Ausgabe 46 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG
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Sonderbeilage<br />
Fürstengraben<br />
Gute Filme im Mai 2013<br />
Hallo Jena! Beschwingt<br />
vom Wonnemonat<br />
schlagen wir für Euch<br />
die Saiten feinsten<br />
Indiekinos an: Der<br />
Paradiese dritter Teil,<br />
eine ziemlich punkige<br />
Buddykomödie, fünf<br />
Jahre Guantánamo<br />
und weitere Streifen<br />
voller Passion und<br />
Schauspielkunst aus<br />
allen Ecken der Welt<br />
gibt‘s nur bei uns.<br />
Genau Eure Tonart?<br />
Dann sehen wir uns<br />
im Schillerhof!<br />
Alle Spielzeiten<br />
finden Sie hier:<br />
www.schillerhof.de<br />
Kino im Schillerhof · Helmboldstr. 1<br />
ÖPNV: Straßenbahn 2, 3, Bus 14<br />
Infos: www.schillerhof.de<br />
Telefon: (03641) 52 36 53<br />
tägl. ab 16 Uhr, Sa/So ab 14 Uhr<br />
Saalbahnhofstr.<br />
Löbstedter<br />
Löbdergraben<br />
Am<br />
Anger<br />
Wenigenjenaer Ufer<br />
Helmboldstr.<br />
Schulstr.<br />
Schenkstr.<br />
Karl-Liebknecht-Str.<br />
Paradies: Hoffnung<br />
Man kennt dieses dicke Mädchen<br />
bereits aus „Paradies: Liebe“, wo<br />
sie sich vor deren Abreise nach Kenia<br />
mit ihrer Mutter stritt. Im dritten<br />
Teil von Ulrich Seidls Paradies-Trilogie<br />
steht Melanie im Mittelpunkt der<br />
Geschichte, die während der Ferien<br />
in ein Diät-Camp gebracht wird, wo<br />
sie gemeinsam mit anderen Kindern<br />
ihres Alters abnehmen soll. Gedrillt<br />
von einem erbarmungslosen Sportlehrer<br />
versuchen sich die Mädchen<br />
und Jungen ihre kleinen Freiräume<br />
zu erkämpfen, brechen nachts in die<br />
Küche ein und verschleppen Fressalien<br />
– was promt entdeckt und<br />
mit Strafmaßnahmen belegt wird.<br />
Der einzige Hoffnungsschimmer<br />
für Melanie in dieser Landschulheim-Tristesse<br />
ist der betreuende<br />
Arzt (Joseph Lorenz), mit dem sie<br />
heftig flirtet. Und der wesentlich<br />
ältere Mann nährt Hoffnungen des<br />
unbeholfenen Mädchens, um sie<br />
dann im nächsten Augenblick wieder<br />
brüsk zurückzuweisen.<br />
Wenn die Kinder wie Mehlsäcke<br />
an der Sprossenwand hängen oder<br />
durch den Pool paddeln, kommen einem<br />
unwillkürlich Bilder in den Sinn,<br />
wie man sie aus „Paradies: Liebe“<br />
kennt. Es mag in der Absicht Ulrich<br />
Seidls liegen, dass sich in der Geschichte<br />
der Tochter auch etwas von<br />
den Sehnsüchten der Mutter spiegelt.<br />
Auch verschränkt der Regisseur Motive<br />
und Themen der beiden Vorgänger,<br />
so dass ein ganzes Geflecht von<br />
Überkreuzungen und Querverweisen<br />
entsteht. Aber man müsste die Paradies-Trilogie<br />
gleichzeitig schauen,<br />
in Schichten übereinander gelagert,<br />
damit sich ein Gesamtbild ergibt.<br />
Was ganz sicher im Sinn bleibt ist<br />
das Lied am Schluss: „If you‘re happy<br />
and you know it, clap your fat!“<br />
Die Widerhaken, die dem Zuschauer<br />
sonst gerne mal das Lachen im Hals<br />
steckenbleiben lassen, weichen hier<br />
einem kindischen Refrain. Aber vielleicht<br />
war ja genau das die Absicht<br />
Seidls. J. Kurz<br />
A 2013, R: Ulrich Seidl, D: Viviane Bartsch, Melanie<br />
Lenz, Verena Lehbauer, Joseph Lorenz<br />
Paradies: Hoffnung<br />
Der Tag wird kommen<br />
Der Tag wird kommen<br />
We are Not Dead! Dieser ungemein<br />
kraftvolle Ausruf steht am Ende einer<br />
der verrücktesten Buddy-Komödien,<br />
die man sich vorstellen kann.<br />
Und Benoît Poelvoorde, seit „Mann<br />
beißt Hund“ das genialistische Enfant<br />
terrible des französisch-belgischen<br />
Films, darf eine seiner krassesten<br />
Rollen spielen.<br />
Auf dem Kopf versucht ein Mini-Irokese<br />
noch bei fortgeschrittenem Alter<br />
und rückschreitender Haarlinie<br />
den Geist des Punk hochzuhalten:<br />
Benoît Bonzini ist ein Fremdkörper<br />
in der Vorstadt-Konsumlandschaft,<br />
die wiederum ein Fremdkörper<br />
