ersten fünf Ehejahre<br />

ruhig an seiner Seite gelebt, während ihre Freunde<br />

(und Richards Feinde; er hatte viele Freunde gegen sich aufgebracht,<br />

weil er sich weigerte, an den nächtlichen Streifzügen<br />

teilzunehmen und sich einer Rockerbande anzuschlie-<br />

126

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!