im Universum überhaupt ist. Hier<br />
lebt Benoît, der sich den Namen<br />
seiner Wahl „Not“ in die Stirn geritzt<br />
hat, Widerstand mit kindlich<br />
naiver Anarchie. Dazu gehört auch,<br />
Alkohol aus billigen, aber großen<br />
Dosen zu vernichten. In Begleitung<br />
eines treuen Hundes, der oft klüger<br />
wirkt als Benoît, findet er sich<br />
deshalb oft im Gebüsch des riesigen<br />
Parkplatzes wieder. Nur Mutters<br />
Geburtstag kann Benoît noch mit<br />
seinem Bruder Jean-Pierre, einem<br />
angepassten Betten-Verkäufer, zusammenbringen.<br />
Erst als der Spießer<br />
den Druck von Job, Familie und<br />
Konsum-Terror nicht mehr aushält<br />
und in einer grandiosen Koma-Aktion<br />
ausrastet, landen die Brüder in<br />
einem Boot. Oder Einkaufswagen.<br />
Diese kleine, aber großartige Rebellion<br />
im Einkaufszentrum ist der fünfte<br />
und ein besonders gelungener Spielfilm<br />
des Regieduos Gustave Kervern<br />
& Benoît Delépine. („Mammuth“,<br />
„Louise hires a Contract Killer“)<br />
Nun verbindet sich der ganz spezielle<br />
Spaß bei Kervern/Delépine mit<br />
ernster und dringend notwendiger<br />
Gesellschafts- und Konsumkritik.<br />
„Der Tag wird kommen“ ist meisterlich<br />
darin, die Tristesse von schäbigen<br />
Kneipen und durch Stadtplaner<br />
versauten Gegenden einzufangen.<br />
Kleine Bildwitze am Rande, herrliche<br />
Situationskomik, hintersinnig<br />
absurde Dialoge, aber vor allem die<br />
perfekten Darsteller machen diesen<br />
neuesten Anschlag auf „nettes“<br />
Kino meisterhaft. Günter H. Jekubzik<br />
F/B/D, 2012, R&B: Gustave Kervern, Benoît<br />
Delépine, D: Benoît Poelvoorde, Albert Dupontel,<br />
Brigitte Fontaine, Areski Belkacem<br />
Cannes 2012:<br />
Spezialpreis der Jury.<br />
Passion<br />
Nach langen Jahren kehrt Brian<br />
de Palma mit „Passion“ wieder zu<br />
dem Genre zurück, dass er wie kein<br />
anderer beherrscht: Dem erotisch<br />
aufgeladenen Psychothriller.<br />
Zunächst beginnt es ganz unscheinbar:<br />
Isabelle ist Art Designerin<br />
in einer Werbeagentur<br />
und arbeitet eng mit ihrer Chefin<br />
Christine zusammen. Diese ist in<br />
jeder Beziehung freizügig: Ihren<br />
Liebhaber schickt sie zusammen<br />
mit Isabelle zu einer Präsentation<br />
nach London, wohl wissend, dass<br />
sie im Bett landen werden. Ebenso<br />
freizügig heimst sie die Lorbeeren<br />
für Isabelles brillante Werbeidee<br />
ein. Bald realisiert Isabelle, welch<br />
falsches Spiel Christine spielt und<br />
beginnt, den Spieß umzudrehen.<br />
Doch in Christine hat sie eine skrupellose<br />
Gegenspielerin, die Isabelle<br />
bald so erniedrigt, dass diese zum<br />
massiven Einsatz von Beruhigungsmitteln<br />
greift. Und hier beginnt ein<br />
ganz anderer Film. Immer tiefer<br />
führt die Geschichte in mögliche<br />
Traumwelten, immer verschachtelter<br />
wird das Geflecht aus Traum<br />
und Realität.<br />
Wenn man akzeptiert, das „Passion“<br />
ein vollkommen artifizielles<br />
Gebilde ist, dass nicht den Anspruch<br />
hat, über den Zustand der<br />
Welt zu erzählen, dass er also jeglichen<br />
„Realismus“ ablehnt, dann<br />
kann man in eine fiebrige Traumwelt<br />
eintauchen, die de Palma bis<br />
zum Finale immer weiter auf die<br />
Spitze treibt. Doppelgänger, voyeuristische<br />
Momente, erotische Spannung,<br />
die sich ebenso leicht im<br />
sexuellen Akt wie in einem Mord<br />
entlädt, dazu mit Pathos aufgeladene<br />
Gesten, bombastische Musik<br />
und große Emotionen, – all das<br />
macht „Passion“ zu einem außerordentlichen<br />
Film, der in einer ganz<br />
eigenen Welt existiert: der von<br />
Brian De Palma. Michael Meyns<br />
D/F 2012, R: Brian de Palma, D: Rachel McAdams,<br />
Noomi Rapace, Karoline Herfurth, Paul Anderson<br />
Passion<br />
Filmkritiken aus www.programmkino.de · Mit freundlicher Genehmigung der AG Kino. Fotos: Verleiher · Aufmachung: Panetta & Co. · www.panettaco.de